Die Hochzeit zu Kana

Hinter dem Tisch sitzt die Hochzeitsgesellschaft, Christus in der Mitte. Vor dem Tisch geht ein Diener, der den Sturz von einer Schüssel hebt. Christus, die Linke auf die Brust gelegt, vollzieht mit segnender Gebärde der Rechten das Wunder am Wein. Maria erhebt neben ihm die anbetend zusammengelegten Hände. Auf der andern Seite beugt sich eine vornehme Dame im weißen „Krüseler“ lebhaft redend zu ihrem Partner am Ende des Tisches und reicht ihm, auf Christus weisend, ein grünes Glas mit dem umgeschaffenen Wein. Der dicke Herr streckt die Rechte dem Glas entgegen und bricht mit der Linken ein Stück Gebäck auf dem Tische durch. Wenn die Künstler anfangen, solche Bewegungen zu beobachten, bricht ein neues Zeitalter der Kunst an. Von den heiligen Personen und dem Pathos ihrer Gesten beginnt die Teilnahme sich auf die Nebenfiguren zu verlegen und auf die außerhalb der seelischen Erregung liegenden fast funktionellen Bewegungen, die halb unbewußte Arbeit dieser Hand, die den harten flachen Kuchen mit dem Rande gegen die Tischplatte drückt, um ihn mit Hilfe der Hebelkraft durchzubrechen, verdient als eine der frühesten Äußerungen des neuen Geistes besondere Aufmerksamkeit. Hinter der Dame ein Ritter mit Federbarett. Er legt, zum Schweigen auffordernd und sich nach Johannes umblickend zwei Finger auf den Mund: das Wunder! Der Jünger neben Maria (Petrus?) gehört zu einer Restauration des sechzehnten Jährhunderts. Der geschäftige Diener ist der einzige Anwesende, der von dem Vorgange nichts merkt.

Die Komposition ist ungemein inhaltreich. Farbig zerlegt sie sich von oben nach unten in vier Schichten. Zu Oberst der perspektivisch sehr gut aufgebaute grüne Baldachin mit violetten Häuschen und tiefschwarzer Decke. Darauf die bunte Schicht der Tafelnden, von dem Karmin und Grün der Christusfigur in der Mitte beherrscht. Dann das weiße buntgestreifte Tischtuch mit allen Geräten und Speisen darauf, die Ende des Vierzehntenjahrhunderts auf eine vornehme Hamburger Tafel kamen. Vorn unten der grauviolette Steintisch von den rotvioletten sechs Tonkrügen überschnitten. Der Diener in stumpfem Karmin ragt bis in die bunte Schicht der Tafelnden hinein.


Der Goldgrund ist schon fast beseitigt.

In dem Ritter, der Dame, dem dicken Herrn rechts und dem Diener hat der Meister Typen seiner eigenen Zeit geschildert. Am meisten Bildnis dürfte der dicke Patrizier mit dem Stoppelbart sein, im grauen, über der Stirn gescheitelten, sorgfältig gepflegten Haar mit blau und roter Kapuze im Nacken.

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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415