Die Gemälde

Es pflegte das Recht des Bestellers zu sein, die darzustellenden Stoffe zu bestimmen.

Bei den Bildern des Grabower Altars bin ich geneigt, in der „Wahl der Stoffe die Mitarbeit des Künstlers anzunehmen.


Die Folge von vierundzwanzig Darstellungen zerfällt eigentlich in vier Zyklen von je sechs Bildern. Drei davon, die Schöpfungstage, die Geschichte der ersten Eltern, das Marienleben, bilden eine geschlossene Einheit. Der vierte verteilt sich auf die Geschichte Kains und Abels, den Bau der Arche und die Geschichte der drei Erzväter. Auf der ganzen Bilderwand kommt also nur einmal eine einzelne Szene vor. Sonst wird beständig im Zusammenhange erzählt. Es hätte sich für die Auswahl der achtzehn Bilder aus dem alten Testament auch wohl ein anderer Grundsatz denken lassen. Man erhält den Eindruck, es ist eine Kraft dabei beteiligt gewesen, die Erzählung wollte, und sehr ausführliche Erzählung. Das dürfte eher aus einer Neigung des Künstlers als aus dem Bedürfnis des Priesters zu denken sein. Der Priester müsste eigentlich den Wunsch haben, in den achtzehn Bildern des alten Testamentes möglichst viel verschiedenen Stoff unterzubringen. Würde er wohl von selber darauf kommen, bei so knapper Zahl die Geschichte der ersten Eltern auf sechs Bildern erzählen zu lassen? Wo Simson fehlt und Noah sich mit einem Bilde begnügen muss?

Hier vermute ich die Hand des Künstlers, den es lockte, seine Kraft an die ausführliche Geschichte Adams und Evas zu setzen.

Dieser Zyklus ist wohl auch sein Hauptwerk geworden. Ich weiß nicht, ob die Geschichte der ersten Eltern jemals vorher oder nachher mit einer solchen Fülle zarter und tiefer Erfindung vorgetragen ist. Es lässt sich heute noch nicht sagen, welchen Rang einst das Übereinkommen dieser Dichtung Bertrams geben wird. Mir ist sie, je länger ich sie kenne, desto bedeutender erschienen, und ich wäre nicht verwundert, wenn ich erlebte, dass sie einmal mitgerechnet würde, wo die großen ursprünglichsten Äußerungen unseres Stammes aufgezählt werden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415