Die Beschneidung

Der Innenraum ist noch nicht vollkommen ausgedrückt, obwohl alle Einzelheiten angegeben sind, der Fliesenfußboden, der graue Steinaltar und der Chorabschluss der Architektur. Die Figuren sind aber wiederum nicht hinein sondern davorgestellt.

Maria reicht von links das Kind über den Altar. Sie hält es in einem langen weißen Tuch mit roten und blauen Querstreifen und Fransen. Der rechte Arm des Kindes hängt über ihr Handgelenk, der linke liegt über der Brust. Ruhig sieht das Kind, den rechten Arm hängen lassend, auf den Priester, der eben den Schnitt vollführt, dass das Blut spritzt. Der kleine Finger der Rechten drückt den linken Arm des Kindes an, die Linke hält den linken Fuß. Hinter Maria eine junge Frau, die mit einer beschwörenden oder beschwichtigenden Gebärde die Rechte erhebt. Der Kopf eines Mannes mit zwei Schellen auf der Schulter wird hinter ihr sichtbar.


Hinter dem Priester am Altar wartet ein kahlköpfiger Mann mit eirundem Schädel und langem weißen, vierspitzigem Bart auf die Reliquie und hebt den Deckel des türkisfarbenen Kästchens mit goldenen Beschlägen, zugleich auch erwartungsvoll die Augbrauen. Die Köpfe von drei Männern werden hinter ihm sichtbar.

Ungemein reich und mannigfaltig hat der Künstler die Farbe gewählt und benachbart. In der Gruppe links herrschen Weiß, Karmin und Hellblau begleitet von kleineren Flecken eines gelbschraffierten Brandrot, eines Gold mitgrün lasiert,eines Türkis mitgoldenem Muster. Die Gruppe rechts wird koloristisch durch den moosgrünen Mantel des Priesters beherrscht, den das Hellkarmin des Futters, das gelbschraffierte Brandrot des Untergewandes umspielt. Das Weiß der linken Seite klingt in dem flammenartig aufstrebenden Rand der Priestermütze an, das Blau kehrt wieder in dem Kopfstück dieser Mütze und — nach Türkis gebrochen — in dem Kasten in der Hand des wartenden Priesters. Es kommen noch hinzu das lichte aber stumpfe Violett eines Mantels mit gelbem, weißgehöhtem Futter, das über gold lasierte Kirschrot des Untergewandes.

Der Altar, der die Gruppen trennt, hat ein sehr vornehmes Grau, das durch hellgraue, dunkelgraue und bräunliche Haken und Striche belebt wird. Die Architektur dahinter ist rot, die Gewölbe sind schwarz gestrichen und durch Widerschein gelichtet. Bertram sucht offenbar das Licht des Innenraums auszudrücken.

363 Die Beschneidung


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415