Der Bethlehemitische Kindermord

Herodes wohnt auf seinem Throne der Szene bei. Ein roher Krieger, von vorn gesehen, hält im linken Arm ein nacktes Kind und durchbohrt ihm mit seinem Schwert den Leib. Das Kind sieht entsetzt zu ihm auf, fasst mit der Rechten nach der Wunde und hebt im Schmerz das rechte Bein. Die Mutter, schreiend und mit fliegenden Haaren von rechts herangestürzt, packt ihn mit beiden Händen an der Schulter. Hinter dem Mordenden beugt sich ein Gewappneter fragend gegen Herodes und zeigt mit der Linken auf die Frau, mit der Rechten auf den Kameraden, als ob er um den Befehl bäte, die Frau entfernen zu dürfen. Herodes weist mit der Rechten auf den Angegriffenen, der sich wohl selber helfen könne. Rechts am Boden hockt eine Frau. Sie drückt ihr gemordetes Kind an sich, dessen Kopf mit geschlossenen Augen zurücksinkt. Eine mitleidige Freundin wendet sich zu ihr. Am Boden neben dem Thron liegen die Leichen ermordeter Kinder.

Die Farbe wird von dem weißen, wattierten und abgesteppten Wams des mittleren Soldaten beherrscht.


Im weißen Bart und Haar des Herodes und im weißen Kopftuch der Frau am Boden klingt das Weiß wieder an. Das mittlere Weiß wird von dem Blau der Helme und Eisenhandschuhe umspielt. Blau ist auch der gemauerte Sitz des Thrones. Der hölzerne Baldachin ist grün, hat turmartige Ecken und hausförmige Aufsätze mit roten Dächern. Die Decke ist schwarz. Herodes trägt seinen kirschroten Mantel mit gelbem Futter auf der Schulter geschlossen, hat weite goldverbrämte Oberärmel über engen die Hand deckenden Unterärmeln. Der erste Krieger hat karmin Beinkleider enganliegend, der zweite einen weitärmligen grauen Rock an. Karmin klingt noch einmal an im Mantel der hockenden Frau, Brandrot rechts im Untergewand der Verzweifelten, die die Krieger anfällt, und in Kappe und Rock des Neugierigen hinter dem Thron des Herodes.

Das Physiognomische ist sehr bedeutend in dem Kopfe des fragenden Soldaten, dem des mordenden, dessen Augen vom Helm überschnitten werden, und der verzweifelten Mutter.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meister Bertram tätig in Hamburg 1367-1415