Die roten Böttger-Steinzeuge

Die ersten roten Steinzeugarbeiten — schon im Jahre 1710 konnten auf der Leipziger Ostermesse für 3,357 Taler 7 Groschen von diesen Erzeugnissen verkauft werden — sind unbezeichnet. Es ist für den Sammler nicht leicht, unbezeichnetes echtes rotes Böttgersteinzeug von seinen, heutzutage in der Hauptsache aus Böhmen kommenden Nachbildungen zu unterscheiden. Wertvolle spezielle Unterscheidungsmerkmale gibt Berling (vgl. Anm. 8); im allgemeinen darf gesagt werden, dass die Masse der meisten Nachbildungen von rotem Böttgersteinzeug nicht so hart ist wie dieses, dessen Scherben bekanntlich nicht saugend ist (vgl. S. 191) Ein Schnitt mit einem scharfen Messer in den Bodenrand des angebotenen Gefäßes ist häufig ein ganz vortreffliches Mittel, um die Nachbildung von dem echten Stück zu unterscheiden; die Nachbildung läßt sich, weil das Material weich ist, ritzen, das echte Stück bleibt unverletzt. Eine Ausnahme hierbei macht allein das sehr harte Kamenzer Steinzeug.

Lange freilich blieben die sogenannten roten Steinzeuge Böttgers — in Wahrheit unterscheidet man ja rotbraune, braune und schwärzlichbraune (vgl. Anm. 8) — nicht unbezeichnet; als die Konkurrenzunternehmen Meißens in Steinzeug, vor allem die Fabrik des Herrn V. Görne in Plaue a. d. H. (vgl. Anm. 8) für ihre Erzeugnisse größeren Absatz gewannen, entschloß man sich in Meißen zur Bezeichnung jedes fertigen Stückes, jedoch in einer Form, die es gegenüber Konkurrenzerzeugnissen als Meißner Erzeugnis kennzeichnete. Zunächst geschah dies, indem man die Kurschwerter etwa in der Zeichnung der Abbildung Nr. 2 in die Bodenfläche einschnitt. Dieser Schutz des Böttgersteinzeugs war natürlich ein sehr problematischer, denn die Fabriken des 18. Jahrhunderts, welche es nachbildeten, scheuten sich so wenig wie die Fälscherfabriken der Gegenwart, ihre Erzeugnisse mit sächsischen Kurschwertern oder ähnlichen Darstellungen zu zeichnen, um damit höhere Preise und größere Nachfrage zu erzielen. Echte Stücke mit der Kurschwertermarke gehören zu den größten Seltenheiten; im Handel dürften sie überhaupt nicht mehr zu finden sein.

Man kam nunmehr auf die Anwendung von eingepressten oder eingeschnittenen Marken der folgenden Art: (siehe Abbildung Porzellansammlung zu Dresden Nr. 3—16 und Sammlung zu Gotha Nr. 17 und Nr. 18)


Bei allen diesen Marken handelt es sich noch nicht um sogenannte Fabrikmarken, die die mit ihnen bezeichneten Stücke als Meißner Erzeugnisse charakterisieren sollen. Vielmehr wurden diese Zeichen wohl nur zu dem Zwecke benutzt, um Stücke, mit denen man Versuche machte, nach dem Brande wieder zu erkennen. Sie finden sich, worauf Zimmermann hinweist*), daher fast ausnahmslos an Stücken, die nicht besonders geglückt sind. Wenn man, was sehr selten der Fall ist, schon auf Böttgersteinzeugen der bekannten Schwertermarke in der Darstellung wie in Abb. 19 begegnet, so handelt es sich da diese Marke erst mehrere Jahre nach Böttgers Tode in Aufnahme kam, als (nach Berling)**) die Begründung der ersten Konkurrenzfabrik in Wien die Einführung einer Schutzmarke nötig machte, entweder um eine nachträgliche Bezeichnung von Nr. 19. Stücken, die noch zu Böttgers Lebzeiten hergestellt, aber erst zu einer Zeit zum Verkaufe kamen, als schon jedes aus der Fabrik hervorgegangene Porzellanstück das Abzeichen erhielt, oder um Stücke, die erst nach Böttgers Tode hergestellt worden waren. Aber bekanntlich war das nur noch sehr selten der Fall.

Schließlich sind noch zwei Marken von rotem Steinzeug anzuführen, die Grässe***) als Böttgermarken bezeichnet hat. Es sind die folgenden:

*) Zimmermann, Ernst, „Die Erfindung und Frühzeit des Meißner Porzellans“. Berlin 1908. S. 122.

**) Berling, Karl, „Das Meißner Porzellan und seine Geschichte.*' Leipzig 1900. S. 155.

***) Grässe, J. G. Theodor, Guide de l'amateur de Porcelaines et de Poteries. Leipzig, 1877.



Da aber nicht anzunehmen ist, dass Böttger Marken von Nachahmern seiner Erfindung, zu denen Ary de Milde so gut wie Jacobus de Caluwe (vgl. Anm. 8) gehörte, verwendete, so scheint die Berlingsche Annahme die richtige zu sein, dass rotes Steinzeug mit diesen Bezeichnungen trotz seiner völligen Übereinstimmung in Masse wie in Ausführung mit dem Böttgerschen Fabrikate nicht aus Meißen stammte. Denn es findet sich in den Akten, welche die Manufaktur angehen, nirgends ein Nachweis für die von verschiedenen Seiten aufgestellte Behauptung, zwei holländische Töpfer namens Ary und Jan de Milde seien unter Böttger in Meißen tätig gewesen. Dagegen ist aus alten Delfter Meisterlisten (der Lucasgilde) bekannt, dass dort ein Kunsttöpfer Ary Jans oder Hans de Milde als Leiter der Fayencefabrik von Wouter van Eenhorns gerade in der Zeit tätig war, die hier für seine Tätigkeit unter Böttger (in den Jahren 1707 — 1720) in Frage käme, und ferner, dass ein Jan de Milde 1707 als Werkführer in der Fabrik von Cornelis Hollaert in Delft wirkte. Auch die Annahme hat keinerlei Nachweis gefunden, dass die beiden de Milde nur nach Meißen gekommen seien, um einmal sich in den Besitz des Verfahrens zur roten Steinzeugherstellung, zum anderen von den zu ihr notwendigen Materialien (dem roten Ton von Okrilla) zu setzen und dann selbständig die Herstellung in Holland zu betreiben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meißner Porzellan
Nr. 2 Diese Kurschwerter wurden beim Böttgersteinzeug in die Bodenfläche eingeschnitten

Nr. 2 Diese Kurschwerter wurden beim Böttgersteinzeug in die Bodenfläche eingeschnitten

Nr. 3-16 Eingepresste oder eingeschnittene Marken

Nr. 3-16 Eingepresste oder eingeschnittene Marken

Nr. 17 Sammlung zu Gotha

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Nr. 18 Sammlung zu Gotha

Nr. 18 Sammlung zu Gotha

Nr. 19. Diese Marke kam erst mehrere Jahre mach Böttgers Tod in Aufnahme

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Nr. 20. Angebliche Marken von rotem Böttger-Steinzeug

Nr. 20. Angebliche Marken von rotem Böttger-Steinzeug

Nr. 21. Angebliche Marken von rotem Böttger-Steinzeug

Nr. 21. Angebliche Marken von rotem Böttger-Steinzeug

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