Die Entwicklung unter Böttger 1709 bis 1719

Zweimal bisher hat die Kunst Chinas und Japans das europäische Kunstgewerbe mächtig und nachhaltig beeinflusst. Unter der Wirkung des zweiten, jüngeren Einflusses stehen wir zum Teil noch; den ersteren, älteren vermittelte im 16. und 17. Jahrhundert der schon erwähnte Handel der Portugiesen und Holländer mit ostasiatischen Kunsterzeugnissen. Dieser Einfluss hat sich bis tief in das 18. Jahrhundert hinein bemerkbar gemacht.



Soweit keramische Produkte von diesem künstlerischen Einflüsse Chinas und Japans berührt wurden, zeigten sich die Wirkungen der Einfuhr ostasiatischer Kunstgewerbeerzeugnisse längst vor dem Aufkommen des europäischen Porzellans. Es war um die Wende des 15. Jahrhunderts, als in den Besitzstandverzeichnissen fürstlicher Schatzkammern zuerst „orientalische Porcellana“ Erwähnung finden. Um diese Zeit kam in Italien die Majolika auf. Sie bedeutete einen eminenten technischen Fortschritt gegenüber dem bis dahin gebräuchlich gewesenen rohen irdenen Geschirr, bot auch in bezug auf den künstlerischen Dekor bisher nicht gekannte Möglichkeiten dar, war jedoch, was bis heute so geblieben ist, nicht mit dem ostasiatischen Porzellan zu vergleichen (vgl. Abb. 3). Es ist daher begreiflich, dass schon das 16. Jahrhundert den Wunsch hatte, das echte, harte Porzellan zu besitzen, die feine, weiße, durchscheinende, vom Feuer unverletzliche, im heißen Wasser nicht springende, mit einer unzerstörbaren Glasur überzogene, der farbigen Dekoration über und unter der Glasur wunderbar zugängige Masse, die einen Bestandteil unbedingt fordert, den weder die chemische Wissenschaft des 16. Jahrhunderts noch dessen Technik kannte — das Kaolin (Anm. 6). „Wo kein Kaolin, da ist kein Porzellan“, sagt mit Recht Jakob v. Falke*). Die ersten Porzellanbereitungsversuche mögen in Italien etwa gleichzeitig mit der ersten Majolikaherstellung begonnen haben, freilich nicht mit dem gleichen Erfolge, und die erste Stätte, wo sie unternommen wurden, mag Venedig gewesen sein. Dort beschäftigte sich im Jahre 1470 ein gelehrter Alchimist, Meister Antonio, mit Nachbildungsversuchen von ostasiatischem Porzellan, und etwa ein halbes Jahrhundert später erklärte ein anderer Venetianer, Leonardo Peringer, dass er „alle Arten Porzellan, wie die transparenten der Levante“ herstellen könne. Von den Arbeiten dieser beiden Männer ist nichts erhalten geblieben, wir wissen also nicht, welcher Art sie waren, ob vor allem echte Porzellanerde, Kaolin, in ihnen enthalten war. Die Bemühungen der beiden Venetianer um die Porzellanerfindung wurden nicht fortgesetzt; ihre Herstellungsgeheimnisse, wenn sie solche überhaupt besessen haben, sanken mit ihnen ins Grab. Zum dritten Male tauchte etwa fünfzig Jahre später in Italien der Versuch auf, chinesisches Porzellan nachzubilden, diesmal fast gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen, in Ferrara und Florenz. In Ferrara war es Herzog Alfons II., der zwei seiner Alchimisten, die als Majolikakünstler berühmt gewordenen Camillo und Battista Gatti von Urbino veranlaßte, hartes Porzellan zu bereiten. Auch von den Ergebnissen ihrer Arbeiten ist nichts erhalten geblieben; wenn sie überhaupt das Geheimnis der Porzellanherstellung lösten, so nahmen auch sie es mit sich in den Tod. In Florenz führten die unter der Regierung des Großherzogs Francesco Maria von Toscana (1574 — 1587) von einem anderen Camillo von Urbino unternommenen Versuche, das echte asiatische Hartporzellan nachzubilden, zur Herstellung des sogenannten Medizeer-Porzellans, einer Art von Steinzeug mit Glasfritte, das in seinem Dekor sich an chinesische oder für chinesisch angesehene persische und vorderasiatische Vorbilder**) anschloß. Von diesem „Porzellan“ ist eine geringe Anzahl von Stücken erhalten geblieben, keines von ihnen ist ohne Fehler im Brande und Dekor. Zu Vervollkommnungen des Materials, zur Gewinnung einer wirklich porzellanartigen, harten, durchscheinenden, feuerbeständigen Masse führten die Versuche nicht, obwohl sie mehrere Jahrzehnte fortgesetzt wurden.

Die Wirkung der Einfuhr ostasiatischen Porzellans zeigte sich natürlich nicht nur in den Versuchen seiner Nachbildung, sondern auch in anderen keramischen Erzeugnissen, vor allem in Fayencearbeiten, z. B. in den venetianischen Majoliken des 16. Jahrhunderts. Das Leipziger Kunstgewerbemuseum besitzt u. a. einen venetianischen Fayenceteller (vgl. Abb. 4), der in seinem Spiegel das Allianzwappen zweier Augsburger Patrizierfamilien zeigt, während die Umrandung und der Boden des Stückes mit Blumen- und Pflanzenornamenten nach orientalischem Vorbilde dekoriert sind. Mehr noch und in größerer künstlerischer Vollendung machte sich die holländische Fayenceindustrie des 17. Jahrhunderts die chinesischen und japanischen Vorbilder für ihre Zwecke zu eigen; in der Formengebung wie im Dekor bildete sie die ostasiatischen Porzellane so getreulich nach, dass ihre Erzeugnisse äußerlich vollkommen mit den fremden Porzellanen in Wettbewerb treten konnten (vgl. Abb. 5). Einer Erklärung hierfür bedarf es kaum. Holland war ja neben Portugal dasjenige Land, das zuerst das kostbare fremde keramische Gut nach Europa brachte; daher waren nach den italienischen Majolikakünstlern die holländischen Töpfer mit die ersten, welche es nachzubilden versuchten. Nun ist zwar die "feine“ Delfter Fayencemasse ein sehr fester, gelblichweißer Ton mit harter milchig- oder bläulichweißer Glasur; aber der Scherben dieser Masse ist, da ihr das Kaolin fehlt, saugend, ist eben ein Fayencescherben, und alle scheinbare äußere Ähnlichkeit mit Porzellan kann ihn nicht zu Porzellan machen. Da bei dem nach Europa eingeführten chinesischen und japanischen Porzellan dasjenige mit blauer Dekoration das häufigste war, so wurde diese Farbe auch von den Delfter Töpfern zumeist zur Dekoration benutzt. Man kann sich hieraus die noch heute in Geltung befindliche Bevorzugung der blauen Dekoration auf Delfter Fayencen erklären.

Diese Delfter Nachbildungen chinesischer und japanischer Porzellane wurden zu Vorbildern für die gesamte europäische Fayencefabrikation; es wundert uns daher nicht, dass auch Böttger, als ihm die Herstellung der roten Steinzeugmasse gelungen war, seinen Gefäßen zunächst Formen und Reliefzierrat gab, die sich enge an chinesische und japanische Vorbilder (vgl. Abb. 6) anschlössen, ja mehrfach direkte Nachbildungen dieser waren. War doch zudem die Sammlung seines königlichen Herren an chinesischem und japanischem Porzellan, auch an chinesischem Steinzeug, dem sogenannten „boccaro“, mit dem schönsten und besten ausgestattet, was von den fremden keramischen Erzeugnissen bis dahin nach Europa gebracht worden war. Um so größer ist Böttgers und seiner ersten künstlerischen Mitarbeiter Verdienst, dass sie nicht bei den fremden Formen, bei der zwar höchst malerischen, aber dem abendländischen Geschmack auf die Dauer nicht zusagenden orientalischen Dekorationsweise stehen blieben, sondern, freilich immer unter Beibehaltung der fremden Grundformen, den um die damalige Zeit in Deutschland herrschenden Stil des Barocks Wirkung gewinnen ließen (vgl. Abb. 7). Dem Auge des Künstlers und Kunstgelehrten von heute will freilich kaum etwas natürlicher erscheinen als dieser sehr frühzeitige, der Erfindung des roten Steinzeugs bezl. des weißen Porzellans sich fast unmittelbar anschließende Einfluss des Barocks auf Architektur und Ornamentik dieser keramischen Produkte. Denn was anderes als eine Barockkunst ist letzten Endes die chinesische und japanische Porzellankunst mit ihren oft genug launenhaft abspringenden Formen, ihren kapriziösen Ornamenten. Jakob von Falke hat ganz recht, wenn er von dem ostasiatischen Porzellan sagt*): „Im Wesen waren ja auch die Kunstformen des Chinesentums ein Rokoko, und so brauchte nicht einmal (in der Frühzeit des Meißner Porzellans, also noch unter Böttger) der Charakter geändert zu werden.“

Besonderen Einfluss auf die Formengebung und Verzierung des roten Steinzeugs wie auch des ersten Porzellans scheint der Hofsilberarbeiter Johann Jacob Irminger d. Ä. geübt zu haben. Schon im Jahre 1710 beauftragte ihn der König**)

„bei dero Porcellain-Fabrique hülfreiche Hand zu leisten und auf solche Inventiones zu dencken, damit teils außerordentlich große, teils andere Sorten sauberer und künstlicher Geschirre möchten gezeuget werden“.

*) Jakob V. Falke, „Ästhetik des Kunstgewerbes. Ein Handbuch für Haus, Schule und Werkstätte“. Stuttgart, Verlag von W. Spemann. S. 235, 236.

**) Seidlitz, „Die Meißner Porzellanmanufaktur unter Böttger.“ Neues Arch. f. Sachs. Geschichte und Altertumskunde, Band IX. S. 115 ff. (Dresden 1888)


Für den Wunsch des Königs, dass die Steinzeug- und Porzellanerzeugnisse Böttgers nicht ausschließlich chinesischen und japanischen Vorbildern nachgeformt und nachdekoriert, sondern auch im Geiste des herrschenden (Barock-) Geschmackes gebildet und verziert werden möchten, spricht die Stelle aus einem Irminger angehenden Aktenstücke, dass das inländische Porzellan dem

„indianischen an allerhand Façons und großen auch massiven Stücken als Statuen, Kolumnen, Servicen u. s. w. weit übergehen möchte“.

Das plastische Talent Irmingers war in der Tat ein so frisches und bewegliches, dass das Vertrauen des Königs in diesen Künstler voll berechtigt war; Böttger selbst bestätigt die befruchtende Tätigkeit dieses ersten europäischen Porzellanmodellierers, indem er von ihm sagt:

„Er hat gemacht aus schlechten Töpfern guthe Künstler und sich Müht geben, dem Werck mit Rath und That von Zeit zu Zeit zu assistiren.“

Die Porzellansammlung zu Dresden legt beredtes Zeugnis von der fleißigen und ergebnisreichen Tätigkeit Irmingers ab; er entwarf nicht nur zahllose Formen für Eß- und Trinkgeschirre, sondern auch für Vasen (vgl. Tafel III) und Krüge, Leuchter, Schalen und Büchsen, ja selbst für Reliefdarstellungen, Büsten, kleine Figuren und Kruzifixe. Da die rote Steinzeugmasse (Anm. 8) sich ausgezeichnet polieren, schleifen und gravieren ließ, so blieben die Irmingerschen Arbeiten nicht auf die Formengebung allein beschränkt; man verzierte die Flächen der Gefäße reich mit aufgesetzten Ornamenten und erhöhte diese durch aufgetragene Goldund andere Farben oder man gab ihnen kunstvolle Schleifmuster (vgl. Abb. 8). Die zunächst auch hier vorzugsweise dem ostasiatischen Vorbilde nachgeschaffenen Dekors wurden später ebenfalls durch solche ersetzt, die dem herrschenden Geschmacke entsprachen, also im Charakter des Barocks gehalten waren. Auf wessen Einfluss diese künstlerisch ganz ausgezeichnet wirkenden Bemalungen und plastischen Verzierungen zahlreicher roter Porzellangebilde zurückzuführen sind, läßt sich heute nicht mehr sicher nachweisen; es scheint der Zeichnenlehrer Blumenthal gewesen zu sein, der seit dem Jahre 1711 in der Besoldungsliste der Böttgerschen Unternehmung mit aufgeführt wird. Ihm standen als Gehilfen der Goldarbeiter Johann Carl Bahr, der Maler Johann Schäffler, der Lackierer Martin Schnell und der Filigranarbeiter Stefky zur Seite.

Das Glühen der Geschirre besorgte der Holländer Peter Eggebrecht, den man sich von Berlin hatte kommen lassen, das Drehen und Formen der Hoftöpfer Fischer. Dieser letztere scheint seine Tätigkeit indessen nicht lange ausgeübt zu haben, da er den Ansprüchen Irmingers nicht genügte. Ersetzt wurde er zunächst wohl durch Eggebrecht, der seine Ausbildung in Delft erhalten hatte und mit den Formen vertraut war, die Irminger entwarf. Eggebrecht bildete sich mit der Zeit drei Gehilfen heran, die Töpfer Peter Geitner, Joh. Georg Krumbholz und Gottfr. Lohse. Der anstelligste davon scheint der aus Pirna herbeigeholte Geitner gewesen zu sein, der die Gefäße auf der Töpferscheibe aufdrehte.

Schon die Masse des roten Steinzeugs versuchte Böttger in den Dienst der reinen Kunst zu stellen. Mit Recht hebt Zimmermann*) das niemals bisher gebührend gewürdigte Verdienst Böttgers hervor, das er sich damit um die keramische Plastik erwarb. „Zum ersten Male seit der Antike“, so sagt Zimmermann, „gab es nun wieder eine spezifisch keramische Skulptur ... So ist Böttger auch Begründer der neueren keramischen Plastik geworden und hat dadurch die europäische Kunst um ein beträchtliches und sehr reizvolles Gebiet erweitert.“

*) Zimmermann, Ernst, „Die Erfindung und Frühzeit des Meißner Porzellans“, S. 143 ff.

Begonnen wurde mit unmittelbaren Abformungen chinesischer Porzellanvorbilder aus den Sammlungsbeständen des Königs; hierher gehört z. B. eine Kuaninstatuette (Abb. 9), die sich im Besitze der Dresdner Porzellansammlung befindet. Aber bald machte man sich auch schon hier von der Nachbildung der ostasiatischen Vorbilder frei und versuchte, Arbeiten im europäischen Geschmack herzustellen. Freilich handelte es sich auch dabei zunächst wohl nur um reine Abformungen. So stellt sich z. B. der kleine Apollokopf (Abb. l0) der sich ebenfalls in der Dresdner Porzellansammlung befindet, als eine Nachbildung von Lorenzo Berninis Marmorgruppe Apollo und Daphne (in der Villa Borghese zu Rom) dar: ein großer Kinderkopf ist wohl einer Arbeit Fiammingos, und ein Vitelliuskopf ist einem antiken Vorbild nachgeschaffen worden. Auch diese Stücke befinden sich in der Dresdner Porzellansammlung.

Alle diese Stücke wurden geformt, was sich schon aus dem Vorkommen von Formennähten bei den meisten von ihnen ergibt. Daneben aber wurden von einem Plastiker — Irminger war es auf keinen Fall — , dessen Name unbekannt geblieben ist, auch schon Einzelarbeiten von erstaunlicher bildnerischer Kraft hergestellt. Eines der schönsten Stücke dieser Art ist das im Museum zu Gotha befindliche Kruzifix (Tafel V), und weiter sei hingewiesen auf sechs Figuren aus der italienischen Komödie (Abb. 11), die später auch in Porzellan dargestellt wurden. Endlich gehört hierher auch eine Porträtfigur Augusts des Starken (Abb. 12), die den König im Harnisch und Mantel, mit dem Marschallstab in der Rechten, mit stolz erhobenem Haupte zeigt. Die bisherige Annahme, dass es sich bei dieser in mehreren Abarten vorhandenen Statuette um eine Arbeit Johann Christ. Ludwig Lückes handelt, läßt sich nicht aufrechterhalten, denn dieser wurde erst 1705 geboren, während jene Königsfigur wohl schon um das Jahr 1711 herum entstanden ist.

War die Zusammensetzung der Masse und Glasur des weißen Porzellans Böttger im Jahre 1709 geglückt, so gelang die fabrikmäßige Herstellung wohl erst fünf Jahre später, im Jahre 1713. Zur Bereitung der Masse wurde in der ersten Zeit vorwiegend der Colditzer Ton verwendet. Da dieser stark eisenoxyd- und titanhaltig war, so brannte sich das zunächst gewonnene Porzellan nicht rein weiß, sondern gelblich und war, trotz der reichlichen Verwendung von Alabaster als Flussmittel, nur wenig durchscheinend. Infolge der späteren Verwendung der sogenannten „Schnorrschen Erde“ besserte sich die Farbe, wenngleich sie niemals zu Böttgers Zeit das reine Weiß der späteren Perioden erhielt. Böttgerporzellane in durchaus weißer Masse sind nach Zimmermann als spätere Nachbildungen und Ausformungen Böttgerscher Modelle anzusehen. Die Glasur der frühesten Stücke ist ziemlich zähe und liegt dicker auf als später, ist aber bereits von großer Glätte und Sauberkeit.

Die größte Schwierigkeit bereitete mangels ausreichender Öfen in der ersten Zeit das Brennen. Ein Teil der Stücke mißriet immer, und auch von den gelungenen zeigten viele Brandrisse, andere zusammengeflossene Glasur, sodass, z. B. zwischen den Reliefauflagen der Gefäße, eine grünlich-glasige, blasige Schicht entstand.

Die Gefäße mit Reliefauflage nach Art des Steinzeugs blieben zumeist unbemalt (Abb. 13). Die ersten tastenden Versuche, das Porzellan farbig zu dekorieren, machte Böttger mit Lackfarben (Abb. 14), und zwar geschah das, um den Reliefbelag wirksamer von der Gefäßfläche loszulösen. Hierbei wurden stilisierte Ornamente in der Regel kalt vergoldet, Blumen und Blätter dagegen bunt bemalt. Unmittelbar auf die Gefäße wurden Lackfarben nur in seltenen Fällen aufgetragen.

Auch der Emailmalerei (Abb. 15) wandte sich Böttger schon frühzeitig zu, wenn auch nicht mit besonderem Erfolge, sodass sein Ehrgeiz starke Anregungen zur Vervollkommnung dieser Dekorationsart erhalten hätte. Die Emailfarben waren zwar leuchtend im Ton, aber es fehlte ihnen der rechte Emailcharakter; die Silberfarbe spielte stark ins Schwärzliche. Am besten gelang noch eine rosaviolette Lüsterfarbe, „Perlmutterglasur“ (Anm. 9) genannt, die, in der folgenden Periode ganz außerordentlich vervollkommnet, später eine große Rolle im Betriebe Meißens gespielt hat. Sie wurde sowohl zur Darstellung von Ornamenten (Abb. 16), in diesem Falle vielfach von Goldkonturen begleitet, wie auch als Fondfarbe benutzt.

Auch die Emailfarben dienten zunächst nur zur Belebung des Reliefwerks. Dann aber verwendete man sie auch zur Dekorierung der glatten Flächen. Und schon in dieser Frühzeit findet man hier neben Borten- und Kantenmustern, Blatt- und Blütenranken und Fruchthaufen sogenannte Chinoiserien (Abb. 17), ja sogar größere Kompositionen mit reichem Figurenwerk in Anlehnung an Gemälde von Watteau. Zimmermann freilich glaubt, dass die zuletzt genannten Malereien schon der Zeit unmittelbar nach Böttger angehören. Ihr Urheber ist allem Anscheine nach der Maler und Goldarbeiter Funke gewesen, der seit dem Jahre 1713 für die Manufaktur tätig war.

Die Blaumalerei unter Glasur führte während der Böttgerzeit zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Trotz der vielen Bemühungen gerade um sie, geriet sie immer entweder zu blaß oder zu dunkel in der Farbe, verschwommen im Ornament.

Auch die plastischen Erzeugnisse dieser Zeit sind keineswegs bedeutungsvoll, nicht annähernd so groß, wie es die im Steinzeug waren. Anfangs beschränkte man sich vollkommen auf die Abformung chinesischer Stücke, oft unter Verwendung derselben Formen, die für die Steinzeugplastiken angefertigt worden waren. Dann aber begann man auch hier mit der Anfertigung kleinerer freier Skulpturarbeiten. Hierher gehören die mit Emailfarben bemalten sogenannten Callotfiguren (Abb. 18). Auch kleinere, naturalistisch aufgefaßte Tiere (Abb. 19) wurden bereits jetzt dargestellt. Der abgebildete Humpen (Abb. 20) in Gestalt eines Schlüssels gehört auch noch der Böttgerzeit an.

Böttger hinterließ bei seinem Tode seinen Nachfolgern mancherlei Arbeit. Es gehörte die ganze enthusiastische Begeisterung des Königs dazu, die Freude an der Böttgerschen Erfindung nicht zu verlieren, die ihn bisher ungezählte Tausende von Talern gekostet, ihm manche Stunde der Enttäuschung bereitet hatte. Die Fabrik hatte sich nicht in dem Maße entwickelt, wie der König und wohl auch Böttger es erwartet hatten, und auch die Ergebnisse, soweit das weiße Porzellan in Frage kam, waren zunächst nur recht bescheidene und versprachen nicht allzuviel für die Zukunft der Böttgerschen Erfindung. Dass Böttger bis zu seinem Tode eifrig bestrebt gewesen ist, die Masse des Porzellans zu vervollkommnen, sie von den Unregelmäßigkeiten zu befreien, die ihr noch anhafteten, ihre Farbe zu verbessern, kurz, sie in dem Maße der Masse des ostasiatischen Porzellans gleichwertig zu machen, wie es ihm gelungen war, durch sein rotes Steinzeug einen völligen Ersatz des roten chinesischen Steinzeuges zu schaffen, das darf ohne weiteres anerkannt werden. Und auch darin rastete sein Ehrgeiz nicht, die blaue Kobaltfarbe unter Glasur so herzustellen, dass die Geschirre, die mit ihr dekoriert wurden, in Wettbewerb mit den chinesischen und japanischen Vorbildern treten konnten. Dass ihm indessen weder das eine noch das andere der erstrebten Ziele zu erreichen bestimmt war, ist Beweis genug dafür, welche Schwierigkeiten sich der Materialverbesserung und der farbigen Behandlung in den Weg stellten.

Jeder, der sich zu Böttgers Nachfolgerschaft berufen glaubte, versprach natürlich die Verbesserung der Masse und die brauchbare Herstellung der blauen Unterglasurfarbe. Der erste, der Kommerzienkommissar Joh. Gottfried Meerheim, brachte der Weiterentwicklung des Böttgerschen Werkes mehr Schaden als Nutzen. Die über die Fabrik eingesetzte Kommission musste am 13. Juli 1725 über Meerheim berichten:

„Er liegt ohne dem mit seinem Sohne (Konrad David), einem Pfuscher in der Mahlerey, unter der Decke und hat durch Vertrödelung seiner unächten und unbeständigen Mahlerey dem Königl. Wahrenlager mancherley auf l.000 Thlr. leicht anlauffenden Schaden getan. Seine groben mancherley Farben, denen er wenig procuriret, schafften gar keinen Nutzen.“

Glücklicher waren zwei andere Arkanisten (Anm. 10). Der eine hieß Johann Georg Mehlhorn. Ihm gelang es im Verein mit seinem Vater, das Porzellan in reinerem Weiß als bisher herzustellen, es auch gleichmäßiger im Brande zu gestalten. Aber an der Verbesserung der blauen Kobaltfarbe unter Glasur scheiterte auch sein Können. Der andere war der Obermeister David Köhler; er richtete seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Verfeinerung der Porzellanmasse, in der Annahme, dass eine feingeschlämmte Masse die blaue Unterglasurfarbe leichter annehme. Auch seine Bemühungen bedeuteten einen kleinen Erfolg, wenn auch nicht den gewünschten und für den Wettbewerb mit den asiatischen Porzellanen notwendigen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Meißner Porzellan
Abb. 3 Brautschüssel in Mezzomajolika

Abb. 3 Brautschüssel in Mezzomajolika

Abb. 4 Venetianer Fayenceteller

Abb. 4 Venetianer Fayenceteller

Abb. 5 Große Delfter geriefelte Fayencevase

Abb. 5 Große Delfter geriefelte Fayencevase

Abb. 6 Kannen und Flakon. Rotbraunes geschliffenes und poliertes Böttgersteinzeug

Abb. 6 Kannen und Flakon. Rotbraunes geschliffenes und poliertes Böttgersteinzeug

Abb. 7 Teekanne. Schwarzbraunes poliertes Böttgersteinzeug

Abb. 7 Teekanne. Schwarzbraunes poliertes Böttgersteinzeug

Abb. 8 Teetopf. Rotbraunes Böttgersteinzeug mit Facettenschliff

Abb. 8 Teetopf. Rotbraunes Böttgersteinzeug mit Facettenschliff

Abb. 9 Chinesische Heilige. Rotbraunes Böttgersteinzeug

Abb. 9 Chinesische Heilige. Rotbraunes Böttgersteinzeug

Abb. 10 Apollokopf (nach Bernini). Böttgersteinzeug

Abb. 10 Apollokopf (nach Bernini). Böttgersteinzeug

Abb. 11 Figuren aus der „Italienischen Komödie“. Böttgersteinzeug

Abb. 11 Figuren aus der „Italienischen Komödie“. Böttgersteinzeug

Abb. 12 August II. Rotbraunes Böttgersteinzeug

Abb. 12 August II. Rotbraunes Böttgersteinzeug

Abb. 13 Böttgerporzellan mit aufgelegten, geformten Blumen

Abb. 13 Böttgerporzellan mit aufgelegten, geformten Blumen

Abb. 14 Böttgerporzellan mit Lackfarben bemalt

Abb. 14 Böttgerporzellan mit Lackfarben bemalt

Abb. 15 Böttgerporzellan mit ornamentaler Emailmalerei

Abb. 15 Böttgerporzellan mit ornamentaler Emailmalerei

Abb. 16 Böttgerporzellan mit Malereien in Lüsterfarbe

Abb. 16 Böttgerporzellan mit Malereien in Lüsterfarbe

Abb. 17 Böttgerporzellan mit Malerei (Chinoiserien) in Eisenrot

Abb. 17 Böttgerporzellan mit Malerei (Chinoiserien) in Eisenrot

Abb. 18 Callot-Figuren. Böttgerporzellan. Mit Emailfarben bemalt

Abb. 18 Callot-Figuren. Böttgerporzellan. Mit Emailfarben bemalt

Abb. 19 Frosch und Eidechse. Böttgerporzellan

Abb. 19 Frosch und Eidechse. Böttgerporzellan

Abb. 20 Trinkbecher in Form eines Schlüssels. Böttgerperiode. Unbemalt

Abb. 20 Trinkbecher in Form eines Schlüssels. Böttgerperiode. Unbemalt

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