Kapitel 13 - Reise längs des atlantischen Oceans.

Nach Tanger aufbrechend, deponirte ich ein Kästchen mit Papieren bei Sir Drummond und zog längs der Küste, denselben Weg bis L'Araisch weiter. Als Ausrüstung hatte ich weiter nichts als einen Esel mit zwei Schuari (Seitenkörben), welche einige Vorräthe enthielten; ein spanischer Renegat, der gewissermassen mein Gefährte, Diener, Eselwärter und Doctorgehülfe war, hatte sich angeschlossen. Ehe wir weiter zogen, blieben wir noch einige Zeit in der Stadt.

L'Araisch liegt auf der äussersten Seite des linken Ufers des Ued-Kus derart, dass eine Seite nach dem Flusse, die andere nach dem Ocean Front macht. Ungefähr 4 K.-M. stromaufwärts des Ued-Kus am rechten Ufer lag das alte Lya der Punier oder wie es später von den Griechen und Römern genannt wurde Lina, ehedem die bedeutendste Niederlassung an dem atlantischen Ocean. Etwas weiter stromaufwärts fallt dort der Ued-Maghasen in den Kus.


Die Ruinenstätte ist von Sir Drummond Hay und Barth besucht worden, ohne dass jedoch Beide besondere Entdeckungen gemacht hätten, die auch wohl kaum ohne Reinigung des Bodens und Ausgrabungen zu machen sind. Von Drummond Hay werden die Ruinen Schemmies genannt. Barth will aus den Grundmauern bei der Kasbah erkannt haben, dass auch auf dem heutigen Boden der Stadt L'Araisch eine alte libysche Stadt gelegen habe, was durch Scylax's Aussage bestätigt würde.

Von der von den Alten als in der Mündung des Lixos liegend erwähnten Hesperiden-Insel ist heutzutage keine Spur vorhanden. Allerdings taucht bei tiefer Ebbe eine etwa 1 K.-M. haltende Sandbank, in der beutelartigen Mündung des Flusses auf, und möglicherweise, man braucht nur eine allgemeine Senkung der atlantischen Küste anzunehmen, war dies die einst so fruchtbare Hesperiden-Insel. Diese Mündung, im Norden durch hohe Sandberge geschützt, könnte, wollte man sich die Mühe geben die Barre wegzubaggern, zu einem trefflichen Hafen eingerichtet werden. Jetzt können bei Fluth höchstens Schiffe von 150 Tonnen Gehalt einlaufen; als wir in L'Araisch waren, befanden sich sechs europäische Schiffe im Hafen, ausserdem verfaulten am Strande die beiden letzten Kriegsschiffe der Marokkaner, zwei elende Brigantinen. Und doch hatte Marokko vor noch nicht hundert Jahren die Frechheit, mit seiner elenden Seemacht die ganze Welt herauszufordern.

Der Name L'Araisch ist nach Hemsö entstanden aus dem Worte el-araisch-ben- Aras, d.h. der Weinspalier der Beni Aros. Nachdem die Stadt wechselsweise im Besitze der Marokkaner und Portugiesen gewesen war, bemächtigte sich 1689 nach einer fünfmonatlichen Belagerung Mulei Ismaïl derselben. Seit der Zeit ist L'Araisch von den Europäern noch oft angegriffen worden, so im Jahre 1785 von den Franzosen, 1829 von den Oesterreichern, die dabei der marokkanischen Flotte den Gnadenstoss versetzten.

Man bemerkt in L'Araisch an den Gebäuden der Stadt noch deutlich den christlichen Einfluss. So ist der hübsche Marktplatz ein regelmässiges Rechteck mit gewölbten Arcaden versehen, die Säulen sind Monolithen aus Sandstein. Die Hauptmoschee, die ebenfalls nach dem Marktplatze zu Front macht, muss eine christliche Kirche gewesen sein, die Façade ist in dem sogenannten Jesuitenstyl gehalten. Ausserdem befindet sich noch ein anderes stattliches und mehrstöckiges Gebäude, mit hohen schönen Fenstern versehen, am Marktplatze. Vielleicht war es ehemals Gouvernementsgebäude, vielleicht ein Kloster, denn erst im Jahre 1822 musste eine hier bestehende spanische Mission aufgegeben werden. Heute steht das Haus leer und unbenutzt da, und der durch die Fenster streichende Wind, und die fressende Atmosphäre wird bald das ihrige thun, um das Gebäude zu einer Ruine zu machen.

Ausser recht gut erhaltenen aber widerstandslosen Mauern ist die Stadt durch ein mit vier Bastionen versehenes Fort, christlicher Anlage und ursprünglich aus gutem Material erbaut, geschützt. Dieses Fort liegt auf der westlichsten Spitze der Stadt nach dem Meere zu. Im Inneren dieses Forts ist ein Schloss, dessen runde Kuppeln man schon von Weitem sehen kann. Das Schloss soll vom Sultan Mulei Yasid erbaut sein. Unterhalb des Forts nach dem Hafen zu sind zwei gemauerte Strandbatterien. Nach S.-O. zu die Stadt beherrschend, befindet sich die Kasbah, ein Fort von viereckiger Form, an den vier Ecken mit sehr scharfwinkligen Bastionen versehen. Die Mauern der Kasbah, welche auch wohl eine Baute der Portugiesen oder Spanier ist, sind gut erhalten, aber trotz aller Vertheidigungsanstalten wird L'Araisch einem Angriffe der Europäer nicht lange Widerstand entgegensetzen können, einerlei ob er vom Ocean aus oder vom Lande her unternommen wird. Sonst hat L'Araisch keine merkwürdigen Gebäude, wenn nicht eine kleine Grabstätte in den Gärten südlich von der Stadt, der Lella-Minana gewidmet, einer Sherifa, die dort begraben liegt. Bei Lebzeiten soll sie Wunder gethan haben, und auch jetzt noch sollen die in der Grabcapelle der Lella- Minana betenden Frauen von Unfruchtbarkeit geheilt werden: zwei fromme in der Nähe wohnende Einsiedler öffnen den Frauen gegen eine kleine Gabe die Thür zum Grabmal und unterstützen sie im Beten.

Die Stadt hat ca. 5000 Einwohner, von denen wohl 1200 Juden sein mögen, welche letztere, wie alle Juden in den Hafenstädten Marokko's, sich der spanischen Sprache bedienen. Die wenigen Europäer, vielleicht 30 oder 40 Individuen stehen unter dem Schutze ihrer Consuln, deren es hier mit Ausnahme eines deutschen von allen Nationen giebt.

Der Handel der Stadt ist nicht unbedeutend und umfasst dieselben Artikel, die in Tanger zur Aus- und Einfuhr kommen, d.h. ausgeführt werden besonders Wolle, Thierhäute, Wachs, Oel, Butter, Früchte: als Mandeln, Orangen, Citronen und Feigen, getrocknete Oliven, Eier, Federvieh (anderes Vieh auszuführen ist verboten), Getreide und Hülsenfrüchte. In L'Araisch kommt noch hinzu die Rinde der Korkeiche, die in Europa verarbeitet wird. Gummi und Kupfer wird aus Marokko nach Europa nicht mehr ausgeführt, da man Kupfer in Europa und Gummi von Senegal billiger beziehen kann. Blutigel werden ebenfalls von L'Araisch ausgeführt, doch mehr noch von Tanger und Mogador. Einfuhrartikel sind: Baumwollenstoffe, Tuche, rohe und gefertigte Seide, Papier, Waffen, Metalle, wie Eisen, Blei, Quecksilber, Schwefel, Alaun, Salpeter, Colonialwaaren, darunter besonders Thee und Zucker, und verschiedene Gegenstände, schlechte Schmucksachen, Porzellan und Glaswaaren, Spiegel u. dergl. m. Die eben angeführten Gegenstände sind so ziemlich in allen Häfen des Landes im Handel dieselben.

Der Weg zwischen L'Araisch und Media oder Mehdia läuft ununterbrochen auf einer Sandzunge hin, zwischen dem Meere einerseits, den Sümpfen und Landseen andererseits gelegen. Auf der ausgezeichneten Karte von A. Petermann, Mittheilungen Jahrgang 1865, Taf. 4, dann auch auf der Karte von Renou ist dies recht deutlich zur Anschauung gebracht. Nehrungen und Haffe können nur an flachen, sandigen Küsten entstehen, und so ist es ganz natürlich, dass, wo die übrigen Bedingungen zur Haff- und Nehrungbildung vorhanden sind, diese entstehen. Wie der Sand Product des Meeres ist, so sind die Nehrungen, die aus Sand bestehen, immer nur an flachen Küsten mit vielem Sande zu beobachten. Es giebt nun Nehrungen, die an beiden Seiten noch mit dem Festlande zusammenhängen, oder solche, die am Meere durchbrochen sind. Erstere können entstehen dadurch, dass hohe Dünen bei ausserordentlichen Fluthen nicht durchbrochen werden, vom Ocean aber Wasser durchlassen, welches Wasser dann hinter den parallel mit dem Meere laufenden Dünen einen See bildet, oder es sammelt sich landwärts der Dünen das Wasser von kleinen Flüssen an, bildet einen See, das Wasser, ist aber nicht stark genug, die Nehrung zu durchbrechen, oder auch das Wasser aus dem Landsee ergiesst sich unter der Nehrung in den Ocean. Nehrungen werden durchbrochen dadurch, dass sich die Flüsse einen Ausgang bahnen, oder durch den Ocean selbst, in beiden Fällen sind Haffe hergestellt.

An verschiedenen Stellen von Afrika hat man Nehrungen und Haffe, so vor dem Delta des Nil in Aegypten, die bedeutender sind, als unsere deutschen in der Ostsee, oder an der Küste von Guinea; die Nehrung an der Küste von Marokko zieht sich von L'Araisch bis Rbat hin, hat also eine Länge von fast 17 deutschen Meilen.

Landeinwärts von der Nehrung ist im Winter ein 2-3 Meilen breiter See, der im Sommer zum Sumpf wird, daher im Norden bei Mulei Bu Slemm der Name Mordja125 Ras el Daura, und südlich von Mehdia, Mordja el Mehdia. Gleich unmittelbar östlich vom See oder Sumpf stösst jener ausgedehnte Korkeichenwald, der nördlich bei L'Araisch beginnend im Süden bei Rbat endet.

[Fußnote 125: Mordja heisst Sumpf]

Zahllose Wasservögel, Enten, Pelicane, Ibisse und andere halten sich hier auf, und im Sommer kommen Hyänen, Schakale und Wildschweine aus dem Korkeichenwald, um im feuchten Sumpfe zu jagen. Die ganze Nehrung selbst ist bewohnt von Arabern. Meistens haben sie ihre Zelte auf der Landseite und zwar nie kreisförmig, sondern, als ob sie gewissermassen der langen Form der Nehrung sich anpassen wollten, immer in einer langen Reihe aufgeschlagen. Die Dünen sind zum Theil gut bewachsen, meist mit Lentisken, aber auch Grasfutter für Rind- und Schafheerden ist reichlich vorhanden.

Gewöhnlich legt man den Weg bis Mehdia längs des Wassers in zwei Tagemärschen zurück, der grossen Hitze wegen, und weil wir uns häufig damit aufhielten, im Ocean zu baden, brauchten wir vier Tage. Ueberall fanden wir übrigens ausgezeichnete Gastfreundschaft, und die herrlichen Wassermelonen, welche die Nehrung hervorbringt, haben mir nirgends besser gemundet als hier. Zwei hübsche Grabstätten sind unmittelbar am Meeresstrande erbaut: Mulei Bu Slemm126, eine Tagereise südlich von L'Araisch, aus mehreren Domen bestehend, dann Mulei Hammed bel Cheir, gleich vis-à-vis von Mehdia auf einer kleinen Anhöhe. Gegen 3 Uhr Nachmittags am vierten Tage erreichten wir Mehdia, am linken Ufer des Sebu gelegen.

[Fußnote 126: Die meisten Geographen halten Mulei Bu Slemm für das alte Mamora, Mamora antica, und doch glaube ich kaum, dass jemals bei Bu Slemm dieser Ort gestanden hat.]

Um überzusetzen mussten wir aber erst eine ziemlich weite Strecke ca. ein K.-M. stromaufwärts gehen, wo sich die Fähre befand, sodann kehrten wir auf das linke Ufer zurück und erklommen den Pfad, der auf den steilen 417 Fuss (nach Barth) hohen felsigen Hügel führt, auf dem Mehdia liegt. In einem sehr schlechten Funduk fanden wir Unterkommen. Mehdia ist ein kleines elendes Dorf, von vielleicht zweihundert Einwohnern, wegen seiner beherrschenden Lage war es einst wichtig und könnte am schiffbaren Sebu, dem Flusse, an dem Fes liegt, leicht wieder zu einer blühenden Stadt gemacht werden. Die Mündung des Sebu ist jedoch nicht breiter als vielleicht 1000 Schritt, aber sehr tief unmittelbar unterhalb der Stadt. Der Sebu ergiesst sich aber nicht in gerader Linie in den Ocean, sondern, schief nach Norden geneigt. Eine starke Barre sperrt den Fluss ab.

Als ich von Aussen den Ort besichtigte, fand ich unterhalb desselben ein Labyrinth von Mauern, 4 Fuss dick und 20 Fuss hoch aus massiven Steinen aufgeführt; ein Netz von viereckig gemauerten Räumen darstellend. Die darüber befragten Bewohner wussten keine Auskunft zu geben, aber in Leo finden wir vollkommenen Aufschluss darüber:

Von Jacob el Mansor, der von 1184 bis 1199 regierte, erbaut, als Vertheidigungsfeste des Eingangs des Sebu, wurde Mehdia später zerstört und im Jahre 1515 schickte Don Manuel von Portugal eine Flotte dahin ab, um dort eine Festung anzulegen. Kaum im Bau begriffen, kam aber der zu der Zeit in Fes regierende Sultan Mohammed ben Oatas mit einem Heere und überfiel Soldaten und Arbeiter. Leo, der als Augenzeuge diesem Ueberfalle beiwohnte, giebt davon eine ergreifende Schilderung. Die Portugiesen wurden alle getödtet, die Schiffe verbrannt. Von 6-7000 Mann Besatzung, durch Verrath zur Streckung der Waffen bewogen, wurden die Meisten niedergemacht. Aus der Mündung des Sebu soll der König von Fes hernach 400 Kanonen herausgefischt haben.

Später, am 6. August 1614, nahmen die Spanier noch einmal Mamora (wie die Europäer und auch Leo Mehdia nannten), errichteten ein Fort, welches aber am 2?. April 1681 [? unlesbar in der gedruckten Ausgabe] von Mulei Ismail überfallen und zerstört wurde. Seit der Zeit ist Mehdia, was es jetzt ist, ein elendes Dorf.

Was nun die eben erwähnten Constructionen anbetrifft, so sagt Leo127 davon: "Die Portugiesen fingen gleich nach ihrer Ankunft den Bau an; alle Fundamente waren schon gelegt, mit den Mauern und Bastionen war ein Anfang gemacht etc." Einen solchen unfertigen, nicht aber zerstörten Eindruck machen denn auch die Bauten bei Mehdia. Was Mamora antica anbetrifft, so dürfte dasselbe am anderen Ufer des Sebu zu suchen sein, oder vielleicht der Hügel der Stadt, der ebenfalls befestigt war, "Alt- Mamora", die am Strande von den Portugiesen errichteten Bauten dagegen "Neu-Marmora" gewesen sein. Aber in dem entfernten Mulei Bu Slemm Alt- Mamora suchen zu wollen ist vollkommen unstatthaft, weil "Mamora" immer einen felsigen Hügel bedeutet in Tamasirht-Sprache, ein solcher aber bei Bu Slemm nicht vorhanden ist.

[Fußnote 127: Uebersetzung von Lorsbach, p. 185.]

Barth fügt noch hinzu, dass keineswegs, wie die meisten Geographen anzunehmen geneigt seien, hier Banasa gestanden habe (Hemsö meint, Banasa habe gelegen, wo jetzt Mulei Bu Slemm ist, eine Oertlichkeit, die gar nichts Einladendes zur Gründung einer Stadt hat), welches eine Binnenstadt am oberen Laufe des Sebu gewesen, sondern dass in Mamora die vom Ptolemaeus erwähnte Stadt Subur zu erblicken sei. Ich füge noch hinzu, dass im Lande bei den Eingebornen der Name Mamora vollkommen unbekannt ist.

Wir blieben in Mehdia nur Nachts, am anderen Morgen früh aufbrechend, waren wir Mittags in Sla, setzten gleich über und blieben in Rbat in einem Funduk. Der Weg bot nichts Neues, Nehrungformation war auch hier, nur müssen die hiesigen Dünen älter sein, denn sie waren nach der Landseite dicht mit Eichen, welche eine ausserordentlich zart- und süssschmeckende Frucht tragen, bestanden, ausserdem waren Korkeichen, Lentisken und wilde Oliven sichtbar.

Die Stadt Sla auf dem rechten Ufer des Bu Rgak oder Bu-Raba128 gelegen, ist ein Ort, welcher von Aussen gesehen das allerregelmässigste Ansehen hat. Fast viereckig ist die Stadt von hohen aber widerstandslosen Mauern, welche ausserdem viereckige Vertheidigungsthürme haben, umgeben. Mit ca. 10,000 Einwohnern, dürfen bis auf den heutigen Tag in Sla keine Christen und Juden wohnen, der Grund davon ist, dass die Bevölkerung sich hauptsächlich aus aus Spanien vertriebenen Mohammedanern bildete, somit den glühendsten Hass gegen Juden und Christen bewahrt hat. Am Ende des vorigen Jahrhunderts war Sla, das sich den marokkanischen Herrschern gegenüber fast als Republik gerirte, der berüchtigtste Seeräubersitz am atlantischen Ocean. Im Hafen von Sla und Arbat, oder in der Mündung des Sebu, fanden die Piraten vor den verfolgenden Kriegsschiffen der Christen sichere Stätten.

[Fußnote 128: Buragrag bei Leo und Maltzan.]

Sla ist offenbar, wenn auch nicht genau der Lage nach, doch was den Namen anbetrifft, das alte Sala. Ptolemaeus verlegt Sala südöstlich von der Mündung des Flusses, also da wo Arbat heute steht. Ebenso Plinius, der Buch V, 1 sagt: "Die Stadt Sala am Flusse gl. N. gelegen, schon nahe der Wüste, und durch Elephantenheerden, noch mehr aber durch den Stamm der Autolalen unsicher gemacht, durch welche der Weg zum Atlasgebirge führt" etc. Dass nun Arbat heute nicht den Namen Sla, sondern Arbat hat, erklärt sich wohl aus dem Umstände, dass nach der Zerstörung des alten Sala, die neue Stadt auf dem rechten Ufer des Bu Raba angelegt wurde, während gegenüber die Stadt Rbat um 1190 von Jacub el Mansor neu gegründet wurde, und nach Delaporte den Namen Rbat el Ftah, d.h. Wahlstätte des Sieges erhielt. Es ist also nicht nöthig um das alte Sala im heutigen Rbat wiederzufinden, wie Barth es thut, auf die Grabmäler der Beni-Merin bei der Mssala von Arbat hinzuweisen, welchen Ort Barth: "Schaleh", Hemsö: "Scella, Seialla" und Marmol: "Mensala" aussprechen hörten. Ich habe an anderen Orten gezeigt, dass jede grössere marokkanische Stadt ihr Mssala hat, wo bei grossen religiösen Festen die Gebete abgehalten werden129.

[Fußnote 129: Maltzan sagt B. IV, p. 129: In der Nähe von Rabat liegt auf demselben Ufer des Flusses ein kleiner Ort esch = Schaleh genannt. Dieser Ort hat eine auffallend grosse Aehnlichkeit mit dem des antiken "Sala". Es sind dies aber weiter nichts als Hütten und Häuser, und Grabmäler um die "Mssala" gebaut, wie das auch bei Fes, Uesan etc. vorkommt.]

Die Stadt Sla ist von ihrem einstigen durch Piraterie erworbenen Reichthum sehr heruntergekommen, so dass auch die Häuser der Einwohner, die sich Slaui nennen, sehr klein und unansehnlich sind. Als ich mit dem Grossscherif in der Stadt war, fand sich kein einziges Gebäude gross genug ihn aufzunehmen, wir campirten daher am Strande in unseren Zelten. Innerhalb der Mauern ist die Hälfte der Stadt jetzt unbebaut. Die beiden Moscheen sind gross und geräumig, aber sonst zeichnen sie sich durch nichts weiter aus. Der Markt oder Bazar, Kessarieh, ist überdacht wie in den meisten Städten, wie zur Zeit Leo's findet man hier auch heute noch eine grosse Kammfabrikation aus Lentiskenholz.

Rbat, sowie es jetzt steht, eine Stadt von ca. 30,000 Einwohnern, hat ein fast modernes südeuropäisches Aussehen, namentlich von der Westseite her. Hier haben sich hauptsächlich Christen und Juden Häuser gebaut, und besonders letztere sind in Rbat zahlreich vertreten, da sie wie auch die Christen in Sla nicht wohnen dürfen. In der Mündung des Flusses könnten Rbat und Sla einen guten Hafen haben, wenn nicht eine gefährliche Barre auf der Rhede wäre, und wenn für eine gehörige Ausbaggerung gesorgt würde. Jetzt kann der Hafen nur Schooner und kleine Briggs aufnehmen. Der Handel ist indess ziemlich lebhaft, denn eigentlich ist Rbat jetzt der natürliche Hafen für Mikenes sowohl, als auch für Fes. Man exportirt hier vorzugsweise Oel, Häute und Kork. Als eigne Fabrikation betreibt man in Rbat hauptsächlich die Verfertigung wollener Teppiche, an Güte und Dauerhaftigkeit kommen sie den syrischen gleich, im Muster und in den Farben stehen sie allerdings zurück. Ferner sind Schuhe, Burnusse und Matten gerühmt.

Rbat auf dem bedeutend höher gelegenen linken Ufer des Flusses gelegen, hat ein Castel auf seiner äussersten nach dem Meere gerichteten Seite, mit sogen. bombenfesten Gewölben, und dicht dabei eine ziemlich grosse Djemma (Moschee) mit einem sehr hübschen Smah (Minaret). v. Maltzan taxirt den Thurm auf 180' und zieht ihn der Giralda von Spanien vor. Dieser Sma-Hassan ist wie die Moschee selbst von Sultan Mansor erbaut. Leo sagt von ihm: "Vor dem Süderthor liess er auch einen Thurm, dem zu Marokko ähnlich, errichten, er hat aber viel breitere Treppen, worauf 3 Pferde nebeneinander hinaufkommen können. Ich (Leo) rechne diesen Thurm in Rücksicht auf seine Höhe zu den bewundernswürdigen Gebäuden."—Für Marokko, welches in keiner einzigen Stadt einen nur irgend bedeutend hohen Minaret hat, ist dieser Thurm des Hassan allerdings eine ausnahmsweise hohe Baute, aber im Orient trifft man bei den Mohammedanern bei Weitem höhere Minarets.

Der Palast des Sultans ausserhalb der Stadt Rbat im Süden und fast hart am Meere gelegen, ein vollkommen neues Gebäude, und irre ich nicht, erst vom jetzigen Sultan erbaut, zeichnet sich nur durch Kasernenhaftigkeit aus. Es ist ein ziemlich unbedeutendes Gebäude, mit einer Beletage, hat viele Fenster, die aber nicht Glasscheiben besitzen, sondern durch hölzerne Jalousien verschlagen sind. Vor dem Schlosse nach dem Strande zu befinden sich Erdschanzen auf europäische Weise errichtet; einige Kanonen sind ebenfalls darin.

Der von Maltzan erwähnte "römische Aquaduct" ausserhalb der Stadt, dessen Ruinen noch heute vorhanden sind, ist indess nicht römischen Ursprungs, wenn man anders den Aufzeichnungen von Leo Glauben schenken kann. Derselbe sagt p. 177: "Weil in der Nähe der Stadt kein sonderlich gutes Wasser war, so liess Sultan Mansor eine Wasserleitung von einer Quelle, die ungefähr 12 Meilen von der Stadt entfernt ist, hier anlegen; sie besteht aus schönen Mauern, welche auf Bogen ruhen, gleich denen, die man hier und da in Italien, vornehmlich um Rom sieht. Diese Wasserleitung theilet sich in viele Theile: einige führen Wasser in die Moscheen, andere in die Schulen, andere in die Paläste des Königs, andere in die öffentlichen Brunnen, dergleichen für alle Districte der Stadt gemacht wurden. Nach Mansor's Tode nahm die Stadt allmälig so ab, dass nicht ein Zehntel mehr übrig ist. Die schöne Wasserleitung ist in den Kriegen der Meriniden gegen Mansor's Nachfolger zerbrochen worden." So Leo. Ich muss indess bekennen, dass nach Besichtigung der Ruinen dieser Wasserleitung ich ebenfalls geneigt bin mit Maltzan sie für römischen Ursprungs zu halten, da nirgends anderswo, soviel ich das Land habe kennen lernen, die Marokkaner selbst irgend ähnliche Bauten aus massiven Quadersteinen errichtet haben.

Heutzutage entbehrt Rbat sehr dieser Wasserleitung, die Einwohner behelfen sich zum Theil mit dem Wasser ihrer Cisternen, zum Theil holen sie weither ihr Trinkwasser in Schläuchen. Nirgends ist daher auch das Trinkwasser theurer als in Rbat. In allen grösseren marokkanischen Städten durchziehen Wasserverkäufer mit einem grossen Schlauch auf dem Rücken, in der einen Hand eine Glocke, in der anderen einen Becher haltend, die Strassen und verkaufen dem Durstigen für einen Fls. den Labetrunk, der dann so bemessen ist, dass der Käufer so viel trinken kann, wie er Durst hat. In Rbat aber muss ganz genau das Maass inne gehalten werden.

Im Uebrigen hat die Stadt nichts Merkwürdiges, nur will ich nicht unterlassen auf die unvergleichlich schönen Gärten aufmerksam zu machen, die sich längs des linken hohen Flussufers hinziehen. Was nur das glückliche Klima des Mittelmeeres hervorbringt, findet man hier blühen und grünen.

Ich blieb nur kurze Zait [Zeit] in Rbat, und durch die lang ausgedehnte jetzt leere Stätte der Mhalla (die Armee des Sultans), welche südwärts der Stadt sich befand, dahin eilend, zog ich dem Süden weiter entgegen. Ich hatte nun vollkommen unbekanntes Land vor mir, bis Rbat, wo ich auch früher schon gewesen war, hatte ich fast alles Land kennen gelernt, was im Bereiche des "civilisirten Marokko" lag. Einsam ohne Karavanen zogen meine Begleiter und ich längs des Strandes dahin, den grauen Esel vor uns hertreibend. Der Weg längs des Strandes bleibt auch hier einförmig und langweilig. Indess so wenig die Natur bietet, so belebt ist andererseits dieser Weg durch Menschen, denn bis Asamor ist hier die Hauptroute von Rbat nach Marokko, von Asamor verlässt die Strasse das Meer, um ins Innere sich hineinzuziehen.

Längs der Küste ziehen sich eine Menge Kasbahs hin, zum Theil in leidlichem Zustande, zum Theil verfallen; sie erinnern lebhaft an die Befestigungen in Spanien und Italien, deren Küsten ebenfalls überall mit Thürmen und Festungen garnirt sind. In diesen Kasbahs kann der Wanderer Schutz vor schlechter Witterung finden, oder übernachten, sonst bieten sie aber in der Regel nichts, und die meisten sind ohne Insassen. Wir gingen bis Mitternacht und nächtigten sodann in der Kasbah Scharret, am Flüsschen gl. N. gelegen. Diese Kasbah bildet zugleich eine Cavalleriekaserne, es befanden sich etwa 200 Reiter mit ihren Pferden in derselben. Wir konnten von diesen Reitern unser Abendbrod kaufen, eigentliche Kaufleute waren aber nicht vorhanden.

Zwischen Rbat und Asamor finden sich eine Menge von kleinen Flüssen, die von Osten kommend alle das Meer mit Wasser erreichen, und auch das ganze Jahr Wasser halten. So passirten wir am folgenden Tage den Ued-Bu- Steka und drei andere kleine Flüsse, und befanden uns Mittags am Ued- Mansuria, der an seiner Mündung, zur Fluthzeit, nicht zu passiren ist. Nach langem Suchen fanden wir endlich stromaufwärts gehend eine Furth, die uns durchliess. Der auf den Karten angegebene Ort Mansuria existirt nicht. Auf dem linken Ufer des Flüsschens befinden sich die Trümmer der Kasbah Mansuria. Der Ort Mansuria soll nach Leo auch nicht am Ocean, sondern zwei Meilen stromaufwärts am Flüsschen, das er Guir nennt, gelegen sein. Aber schon zu Leo's Zeiten war das genannte Städtchen nur noch ein Trümmerhaufe.

Wir gingen selben Tags noch bis zur Mündung des Flusses Ued-el-Milha, an dessen linkem Ufer die Kasbah Fidala liegt. Ob Fidala nach der Meinung Gosselin's das alte Kerne130 gewesen sei, wage ich nicht zu entscheiden; eine Insel ist in der Mündung des Flusses nicht, wohl aber ist auch hier eine Nehrung. Im Innern der sehr geräumigen Kasbah lagerte ein ganzer Stamm unter Zelten, aber auch feste Wohnungen waren da. Namentlich zeichnete sich die in der Mitte der Burg liegende Djemma durch Sauberkeit der Arbeit und gute Conservirung aus. Die Tholba (Schriftgelehrten) luden uns freundlichst ein, in derselben die Nacht zuzubringen. Die meisten Häuser, die in Fidala sind, liegen in Ruinen, der edle Styl derselben, die Abwesenheit des maurischen Schwibbogens an Fenstern und Thüren sagen uns mit Sicherheit, dass diese Gebäude von Europäern erbaut wurden. Renou behauptet indess, dass Fidala 1773 von Sultan Mohammed gegründet sei. An vielen der Fenster waren sogar noch Balcons.

[Fußnote 130: Kerne möchte eher beim heutigen Agadir zu suchen sein, obgleich auch dort in der Bucht keine kleine Insel sich befindet, aber keineswegs, wie Knötel meint, die Insel im Rio do Ouro sein.]

Am folgenden Morgen passirten wir eine lange über den schmalen Fluss Ued- Dir führende Brücke, derselbe soll jedoch manchmal weit austreten. Die Gegend bleibt immer dieselbe, rechts das Meer, und links die nicht enden wollende Gegend der Provinz oder Landschaft Temsena, nur einmal unterbrochen durch den grossen längs der Küste sich hinziehenden Sumpf Um- Magnudj. Die gut bevölkerte Gegend bringt hauptsächlich Mais hervor, der den Leuten als Hauptnahrung dient, indem sie ganz wie die Italiener eine Polenta davon bereiten. Man kann sagen, dass an der ganzen Küste von L'Araisch bis Asamor nicht die zu Kuskussu verarbeitete Gerste, sondern der Mais oder türkische Weizen die Nationalkost ist. Auch wird davon viel nach Spanien und Portugal exportirt.

Am selben Abend noch waren wir in Dar-beida (Weissenstadt und von den Spaniern Casa bianca übersetzt), wo wir bald bei einem Kaffeehausbesitzer, den ich von Fes her kannte, ein gastliches Unterkommen fanden. Dar-beida bildet eine Art befestigten Vierecks, dessen Mauern jedoch ausser Stande sind, den geringsten Widerstand gegen Europäer zu leisten. Sowie von Masagan und Safi wird auch von hier aus bedeutend exportirt, und hauptsächlich sind es Wolle, Oel, Mais, Weizen, Mandeln und Felle, welche die Eingeborenen den Europäern zu Markte bringen. Die Einwohnerschaft von Dar-el-beida beläuft sich auf ca. 300 [3000] Seelen, unter denen sich eine zu den übrigen Hafenstädten Marokko's verhältnissmässig grosse Zahl von Europäern befindet. Ich fand es höchst auffallend, dass alle Lebensmittel hier so theuer waren, vielleicht ist die Concurrenz der Europäer daran Schuld. In der Meeresbucht befanden sich sieben grössere europäische Fahrzeuge, im Begriffe, ihre Ladungen einzunehmen. Sie kommen meist ohne Waaren an, wenn man anders nicht die Silberthaler (spanische und französische) als Importationsartikel rechnen will. Aber der Vortheil, den die Europäer auf die eben angeführten Exportationsartikel machen, ist ein sehr grosser. Deutschland betheiligt sich gar nicht daran. An Merkwürdigkeiten hat die Stadt nichts aufzuweisen.

Maltzan nimmt an, dass Dar-beida oder Dar-el-beida die Stadt Anfa Leo's sei. Es ist auch wohl nicht daran zu zweifeln, aber Leo's Angaben über die Entfernung Anfa's sind höchst ungenau, er sagt: "Anfa ist eine grosse von den Römern erbaute Stadt am Ufer des Oceans, ungefähr 60 Meilen vom Atlas gegen Norden, ungefähr 60 Meilen von Azemur gegen Osten und ungefähr 40 Meilen von Rabat gegen Westen gelegen." Leo scheint die Stadt gleich nach der Zerstörung derselben durch die Portugiesen besucht zu haben, er fand sie ganz verödet und von Einwohnern verlassen. Nach Maltzan wurde sie erst 1750 von Mulei Ismaïl unter dem Namen Dar-el-beida wieder aufgebaut. Nach Renou wiedererbaute sie Sultan Mohammed, was wahrscheinlicher ist, da Ismaïl von 1672-1727 regierte. Von Dar-beida nach Asamor brauchte ich zwei Tage. Der auf fast allen Karten Marokko's angegebene Ort Mediona, der an der Küste liegen soll, existirt dort nicht, wohl aber ca. 3 Meilen landeinwärts; Mediona ist weiter nichts als eine von einigen Duar umgebene Kasbah.

Endlich war die weite Mündung des Um-Rbea, oder wie man gewöhnlich sagt Mrbea erreicht. Der Fluss ist so tief, dass er selbst zur Ebbezeit nie durchwatet werden kann, aber eine gute Fähre ist vorhanden, mit der man übergesetzt wird. Der Fluss Um-Rbea, vom Atlas entspringend, hat auf seinem linken Ufer die bedeutende Stadt Asamor; aber so bedeutend dieselbe ist, ich schätze die Einwohnerzahl auf 30,000 [3000] Seelen, so wird ihrer selten in den geographischen Handbüchern gedacht. Der Name Asamor bedeutet aus der Tamasirht-Sprache übersetzt, die Oelbäume, und eigentlich hat die ganze Stadt den Namen Asamor-es-Sidi-Bu-Schaib, d.h. die Oelbäume des gnädigen Herrn Bu-Schaib. Ursprünglich war hier nämlich weiter nichts als ein Sanctuarium dieses Schaib's, dessen kleine "Kubba", in der er begraben liegt, sich noch heute in Asamor befindet und die in naher Umgegend als ein grosses Heiligthum gilt. Die Zahlenangaben über den Angriff von Asamor durch die Portugiesen sind bei Maltzan nicht genau. Erst 1508 begannen die Portugiesen zu belagern, jedoch ohne Erfolg, aber im Jahre 1513 wurde die Stadt erobert, zerstört und nach einem zweiunddreissigjährigen Besitze von den Christen freiwillig aufgegeben131.

[Fußnote 131: Siehe darüber Leo, Dapper und Renou.]

Asamor, auf einer ca. 150' hohen Anschwellung des Erdbodens gelegen, wird merkwürdigerweise von Arlett mit nur 700 Einwohnern angegeben. Andere aber, die doch auch gute Notizen über die Stadt hatten oder auch Asamor selbst gesehen haben, sind darüber auch anderer Meinung, so nennt Dapper sie "überaus volkreich", Lempriere "ein grosser Ort." Die Sache ist nämlich die, dass von allen Häfen, Asamor und Agadir die einzigen sind, wohin Europäer selten kommen. In allen marokkanischen Hafenstädten, so klein sie auch sein mögen, giebt es Consuln und Consularagenten. So in Arseila, in L'Araisch, in Masagan etc., aber in der Stadt Asamor und Agadir sind weder christliche Consuln noch Europäer. Allerdings sind in Sala auch keine Consuln, aber der Grund liegt mehr in der Nähe von Neu-Sala oder Arbat, als in einer anderen Ursache.

So ist denn auch Asamor eine vollkommen marokkanische Stadt, der ganze Handel, die Industrie hat etwas urwüchsig Marokkanisches an sich. In dieser schönen Flussmündung, welche meilenweit nach oben hin noch salziges Meerwasser hinauftreibt, sieht man nie europäische Schiffe. Der ganze Handel von Asamor mit dem Binnenlande beruht auf eigner Production und Manufactur. Man verfertigt namentlich Haike, Burnusse, Matten, Schuhe und Töpfergeschirr. In der Nähe der Stadt ist bedeutender Gemüsebau, aber die Früchte werden mehr nach aussen hin, nach Dar-beida und Masagan exportirt, als in der Stadt selbst aufgebraucht.

Ich durfte nicht unterlassen "den berühmten Heiligen Mulei Bu-Schaib zu besuchen", so sagt man in der That in Marokko, einerlei ob der Heilige noch lebt oder todt ist. Man redet dann auch einen solchen Heiligen wenn er gestorben ist so an, als ob er noch lebte: "es ssalamu alikum ia Mulei Bu- Schaib" etc. Als ich eintrat in den kleinen Grabdom, war denn auch das ganze Mausoleum voller Bittsteller, alle umhockten oder Umlagen den Sarkophag, d.h. ein hölzernes mit rothem Tuch und reich mit Seide gesticktes umhangenes Holzgestell. Den grössten und eigentlichen Segen hatten indess nur die Schriftgelehrten des Mulei Bu-Schaib, die von jedem Betenden eine Gabe zu erpressen wussten. Als höchst merkwürdig fiel mir auf, dass diese Tholba (Schriftgelehrte) durch besondere Tracht sich auszuzeichnen suchten von ihren Mitgläubigen, wie die Pharisäer der Bibel. Bei den übrigen Marokkanern unterscheidet sich aber, wie schon angeführt, der Schriftgelehrte von seinen Mitgläubigen nie durch Tracht, und wenn er auch der erste Faki der Djemma Mulei Abd Allah Scherif von Uesan wäre. Sowie durch eigne Tracht, so zeichneten sich denn auch diese Tholba durch grosse Selbstgefälligkeit und religiöse Eitelkeit aus.

Ehe ich von Asamor aus weiter zog, muss ich eines kurzen Abstechers erwähnen, den ich von hier aus mit einer Karavane nach der Stadt Marokko, von den Eingebornen Marakesch genannt, machte. Es war nur eine kleine Karavane aus lauter Eseltreibern bestehend, welche Töpferwaaren ins Innere des Landes führten, dabei bis Marokko wollten, um von dort andere Waaren zurückzubringen. In Gesellschaft dieser Leute war es vollkommen unmöglich irgendwie nur Aufzeichnungen zu machen. Die Gegend sah zu der Zeit sehr traurig aus, da es Herbst war und die ersehnten Regen wollten sich nicht einstellen, so dass man hatte glauben können in der Vorwüste zu sein. Und doch muss diese Landschaft im Winter und Frühling ein ganz verändertes Aussehen haben. Die kahlen Lotusbüsche bekleiden sich dann mit frischen hellgrünen Blättern, die einförmige Zwergpalme sendet neue Fächer aus der Erde und reift ihre kleinen äusserlich der Weintraube nicht unähnlichen Beeren, Zwiebeln und Gräser spriessen aus der Erde und die Heerden kehren von den immergrünen Weideplätzen der Atlasstufen zurück.

Wir marschirten den ersten Tag sehr anstrengend, um zur rechten Zeit auf dem Markte el Had (Sonntag) zu sein, und noch denselben Tag wieder aufbrechend, überzogen wir sodann einen niederen Gebirgszug von Nordwest nach Südost streichend, der an der Gegend, wo wir ihn überschritten, den Namen Dj. Ssara führte. Sobald man den Kamm dieser Hügel, welche zugleich die Wasserscheide zwischen dem Mrbea und Tensift bilden, überschritten hat, erblickt man die schneeigen Gipfel des grossen Atlas. Aber so nahe die Berge zu sein scheinen, so fern sind sie noch; ehe man nur die Stadt Marokko erreicht, hat man noch drei Tagemärsche.

Der Sultan war zu der Zeit mit der ganzen Armee dort; er hatte sich den Eintritt in die zweite Hauptstadt seines Landes erkämpfen müssen. Die Stämme der Rhammena, südwestlich von Marokko auf den Abhängen des Atlas heimisch, hatten sich kurz vor seiner Ankunft empört und hielten die Stadt umschlossen. Aber die Rhammena hatten nicht auf die Kanonen des Sultans gerechnet, trotzdem sie sich ziemlich hartnäckig bei der Sauya-ben-Sassy südlich von der Stadt vertheidigten. Sobald die Kanonen erdröhnten, wurden sie leicht bewältigt, und nachdem so und so viel Köpfe waren abgeschnitten worden, welche als Warnung an sämmtliche Städte des Reiches vertheilt wurden, nachdem sie aller Habe waren beraubt worden, war wieder Ruhe im Lande.

Ich blieb nur zwei Tage in Marokko und verliess das Funduk (Gasthaus) nur Abends, um nicht Bekannten zu begegnen. Denn trotzdem der Sultan durch Vermittelung des englischen Gesandten mir beim Weggange von Mikenes freigestellt hatte, im Lande zu bleiben und überall frei hingehen zu können, fürchtete ich, falls er erführe, ich sei in Marokko, festgehalten zu werden.

Die Stadt Marokko ist nach Beaumier's Beobachtungen mit einem holosterischen Barometer 408 Meter über dem Meere gelegen. Die Einwohnezahl [Einwohnerzahl] der Stadt ist, sehr wechselnd, je nachdem der Sultan anwesend ist oder nicht. Sir Drummond Hay, der zuverlässigste Gewährsmann, und der von allen Europäern am besten die Städte des Innern kennen lernte, nimmt 70,000 Einwohner an. Zur Zeit, als er dort den Sultan besuchte, ist das auch wohl richtig gewesen, in gewöhnlichen Zeiten sind aber wohl nicht mehr Bewohner in der Stadt, als wie Maltzan, Beaumier und Lambert annehmen: 50,000.

Nach Leo und den meisten Geographen soll Marokko von Yussuf-ben-Taschfin erbaut sein, Renou, sich auf Cooley stützend, giebt das Jahr 1073 als Erbauungsjahr an. Es ist indess wohl genauer, wenn wir mit Sedillot festhalten, dass der Feldherr Abu-Bekr, ein Partisan von Abd-Allah-ben- Taschfin, einige Jahre früher die Stadt anlegte. Von der Bedeutung aber, wie Marokko unter Yussuf, unter seinem Sohne Ali gewesen ist, von welcher Epoche Leo sagt, die Stadt habe hunderttausend Häuser gehabt, davon hat dieselbe nur den grossen Umfang behalten. Nach Lambert sollen die jetzigen Mauern der Stadt, die aus Tabi (d.h. einer Mischung aus Thon, Kalk und kleinen Steinchen, welche Masse zwischen Brettern gestampft und gepresst wird) bestehen, und die wie die Umfassungsmauern aller marokkanischen Städte von Entfernung zu Entfernung flankirende Thürme haben, vom Sultan Mohammed ben Abd-Allah (1757-1790), dem fähigsten und bedeutendsten marokkanischen Kaiser der Neuzeit, gegründet sein.

Ganz entgegengesetzt zu Fes hat die Stadt Marokko mit wenigen Ausnahmen nur einstöckige Wohnungen, und an den Seiten der breiten Gassen findet man oft grosse Gärten. Nur im Handelscentrum der Stadt verengen die engstehenden Häuser die Strassen. Im Uebrigen hat die Stadt ihre Kessaria (eine ganz neu erbaute für fremde Artikel ist nach Lambert kürzlich hinzugekommen), ihre Ataria, ihre grossen und kleinen Funduks, ihre Marktplätze, auf denen der bedeutendste Markt vor der Djemma el Fanah und der andere ausserhalb der Stadt vor dem Thore "Chamis" abgehalten werden. Auch ein Narrenhaus, Morstan, befindet sich in Marokko mit ähnlicher Einrichtung wie in Fes.

An öffentlichen Gebäuden ist die Stadt arm, der Palast des Sultans, obschon äusserst umfangreich, zeichnet sich durch nichts aus. Die berühmteste Moschee ist die Kutubia, so genannt von den Adulen (Schreibern) und Ketabat (Büchern), welche dort, erstere ihr Handwerk treiben, letztere ebenda zu kaufen sind. Der hohe Thurm der Kutubia soll nach Lambert ca. 250 Fuss, nach Maltzan ca. 210 Fuss hoch sein, und v. Maltzan schätzt die Architektur auch dieses Thurmes höher als die der Giralda von Sevilla, welche doch von Lübke in seiner Geschichte der Architektur als eines der schönsten Baudenkmäler spanisch-maurischer Architektur hervorgehoben wird. Was die innere Anordnung der Djemma anbetrifft, so gleicht sie fast der grossen den "Erzengeln" gewidmeten Moschee in Fes. Auch hier die grosse Zahl von Säulen, die von Spanien hergeholt sein sollen, auch hier die reizenden Springbrunnen, die aber oft genug kein Wasser spenden. Denn die einst so schönen Wasserleitungen der Stadt, weiche von den Bergen Misfua und Mulei Brahim das Wasser der Stadt zuführen, liegen in verwahrlosetstem Zustande. Von den übrigen Moscheen ist wenig zu berichten. Das grösste Heiligthum der Stadt ist die Sauya des Sidi-bel-Abbes, im Norden der Stadt gelegen. Sidi- bel-Abbes ist zugleich der Schutzpatron der Stadt, er liegt dort in einer kleinen Kubba begraben. Alle Fremde, namentlich Pilger, werden hier unentgeltlich drei Tage lang verpflegt; es versteht sich, dass diese Sauya auch Zufluchtsort für Verbrecher und unrechtmässig Verfolgte ist.

Das Ghetto der Juden, wie in allen marokkanischen Städten "Milha" genannt, d.h. der gesalzene Ort, wird nach Lambert häufig Spasses halber von den Mohammedanern "Messus", d.h. der "salzlose Ort" genannt; man schätzt die Zahl der Juden auf 6000 Seelen. Moses Montefiori, der im Jahre 1864 in Marokko war, um beim Sultan eine verbesserte Lage für seine unglücklichen Glaubensgenossen herbeizuführen, hat dies trotz seiner reichen Geschenke keineswegs zu Wege bringen können, sie leben dort heute noch in derselben unglücklichen und unterdrückten Art, wie bisher. Für die Christen scheint aber dort ein Umschwung eingetreten zu sein. Beaumier konnte mit seiner Frau, freilich in seiner Eigenschaft als Consul, im Jahre 1868 unbehindert die Stadt nach allen Richtungen hin durchziehen, und der schon mehrere Male genannte Hr. Lambert bewohnt Marokko seit Jahren. Um dies zu können, muss man aber vor allem der Sprache vollkommen mächtig sein, und man muss es verstehen, Demüthigungen und Vexationen, ähnlich wie sie von den Mohammedanern den Juden täglich auferlegt werden, zu ertragen. Aber keineswegs möchte ich doch empfehlen, wie Hr. Lambert das am Ende seines der Pariser geographischen Gesellschaft überreichten Berichtes thut: "die Touristen einzuladen, statt nach oft besuchten Gegenden zu gehen, nach Marokko zu kommen, um Ausflüge in die Umgegend zu machen". Solche sichere Zustände herrschen heute im Innern dieses Landes noch nicht132.

[Fußnote 132: Die Folge eines solchen französischen Berichtes verursachte auch den Tod von Alexandrine Tinne. Sie berief sich stets auf die zwischen Colonel Mircher und den Tuareg vereinbarten Verträge, als man ihr rieth nicht ins Land der Tuareg zu gehen; Obschon sie wissen musste, dass diese Verträge nur auf dem französischen Papiere existirten, da von Seiten der mächtigen und besitzenden Tuaregfürsten Niemand erschienen war mit Oberst Mircher zu unterhandeln.]

Ausser diesen vereinzelten Christen und den der Zahl nach genannten Juden besteht die Bevölkerung von Marokko aus Berbern, Arabern und Schwarzen. Letztere, vorzugsweise wie in ganz Marokko aus Haussa- und Bambara-Negern zusammengesetzt, fasst man auch hier unter dem Namen Gnaui zusammen, sie sind alle Bekenner des Islam, haben aber viele von ihren einheimischen Sitten beibehalten. Dadurch, dass man fast mehr Schellah als Arabisch in Marokko reden hört, könnte man versucht sein zu glauben, die Berberbevölkerung sei überwiegend. Das ist aber nur anscheinend und namentlich an den Markttagen, wo die ganze Landbevölkerung in die Stadt hereinkommt, der Fall. Der eigentliche Städter ist arabischer Herkunft, hat zwar oft viel fremdes Blut, pocht aber darauf, für einen Araber gehalten zu werden. Wie in den übrigen Städten Marokko's findet man auch hier viele Bewohner aus den übrigen grossen Ortschaften Nordafrika's, die manchmal einzelne Jahre lang, andere auch für immer sich fixiren, oder auch noch im Alter, nachdem sie ein kleines Vermögen erworben, in die Heimath zurückkehren.

Für die Aussätzigen hat man im Norden der Stadt ein eignes Dorf, Harrah133 genannt; diese, die nur unter sich heirathen, dort eine eigene Djemma (Gotteshaus) und eigne Medressen (Schulen) haben, deren Vorstände ebenfalls Aussätzige sind, dürfen nie die Stadt betreten. Dagegen sieht man dieselben den ganzen Tag vor dem Thore "Dukala" herumlungern, um Almosen zu erflehen. Es giebt übrigens auch Begüterte unter ihnen, denn sie treiben Industrie, haben ihren eignen Grund, auf dem sie ackern und Gärten bebauen, und die übrigen Marokkaner scheuen sich nicht, mit ihnen zu handeln; wenn aber Lambert sagt, die Furchtlosigkeit vor den Aussätzigen würde so weit getrieben, dass die Stadtbewohner mit den Leprösen aus einer Schüssel assen, oder in einem Zimmer schliefen, so ist das wohl übertrieben. In diesem Harrah giebt es eine Milha für die aussätzigen Juden.

[Fußnote 133: Mit diesem Worte bezeichnet man in den östlichen Städten Nordafrika's das Judenquartier.]

Der Handel von Marokko ist gegen den von Fes gehalten gering, es fehlt den Marokkanern die Geschicklichkeit und der Unternehmungsgeist. Die einst so hoch berühmten Gerbereien von Leder (Corduan, Maroquin, Safian) liegen im Verfall, allerdings existiren noch ganze Strassen, wo man nur gelbe und rothe Leder, oder davon fabricirte Schuhe kaufen kann, aber das schönste Leder wird heute in Fes bereitet. Hauptwichtigkeit hat Marokko im Handel für die südwärts gelegenen Atlastheile und die grosse Oase des Ued-Draa. So beziehen denn auch sämmtliche Arabertriben, die den beschwerlichen Weg über den Atlas scheuen, ihre Dattelvorräthe von Marokko, und die Marokkaner holen ihren Vorrath vom Draa.

Schon am dritten Tage Morgens verliessen wir die Stadt wieder. Was mich anbetrifft, so hatte ich von derselben höchstens ein Bild gewonnen, so wie es der jetzige Reisende mit nach Hause bringt, wenn er die Eisenbahn verlässt, um sich in irgend einer Stadt am Wege einen Tag lang aufzuhalten. Aus eigner Anschauung hatte ich nur die Märkte bei Abend, die Kutubia und die Sauya Sidi-bel-Abbes kennen gelernt.

Der Rückweg wurde auf dieselbe Art gemacht, nur für mich auf angenehmere Weise, da einige reiche marokkanische Kaufleute sich der Karavane angeschlossen hatten, welche Zelte hatten, und die sich ausserdem täglich den Luxus einer Tasse Thee erlaubten, und wenn wir in der Nähe eines Duars lagerten, dafür sorgten, dass die ganze Karavane auf ihre Kosten Fleisch bekam. Es ist sehr häufig, dass in diesem Lande, wo das Alleinreisen mit der grössten Gefahr verbunden ist, sehr reiche Kaufleute sich mit Maulthierkaravanen zusammenthun, und dass sie unter dem "Aman", Schutz einer solchen "Gofla", Karavane weite Reisen zurücklegen.

Wieder angekommen in Asamor, trennten wir uns, der reichere Theil der Karavane zog nach dem Norden, der grösste Theil blieb im Ort selbst, oder in der Umgegend, und wir beide zogen längs des Oceans weiter, nachdem wir noch einige Tage Rast in der Stadt gemacht hatten. Bis zum nächsten Orte el Bridja, d.h. kleine Burg, von den Europäern Masagan genannt, ist gerade eine deutsche Meile Weges.

El Bridja, ein länglichtes ummauertes Viereck, wird fast nur von Europäern und Juden bewohnt, und der Handel, der in Asamor sein sollte, wird hier betrieben. Die Mohammedaner begnügen sich damit ausserhalb der Stadtmauer, die übrigens halb in Ruinen ist, in Hütten und Zelten zu wohnen. In el Bridja, Masagan, oder wie sie drittens von den Gläubigen genannt wird: Dar djedida, d.h. Neustadt134, ist denn auch ein bedeutender Export-Handel, den Beaumier auf 1/8 der Gesammtausfuhr vom Lande anschlägt. Ich traf dort über 20 europäische Schiffe auf der Rhede, und wie lebhaft der Handel dort florirt, geht am besten daraus hervor, dass in diesem kleinen Orte, wo 1864 sicher nicht mehr als 1000 Einwohner waren, alle europäische Nationen einen Vertreter hatten.

[Fußnote 134: Diese kleine Stadt scheint sich durch den Reichthum an Namen auszuzeichnen, man hört sie auch El-Maduma, d.h. die Zerstörte, nennen.]

Wir verliessen Masagan und wieder längs des Meeres ziehend, kehrten wir Nachts bei Arabern in einem Duar (Zeltdorf) gelagert, ein. Ein neues Unglück sollte mich hier erreichen, der Spanier mein Begleiter war Nachts mit dem Esel aufgebrochen und hatte das Weite gesucht. Er hatte mir nichts zurückgelassen, als was ich auf dem Leibe trug, und ein kleines Ledertäschchen, welches ich als Kissen unter dem Kopfe hatte, und worin glücklicherweise etwas Geld war. Die Hauptsumme aber, alles was ich an Kleidung besass, hatte er aufgepackt und war damit verschwunden.—Es wäre unnütz gewesen hinterdreinlaufen zu wollen, zumal ich annehmen musste, dass die Leute des Zeltdorfes wohl mit ihm im Einverständnisse gehandelt hatten, denn ohne ihr Wollen hätte er sich unmöglich Nachts allein aus dem Duar entfernen können. "Mktub er Lah", es war von Gott geschrieben, sagte ich nach Sitte der Marokkaner, verliess das Zeltdorf, und erreichte ziemlich früh Ualidia.

Dies ist jetzt ein kleines Dorf ohne alle Bedeutung, scheint aber früh eine ziemlich bedeutende Stadt gewesen zu sein. Ein Theil der Stadtmauern und der Thore sind noch vorhanden. An der Küste befindet sich, südlich vom Dorfe, der beste Hafen des ganzen marokkanischen Ufers, wenn derselbe auch nicht gross ist. Es ist dieser Hafen lagunenartig, haffartig eingeschnitten, der Art, dass die davorliegende Nehrung von Felsen gebildet ist. In früheren Zeiten soll dieser Hafen auch benutzt worden sein, jetzt liegt derselbe unbeachtet und fast unbekannt da. Verschiedene Reisende, welche die Küsten Marokko's besucht haben, haben auch auf die Vortrefflichkeit des Hafens von Ualidia aufmerksam gemacht, unter ändern Frejus.—Nach Jackson wird Ualidia so genannt, weil es vom Sultan Ualid erbaut worden ist.

Ich blieb in diesem Orte nur um zu frühstücken, das Essen wurde mir auf zuvorkommende Weise von den Schriftgelehrten der Djemma angeboten, und alle erflehten auf mich den Segen Allah's herab, um mich für meinen Verlust zu trösten, und zugleich verfehlten sie nicht den Vater des Diebes und ihn selbst (in Gedanken und mit Worten) zu verbrennen, zu verfluchen und auf ewig zu verdammen. Leider bekam ich dadurch meinen Esel nicht wieder, und ihr Segen befreite mich auch nicht vom Fieber. So musste ich Nachmittags schon wieder Zuflucht in einem Zeltdorfe suchen, da ich von wahren Schüttelfrosten befallen wurde. Am anderen Tage früh aufbrechend, erreichte ich nach einem für mich recht anstrengenden Tagesmarsch spät Abends Saffi.

Saffi, wie die Europäer die Stadt, Asfi, wie sie die Eingeborenen nennen, liegt in einer weiten nach Westen offenen Bucht, deren äusserster Nordpunkt vom Cap Cantin gebildet wird. Die Stadt liegt unmittelbar am Ocean, ist von Mauern umgeben, besitzt an der Nordseite ausserdem eine Kasbah und hat ca. 3000 Einwohner, darunter einige Hundert Juden und ca. 50 Christen. Asfi wurde 1508 von den Portugiesen erobert, und sie blieben im Besitze der Stadt bis 1541, in welchem Jahre sie dieselbe freiwillig aufgaben. Chénier führt an mehreren Stellen an, die Portugiesen hätten Asfi 1641 verlassen, was aber wohl irrthümlich ist, wenn man anders nicht nachweisen kann, dass sie es zum zweiten Male genommen. Das beim Cap Cantin anfangende oder endigende Gebirge Dj. Megher tritt, Asfi umgehend, zurück, sendet aber kleine Ausläufer bis dicht zur Stadt, dadurch wird die Ufer-Gegend weniger einförmig, und das Gebirge selbst muss seines reichen Baumschmuckes halber je näher man kommt desto romantischer sein.

Ich fand in Asfi alle Funduks besetzt, fand aber bei einem Juden Unterkommen. Mein erster Gang war zum englischen Consul Mr. Carstensen, denn so sehr ich sonst auch mied, mit Europäern in Berührung zu kommen, so zwang mich andererseits mein Zustand, mich auf alle Fälle wieder in den Besitz von Chinin zu setzen. Ich fand selbstverständlich den freundlichsten Empfang, nicht nur fand ich das ersehnte Medicament, auch mit einer kleinen Geldsumme half Hr. Carstensen (die ich ein Jahr später die Freude hatte, ihm persönlich in Tanger zurückerstatten zu können) auf edelmüthige Art aus. Ehemaliger dänischer Officier, hatte Mr. Carstensen später in dem Krimkriege unter den Engländern Dienste genommen, und war durch Verheirathung in die englische Consulatscarrière gekommen. Seine Einladung, auf dem Consulate zu logiren, schlug ich indess wohlweislich aus, ebenso verführten mich auch nicht die Anerbietungen des französischen Consuls, dessen beiden Söhne, obschon Christen, auffallenderweise immer in marokkanischer Tracht gingen. Aber das Essen, welches mir Hr. Carstensen nach meinem Judenquartier während meines Aufenthaltes schickte, Teller, Messer und Gabeln, Servietten und Wein fehlten auch nicht, liess ich mir herrlich schmecken. Seit zwei Jahren das erste Mal, dass ich das Essen nicht direct mit den Fingern in den Mund zu bringen brauchte.

Ich blieb zwei Tage in dieser regen Handelsstadt, auf welche nach Beaumier 1/8 des gesammten Seehandels kommt. Auf der Rhede lagen auch hier mehrere europäische Kauffahrer.

Der Weg von Asfi bis zum Fluss Tensift ist äusserst beschwerlich; wenn Fluth ist, tritt das Wasser nämlich dicht an die Felsen, und über diese muss man dann bergauf bergab klettern, da das Gebirge gegen das Meer hin sich durch zahllose Rinnsale zerklüftet. Man braucht von der Hauptstadt der Landschaft Abda, d.h. von Asfi bis zum Ued-Tensift, der zugleich die Grenze der Landschaft Schiadma ist, 6 Wegstunden.

Obschon die Mündung des Tensift sehr breit ist und hohe abschüssige Ufer hat, kann man sie zur Zeit der Ebbe durchwaten. Aber die Eingebornen müssen zur Hand sein, um die Stelle zu zeigen. Das äusserste rechte Ufer wird gebildet durch den südlichen Vorsprung des Megher-Gebirges, welches eigentlich mit dem Hadid-Gebirge Eins ist, denn am linken Ufer des Tensift zeigen die Gesteinmassen des Dj. Hadid so vollkommene Uebereinstimmung mit dem Megher-Gebirge, dass man zur Annahme berechtigt ist, der Ued-Tensift habe diesen Gebirgszug durchbrochen, um das Meer zu gewinnen. Einen Ort Rabat el Kus, wie er im Maltzan und auf verschiedenen Karten an der Mündung des Tensift angegeben ist, fand ich nicht. Hingegen stiess ich (das Uebersetzen hatte viel Zeit weggenommen) auf dem linken Ufer auf die kleine Sauya Sidi el Hussein, in der ich freundliche Aufnahme fand und nächtigte. Höchst romantisch nahmen sich von hier ca. 1 Stunde entfernt, im Osten die Ruinen einer alten Burg, Namens Kasbah Hammiduh, aus. Mitten im Walde auf schroffem Felsen gelegen, hatte es ehemals wohl die Aufgabe, die Einfahrt in den Tensift zu vertheidigen.

Die Gegend wird jetzt immer abwechselnder, tiefe Buchten, welche das Meer macht, bewaldete Bergabhänge, entschädigen für den langweiligen Marsch auf dem weissen Sande des Strandes. Ich nächtigte noch einmal bei einer Grabkapelle Sidi Abd Allah Bettich und erreichte sodann am dritten Tage nach meiner Abreise von Asfi am Morgen früh die Stadt Ssuera oder Mogador.

Mogador ist eine Schöpfung neuester Zeit. Ob der Ort Tamusiga des Ptolemaeus oder, wie Knötel will, Suriga hier gelegen hat, lasse ich dahin gestellt sein. Letzterer meint, der Name Ssuera sei von Suriga abgeleitet. So ähnlich nun auch beide Namen sind, so dürfte die Etymologie de Laporte's die richtigere sein. Er leitet Ssuera von Ssura Bildniss her, Ssuera würde dann kleines Bild bedeuten, und da in Marokko manchmal mit dem arabischen Diminutiv etwas Hübsches, Niedliches, verbunden gedacht wird, so würde Ssuera "liebliches Bildchen" bedeuten. Diese Herleitung des Wortes Ssuera von Ssura hat um so mehr Wahrscheinlichkeit, als die Berber die Stadt Tassurt nennen und dies bedeutet in der Berbersprache ebenfalls ein hübsches Bildchen.

Der Name Mogador kommt ohne Zweifel vom Grabmal des Heiligen Sidi Mogdal oder Mogdur her, dessen Kapelle sich südlich vom jetzigen Orte in nicht weiter Ferne befindet. Wenn übrigens die Stadt Mogador erst 1760 vom Sultan Mohammed-ben-Abd-Allah gegründet, und wie eine noch am Hafen befindliche Inschrift bekundet 1184 (1773 nach J.C.) vollendet wurde, so wissen wir aus den Berichten der Väter der Provinz Touraine, dass der Name Mogador, den sie auf die vor Mogador liegenden Inseln anwenden, schon bedeutend früher vorkommt; ja, man findet Hafen und Insel Mogador schon auf der catalanischen Karte von 1375 eingetragen135.

[Fußnote 135: Renou p. 43.]

Die Stadt liegt auf einer kurzen, flachen und nach Südwest ins Meer sich senkenden Landspitze. Vor der Bucht, welche so gebildet wird, zieht sich dann eine grössere Insel hin, und weiter nach Süden und dem Lande näher, noch vier kleine Eilande. Die grosse Insel ist durch ein Fort befestigt, das aber jetzt nur marokkanische Sträflinge enthält, und seit dem Bombardement des Prinzen Joinville am 14. August 1844 nur äusserst nothdürftig wieder hergestellt ist. Eine der kleineren flachen Inseln hat ebenfalls eine Fortification. Die Stadt, selbst, fast viereckig von Form, ist eigentlich nach der Seeseite zu befestigt, denn die Mauern nach der Landseite zu, etwa 20' hoch sind kaum 6' dick und aus dem schlechtesten Material erbaut. Nach der Wasserseite aber ist die Kasbah mit ca. 30' hohen Mauern und Bastionen, und diese Kasbah, worin der Gouverneur, die Consuln, vornehme Christen und Juden wohnen, ist auch von der eigentlichen Stadt durch eine gleich hohe Mauer getrennt. Diese hat breitere und vollkommen gerade Strassen und nur einstöckige Wohnungen, während in der Kasbah die Strassen zwar auch gerade, aber eng sind, was noch um so mehr hervortritt, weil die Häuser der Kasbah meist mehrere Stock haben. Der Marktplatz des Ortes hat Säulengänge, ähnlich wie in L'Araisch.

Die Zahl der Bevölkerung dürfte 10-12000 Seelen incl. der Juden und Christen betragen. Dass Mogador, obschon am entferntesten von Europa gelegen, bislang von allen marokkanischen Häfen den bedeutendsten Handel hatte, verdankt es nicht allein den Anstrengungen der marokkanischen Regierung, sondern zum Theil seinem reichen Hinterlande; dann auch weil Agadir den Europäern verschlossen worden ist, und somit alle Producte der Landschaften südlich vom Atlas, ja von einem Theile des Sudan her, hier zusammenströmen. Indess dürfte Tanger, was Werth und Menge der Aus- und Einfuhr anbetrifft, wohl bald Mogador überflügeln. Importirt werden hier besonders Baumwollenstoffe und Thee aus England, Zucker aus Belgien und Frankreich, Tuche, Wachszündhölzchen und Stearinlichte aus Frankreich (letztere, sowie auch Salonzündhölzchen, ebenfalls aus Wien), Bretter aus Oesterreich, Stahlwaaren und Waffen aus England und Deutschland, endlich eine Menge kleinerer Sachen aus Deutschland, welche aber nur durch Zwischenhandel dahin gelangen. Exportirt wird Getreide, hauptsächlich Weizen, Gerste und Mais, trockne Hülsenfrüchte, besonders Saubohnen, Thierfelle, Schafwolle, und an Früchten Mandeln, Datteln, Oliven; aus dem Sudan werden Federn und Elfenbein gebracht, Gummi kommt heute in Mogador wohl kaum mehr zum Export. Ebenso hat die Sclavenausfuhr von hier, die in den dreissiger Jahren auch von deutschen Schiffen unter dem Namen von "Ebenholzhandel" stark betrieben wurde, ganz aufgehört.

Mogador hat wirkliche Consuln aller Mächte, mit Ausnahme des Deutschen Reiches.

Ich hatte mir in einem Funduk ein leidliches Zimmer zu verschaffen gewusst und blieb einige Tage in der Stadt, um meine Gesundheit wieder etwas herzustellen. Der englische Consul versorgte mich mit Chinin.

Und dann sagte ich mit Mogador dem letzten Hauche der Civilisation Lebewohl; ich wusste, weiter nach dem Süden zu sei kein Christ mehr anzutreffen, ich wusste sogar, dass weiter nach dem Süden zu mir die arabische Sprache mit Ausnahme in den Städten, nichts mehr nützen würde.— Sobald man die Stadt verlässt, befindet man sich in grossen Sandpartien neueren Ursprunges, in Dünen, welche in jüngster Zeit aus dem Meere ausgeworfen sein müssen. Ich wanderte zum südlichen Thore hinaus, ganz ohne Begleitung. Einige, besonders Juden und Christen, hatten mir den Weg bis Agadir sehr gefahrvoll vorgestellt; andere, Mohammedaner, meinten, ich habe nichts zu fürchten. Nachdem man eine halbe Stunde von der Stadt entfernt die Kubba Sidi-Mogdal's passirt hat, des Heiligen, welcher der Stadt den Namen gegeben hat, und der besonders bei der weiblichen Bevölkerung in grosser Verehrung steht, erreicht man zwei halb vom Sande verschlungene Schlösser des Sultans.

Der Weg, der sich Anfangs gen Süden längs des Meeres hinzieht, wendet sich bald darauf nach Osten und die Dünen erreichen ihr Ende. Statt dessen kommt man in einen dichten 10-12' hohen Binsenwald. Die Bewohner flechten Matten und Körbe aus diesen Binsen, die jedoch bei Weitem nicht so dauerhaft sind, wie jene aus den Blättern der Zwergpalme oder aus Halfa. Dieser Binsenwald ist 3 Stunden breit, dann erreichte ich Mittags eine gut ummauerte Quelle mit herrlichem Trinkwasser.

Von hier an nahm nun die Gegend einen ganz anderen Charakter an; wilde Oliven, immergrüne Eichen, Lentisken- und Lotusgebüsche wurden immer seltener, dagegen trat aber ein Baum, der Argan, welcher in den Landschaften von Dukala, Abda, Schiadma nur vereinzelt auftritt, hier derart seine Herrschaft an, dass man wohl annehmen muss, diese Landschaft Haha, welche die westlichsten Ausläufer des Atlas in sich begreift, sei die eigentliche Heimath dieses nützlichen Baumes. Eigenthümlich genug, findet sich dieser Argenbaum nur in diesen Gegenden, sonst nirgendwo auf der Erde. Der Elaeodendron Argan hat in der Regel die Grösse unserer Obstbäume, mit dem Oelbaume hat er aber, obschon andere Reisende ihn damit verglichen haben, keine Aehnlichkeit. Das helle saftgrüne Blatt gleicht vielmehr den Myrtenblättern. Die Frucht selbst, von der Grösse einer Olive, sieht, wenn vollkommen reif, hochgelblich aus und hat einen widerlich süssen Geschmack, für Menschen ist sie vollkommen ungeniessbar. Aber desto mehr wird sie von den auf den Bergabhängen weidenden Ziegen und Schafen aufgesucht. Und da der Baum das ganze Jahr hindurch nach und nach Früchte zeitigt, so hat man hier die fettesten und schönsten Heerden. Der braune faltenreiche Stein der Frucht, länglich von Gestalt und so gross wie ein Aprikosenkern, schliesst einen weissen Kern ein, der äusserst bitter schmeckt, aber ein sehr gutes Oel liefert, das in diesen Gegenden allgemein von den Eingeborenen zur Speisebereitung benutzt wird. Auch in Mogador wird das Oel von den Eingeborenen benutzt, von den Europäern aber nicht. Ich selbst habe es natürlich immer essen müssen, und fand, hat man sich erst etwas an den eigenthümlich angebrannten oder räucherigen Geschmack gewöhnt, das Oel vollkommen geniessbar. Der Arganbaum erreicht bisweilen die Höhe und den Umfang, dass seine Stämme als Nutzholz verwerthet werden können. Für die Zukunft, d.h. wenn Marokko in den Kreis der Civilisation wird gezogen worden sein, dem es sich auf die Dauer ebenso wenig wie ein anderes Land wird entziehen können—wird dieser Baum der Landschaft Haha eine grosse Rolle spielen. Leider denken jetzt die Eingeborenen so wenig daran, materiell ihre Lage zu verbessern, dass sie es verschmähen, die Früchte des Arganbaumes, von dem es ausgedehnte und dichte Waldungen giebt, zu sammeln und zu Markte zu bringen, sondern es vorziehen, sie meist auf dem Boden verfaulen zu lassen.

Ich übernachtete in einer Sauya, wo nur der Thaleb Arabisch verstand, alle übrigen, Berber ihrer Nationalität nach, sprechen und verstanden nur Schellah. Es war hier das letzte Dorf, wenn man einige Hütten und Zelte, die sich um die Sauya herum gruppirt hatten, so nennen will. Denn wenn die Gegend schon dadurch einen eigenthümlichen Reiz bekömmt, dass der im herrlichsten Grün prangende Arganbaum so vorwiegend sein Reich hier inne hat, so wird man andererseits, je weiter man in Haha nach dem Süden zu vordringt, durch die eigenthümliche Bauart, durch das merkwürdige Wohnen der Eingebornen berührt. Im Norden vom Atlas, im eigentlichen Marokko (Rharb el Djoani) wohnen alle Eingeborenen, einerlei ob Berber oder Araber, entweder in Häusern aus Stein zu Städten und Dörfern vereint, oder in Zelten zu Zeltdörfern vereint. Einzelne Wohnungen, einzelne Zelte findet man fast nie. Hier ist nun Alles anders. Man glaubt sich plötzlich ins Mittelalter zurückversetzt, die kleinen Berge und fast jeden Hügel sieht man von einer grossen kastellartigen Burg gekrönt. Sei es nun, dass es von jeher diesen Berbern gefallen hat so zu wohnen, sei es, dass die grosse Unsicherheit der Gegend, die steten Feindseligkeiten der einzelnen Stämme und Familien, ein solches befestigtes Wehrsystem nothwendig machte, gewiss ist es einzig in seiner Art. Denn die Städte, Dörfer, Zeltdörfer oder unbefestigte einzelne Wohnungen fehlen ganz und gar. Vier, fünf oder noch mehr Familien bewohnen solche kastellartige Schlösser, welche meist viereckig von Form eine Höhe von 20 bis 30 Fuss haben. Fast alle haben an zwei Ecken hohe flankirende Thürme, und fast alle haben oben auf der Umfassungsmauer Zacken. Sie sind aus soliden Steinen mit Mörtel aufgeführt, haben einen schmalen Graben, besitzen nur Ein Thor, welches in der Regel durch eine Zugbrücke von dem umgebenden Terrain erreicht wird.

Im Innern dient der ganze untere Raum, sowie der grosse Hof fürs Vieh, die Menschen haben in der zweiten Etage, die einen gewölbten Boden hat, ihre Stätte, zu der man mittelst einer Leiter, die man im Nothfalle nach sich ziehen kann, hinaufkömmt; jede Familie hat nur ein Zimmer.

Da die hier vom grossen Atlas entspringenden Flüsschen alle nur im Winter Wasser fortschwemmen, so haben die Eingeborenen für Cisternen gesorgt, die man manchmal am Wege, manchmal an irgend einer Oertlichkeit, die den Erbauern günstig schien, eingerichtet findet. Diese Cisternen sind ganz in der Art und Weise gebaut, wie die der Römer. Es sind 15 bis 20 Fuss lange, 5 bis 10 Fuss breite, 20 Fuss tiefe und aus behauenen Steinen ausgemauerte Gruben, die oben überwölbt sind. Durch ein kreisrundes Loch wird mittelst eines Eimers das Wasser heraufgeholt, welches selbst, aus Regengüssen oder aus einem Rinnsale gesammelt, mittelst eines anderen Loches hineinfliesst. Cisternen mit mehreren Abtheilungen sind mir nicht zu Gesichte gekommen, indess mögen sie auch vielleicht existiren. Einzelne dieser Wasserbehälter, und dieses sind die schlechteren, scheinen aus verhältnissmässig neuer Zeit herzustammen, die Mehrzahl aber trägt ein sehr altes Gepräge an sich.

Am zweiten Tage hielt ich der grossen Strasse (d.h. man muss dabei an marokkanische Strassen denken) folgend durchaus südliche Richtung, es ging bergauf bergab, denn ich hatte alle die unzähligen, oft breiteren, oft schmäleren westlichen Abhänge des Atlas zu übersteigen. Dabei war man fortwährend im herrlichsten Arganwald, und hin und wieder tauchten Schlösser und Burgen, oder auch nur die hohen Wartthürme derselben vor meinen erstaunten Augen auf. Mittags desselben Tages hatte ich noch Gelegenheit, in einem solchen Schlosse einer Hochzeit beizuwohnen. Schon von Weitem hörte ich durch den Wald die Musik, vorzüglich das Trommeln und das Ui-Ui-Ui der alten Weiber. Ich ging dem Lärm nach, und kaum hatte mich die lustige Gesellschaft erblickt, als ich mit "Willkommen, Willkommen" begrüsst wurde. Die Berber halten es für ein gutes Zeichen, wenn wirkliche Fremde von weither zu einer Hochzeit sich einstellen. Man war am zweiten Tage; die Braut, das Kind einer fremden Burg, war noch nicht geholt; es geschieht das erst am dritten Tage. Dagegen amusirten sich die beiderseitigen Anverwandten auf Kosten des Vaters des Bräutigams ungeheure Quantitäten von Nahrung zu vertilgen, dabei wurde getanzt (von Sclavinnen, mit denen sich die Berber nicht nach Art der Araber vermischen), musicirt und allerlei Allotria getrieben. Der Bräutigam selbst, ein junger hübscher Mann von etwa 25 Jahren vom Stamme der Ait-Ischar, sass in einem neuen Gewande, schweigend auf einer Erhöhung. Mit Ausnahme einiger Redensarten verstand Niemand Arabisch, selbst ihr Schriftgelehrter sprach die Religions- und Schriftsprache nur sehr mangelhaft. Es war daher sehr schwer für mich, mich mit ihnen näher einzulassen. Sie hatten übrigens bald genug herausgebracht, dass ich grossen Hunger hatte, und ein reichliches Mahl von Kuskussu, von Brod, Butter und Honig half dem ab. Aber wahrscheinlich hatte ich der Mahlzeit auf zu berberische oder arabische Weise gehuldigt, d.h. meinen Magen überladen (ich hatte seit dem Abend vorher nichts genossen); denn kaum hatte ich meine Wanderung südwärts wieder angetreten, als ich vom heftigsten Fieber abermals überfallen wurde.

Nur mit Mühe ging es vorwärts, aber da ich mitten im Walde war, musste ich Abends ein Unterkommen zu erreichen suchen. Gerade als die Sonne untergehen wollte, entdeckte ich ein stattliches Schloss, wanderte den Hügel hinauf, und obschon die Leute kein Wort von dem verstanden, was ich wollte, merkten sie doch, ich wünsche nur ein Unterkommen, und das gaben sie mir.

Am anderen Morgen befand ich mich bedeutend besser, ich hatte eine grosse Gabe Chinin genommen, und das Fieber war endlich gewichen. Der Weg hielt dieselbe Richtung, die Berge wurden nun immer wilder und höher, aber die Gegend gleich gut bevölkert und reich mit hellgrünen Arganbäumen bewaldet. Das leere Bett des Ued-Tamer wurde durchstiegen, der stärkste und längste Gebirgsausläufer des Atlas, der Dj. Ait-Uakal (Cap Gher) erreicht, und sobald ich den Kamm dieses Höhenzuges überschritten hatte, wandte sich der Weg nach Westen und bald darauf hatte ich das Meer erreicht. Es war Nachmittags, als ich es endlich zu Wege gebracht hatte, die steile Küste hinabzuklimmen, mit grösstem Staunen aber bemerkte ich, wie gleich darauf ebenfalls eine Karavane, aus beladenen Eseln und Maulthieren bestehend, diesen Weg herabklomm. Hatte ich gewollt, so würde ich wohl noch am selben Tage Agadir erreicht haben, aber meine Schwäche nöthigte mich Zuflucht in einer dicht am Meere gelegenen Burg zu suchen.

Am anderen Morgen längst des Meeres weiter gehend, erreichte ich gegen 10 Uhr Fonti, das Dorf, welches am Fusse des Berges gelegen ist, auf dem sich Agadir oder Santa-Cruz befindet. Das Dorf Fonti hat seinen Namen von einer Quelle, die sich auf dem Berge von Agadir etwas unterhalb der Stadt befindet, die Portugiesen nannten die Quelle Fonte, woraus die Eingebornen Fonti machten und dies Wort auch auf das Dorf am Strande ausdehnten. Ich war anfangs der Meinung diese Oertlichkeit sei die Stadt Agadir, da wegen des starken Nebels, welcher die ganze obere Partie des Berges einhüllte, nichts von Gebäuden zu erblicken war.

Fonti selbst ist nur ein ärmliches Nest aus kleinen Hütten, ist aber dennoch auf gewisse Art befestigt. Nach der Landseite zu wird es durch den Berg von Agadir und zwei Mauern, die sich längs des Berges hinaufziehen, geschützt, nach der Seeseite war der Ort offen, weil er der Aermlichkeit selbst wegen keinen Angriff zu fürchten hatte. Nach dem Kriege mit Spanien scheint aber Sultan Sidi-Mohammed-ben-Abd-er-Rhaman anderer Meinung geworden zu sein.

Irren wir nicht, so existirte ein geheimer Vertrag in den Friedensartikeln, wonach die Marokkaner diesen Ort, d.h. Agadir, den Spaniern abtreten sollten, oder jedenfalls war die Rede davon, dass die europäischen Mächte wieder das Recht haben sollten hier Consuln zu installiren. Aber nach Sitte der Marokkaner dachte man nicht daran sein Wort zu halten. Aufs Eifrigste war man deshalb beschäftigt den Ort Fonti durch massiv steinerne Batterien auf europäische Weise zu befestigen, und leider waren es spanische Renegaten, die sich zu diesen Arbeiten hergaben. Auch bei der Quelle, Fonti wurden neue Batterien errichtet.

Ob nun aber diese Befestigung dennoch hinlänglich sein wird, auch nur ein einziges Kanonenboot vom Bombardement und von der Zerstörung der Werke abzuhalten, möchte ich bezweifeln. Sonst hat der untere Ort, dessen Einwohner ausschliesslich vom Fischfange leben, noch Bedeutung als Zollstation, alle Waaren, die aus dem Sus, dem Nun und südlich davon gelegenen Districte kommen, müssen hier ihren Eingangszoll zahlen, so dass bei Agadir die eigentliche politische Grenze des Kaiserreiches ist. Sobald die Sonne die Nebel zertheilte, zeigte sich hoch oben auf dem Berge Agadir, und ich machte mich auf, den steilen Berg zu erklimmen.