Abschnitt 4

Von den jungen Dienstpflichtigen des Landes war die Mehrzahl auf den Eisfeldern Rußlands geblieben. Und doch, als Herzog Friedrich Franz am 14. März 1813 seine Zeit ersah, um dem verhaßten Rheinbunde den Rücken zu kehren und sein Volk zum Kampf gegen den Unterdrücker aufzurufen, da strömten von allen seiten die Freiwilligen herbei, und das kleine Land brachte abermals eine Truppenzahl zusammen, die den Opfermut und den deutschen Sinn der Mecklenburger ins hellste Licht setzte. „Es gilt nichts geringeres als Deutschlands Befreiung für immer. Zu diesem großen heiligen Zweck muß alles, was deutsch sich nennt, mit voller und ausdauernder Anstrengung mitwirken . . . Zu dem Ende wollen Wir ein Corps regulärer Infanterie, von welchem Unsere Leibgarde den Stamm ausmachen soll, und ein Corps Jäger errichten und fordern hierdurch unsere getreuen Untertanen ohne allen Unterschied der Geburt und des Standes auf, sich zu diesem Zweck zu vereinigen, überzeugt, daß Wir nur dem allgemeinen Wunsch entgegenkommen, indem Wir die Gelegenheit darbieten, durch die Tat zu zeigen, daß in den Herzen der Mecklenburger reiner deutscher Sinn und Liebe für Fürst und Vaterland treu bewahrt geblieben sind . . .“ - so sprach der hochsinnige Fürst zu seinem Volke, und er sollte sich in seiner Hoffnung nicht täuschen. Für das neuzubildende Infanterieregiment fanden sich in Rostock beim General v. Fallois als Regimentskommandeur bald 2/3 der erforderlichen Mannschaften zusammen. Der verhältnismäßig geringe Rest wurde durch Konskription aus denjenigen Ämtern aufgebracht, welche die wenigsten Freiwilligen gestellt hatten. Bei dem regulären Infanterie-Regiment erhielten auch die Freiwilligen die Uniform, Bewaffnung und Ausrüstung vom Regiment und bekamen die übliche Löhnung, übrigens wurde ihnen nach Beendigung des Krieges völlige Militärfreiheit und vorzugsweise Berücksichtigung bei Anstellungen versprochen. Die Grenadiergarde rückte bereits am 27. März ins Feld, um Tettenborn bei der Verteidigung Hamburgs zu unterstützen. Anfangs nur 280 Mann stark, wurde sie bald bis auf 400 vermehrt und später durch Errichtung einer vierten, Voltigeurkompanie, auf über 500 Mann gebracht. In Hamburg gab man ihr das Zeugnis hervorragender Tüchtigkeit und Mannszucht, und bereits Anfang Mai konnte sie in dem zweimaligen Treffen auf der Veddel zeigen, daß sie des Ranges einer Elitetruppe würdig war. Es charakterisiert die Ruhe und Besonnenheit unseres Volksstammes ausgezeichnet, wenn erzählt wird, daß ein Grenadier beim Gefecht mitten unter die feindliche, sehr ähnlich uniformierte Truppe gerät und plötzlich die fremde Sprache bemerkend ganz ruhig tut, wie wenn er dazu gehörte, bis ihm eine Gelegenheit wird, sich heimlich davonzumachen und glücklich nach Hamburg zurückzukommen - oder wenn beim Sturmangriff der Bataillonstambour einem nicht im Takt schlagenden Tambour zuruft: „Morgen nachexerzierend“ Einige Tage nach dem zweiten Gefecht auf der Veddel trifft auch das neue mecklenburgische Infanterie-Regiment, 800 Mann stark und mit englischen Gewehren wohlbewaffnet, in Hamburg ein. Daß schließlich die Stadt doch wieder an die Franzosen verloren ging, war nicht die Schuld der tapferen Mecklenburger, sondern des Abfalls der Dänen von der Sache der Verbündeten.

In dem Aufruf vom 25. März, den ich erwähnte, war bereits die Aufstellung einer weiteren Truppe für Mecklenburg-Schwerin in Aussicht genommen, nachdem schon vorher der Herzog durch König Friedrich Wilhelm III. auf den Nutzen eines Freiwilligen-Korps aufmerksam gemacht war und sich zwei ehemalige Offiziere, der Graf von der Osten-Sacken und der Rittmeister von Müller von den früheren preußischen Usedom-Husaren, zur Gründung eines solchen Korps erboten hatten. Am 27. März erging deshalb der Aufruf zur Bildung eines freiwilligen Jägerkorps zu Fuß und zu Pferde an alle Einwohner des Landes, besonders aber an die Forstleute und gelernten Jäger, auf deren Schießsicherheit man besonderen Wert legte. Die gelernten Jäger sollten ihre Ausrüstung unentgeltlich erhalten, die übrigen sich selbst kleiden, ausrüsten und beritten machen. Es wurde ausdrücklich befohlen, daß gelernte Jäger, die eintreten wollten, sofort von ihren Brotherren freigegeben werden sollten, und ihnen sowohl wie den übrigen für die Zukunft, ähnlich wie den bei der Infanterie Eingetretenen, besondere Berücksichtigung zugesagt. Der Erfolg dieses Aufrufs war außerordentlich. Nicht weniger als 231 Jäger und Forstleute meldeten sich, die meisten sofort, manche auch später im Verlauf des Feldzuges. Dazu kamen weit über 100 junge Leute aus den gebildeten Ständen, Studenten, Kandidaten, junge Kaufleute, Advokaten und andere. Manche Väter sandten zwei oder gar drei Söhne zu der Truppe, es herrschte eine Opferwilligkeit, wie sie das Land nie gesehen. Wer nicht selbst mitkonnte, gab wenigstens sein Scherflein zur Ausrüstung der beiden Regimenter her, so daß binnen kurzem gegen 100.000 Taler - in Rostock allein 30.000 - zusammenkamen. Die Ausrüstung kostete für einen Fußjäger 42 Taler, für einen Reiter 69, aber ohne Waffen. Die Uniform zu bestimmen hatte sich der Herzog selbst vorbehalten. Sie entsprach nach den Vorschlägen der beiden Kommandeure im wesentlichen der Uniform der übrigen Freiwilligenformationen in Deutschland: Grüner Waffenrock in dem üblichen Schnitt mit hohem rotem Kragen, roten Aufschlägen und Schoßbesatz. Kragen und Aufschläge waren mit je zwei goldenen Gardelitzen besetzt, die Knöpfe gelb. Die Beinbekleidung war eine graue Hose, Schuhe und schwarze Gamaschen. Die Reiter hatten ledernen Reitbesatz und einen 2 Finger breiten roten Nahtstreifen. Der Tschako war dem der Infanterie gleich, trug aber die Sonne mit Wappen wie die Offiziere, dazu einen Pompon und darunter die am 25. März eingeführte Landeskokarde. Später kamen bei den Fußjägern noch hohe grüne Büsche von Hahnenfedern hinzu, bei den Reitern schwarze fallende Roßhaarbüsche. Außer Dienst trug der Jäger eine grüne Ärmelweste und eine Tuchmütze mit rotem Randstreifen, die schon an unsere heutigen Feldmützen erinnert, während bei der regulären Infanterie noch das französische bonnet de police üblich war.


Die Ausrüstung der Fußjäger war außer dem Tornister eine Patrontasche, groß und halbrund gebogen, die über die linke Schulter getragen wurde. Am schwarzen Bandolierriemen, der sich mit dem für den Hirschfänger kreuzte, waren Räumnadelketten und Pulverhorn aus Messing angebracht. Über beide Bandoliere schnallte man noch einen Leibriemen. Die Offiziere, die alle beritten waren, hatten auch Kavallerieausrüstung und zumeist den Schleppsäbel in Messingscheide, am Tschako goldene Cordons und ein Nationale mit silbernem Randstreifen. Die Jäger zu Pferde waren mit Säbeln am Unterschnallkoppel und Reiterpatrontaschen am schwarzen Bandolier ausgerüstet, trugen Karabiner mit Bajonett und hinter sich auf dem ungarischen Bocksattel einen Mantelsack.

Wenngleich den Wohlhabenden gestattet war, etwas reichere, gestickte Gardelitzen zu tragen, so wurde doch im ganzen sehr auf Einheitlichkeit gesehen. Auch die Jäger, die sich selbst equipierten, kauften meist ihre Ausrüstung bei der Truppe. Wohlhabende Bürger rüsteten oft zwei oder drei von ihnen aus, andere wieder stellten Pferde zur Verfügung, und was noch fehlte, wurde durch Umlagen von seiten des Engeren Ausschusses von Ritter- und Landschaft herbeigeschafft. Natürlich fehlten auch gelegentliche Mißbräuche und Profitlust nicht ganz. Ein kluger Handlungsjüngling erklärte sich in einem feurigen Schreiben an den Herzog bereit zum Eintritt, - wenn ihm dieser ein Handelsprivilegium erteilen wolle. Er erhielt aber die mit Recht wenig gnädige Antwort, daß mit dem Patriotismus nicht geschachert werden dürfe. Andere, die nur bescheiden um Offenhaltung ihrer bisherigen Stellungen baten, wurden dagegen freundlich zustimmend beschieden, und es gewährt einen besonderen Genuß, aus den unzähligen noch vorhandenen gütigen und immer ganz individuell behandelten Antworten des Herzogs Friedrich Franz dessen landesväterliche Fürsorge und zugleich die Freude an dem Opfermut seiner Landeskinder hervorleuchten zu sehen.

So kam binnen kurzem ein Regiment zu Fuß von 520 Mann außer Offizieren und Unteroffizieren zusammen, desgleichen ein Kavallerie-Regiment von 500 Mann, beide in je 4 Kompanien bezw. Eskadrons eingeteilt. An dem Sammelplatz in Güstrow entwickelte sich reges Leben und Treiben. Die Jäger exerzierten auf allen freien Plätzen der Stadt, die Handwerker arbeiteten Tag und Nacht an der Fertigstellung der Ausrüstung. Denn es fehlte in dem ausgesogenen, sowieso wenig industriereichen Lande fast an allem: Tuch zu Uniformen, Leder für Patronentaschen, Koppel, Sättel und Zäumung, Tschakos und Schuhen, vor allen Dingen aber - und das war am schwersten zu beschaffen - war großer Mangel an Waffen, besonders Büchsen für die Fußjäger. Vergeblich wandte sich Herzog Friedrich Franz in einem eigenen Schreiben an den Preußenkönig mit der Bitte um Waffen und zugleich um 20 gediente Kavallerie-Unteroffiziere. Die wollte Friedrich Wilhelm gerne senden, aber Waffenmaterial hatte er für seine eigene Armee kaum genügend. Schließlich gelang es nach langem Hin und Her, den noch fehlenden Bestand an Jägerbüchsen aus England zu erhalten, ebenso wie die gesamte Armatur der Kavallerie an Karabinern, Säbeln und Pistolen. Bei dem ausgezeichneten Geist, der in beiden Regimentern herrschte, ging die Ausbildung verhältnismäßig sehr rasch von statten, schon Ende Mai waren Schützen wie Reiter soweit durchgebildet, daß man den fortwährenden dringenden Wünschen des Oberkommandierenden der Elbarmee nachkommen und sie an die Front schicken konnte, wenngleich die zunächst immer noch sehr ungenügende Ausrüstung zur Zurückhaltung mahnte und durch die zu frühe Verlegung, besonders der Fußjäger, aus ihrer bisherigen Garnison in die Gegend von Dömitz und Grabow sich erneute Schwierigkeiten bei der Durchbildung der jungen Mannschaft ergaben. Aber die Kommandeure, unterstützt durch eine Anzahl ausgezeichneter Offiziere, die größtenteils gleichfalls als Freiwillige eingetreten waren, setzten durch, was sie wollten. Mit großer Sorgfalt wurde, wie auf die körperliche Tüchtigkeit, so auch auf den guten Ruf der Truppe gesehen, alle Elemente, die nicht hineinpaßten, wurden ausgemerzt, und mit welcher Schärfe, zeigt die noch heute erhaltene Bestandsliste des Jäger-Regiments zu Fuß. Von den 830 Köpfen, die das Regiment in den kurzen 5/4 Jahren seines Bestehens gehabt hat, sind 21 „ohne Abschied weggejagt“, und von diesen 21 waren 6, bei denen Trunkenheit der einzige Grund dafür war, und nur zwei oder drei, denen ehrloses Benehmen nachgesagt werden mußte. Kein Wunder, daß eine Truppe, bei der solche Disziplin herrschte, überall gern gesehen war und daß sie sich trotz aller Ungunst der Verhältnisse, die besonders in ihrer Zugehörigkeit zu der schwedischen Armee begründet war, ein mit Recht sehr ehrenvolles Andenken in unserem Volk und in der Kriegsgeschichte des Völkerkampfes zu gewinnen und zu bewahren gewußt hat.

Die Mecklenburger Truppen von 1813, reguläre wie freiwillige, Fußvolk wie Reiter, können auch unserem Geschlechte zum Vorbild und zur Mahnung dienen, daß der Geist aufopferungsfreudiger Vaterlandsliebe, der sie beseelt hat, in unserem Volke erhalten bleibe und uns und unsere Nachfahren antreibe, ihnen nachzueifern, wenn einmal wieder, wie vor 100 Jahren, das alte Feldgeschrei erschallen sollte: Mit Gott für Fürst und Vaterland.