Abschnitt 1

Meine Herren! Für einen Verein, der wie der unsrige sich die Erforschung der vaterländischen Geschichte zur Aufgabe gemacht hat, ist es eine naheliegende Pflicht in diesem Jahre der Erinnerungen an die große Zeit des Freiheitskampfes auch an seinem Teile derer zu gedenken, die vor hundert Jahren mit dem scharfen Stahl in der Faust die Weltgeschichte geschrieben haben, eine Weltgeschichte, deren Folgen noch heute und, wie wir hoffen dürfen, noch für lange Zeit gültig und spürbar sind. Und mit besonderer Freude darf unser Mecklenburgischer Geschichtsverein sich der mannhaften Taten unserer Vorfahren in jener Zeit erinnern. War doch Mecklenburg das erste deutsche Land, das sich mit brennendem Herzen dem Vorgehen Preußens und Rußlands gegen den langjährigen Bedrücker zugesellte, Herzog Friedrich Franz der erste unter den deutschen Fürsten, der seine junge Mannschaft zum Kampf gegen die napoleonische Gewaltherrschaft aufrief.

Und es war eine Mannschaft, die des edlen Waffenhandwerks wahrlich nicht ungewohnt war. Die Geschichte unseres mecklenburgischen Militärwesens - ich fasse den Begriff heute nur im Sinne des stehenden Heeres -, so eng auch der Zahl nach seine Begrenzung gewesen sein mag, weist in ihrem kleinen Rahmen Taten genug aus, deren sich auch die Kriegsmacht des sieggewohntesten Staates nicht zu schämen brauchte, von jenen fröhlichen Reiterhieben im Gefecht bei Walsmühlen bis zu dem Sturmangriff unserer Grenadiere und Füsiliere bei Loigny. Doch weniger auf diese Waffentaten unserer Truppen möchte ich heute eingehen - sie sind Ihnen allen durch Schrift und Wort, zumal in diesem Erinnerungsjahr, oft genug lebendig geworden - als vielmehr auf die, wenn ich so sagen darf, innere Geschichte unseres Militärwesens, die, wie im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts, so auch in der Zeit der Befreiungskriege eine reiche Fülle bemerkenswerter kulturgeschichtlicher Bilder darbietet, von der Neuzeit ganz zu geschweigen.


Den ersten ständigen Truppen in Mecklenburg begegnen wir, wenn wir von der herzoglichen Leibgarde der Trabanten absehen, die schon im Laufe des 17. Jahrhunderts vielfach genannt wird, unter der Regierung des Herzogs Friedrich Wilhelm - die gelegentlich geworbenen Regimenter aus der Zeit des Herzogs Christian Louis sind schwerlich als ständige Truppen zu bezeichnen und stehen außer allem Zusammenhang mit der weiteren Militärgeschichte des Landes. Zu Ende des 17. Jahrhunderts aber errichtete Herzog Friedrich Wilhelm zwei Infanterie-Regimenter, von Buchwald und von Schwerin, die in beträchtlicher Stärke, je 10 Kompanien mit etwa 70 Gemeinen und 6-8 Unteroffizieren, als niederländische Hilfstruppen am spanischen Erbfolgekriege teilnahmen. Dazu kam 1702 noch ein Bataillon, von Maltzan, das als Reichskontingent des Dänenkönigs mit 5 Kompanien nach Bayern marschierte und später auf dem ungarischen Kriegsschauplatz unter dem General von Heister verwendet wurde. Endlich zwei Reiterregimenter, Leibregiment zu Pferde unter dem Oberst von Krassow und Meerheimb-Dragoner, wahrscheinlich bald in eins verschmolzen und lange, oft schwere Jahre zu der verbündeten Armee am Oberrhein gehörig, bei der sich die mecklenburgischen Reiter wiederholt als tüchtige Truppe hervorgetan haben. Die Geschichte aller dieser Truppenteile ist zwar bisher noch nicht soweit im einzelnen durchforscht worden, daß es möglich wäre, ein deutliches Bild derselben zu zeichnen. Aber als sichtbares Sinnbild dieser ältesten stehenden Truppen Mecklenburgs werden noch heute zwei schöne, wenn auch arg mitgenommene Fahnen im Schweriner Arsenal aufbewahrt, die den Namenszug des fürstlichen Begründers in der Spitze tragen, die weiße Leibfahne des Regiments Buchwald und eine blaue, die wahrscheinlich der 5., von Bohlenschen Kompanie des Regiments Schwerin bei Hochstädt dem Siege entgegen voranwehte, derselben Schlacht, in der eben diesem Bohlen, dem damaligen Regimentsführer, die rechte Hand abgeschossen wurde - es war aber nur eine eiserne, denn seine eigene hatte er schon Jahre vorher in schwedischen Diensten gegen Frankreich verloren. Unwillig hielt ihn, als er zur Bagage zurückritt, der alte Dessauer an: ob er ins Dreiteufelsnamen retirieren wolle, aber Bohlen antwortete nur: „Mir ist die Hand abgeschossen worden, aber die Hundsfötter haben nicht gewußt, daß ich im Rüstwagen noch eine im Vorrat habe, die will ich mir holen und die Franzosen dann schon auf den Trab bringen.“ Was auch geschah!

Zu den Zeiten des Herzogs Karl Leopold erfuhren die mecklenburgischen Truppen eine nicht unbeträchtliche Verstärkung, um dem Herzog in seinen Kämpfen gegen die widerwilligen Stände, vielleicht aber auch zu ehrgeizigeren, niemals völlig aufgeklärten Plänen zu dienen. Zu den schon genannten drei alten Regimentern (Schwerin, später Bohlen, jetzt von Kahlden; Buchwald, jetzt von Flohr; und Leibregiment zu Pferde) trat noch ein einheimisches Infanterie-Regiment (von Krafft) und zwei von Peter dem Großen überlassene russische: von Tilly und von Wallinskoi, außerdem das Schweriner Nationalmilizbataillon unter Oberst von Buggenhagen und das Güstrower unter Oberstleutnant von Kohlhans, endlich ein Doberaner Bataillon unter Major von Zülow und die Rostocker Garnison unter Oberst Dupuits. Die Kavallerie wurde 1715 durch das Dragoner-Regiment von Vietinghoff und 1717 durch das Dragoner-Regiment von Lilliestreng vermehrt, beide freilich anfangs nur zur Hälfte beritten. so brachte der Herzog im ganzen reichlich 11 000 Mann auf die Beine, aber sie gingen, schon bald nach dem rühmlichen Treffen von Walsmühlen, wo das Leibregiment, Lilliestreng-Dragoner, Kahlden, Krafft und Wallinskoi den hannoverschen Exekutionstruppen schwere Hiebe austeilten, einer traurigen Zukunft entgegen. Es ist Ihnen bekannt, daß der Herzog sich nach Karls XII. Tode der kaiserlichen Exekutive nicht mehr widersetzen zu dürfen glaubte und deshalb seine Regimenter, um sie für spätere Zeiten zu konservieren, nach Rußland sandte, während die Nationalmilizen aufgelöst wurden. Dort, in der Ukraine, haben die wackeren Kämpfer noch einige Zeit ihr Dasein gefristet, schmolzen aber immer mehr zusammen, zumal sie allmählich der meisten Offiziere verlustig gingen und seit 1726 auch nicht mehr rekrutieren durften. Und als nach 27jähriger Abwesenheit die letzten Reste 1746 in die Heimat zurückkehrten, da waren von den drei mecklenburgischen Infanterie-Regimentern nur noch die kümmerlichen Stämme von 13 Kompanien, vom Doberaner Bataillon nur noch ein einziger Fähnrich, von der ganzen Kavallerie aber nicht ein Mann mehr übrig, Flohr und Krafft aber hatten wenigstens noch jedes eine Fahne gerettet, die sich bis auf diesen Tag im Schweriner Arsenal erhalten haben.

Mit dem Jahre 1746 schließt der erste Zeitabschnitt in der Geschichte des mecklenburgischen Militärwesens. Nur noch einige Worte dazu seien mir gestattet, um Ihnen den äußeren Anblick dieser alten Truppenteile zu schildern. Bis zum Jahre 1704 oder 1705 scheint, wie auch in anderen Staaten, das ungefärbte Weißgrau des Wollstoffs die allgemeine Grundfarbe der Uniform gewesen zu sein, die bei uns durch hellblaue Tuchaufschläge und ein Futter von blauem Boy ein bunteres Ansehen erhielt. Erst seit dem obengenannten Zeitpunkt wird bei der Infanterie das dunkelblaue Tuch mit roten Aufschlägen üblich, das wir alle kennen, während das Leibregiment zu Pferde wahrscheinlich einfach kornblaue Röcke ohne besondere Abzeichen erhielt. Herzog Karl Leopold hatte eine auch in den Akten ausgesprochene Abneigung gegen Rot, und so sehen wir seine neuen Regimenter auch nirgends mit dieser Farbe geschmückt. Vietinghoff-Dragoner hatten zu ihren blauen Röcken strohgelbe (paille) Aufschläge, Lilliestreng-Dragoner und Wallinskoi weiße, Tilly wahrscheinlich wieder strohgelbe. Die noch heute uns bekannte Eigentümlichkeit der mecklenburgischen weißen Knöpfe aber ist uralt, schon die Regimenter Buchwald und Schwerin haben zinnerne Knöpfe an ihren Montierungen getragen, während die Kavallerie gelbe, Messingknöpfe, trug. Die Strümpfe, die von den kurzen Lederhosen am Knie durch einen Riemen festgehalten wurden, waren anfangs von blauer, später von roter Wolle, die Dragoner trugen lange, geschmierte Reiterstiefel, als Kopfbedeckung war bis auf die schon im Jahre 1700 erwähnten Grenadierkompanien der Hut allgemein, der mit einer weißen oder goldenen Borte und einem Metallknopf an der aufgeschlagenen Krempe verziert war. Das Lederzeug (Patrontaschen- bezw. Karabinerbandolier und Degengehänge) war in dieser ältesten Zeit durchweg von gelbem Büffelleder mit Messingbeschlägen, die Hosen für die ganze Kavallerie stets, für die Infanterie wenigstens in der ältesten Zeit, wie schon erwähnt, ebenfalls von Leder, später von blauem, endlich von weißem Tuch. An Waffen trugen die Infanteristen einen Degen, die Kavallerie, wie während des ganzen 18. Jahrhunderts, einen Pallasch mit Messinggefäß in lederner, messingbeschlagener Scheide, die Feuerwaffen waren Gewehre bezw. Karabiner und Pistolen (unter Karl Leopold z. B. von der Firma Feuchter und Lesch in Solingen). Waffen und Musikinstrumente (Querpfeifen, Hörner, Trompeten, Trommeln und Kesselpauken) lieferte der Herzog, anfangs auch die übrigen Ausrüstungs- und Monturstücke, während zu Karl Leopolds Zeit bei mehreren Regimentern ein aus den Kopf der Mannschaften berechnetes Pauschquantum, auch für Werbegelder und dergl., an den Kommandeur gezahlt wurde, andere wieder vom Herzog montiert wurden. Oft haben aber die Lieferanten jahrelang auf Bezahlung warten müssen, denn das bare Geld war zu jenen Zeiten, wie auch hundert Jahre später, knapp im Lande, und die Hamburger Kaufleute Bidenharen und Sentrup, die 1718 die größte Lieferung für die russischen Regimenter und Nationalmilizen (29.000 Tlr.) bekamen, konnten erst zu den Zeiten der kaiserlichen Exekutionskommission mit Not und Mühe die Hälfte der noch rückständigen 13.000 Taler herausschlagen. Ob Sie den Rest, wegen dessen sie an den Herzog Karl Leopold verwiesen wurden, je bekommen haben, ist aus den mir vorliegenden Akten nicht ersichtlich.