Johann III.

Der erste Fürst, den die schriftlichen Nachrichten übereinstimmend in Wismar begraben werden lassen, ist

Johann III. ,


Sohn Heinrichs des Pilgers, welcher kurz nach seiner Verheirathung mit der rügischen Fürstin Helena auf einer Fahrt nach Poel zur Jagd, als der Sturm das Boot umschlug, mit vierzehn seiner Edelleute seinen Tod in den Wellen der Ostsee fand; vgl. v. Lützow II, S. 35. Auch in der Angabe seines Todesjahres 1289 treffen alle besseren Nachrichten zusammen, denn die Angabe 1298, welche die genealog. Tabelle des Staats-Kalenders hat, ist nur ein, durch alle Jahrgänge wiederholter Druckfehler, da Rudloff, von dem ich annehmen muß, daß die Tabelle herrührt, in seinem Pragmat. Handbuch II, S. 81 auch das Jahr 1289 hat. In der Angabe des Todestages ist freilich eine große Verschiedenheit. Denn wenn nach einigen Nachrichten Johann sich erst im October, nach der Stammtafel im Staatskalender gar erst am 3. Novbr. dieses Jahres vermählte, so wäre sein Unglücksfall in die letzten Wochen desselben Monats zu setzen. Im doberaner Kreuzgangsfenster aber (vgl. Jahrb. I, S. 131 ff.) ist Johanns Tod auf den 27. Mai (VI kal. Junii) gesetzt, und in einer Original-Urkunde im großherzogl. Archiv d. d. Lubeke anno dni. M°CC°LXXX°IX° sabbato ante festum diem b. Ambrosii, d.i. nach der gewöhnlichen Festrechnung den 2. April 1289, kommen schon die Worte vor: Anastasia et filius ejus Henricus ac relicta filii ejus quondam Johannis. Diese so große Verschiedenheit der Angaben kann vielleicht aus der in der Zeit verschiedenen Feier der Feste erklärt werden; wo nicht, so müssen wir annehmen, daß entweder nur eine, oder vielleicht gar keine richtig ist. Das Jahr jedoch ist wohl unbestritten das J. 1289. Allein in der näheren Bestimmung des Orts der Bestattung weichen die Angaben von einander ab. Schröder (Beschr. der Stadt und Herrsch. Wismar S. 238) nennt als solchen das Graue oder Franciskaner-Kloster; seine Gewähr ist ein Chronicon Wism. Msct.; mit ihm stimmt auch das „Kerckenböck“ des Grauen Klosters überein, in welchem es heißt: „Anno 1289 ist de Junge her Johannes, de oldeste Szonern Hinrici des gefangenen in Babilonia, verdruncken in der Goluitze“ Frank dagegen (A. und N. Meklenburg, Buch V, S. 105), Slaggert (Chron. Msct. in der Regierungs-Bibliothek, nach einer mir vom Hrn. Archivgehülfen Glöckler gewordenen Mittheilung,), Latomus (Geneal. Megap. bei Westphal. Tom. IV, p. 251) und andere führen das Schwarze oder Dominikaner-Kloster an3). Der erst- und der letztgenannte nun citiren dabei den mit der Begebenheit fast gleichzeitigen Kirchberg Cap. 137 des Chron. Meclenb. An dieser Stelle ist jedoch, wenigstens in dem Abdruck bei Westphalen, nichts von der Begebenheit zu finden, wohl aber Cap. 135, wo es indeß ganz deutlich heißt:

„zu den mynre Brüdern begrabin“,

welches ja doch keine andern als die Franciskaner oder die Mönche des Grauen Klosters sind. Latomus und Frank müssen sich also wohl versehen haben, und nicht weniger hat der gleichfalls von Latomus angeführte Mylius, der auch das Schwarze Kloster nennt, sich in der Farbe vergriffen. Der Hauptgrund aber, der dem Zeugnisse des Latomus und der übrigen für das Schwarze Kloster stimmenden Chroniken-Schreiber entgegensteht, ist der, daß dasselbe vor dem Jahr 1294 wohl schwerlich erbaut war, da den Dominikanern in diesem Jahre erst der Platz für ihr Kloster angewiesen ward, wenn sie auch vielleicht schon länger in Wismar Verkehr hatten. Urkundliche Nachrichten darüber s. bei Schröder Pap. M. S. 824 ff. (Das Datum MDCLXXXXIIII S. 826 ist natürlich in MCCLXXXXIIII zu berichtigen4).

Gäbe es aber auch so gewichtige Zeugnisse gegen das Schwarze Kloster nicht, so würde neben der Auctorität des mit der Begebenheit fast gleichzeitigen Kirchbergs Schröders Angabe nach dem wismarschen Chron. Msct. noch eine besondere Wahrscheinlichkeit durch hinzukommende moralische Gründe gewinnen. Ums Jahr 1284 nämlich überzog Markgraf Otto von Brandenburg im Bunde mit den Fürsten von Meissen, Thüringen, Sachsen und Holstein während der Abwesenheit Heinrichs des Pilgers das meklenburgische Land, und setzte durch Mord, Raub und Brand alles so in Schrecken, daß die Fürstin Anastasia in nicht geringe Besorgniß gerieth. Da soll der Sage nach ihr einst der heilige Franz im Traume erschienen sein, ihr Muth zugesprochen und den Ihrigen den Sieg verheißen haben. Zum Zeichen der Wahrheit würde die Fürstin am folgenden Tage eine Lufterscheinung sehen. Diese Erscheinung habe die Fürstin auch wirklich wahrgenommen, habe, dadurch in ihrem Glauben bestärkt und ermuthiget, den heil. Franz malen und ins Panier setzen lassen und die Ihrigen ermahnt, sich getrost und tapfer zu wehren, denn Gott und der heil. Franz würden ihnen zur Seite stehen und den Sieg verleihen. In der That trugen auch die jungen Fürstensöhne unweit Gadebusch einen vollkommenen Sieg über den weit stärkeren Feind davon. (S. Detmar Chron. Lub. ad a. 1285. Cranz Vand. VII, 39. Latom. in Westph. Tom. IV, p. 250.) Aus Dankbarkeit bewies sich Anastasia äußerst mild und wohlthätig gegen das Franciskaner-Kloster; namentlich ließ sie auch in dem, das Jahr vorher von Helmold von Plessen neu erbaueten und dem heil. Franz gewidmeten Chor der Kirche des Klosters drei Fenster machen, das mittlere mit dem Bildniß der heil. Jungfrau, die beiden zur Seite mit den Bildnissen des heil. Franz und des heil. Anton von Padua, wie denn auch bald darauf das Chor von dem Bischof Conrad von Ratzeburg eingeweiht werden konnte: Umstände, welche Latomus angeblich wismarschen Urkunden nacherzählt.

Wie es nun auch immer mit der Erscheinung des heil. Franz bewandt sein mag (das Kirchenbuch des Grauen Klosters hat nur einfach die Worte: „Querst godt halp er dat se bystant krech“ ohne Erwähnung des Traumes): der Sieg der meklenburgischen Fürstensöhne ist factisch gewiß, und so viel wird immer aus der Sage erhellen, daß die Fürstin für das Franciskaner-Kloster eine besondere Vorliebe gehabt haben müsse, welche das fürstliche Regierhaus überhaupt in jener Zeit mit ihr getheilt zu haben scheint, da unter andern Beweisen dafür auch ihr Gemahl vom Guardian desselben Klosters, Namens Martin, auf dem Kirchhofe zur Fahrt ins heilige Land eingesegnet und mit dem Kreuz gezeichnet worden sein soll; vgl. Detmar Chron. Lub. z. J. 1271. So versichert auch Schröder aus alten Nachrichten, daß ganz nahe beim Kloster (in der Schulstraße) ein fürstlicher Hof gestanden habe, in welchem im J. 1299 Anastasia wohnte5). Diese Vorliebe der Fürsten zeigt sich noch lange bis gegen die Zeiten der Reformation hin. Da nun zumal das Dominikaner-Kloster auch erst im J. 1294 erbaut ward, so bleibt nichts anders übrig, als daß Johann III. in dem Grauen oder Franciskaner-Kloster, welches schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründet war, da die Franciskaner im J. 1251 nach Wismar kamen, begraben worden sei. Denn an einem andern Orte, als in einer Klosterkirche, wenn es überhaupt in Wismar eine solche gab, ward der Fürst wohl schwerlich beerdigt.

Dieser Annahme steht auch nicht etwa die bei Schröder (Pap. M. S. 809) vorkommende Angabe entgegen, daß Anastasia im J. 1291 den ersten Stein zur Franciskanerkirche gelegt habe. Denn abgesehen davon, daß die Gründung des Klosters auch vom J. 1286 erzählt wird, mag die Sache sich so verhalten. Als im Jahr 1251 oder 1252 die Franciskaner nach Wismar kamen, räumte ihnen Fürst Johann I. die dortige Kreuzkirche ein; vgl. das Kirchenbuch des Grauen Klosters. An deren Stelle ward nachher die Kirche des heil. Franciscus gebaut. Es möchte freilich Wunder nehmen, warum die Kreuzkirche, die selbst noch nicht sehr alt sein konnte6), so bald wieder abgerissen ward, um der Franciskanerkirche Platz zu machen, und warum die Verehrung des heil. Kreuzes der des heil. Franz habe weichen sollen; allein in den ersten Zeiten Wismars gebaut, mochte die Kreuzkirche nur zu klein und schlecht sein, um nicht, sobald das Bedürfniß es erforderte und steigender Wohlstand, so wie fürstliche Liberalität es möglich machte, eine Vergrößerung und Verschönerung wünschenswerth zu machen, wie ja auch eine solche bei vielen Kirchen des Mittelalters in ähnlichen Fällen statt fand. Bei solchen Veränderungen wurden aber auch nicht selten die Heiligen gewechselt, oder doch zu den bisherigen Patronen neue hinzugefügt, so wie z.B. die wismarsche Georgenkirche früher auch den heil. Martin zum Patron hatte, der später nur vergessen ward, da die Verehrung des Georg mehr Eingang fand. Es kann nicht verwundern, daß die Franciskanermönche sich den heil. Franciscus zum Patron wählten; es war dies auch noch kein Mangel an Achtung gegen das heil. Kreuz, und die Spuren einer besondern Verehrung gegen dieses finden sich in den Urkunden des Klosters bis in die spätesten Zeiten. War nun zumal der Patron der Mönche dem Fürstenhause in der Schlacht bei Gadebusch beiständig, so erklärt sich das anfangs Befremdende ganz natürlich. Daß nun Helmold von Plessen im Jahr 1283 schon das Chor dieser Kirche erneuern ließ und nun dem heil. Franz widmete, ist bereits erwähnt worden, und so sorgte Anastasia im J. 1291 für den übrigen Theil der Kirche, den sie aus Dankbarkeit und Verehrung demselben Heiligen als ihrem Schutzpatron widmete. Mithin konnte ihr Sohn Johann nicht nur in dieser Kirche, und zwar, wie die Nachrichten lauten, in dem bereits damals fertigen Chor beigesetzt werden, sondern es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die Vorliebe für das Kloster und die Verehrung gegen dessen Patron die Mutter bestimmte, ihn nicht anderswo zu bestatten.

Ich bin mit dem Beweise für die Schrödersche Angabe etwas ausführlicher gewesen, als vielleicht nöthig scheinen mag, da ja die urkundliche Nachricht von der Erbauung des Dominikaner-Klosters im J. 1294 die Angabe des Latomus allein entkräften mußte, nur um zu zeigen, wie leichtgläubig und unkritisch die alten Chronikenschreiber, was sie fanden, nacherzählten oder auch aus Nachlässigkeit verwechselten und entstellten. Hätten sie bisweilen nur einen Schritt weiter gesehen, sie hätten nicht so oft gefehlt. Um aber dieses Fehlers, so viel als möglich, nicht selbst angeklagt zu werden, mag hier noch die Frage beantwortet werden, was für ein Chronicon Msct. wohl Schröder vor sich hatte.

Den Ausdruck Chronicon Msct. Wismariense braucht Schröder, wie mir aus vielen Umständen klar geworden, sicherlich nicht eben nur von einer einzigen bestimmten Chronik; sondern er versteht darunter geschriebene Nachrichten der Vorzeit überhaupt, deren es sowohl im wism. Archiv zu seiner Zeit noch mehrere geben mochte als jetzt, als auch bei Privatpersonen hin und wieder sich fanden. Daß er aber häufig und namentlich bei der Nachricht von Johanns Tode mit jenem Ausdrucke grade unser „Kerckenbck“ bezeichnen wollte, kann ich nicht länger bezweifeln, da ich in demselben andere Nachrichten finde, die er hier und da in seinen Schriften erzählt und ebenfalls aus einem Chron. Msct. Wism. genommen zu haben vorgibt, ja manchmal selbst von einem Mscto. Neueri spricht, von welchem letzteren, wie wir wissen, ein Theil des Kirchenbuchs herrührt. (vgl. den Aufsatz üb. d. Kirchenb.) Haben wir also seine Angabe von dem Begräbniß Johanns in der Grauenklosterkirche schon durch Kirchbergs Zeugniß, durch Urkunden und moralische Gründe gestützt, so mag auch noch die von uns schon ins Licht gestellte Glaubwürdigkeit dieses Documents ihr zur Bestätigung dienen, dem er diesmal seine Nachrichten entnahm, ohne sich durch Latomus, wie er freilich bei den meisten übrigen Fürstengräbern gethan hat, irre machen zu lassen.

Alle Umstände nun zusammen genommen dürfen wir wohl, ohne Anstand zu nehmen, die Begräbnißstätte des Fürsten Johann der Franciskaner-Kirche, und Schröder behält gegen Frank, Latomus und alle übrigen Gegner Recht.

Johanns III. Gemahlin, Helena, gebar eine posthume Tochter, Namens

Luitgard.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgischer Fürsten Gräber zu Wismar