Anastasia und Beatrix

In der Bezeichnung des Grauen Klosters als des Begräbnißortes der beiden Fürstinnen:

Anastasia ,


der Gemahlin Heinrichs des I. des Pilgers, und

Beatrix ,

der Gemahlin Heinrichs II. des Löwen, vereinigen sich alle Chronikenschreiber; nur dass sie in der Zeit und den Nebenumständen von einander abweichen, indem einige beide im J. 1314, andere bald die eine, bald die andere im J. 1304, erstere auch 1311 und 1306 sterben lassen. Die Frage wegen des Sterbejahres der Anastasia haben wir schon in dem Aufsatze über das Kirchenbuch so weit als möglich zu erledigen gesucht, und wenn auch die gegenwärtige Aufgabe eigentlich nur verlangt, den Ort auszumachen, so dürfte es doch nicht unpassend sein, die Zeitfrage auch womöglich in Betreff der Beatrix zu berichtigen, zumal damit die Ortsfrage selbst genauer mit beantwortet wird. Schröder sagt (l.c.p. 238 sq.): „1304 (nicht 1314) d. 25. Sept. ist Beatrix, Herrn Hinrici Leonis Gemahlin, ihren Herrn durch den Tod entrissen und zu Wismar im Franciscaner-Kloster für dem hohen Altar begraben worden. Es sollen bey deren Grabe nachgehends viele Wunder geschehen seyn. Latom., add. Köpken Megap. Fabul. p. 95“.

Ferner: „1314 (nicht 1311) ist Anastasia (nicht Beatrix), Herrn Henrici Hierosolymitani Witwe, da sie krank in Wismar hinein gefahren, auf den Wagen erblasset, und darauf im Grauen Kloster, vor dem hohen Altar zur Erden bestättiget. Latom., add. Köpken Mepapol. Fabul. p. 38 u. 75“. Es sind nun aber Latomus Worte (p. 276 l.c.) folgende. „Zwei Monate zuvor für des Herrn (Nicolaus d. Kindes) Ableben zu Rostock d. 27. Sept. ist auch, nicht wie etliche sagen, Frau Beatrix H. Leonis Gemahlin, so für 10 Jahren schon gestorben, sondern Frau Anastasia, des lang gefangenen Herrn Henrici Hierosolymitani nachgelassene Witwe krank von Ribnitz gehn Wismar geführet, und im Wagen auf der Gassen daselbst verschieden und ihr Körper im Kloster fürm hohen Altar begraben und ihr Grab von Gott wegen ihrer großen Gottesfürchtigkeit mit vielen Wunderzeichen berühmbt gemacht worden“. Er beruft sich dabei auf wismarsche Urkunden und auf Kirchberg C. 155. Schade, dass diese wismarschen Urkunden nicht zu ermitteln sind; was aber das Citat aus Kirchberg anlangt, so steht im 155. Cap. (wenigstens bei Westphalen) wiederum nichts, wohl aber im 153 Cap. folgendes:

„Zu der zid her Hinrich, zu Ribnitz hielt würdiglich,
synen hof und syn gelesse u.s.w.
Frow Beatrix waz syn wib
dy trug heilgen seligen lib,
sy wuste iren endes tag zu vür,
daz kam ir von seliger kür,
daz waz dem feste nahe by
des heilgen Mauricii,
do liez sy sich vüren gar,
also krang zur Wysmar,
ir macht viel zu unmasse,
recht in der smedestrasse,
da starb sy uf iren wagin,
den tod man billich mochte klagin,
e sy in iren hof quam,
der tod daz leben ir benam,
und wart mit ungehabin
zu den barfüssin begrabin,
recht als man dritzenhundert iar
schreib und vierzehin offenbar,
uf irem grabe wart oft gesehen
czeichen, dy man billich mach spehen.


Wenn die leider nicht zu ermittelnden wismarschen Urkunden das Urteil des Latomus nicht besser möchten begründet haben, so sieht es um seine historische Kritik schlecht aus, und Schröder hat sich in ihm einen wenig zuverlässigen Gewährsmann gewählt. Gerade Kirchberg, den Latomus anzieht, erzählt ja, was dieser von Anastasia, von Beatrix, und daß er es mit vollem Bewusstsein des Unterschiedes der Personen getan, beweiset die kurz darauf folgende Erwähnung des Todes der Anastasia selbst. Seine Worte sind:

„dy selbin czid starb ouch alda
von Mekelnburg Anastasia,
dy hern Hinrichs muttir waz.

(Westph. IV. p. 807.)

Hiernach scheint es freilich, dass er sie auch im Jahr 1314 gestorben annimmt; da er aber bei ihr keine Jahreszahl bestimmt nennt, so würde der Ausdruck „dy selbin czid“ selbst nicht einmal gegen unsern im Aufsatz über das Kirchenbuch für das Jahr 1316 geführten Beweis streiten, und könnte, wenn er doch einmal auf einige Tage, Wochen oder Monate nachher bezogen werden müsste, um für 1314 zu zeugen, eben so gut auf zwei Jahre nachher bezogen werden. Abgesehen hievon aber ist Kirchbergs Angabe in Betreff Beatricens ohne Zweifel die richtigere. Er schrieb seine Chronik im Jahr 1378, also in einer Zeit, in welcher noch manche Augenzeugen der Begebenheit lebten. Der seltene Umstand, daß eine Fürstin in ihrem Wagen auf der Straße verschied, war gewiss zu Kirchbergs Zeit noch in Vieler Munde und in so frischem Andenken, dass an einen Irrtum von seiner Seite nicht zu denken ist. Dazu kommt zweitens, dass die fragliche Fürstin auf der Reise von Ribnitz nach Wismar starb. Nun ist aber bekannt, dass Heinrich II. um jene Zeit mit seiner Gemalin Beatrix in Ribnitz seinen Hof hielt, seine Mutter Anastasia aber in Pöl ihren Witwensitz hatte. Es ist daher wahrscheinlicher, dass Beatrix die gedachte Reise machte und auf derselben starb. Man sehe außer Kirchberg noch Slagghert Chron. Ribbenic. in Westphalen IV.

Endlich wird berichtet, dass Heinrich II. sich im J. 1315 wieder mit Anna, Herzogs Albrecht von Sachsen-Wittenberg Tochter und verwitweten Landgräfin von Thüringen (s. Kirchb. ebend.) verheiratete. Wäre nun Beatrix, wie Latomus will, bereits 1304 gestorben, so wäre Heinrich 11 Jahr Witwer geblieben, ein Umstand, der nicht wahrscheinlich ist, da vielmehr glaublich, dass Heinrich, sobald es sich tun ließ, auf seine Wiederverheiratung dachte, wie es damals unter Fürsten in seinem Falle Brauch war, um so mehr, da er mit Beatrix keine Söhne hatte. Es wird daher immer wahrscheinlicher, dass diese nicht lange vor 1315 gestorben ist.

Die wismarschen Urkunden, worauf Latomus sich beruft, könnten zwar einiges Bedenken erregen. Dagegen lässt sich aber sagen: Latomus wie Schröder nehmen es mit dem Worte Urkunde nicht immer so genau, daß sie darunter nur besiegelte Documente verstehen; vielmehr heißt ihnen oft Urkunde, was sie nur irgend von geschriebenen Nachrichten vorfanden. In einer solchen geschriebenen, vielleicht oft copirten Nachricht konnte aber auch eine Namensverwechselung stattfinden, wenn Latomus nicht selbst sich eine solche hat zu Schulden kommen lassen, wie es ihm ja auch bei Kirchberg gegangen ist und wir von seiner Ungenauigkeit im Citiren noch andere Beweise gesehen haben. Wir können ihm daher so wenig als Schrödern und andern, die ihm nachgeschrieben haben, in der Behauptung beipflichten, dass Beatrix bereits im Jahr 1304 gestorben sei oder sich Heinrich 1305 wieder vermählt habe. Das erstere geschah vielmehr 1314, das andere 1315, wie auch der Staatskalender angibt. Bestätigung unserer Behauptung finden wir nun auch durch die Tafel unseres Kirchenbuchs, welcher vielleicht der Werth einer Urkunde weniger abgesprochen werden dürfte, die aber Schröder diesmal nicht beachtet hat. Es heißt nämlich daselbst: „Anno 1314 ist gestoruen frow Beatrix vth Brandenborch eyn gemal ern hinrici filii hierosolymitani“. Dass sie im Grauen Kloster auch begraben worden, steht zwar nicht ausdrücklich dabei, ist aber offenbar als gemeint anzunehmen, da die Nachricht neben der von den übrigen hier bestatteten fürstlichen Personen steht und überhaupt die Tafel sich auf Begebenheiten des Grauen Klosters bezieht. Soll aber der Streit wirklich nur durch eine Urkunde im engern Sinne ausgemacht werden, so dürften wir wohl die laut Mitteilung des Herrn Archivar Lisch noch jetzt im Großherzoglichen Archiv zu Schwerin aufbewahrte Urkunde des Fürsten Heinrich, d.d. Brandenburg 1310 in die Luce ev. (18. Oct.) für uns anführen, worin es heißt: ob remissionem peccaminum incliti principis domini nostri karissimi marchionis Alberti felicis memorie, nostrorum parentum, uxoris nostre simul et nostrorum, nach welchem Ausdruck gleichfalls anzunehmen zu sein scheint, daß nicht nur die genannte uxor damals noch lebte, sondern es auch, da nur von Einer die Rede ist, die erste Frau, mithin Beatrix, die Tochter des Markgrafen von Brandenburg war. Kurz alles stimmt für 1314, als das Sterbejahr der Beatrix.

Die Beerdigung der Anastasia nun in derselben Franciskanerkirche ist wohl nicht zu bezweifeln, sie mag nun gleichfalls im J. 1314 oder, wie wahrscheinlicher, erst 1316 gestorben sein. Die Schriftsteller stimmen darin überein, und der moralische Grund, daß es kaum denkbar ist, daß sie anderswo ihre Ruhestatt fand als hier, da sie mit so vieler Liebe an diesem Kloster hing und aus Dankbarkeit und Verehrung so viel für dasselbe gethan hatte, wiegt mit, so wie auch der Umstand, daß sie dann mit ihren Geliebten, dem Sohne und der Enkelin, wieder vereinigt ward. Der Conduct ihres Leichnams von Pöl, wenn sie hier starb, war auch leicht zu bewerkstelligen.

Diese Beisetzung in dem von ihr begünstigten Kloster bezeugt nun ja auch unsere Tafel im Kirchenbuch mit genau bestimmenden Worten. Es heißt nämlich daselbst: „wort begrauen by ehren Szon Johannen, im kor Int norden“, nur dass die letztere Bestimmung mit der sonstigen Angabe „vor dem hohen Altar“ variiert. Könnte hierauf etwas ankommen, so dürften wir wohl dem Kirchenbuche Recht geben, da nämlich bereits Beatrix vor dem hohen Altar kurz vorher bestattet worden war, deren Ruhe nicht zu stören, die Schwiegermutter nördlicher beizusetzen so natürlich war. Dass die Gräber nicht gewölbt waren, um in eins mehre Särge zu bringen, dass diese vielmehr in die bloße Erde kamen, hat sich beim Abbruch der Kirche hinlänglich bewiesen.

So viel bleibt denn nach allem wohl ausgemacht, dass die Ruhestatt beider merkwürdigen Fürstinnen Mecklenburgs die Kirche des Grauen Klosters ist. Welcher von beiden Frömmigkeit aber die gedachten Wunder bewirkt habe, dürfen wir wohl auf sich beruhen lassen. Ausgezeichnet fromme Frauen waren, nach den Begriffen der damaligen Zeit, gewiss beide Fürstinnen. Für Anastasien sprachen viele, teils auch schon von uns erwähnte Umstände; für Beatrix legt Zeugnis ab eine Inschrift, die ehedem in der Kirche des Grauen Klosters sich befunden haben soll. Sie ist bei Latomus (Westphal. IV. p. 265) und aus diesem, wiewohl corrumpirt, bei Schröder (Pap. Meklb. S. 886), sonst auch bei Frank u.A. abgedruckt und heißt:

„Triste terens, diadema ferens, modo laeta Beatrix, Luce cluens, requieque fruens, sit in arce juvatrix. Nempe valens fuit, atque calens bonitatis amatrix, Felle carens, et ut ipsa parens inopum miseratrix“,

wo denn „parens“ selbst auf die Schwiegermutter Anastasia gedeutet werden mag. Die Inschrift war schon lange vor Schröder nicht mehr vorhanden. (S. diesen a.a.O.) Auch Wunder werden nicht mehr geschehen, wir müssten denn die Blumen dafür nehmen, die jetzt in dem an der Stelle des Chores der abgebrochenen Kirche angelegten Garten (S. die Anmerkung zu der Abhandlung über das Kirchenbuch) mit jedem neuen Lenze aus der Asche der Fürstinnen lustig hervorblühen und wenigstens von den Augen der Kinder bewundert, wenn auch nicht gefürchtet und gescheut werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgischer Fürsten Gräber zu Wismar