Inhalt

Zu Anfang seiner Regierung in verschiedene kriegerische Unternehmungen verwickelt, konnte Herzog Heinrich erst nach friedlicher Beilegung derselben seine "Aufmerksamkeit auf die Verbesserung des inneren Zustandes seines Landes richten". In dieser seiner friedlichen Tätigkeit standen ihm zur Seite sein Kanzler Caspar von Schönaich und in dem ersten Drittel seiner Regierungszeit auch der von den Zeitgenossen hochgeschätzte Rechtslehrer und Historiker Dr. Marschalck Thurius. Unter der tätigen Mitwirkung dieser Männer, besonders des Kanzlers Schönaich ist das erste große mecklenburgische Landesgesetz, die Polizeiordnung von 1516 zu Stande gekommen.

Ob nun die "seit der Publication des ewigen Landfriedens einsetzende Polizei-Gesetzgebung des Reiches" (Böhlau, Mecklenburgisches Landrecht, Band I, S. 129) die Veranlassung zu dem Vorgehen der Herzöge gewesen ist, oder ob die vom Bischof Petrus von Schwerin im Jahre 1508 erlassene s. g. Bützowsche Polizeiordnung den Anstoß dazu gegeben hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Die Herzöge selbst sagen in der Vorrede der Polizeiordnung über die Veranlassung zu ihrer Gesetzgebung; dass durch einige ihrer Untertanen und Landeseinwohner Klagen über mancherlei Unordnungen und Missbräuche in den Städten an sie gelangt wären; dass sie sich nach denselben erkundigt und, da sie es also befunden, bei sich beschlossen hätten, dem Unwesen durch eine zweckdienliche Verordnung zu steuern.


In dem Schreiben sodann, mit dem den einzelnen Obrigkeiten das Gesetz zugesandt worden ist (s. Anl. N) wird weiter ausgeführt, dass die Klagen durch die gemeinen Stände des Landes vorgebracht seien und die Bitte daran geknüpft sei, die Herzöge möchten zusammen mit den fürstlichen Räten und den Ständen eine leidliche Ordnung aufrichten.

Es liegen ferner zwei fast gleichlautende Schriftstücke vor, die als Anlage E 1 und 2 vollständig abgedruckt sind. Der Eingang bezeichnet sie als:

"Artikel so de geschycktenn vonn stedenn hinder sick brengenn, darvp de stede sick beradslagenn vnnd wederum jewelke stadt innsunderheyt twe vt deme rade vnnd twe vt der gemeyne, de trepelichsten, vp den sondach Cantate negestkunfftich tom Sternberg, vor minen gn. hern, denn hertogenn to Meckelnborg vnnd orenn gnadenn redernn douon to handeln latenn, schickenn schalenn."

Weiter heißt es im Eingange des Berichts, den der Rath zu Röbel abgestattet hat (Anlage D):

"Item tho gedencke, nach deme affscheyde tho Krakow van der steder haluen, hebben vnse medekumpanen des rades van Rabell, dar tho der stede ghezanth, vns van der weghen boritth (berichtet), [dat] hebben wy in der guden maten by vnsz genamen vnde furder vnser vlith, rades haluen, dar to gedan."

Aus diesen urkundlichen Zeugnissen ist zu entnehmen, dass von verschiedenen Seiten Beschwerden und Klagen über allerlei Missbräuche und schädliche Gewohnheiten an die Herzöge gelangt sind und dass diese Beschwerden auf einer Versammlung zu Krakow, sowie auf einer am Sonntag Kantate zu Sternberg abgehaltenen Versammlung städtischer Abgeordneter zur Verhandlung gekommen sind.

Aus den Aktenstücken selbst ist nicht zu ersehen, wann die Verhandlungen zu Krakow und Sternberg stattgefunden haben, doch finden sich in ihnen Anhaltspunkte, um mit einiger Wahrscheinlichkeit den Zeitpunkt der Tagung annähernd bestimmen zu können.

Im Anfange des 16. Jahrhunderts war die Ritterschaft des Klützer Ortes stark verschuldet. Die Hauptgläubiger, die verschiedenen Lübecker geistlichen Stiftungen, hatten trotz mannigfacher, auch gerichtlicher Klagen nichts erreichen können. So sahen sich denn die Herzöge veranlasst, die gütliche Ordnung dieser Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Es fanden unter dem Vorsitz derselben am 11. Juni 1511 zu Grevismühlen Vorbesprechungen statt, die nach längeren Verhandlungen am 6. Dezember 1512 in Gadebusch zu einem für die Klützer Ritterschaft sehr günstigen Vergleiche führten.

Die Möglichkeit, welche sich im Laufe dieser Verhandlungen zeigte, einer ganzen Gruppe von Landeseinwohnern Erleichterung von schwerer Schuldenlast zu verschaffen, musste den Herzögen und ihren Räten den Gedanken nahe legen, auch bei der beabsichtigten Regelung der städtischen Verhältnisse der gleichfalls stark verschuldeten Einwohnerschaft der Städte die gleiche Wohltat zu Teil werden zu lassen.

Es wird daher wahrscheinlich im Jahre 1512 gewesen sein, zu einer Zeit, wo man regierungsseitig noch an die Durchführbarkeit einer solchen allgemeinen Maßregel glaubte, als durch Schreiben der Herzöge den einzelnen Städten aufgegeben wurde, "vptekenn vnnd ouer andworden to latenn, wat von houetstoll vnnd renten binnen vnd buten der stadt vorscriuenn vnnd vorpannt is," damit die ausständige Schuld "na radt" der Herzöge und ihrer Räte "eindrechtiglick gerechtuerdigt vnd gemetiget" werde.

Die Nachricht, die wir von diesem Schreiben haben, ist enthalten in den beiden oben erwähnten fast gleichlautenden Schriftstücken. Dieselben, als Anlage E 1 und 2 abgedruckt, sind vom Kanzler von Schönaich bezeichnet als:

Ratschlag wie gemeyn ordnung in steten vnd vffm lande mocht furgenommen werden
und als
Artikel belangende ordnung in steten vnd lande zcu machen.

Wegen dieser Bezeichnung und wegen des Verhältnisses, in dem der Inhalt beider Schriftstücke zu einander steht, wird man in ihnen die Vorlage für die Verhandlungen zu Sternberg und gleichzeitig auch die Aufzeichnung des Resultates derselben sehen dürfen.

Während nun über die Schuldverhältnisse der Klützer Ritterschaft umfassende Zusammenstellungen vorliegen, ist, trotz des Schreibens der Herzöge und trotzdem dieselben in Sternberg anscheinend noch auf ihrer Absicht bestanden, kein Schuldenverzeichnis der Einwohner auch nur irgend einer Stadt bekannt. Dieser auffallende Umstand findet seine Erklärung darin, daß diejenigen, denen im herzoglichen Schreiben die Zusammenstellung der Schulden aufgegeben war, der Rat der Stadt und die "trepelichsten der gemeine", also die wohlhabendsten Bürger, waren, die sicherlich kein Interesse an dem Eingreifen der Landesherren in ihre Vermögens-Verhältnisse hatten. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß keine einzige Stadt ein Schuldenverzeichnis eingesandt hat, dass vielmehr die Abgeordneten der Städte den Bestrebungen der Herzöge sich auf das Aeußerste widersetzt haben werden; diese aber, die kurz vorher (6. December 1512) in dem Vergleiche zu Gadebusch einen scheinbaren Erfolg ihrer wohlmeinenden Absicht erreicht hatten, ebenso bestimmt auf ihrem Befehle beharrten. Erst als im Jahre 1514 die Herzöge mit der Klützer Ritterschaft sehr trübe Erfahrungen machen mussten - es hatte kein einziger die fälligen Zahlungen geleistet (Lisch, Jahrbuch, Bb. XVI, 57) -, gaben sie ihre Pläne in Bezug auf eine Ermäßigung des Schuldenstandes der städtischen Einwohner auf. In dem im Jahre 1515 aufgestellten Entwurfe der Polizeiordnung, sowie in dem Gesetze selbst ist von einer solchen Maßregel nicht mehr die Rede, vielmehr heißt es im §. 1 (Van renten):

"- - - So hebben wy geordent, dat men henu r, gewönlicke renthe vnd tynse, vorschryuen vnd nhemen, vnd darin nemandes den andern, darmit auer gebör, edder themelicke gewanheit bedrengen edder beswere, doch so schal dyt gesette den handelingen vnd vorschryuingen, devor dato dusser ordeninge gescheen vnd vorferdiget, vnaffbröcklick syn."

Auf Grund dieser Ausführung glaube ich annehmen zu dürfen, daß die Versammlung zu Sternberg am Sonntag Cantate (24. April) 1513 stattgefunden hat. Diese Annahme findet ihre Unterstützung in einer Verordnung der Herzöge Heinrich und Albrecht vom Tage Petri und Pauli (29. Juni) 1513 gegen das überhand nehmende Angehen der geistlichen Gerichte in weltlichen Sachen. In dieser Verordnung (abgedruckt bei v. Kamptz, Mecklenburgisches Civilrecht, Bd. I, 2, S. 3-5) bezeugen die Herzöge, daß in dieser Angelegenheit "henn vnnd wedder mennigfoldige klagen" an sie gelangt seien.

Es liegt nun eine Eingabe der Stadt Parchim vor, in der dieselbe als dritten Beschwerdepunkt aufführt "dat ene warlik den anderen citeret vor dat gestlike gerichte vnnd nichten achten den affsproke vnser g[nedigen] h[eren]."

Diese Eingabe der Stadt Parchim gehört zu einer Gruppe von Schriftstücken, in denen einzelne Städte Beschwerden über Missbräuche und Wünsche in Bezug auf die zu erlassende Polizeiordnung aussprechen. Wie die obige Parchimsche Beschwerde, so sind auch die Beschwerden und Wünsche der übrigen Städte in der Sternberger Vorlage und demnächst in der Polizeiordnung selbst berücksichtigt worden; diese Schriftstücke sind also als Vorläufer der Sternberger Vorlage anzusehen. Ihre Entstehungszeit läßsst sich sogar noch etwas genauer festlegen.

Am 25. Januar 1513 erließen die Herzöge Heinrich und Albrecht "mit ihren trefflicken Rederen", d. h. mit Beirat ihrer Räte aus der Ritterschaft, die sog. Hofgerichts-Ordnung (abgedruckt bei v. Kamptz loc. citat. S. 5-7). Aus dieser Tatsache geht hervor, dass im Jahre 1512 spätestens aber im Januar 1513 eine Versammlung der herzoglichen Räte zur Beratung und Verabschiedung eines auf das Gerichts-Verfahren Bezug habenden Gesetzes stattgefunden hat. Hätte zu dieser Zeit die Parchimsche Beschwerde über das Angehen geistlicher Gerichte schon vorgelegen, so würde dieselbe sicherlich gleichzeitig den Gegenstand der Beratung gebildet haben und die Verordnung gegen das Angehen der geistlichen Gerichte nicht erst fünf Monate später erlassen sein.

Wir müssen daher annehmen, dass die Parchimsche Beschwerde erst nach der Beschlussfassung über das Gesetz vom 25. Januar 1513 eingereicht worden ist, dass auf der Versammlung zu Sternberg am 24. April 1513 in dieser Beziehung weiteres Material den Herzögen mitgeteilt und dass diese, da die Erlassung der Polizeiordnung infolge einer in den einzelnen Städten anzustellenden Erkundigung noch verschoben werden musste, zur Vermeidung weiterer Schwächung ihrer landesherrlichen Autorität eine sofortige, vorläufige Verordnung gegen das Angehen geistlicher Gerichte in rein weltlichen Sachen beschlossen haben. Die kurze Verzögerung (vom 24. April bis zum 29. Juni) in der Publikation dieser Verordnung erklärt sich hinreichend durch die dazwischen fallende, am 5. Juni 1513 zu Wismar mit großem Pomp gefeierte Hochzeit des Herzogs Heinrich mit Helene, der Tochter des Kurfürsten Philipp von der Pfalz. (Meckl. Jahrbücher, Bd. 50, S. 279.)

Dass die Sternberger Vorlage und die oben erwähnte Verordnung vom 29. Juni 1513 zeitlich nahe zusammenfallen, wird durch die Wahrnehmung bestätigt, dass während in den zu Sternberg aufgestellten Grundzügen für die zu erlassende Ordnung und in der vorläufigen Verordnung vom 29. Juni 1513 noch von einem ausnahmslosen Verbot des Angehens geistlicher Gerichte die Rede ist, in der Polizei-Ordnung von 1516 selbst, nach der Beratung mit den Ständen, also auch dem Prälaten-Stande, bereits einige Ausnahmen von dem 1513 aufgestellten Prinzip zugelassen werden.

Ist die Annahme richtig, dass die Verhandlungen zu Sternberg nicht früher als im Jahre 1513 stattgefunden haben und dass die Parchim'sche Vorlage in das Jahr 1512 oder in den Anfang des Jahres 1513 zu verlegen ist, so muss die in der Röbel'schen Beschwerdeschrift erwähnte Krakower Versammlung jedenfalls in das Jahr 1512 und zwar nach dem Sonntage Cantate (9. Mai) fallen, da es bei dem Interesse, das die Herzöge an dem Zustandekommen des Gesetzes zeigten, nicht wahrscheinlich ist, dass man den Städten einen längeren Zeitraum als den eines Jahres zur Beratung des "Krakower Abschiedes" wird gelassen haben.

Nach diesen Ausführungen, für die ich allerdings nur den Wert einer Hypothese in Anspruch nehmen kann, ist der Verlauf der Verhandlungen, die schließlich im Jahre 1516 zur Erlassung der Polizeiordnung geführt haben, folgendermaßen:

Im Jahre 1512 hatten die Herzoge Heinrich und Albrecht zur Beratung mannigfaltiger Beschwerden über Missbräuche in den Städten Vertreter derselben aus dem Rate nach Krakow geladen. Über den Gegenstand der Verhandlung ist weiter nichts bekannt, als dass in dem "Abschiede" den einzelnen Abgeordneten aufgegeben wurde, mit den übrigen Ratsmitgliedern ihrer Stadt weiter zu beraten.

Es liegt nun eine Gruppe von Schriftstücken aus dem Jahre 1512 vor, in denen die Städte Malchin, Parchim, Röbel und Güstrow (letztere in Gemeinschaft mit Neubrandenburg) das Resultat ihrer Beratungen einreichen. Soweit die Beschwerden der einzelnen Städte zusammenfallen, darf man wohl auf eine und dieselbe Veranlassung zur Beratung, also auf den Krakower Abschied schließen. Diese Übereinstimmung zeigt sich bei den Klagen über das Aufkaufen der Wolle durch die Bewohner der Mark und des platten Landes, über das Brauen der Edelleute, Krüger, Müller und anderer Landbewohner, sowie schließlich über das Überhandnehmen der ein Handwerk und die Kaufmannschaft treibenden Personen außerhalb der Städte.

Daneben wünschten Güstrow-Neubrandenburg außer anderen baupolizeilichen Bestimmungen die Erleichterung der Wiederherstellung verfallener Häuser und der Bebauung wüster Hausstellen, sowie das Verbot von Strohdächern und Scheunen in den Städten. Ferner brachten dieselben eine Beschränkung des Aufwandes bei Hochzeiten, und die Erleichterung der Aufnahme in die Handwerksämter in Anregung. Parchim beschwerte sich über die Appellation der Stadtbewohner von dem "richtewalt" der Stadt an die Herzöge, sowie über das Angehen der geistlichen Gerichte in weltlichen Sachen.

Schließlich begehrte diese Stadt ein Privilegium für die Stadt­bewohner, ihre auf dem platten Lande wohnenden Schuldner, sobald sie derselben habhaft würden, in die Schuldhaft abführen zu dürfen.

Wenn nun auch der Sternberger "Rathschlag in seinem Eingange bezeichnet ist: Artikel szo die geschicktenn von stedenn hinder sich bringen," d. h. Artikel, worüber die Abgeordneten der Städte nach Hause berichtet haben, wenn er also hiermit auf den Krakower Abschied hinzuweisen scheint, so ist es doch sicher, daSS nicht alle in demselben berührten Punkte Gegenstände der Krakower Verhandlungen gewesen sind. Es würden so wichtige Gegenstände, wie die von Parchim erwähnten Klagen vor geistlichen Gerichten und das von dieser Stadt gewünschte Privilegium der Städter gegen die Schuldner vom Lande, wenn sie schon in Krakow zur Sprache gebracht wären, sicherlich auch von den übrigen Städten in den Kreis ihrer Beratungen gezogen und demgemäß auch in ihren Eingaben berührt sein. Es ist somit sicher, daSS die Abgeordneten der Städte auch mit mancherlei neuen Wünschen nach Sternberg kamen. Wenn auch nicht alle in die der Versammlung gemachten Vorlage aufgenommen wurden, so sind doch in der Verhandlung, sowie in dem Gesetze selbst alle berücksichtigt worden. Freilich ist dies nicht immer in dem Sinne der Antragsteller geschehen; so wurde die Beschwerde der Stadt Parchim über die Appellation von dem Richtewalt an die Herzöge anscheinend durch die Bestimmung erledigt, daSS wenn die Herzöge selbst nicht zu erreichen, die Berufung an den herzoglichen Voigt gehen sollte. Es ist dies ein Beweis, daSS es den Herzögen neben dem Bestreben, Ordnung im Lande zu schaffen, auch darum zu tun war, ihre landesherrliche Autorität möglichst zu stärken.

Wie die Städte, so traten auch die Herzöge auf der Versammlung zu Sternberg mit neuen Vorschlägen hervor. Als Beweis dafür, daSS diese, nicht schon Gegenstand der Krakower Verhandlung gewesen sind, gilt dasselbe, was oben in Bezug auf die Städte gesagt ist.

Diese neuen Vorschläge der Herzöge sind, außer der schon ausführlich behandelten Absicht, die Schulden der Stadtbewohner zu mäßigen, folgende: Einführung eines allgemeinen Landesscheffels für Gerste; Festsetzung eines bestimmten Verhältnisses zwischen dem Preise der Gerste und des Bieres, sowie Beschränkung der Mitgliederzahl der Handwerksämter in den Städten.

Den ersten Vorschlag wegen des allgemeinen Landesscheffels hat man im Laufe der Verhandlungen fallen lassen, die beiden anderen Vorschläge, die gleichfalls zuerst aufgegeben waren, sind wahrscheinlich schon wieder in Sternberg erneuert und auch später bei der Abfassung des Gesetzes berücksichtigt worden.

Ferner tritt wohl in Folge der Sternberger Verhandlungen ganz neu hinzu der zum Ausdruck gekommene Versuch der Herzöge, der auch in dem Gesetze selbst wiederkehrt: die Krüger auf dem Lande von dem Bierzwange zu befreien, den die reichen Gläubiger in den Städten auf dieselben ausübten.

Die Sternberger Verhandlungen, deren Inhalt aus den obigen entnommenen Andeutungen im Großen und Ganzen zu ersehen ist, führten noch zu einer besonders bemerkenswerthen Maßregel der Herzöge. Wie schon bemerkt, hatte die Stadt Güstrow die Beschränkung des Aufwandes bei Hochzeiten, sowie die Erleichterung des Eingangs in die Handwerksämter in Anregung gebracht; die von den Abgeordneten der Städte in dieser Hinsicht auf der Versammlung zu Sternberg gemachten Mittheilungen müssen auf die Herzöge und deren Räte einen tiefgehenden Eindruck gemacht haben. Die Beratungen wurden einstweilen geschlossen, um vor allen Dingen erst genaue Erkundigungen über die Verwaltungsgrundsätze und Ortsgewohnheiten der einzelnen Städte einzuholen. Um sich von der Möglichkeit einer solchen Untersuchung zu überzeugen, vielleicht auch, um eine Grundlage zur Aufstellung einer Instruktion für den mit Vornahme der Nachforschung zu beauftragenden Beamten zu gewinnen, wurden im Laufe des Sommers 1513 die Verhältnisse der Stadt Schwerin genau aufgezeichnet. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht, daSS nicht nur die Aufzeichnung über die Schweriner Gewohnheiten von denen der übrigen Städte gänzlich getrennt ist, sondern auch daSS in dem Fragebogen, der dem mit der Untersuchung beauftragten Secretär Monnick mügegeben wurde, ausführliche Fragen über das "Hoikenbier" enthalten sind, eine Gewohnheit, die sich nur in Schwerin findet. Nachdem sich nun in Schwerin gezeigt hatte, dass der Aufzeichnung der Ortsgebräuche unüberwindliche Schwierigkeiten nicht entgegenständen, wurde ein Fragebogen aufgestellt und von den Herzögen am 18. November 1513 ein Schreiben an sämtliche Städte erlassen, in dem dieselben angewiesen wurden, dem mit der Aufnahme beauftragten herzoglichen Sekretär Johann Monnick auf jede Weise behilflich zu sein.

Wann nun Monnick seine Rundreise angetreten hat, ist nicht festzustellen, doch wird er sicher den Beginn des Frühjahrs 1514 abgewartet haben. Er begann mit der ihm aufgetragenen Erkundigung in Laage und setzte sie der Reihe nach in folgenden Städten fort: Schwaan, Ribnitz, Tessin, Gnoien, Neukalen, Teterow, Malchin, Neubrandenburg, Friedland, Woldeck, Stargard, Strelitz, Wesenberg, Waren, Röbel, Güstrow, Krakow, Goldberg, Lübz, Plau, Sternberg, Crivitz, Parchim, Neustadt, Grabow, Dömitz, Boizenburg, Wittenburg, Gadebusch, Grevesmühlen, Buckow, Kröpelin.

Die Resultate sind in einem 212 Folioseiten starken Manuskripte, das, wenn auch nicht ganz, so doch sicher zum größten Teile, von der Hand Johann Monnick's herrührt, enthalten; dasselbe ist vom Kanzler von Schönaich bezeichnet als

Vorzceichniss der vnordnungen, die jn mecklenburgschen steten mit slemmen wirt gehalden.

Die Aufzeichnungen Monnick's sind von großem Werte sowohl für die Rechtsgeschichte als für die Kulturgeschichte des beginnenden 16. Jahrhunderts. Auf die Ratsverfassung der Städte, die Gilden und Brüderschaften, ihre Gewohnheiten und Rechte, sowie auf die allgemeinen Sitten und Gebräuche fallen durch die Aufzeichnungen helle Lichter. Ihre wörtliche Mittheilung war daher unerlässlich; es sollte jedoch nicht in der Absicht dieser Veröffentlichung liegen, den Wortlaut nach allen diesen Seiten hin völlig auszunutzen. Das muss späteren Einzeluntersuchungen vorbehalten bleiben.

Dem Monnick'schen Berichte schließt sich außer dem genannten Vorberichte über Schwerin noch ein gleichartiges Stück aus einer nicht genannten Stadt an, das wegen dieser Ungewissheit des Ursprungs gesondert als Anlage P zum Abdruck gebracht ist. Aus der Reihenfolge und der Anzahl der Ämter ist zu vermuten, dass dieses Stück die Stadt Neubrandenburg betrifft. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass in demselben von einer Ermäßigung der Eingangsgebühren in die Handwerksämter die Rede ist und dass nach dem offiziellen Monnick'schen Bericht eine solche Herabsetzung bereits durch den Herzog Magnus erfolgt sein soll. Es gehört dieser Bericht also wohl vor das Jahr 1516.

Möglich ist es, dass dies Schriftstück ein nach der Erkundigung Monnicks auf einem andern Wege eingeholter Bericht über Neubrandenburger Zustände ist, denn in dem auf offiziellen lokalen Angaben beruhenden Monnick'schen Berichte ist an einer Stelle von Schönaichs Hand verzeichnet: "Herunder sol vil geferbts bericht sein."

Auf Grund der Monnick'schen Erkundigungen und des genannten anderweitigen Materials wurde nun ein Entwurf der Polizeiordnung ausgearbeitet. Dass derselbe den gesamten Ständen zur Beratung vorgelegen, darüber liegt außer der Aussage der Herzöge in der Vorrede des Gesetzes und in dem Publikationspatent keine direkte Nachricht vor. Im Archiv sind nur die von der Hand des Kanzlers Schönaich herrührenden Konzepte der Einladungsschreiben vorhanden, die, obgleich undatiert, ihres Eingangs wegen sicher nach der Zeit der Monnick'schen Rundreise fallen.

In diesem Schreiben, die "an etzliche von adel" und "an die stete jdere besunders" gerichtet sind, werden die Adressaten aufgefordert, an einem im Concepte nicht genannten Orte und zu einer gleichfalls nicht genannten Zeit, die von Adel in Person, die Städte aber durch Abordnung zweier Mitglieder des Rathes, die mit den Ortsgewohnheiten genugsam vertraut seien, zu erscheinen, den über die Missbräuche in den Städten eingegangenen Bericht anzuhören und eine zur Abstellung aller dieser Missbräuche taugliche Ordnung aufstellen und beschließen zu helfen.

Ein bei den Akten befindlicher, von der Hand des Kanzlers Schönaichs geschriebener Zettel führt folgende Personen auf: "meister von Temptzin, doctor Marschalck, doctor Boyge, er Claus Lützow ritter, er Hennig Halberstat, ritter, comptor von Mirow, Helmolt von Plessen, Reymar Blucher, Jasper Fineke, Jorgen Halberstat, Matthias von Ortzen, Ditterich Bibernest, Jorgen Fineke, Hinrich Wangelin, Achim Hane, der rat von Rostock, der rat von der Wissmer, der rat zu Gustrow", und zwar mit der Bemerkung: "vorgeschriebene rethe haben diese ordnung helffen besliessen zur Wissmar vff montag nach Inuocauit anno 1516."

Der in diesen urkundlichen Zeugnissen scheinbar enthaltene Widerspruch in Bezug auf die Ausdehnung der Versammlung lässt sich am leichtesten durch die Annahme, dass die Schreiben die Berufung einer größeren Versammlung bezweckten, dass auf derselben eine aus den oben verzeichneten Personen und Städten bestehende Commission eingesetzt wurde, die zu Anfang des Jahres 1516 in Wismar zusammentrat und am 10. Februar desselben Jahres die Polizeiordnung verabschiedete. In der Anlage M ist das Gesetz nach dem im Archiv befindlichen gleichzeitigen Druck mitgeteilt, die Nummerierung der einzelnen Paragraphen ist weder im Manuskript noch im Originaldruck vorhanden, sondern erst jetzt der Bequemlichkeit halber hinzugefügt. In den Anmerkungen sind durch eckige [ ] Klammern die Zusätze, durch runde ( ) die Auslassungen bezeichnet, die der Entwurf des Gesetzes durch die Wismarsche Beratung erfahren hat. Unter diesen Abänderungen ist besonders bemerkenswert, dass der letzte Paragraph: "Von den beyden steden Rostock vnd Wyssmar" auf einen kleinen Zettel geschrieben dem Entwurfe hinzugefügt, also wohl erst auf der Versammlung zu Wismar den Herzögen abgerungen ist.

Als Anlage N folgt sodann das Publikations-Mandat der Polizeiordnung. Aus demselben, sowie aus der Anlage O, die einen Bericht der Stadt Plau aus dem Jahre 1519 über eine auf Grundlage der Polizeiordnung vorgenommene Neuregelung der städtischen Verhältnisse darstellt, ergibt sich am sichersten die Haltlosigkeit der von Gerdes ausgesprochenen Vermutung, "dass die Publikation dieser in dem angezogenen Jahr (1516) verfassten Ordnung nicht geschehen sei."
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Polizeiordnung von 1516