Abschnitt 1

II. Die Papiermühlen in Mecklenburg-Schwerin.


2. Die Papiermühle zu Neustadt.


In demselben Jahre 1519, in dem das Projekt zur Erbauung einer Papiermühle in Sternberg auftauchte, unterbreitete ein sich nicht nennender Papiermacher den Herzögen Vorschläge wegen Erbauung der gleichen Anlage in Neustadt. Die wenigen Blätter Papier, die hiervon Kunde geben, sind freilich undatiert und ohne rechten Anfang und Ende. Auch geht aus der Aufzeichnung nicht hervor, daß es sich um das Projekt der Erbauung einer Papiermühle in Neustadt handelt. Indes haben sie sich bei den Stadtakten von Neustadt erhalten, und da ein herzogliches Reskript vom 4. Oktober 1519 bei denselben Akten von der bevorstehenden Eröffnung der Papiermühle spricht, darf man wohl annehmen, daß die zeitliche Schätzung auch des Voranschlags nicht fehlgreift.

Die Papiermühle, wie unser unbekannter Sachverständiger sie sich dachte, hätte ungefähr auf folgender Grundlage ins Leben treten können. An Kosten für Lumpen, Leim, Filz, Kalk, Alaun und Formen rechnete er jährlich 159 Gulden. Den Gesellen, deren er bei einer mit zwei Rädern versehenen Anlage vier bedurfte, sollten außer der Verpflegung jährlich 80 Gulden baren Lohns verabfolgt werden. Mit einem derartigen Aufwand versprach er jährlich für 400 Gulden Papier herzustellen, vorausgesetzt, daß der Herzog das Ries für 1/2 Gulden zu verkaufen geneigt wäre. Und er wollte den Ertrag auf 600 Fl. im Jahr steigern, wenn er eine Anstalt mit drei Rädern zu seiner Verfügung haben könnte. Was er im einzelnen an Klammern, Ringen, Nägeln, Stricken usw. zu brauchen glaubte, war ebenfalls im Gutachten aufgeführt, jedoch ohne eine Bewertung dieser für die Fabrikation unentbehrlichen Gegenstände. Im ganzen macht der Entwurf keinen vertrauenerweckenden Eindruck. In dem Herstellungsaufwand von zusammen 239 Fl. ist eines Gehalts für den Unternehmer sowie der Unterhaltskosten für die vier Gesellen nicht gedacht. Die Summen, die hierfür zu Anfang des Berichts genannt sind, nämlich 140 Fl. zu denen noch 10 Fl. für die Beherbergung der Knechte an die Hausfrau des Unternehmers sich gesellten, waren augenscheinlich ungenau. Offenbar wußte der Papiermacher, der in der Gegend unbekannt sein mochte, selbst nicht, wieviel er hierfür ins Auge fassen müßte. Jedenfalls darf man annehmen, daß an umlaufendem Kapital, zumal wenigstens zeitweilig auch Naturallieferungen an Getreide vorgesehen waren, der Aufwand auf mindestens 300 Gulden sich belaufen hätte, ganz abgesehen von der Verzinsung des für den Bau und die Beschaffung der Geräte und Werkzeuge verausgabten Kapitals. Ob somit auch nur ein Reinertrag von 100 Fl. nachgeblieben wäre, wird nach dieser Aufstellung zweifelhaft.

Bei der Ungenauigkeit dieses Voranschlags ist es mehr als wahrscheinlich, daß aus diesem Projekt für Neustadt zu jener Zeit noch nichts wurde. Wohl aber muß bald darnach der Gedanke verwirklicht worden sein. Die Akten melden zwar über den Zeitpunkt der Eröffnung einer Papiermühle nichts, aber indem 1558 ein Michel Wolther als Pächter angestellt wurde, steht fest, daß ein Etablissement vorhanden sein mußte. Wolther übernahm die Mühle mit der Verpflichtung, das Gebäude instand zu halten und der Herzog stellte aus seinen Waldungen das für den Ausbau oder die Erhaltung erforderliche Bauholz in Aussicht. Wolther versprach, sich nach Kräften anzustrengen und gutes Papier, über das niemand sich zu beklagen haben werde, herzustellen, für die Benutzung des Gebäudes sollte er jährlich 30 Ries guten Schreibpapiers an die Kammer liefern. Bei etwaigem Mehrbedarf würde die Kammer das Ries Papier zu 14 Schill., d. h. einem Vorzugspreise, bekommen.

Michel Wolther gelang es, die ihm anvertraute Anstalt in die Höhe zu bringen. Die Mühle war so gut im Gange, daß „frembde meister und gesellen und sonsten die der kunst verstandt haben, bekennen mussen, daß eine wohlbestallte mhole sei“. Die Regierung bediente sich seines Papiers, das er in ausreichender Menge liefern konnte. Unter anderen Bestellern erscheint Herzog Ulrich, der „etliche rieß von dem besten kleinesten und weißesten pappir“ für seine Kanzlei bestellte. Im Jahre 1592 wurde dann die schon während der Vormundschaftsregierung eingeführte Lieferung von jährlich 25 Ries Papier für den Hof des Herzogs Ulrich bindend.

So weit drang der Ruhm der mecklenburgischen Fabriken, daß am 17. Dezember 1579 Herzog Ernst Ludwig von Pommern zu Stettin den Herzog Ulrich von Mecklenburg bat, ihm einen Papiermacher nachzuweisen, da er mit Gottes Hilfe entschlossen sei, in seinen Landen eine Papiermühle aufzurichten. Da in Neustadt zurzeit keiner entbehrt werden konnte, wandte man sich nach Grabow und hier wies man auf den Vater des jetzt in Grabow tätigen Papiermachers hin, der die Mühle daselbst neu erbaut hatte und seitdem an den Hof des Kurfürsten von Brandenburg gezogen sein sollte. Dem Pommernherzog dauerte die Antwort zu lange, die erst im Januar 1580 erfolgt ist, weil man sich doch nach freien Kräften erkundigen mußte. Daher erneuerte er am 4. Januar 1580 seine Bitte bei Herzog Ulrich und sprach sein Erstaunen aus, daß die Empfehlung eines Papiermachers so lange sich hinzöge, da er doch wisse, daß „gedachte meistere in Euer Liebden landen an unterschiedlichen orten vorhanden“.

Seitens der Kammer geschah, da man die Wichtigkeit der Papierfabrikation anerkannt hatte, das Notwendige, um die Gebäude, über deren Baufälligkeit Wolther wiederholt sich beschwerte, in gutem baulichen Zustande zu erhalten. Ausdrücklich empfahl der Herzog.Johann Albrecht dem Amtmann in Neustadt, in dieser Hinsicht das Nötige zu veranlassen. Sonst laufe er Gefahr, seine in der Mühle vorhandenen Werkzeuge unbrauchbar werden und den armen Papiermüller Schaden nehmen zu sehen.

Nach dem Tode Wolthers bemühte sich im Jahre 1595 die Witwe, den Betrieb fortzusetzen. Doch gelang ihr das nur unvollkommen. Das Geschäft geriet in Unordnung. Das Erzeugnis kam in den Ruf, nicht mehr so gediegen zu sein wie seither. Daher entschloß sich Frau Wolther, die Leitung des Etablissements ihrem Sohne Michel zu überlassen. Dieser gab sich große Mühe, den alten Ruf wiederherzustellen, mußte aber den Kummer erleben, daß ihm plötzlich und unvermutet die Pacht gekündigt wurde. Bestürzt wandte er sich an den Herzog mit der Bitte, ihn nicht seiner Stellung zu berauben. Er erklärte die Kündigung als ein Ränkespiel des Papiermachers in Grabow, der zwar die dortige Mühle auf sein Angebot erhalten, aber in der Folge seinem Schwager abgetreten hätte, weil er selbst nach Neustadt wollte. Wolther empfand die Kündigung als ungerecht. Er sei zwar ein junger Mann und ein Anfänger, aber er habe sich redliche Mühe gegeben und in die Kummen, Stampen, Blasen usw. viel Kapital hineingesteckt. Der ihm gemachte Vorwurf, daß sein Papier durchschlage, sei unbegründet. Noch niemand hätte ihn dessen überführen können. Vielleicht, gab er kleinlaut zu, sei in der Zeit, als seine Mutter die Verwaltung gehabt hätte, nicht immer alles in Ordnung gewesen. Es sei z. B. vorgekommen, daß die Fuhrleute, die das Papier abholten, sich nicht mit Schlagtüchern oder Decken versehen hätten. Dann wäre es möglich, daß das Papier unterwegs gelitten hätte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Papiermühlen