Abschnitt 2

II. Die Papiermühlen in Mecklenburg-Schwerin.


8. Der Handel mit Lumpen.


Erst im Dezember 1805 griff der Herzog Friedrich Franz auf die älteren Gedanken zurück und verbot von Johannis 1806 an auf 16 Jahre die Ausfuhr der Lumpen behufs besserer Aufnahme der inländischen Papiererzeugung. Als jedoch unvermutet die Preise fielen und daraus zu folgen schien, daß die derzeit bestehenden Fabrikanlagen den vorhandenen Lumpenvorrat nicht auszuarbeiten vermöchten, wurde am 20. Juni 1808 die Aufhebung des Verbots beschlossen. Gewiß war die Dauer der Vergünstigung zu kurz bemessen, um über ihre Bedeutung ins Klare zu kommen. Selbstverständlich hörte während der Dauer des Verbots der auswärtige Absatz nicht vollständig auf. Hausierer und Kaufleute wußten ihre Interessen wahrzunehmen, und die Papierfabriken fanden nicht Muße genug, in der kurz bemessenen Frist auf eine Erweiterung ihrer Anlagen zu sinnen Während der Kontinentalsperre verbesserte sich die Lage insofern, als die Versendung von Lumpen stockte und die Papierpreise sich hoben. Doch erstickten die Kriegsdrangsale, die diese Wendung begleiteten, die Ansätze zum Fortschritt, und nach ihrem Aufhören lastete der ausländische Wettbewerb nur um so stärker auf den einheimischen Anstalten.

Zu dieser Zeit huldigten sehr viele Länder einem gesunden Schutzverfahren. Preußen hatte einen Ausfuhrzoll auf Lumpen in Hohe von 2 Rtlrn. pro Zentner und Zölle auf die Einfuhr von Papier aller Arten in Hohe von 15 Silbergr. bis 6 Rtlr. pro Zentner. Hannover verbot die Ausfuhr von Lumpen und erhob einen Zoll beim Eingang von Papier. Schweden und Dänemark gingen in ähnlicher Weise vor.

Die Aufhebung des Ausfuhrverbotes hatte eine starke Zunahme der Ausfuhr von Lumpen zur Folge. Um 1826 gingen jährlich aus Rostock 6 Ladungen Lumpen ab, die zu 60 Last, jede zu 4000 Pfund, gleich 1 440 000 Pfund oder 12 857 Zentner zu rechnen waren. Die Ausfuhr von Wismar landwärts nach Hamburg, Lübeck, Strelitz usw. dürfte ebenso hoch ausgefallen sein. Von der Rostocker Ausfuhr sollte die Hälfte auf inländische Lumpen zu rechnen sein. Im ganzen war aber das zur Verfügung stehende Quantum natürlich größer. Nach der damaligen Schätzung sollte jeder Mensch jährlich etwa 3 Pfund Lumpen liefern. Demnach wären von der mecklenburgischen Bevölkerung, bei 417 871 Köpfen, etwa 11 193 Zentner Lumpen zu erwarten gewesen. Steigert man den Ertrag auf 5 Pfund Lumpen jährlich von jedem, so wäre in der Annahme, daß davon 2 Pfund auf wollene Lumpen hätten gerechnet werden müssen, der Gesamtertrag auf 18 655 Zentner zu schätzen gewesen (11 193 Zentner linnene, 7462 Zentner wollene Lumpen). Derartige Erwägungen berechtigten zu der Vermutung, daß durch Beschränkungen der Ausfuhr die einheimische Papierindustrie hätte gefördert werden können. Daß es nicht dazu kam, ist, glaube ich, im Interesse der Gesamtheit zu bedauern. Immer muß doch anerkannt werden, daß Vaterlandsfreunde sich den Gedanken ernsthaft überlegten, wie und ob das Ziel zu erreichen sei. Der Verfasser Fr. M. jenes für den Großherzog bestimmten Memorandums von 1826 hat mehrere Vorschläge zur Hebung der Papierindustrie gemacht. Er befürwortet einen Eingangszoll auf fremdes Papier sowie Steuer- und Zollfreiheit für alles im Inlande erzeugte Papier. Ferner wünschte er die Akzisefreiheit für die von den einheimischen Papiermüllern in Rostock und Wismar gekauften Lumpen und Begünstigung oder Begründung von Papiermühlen durch Zuwendung guter Wassergelegenheiten. Die Landbaumeister sollten angehalten werden, an Orten, wo starkes Gefäll, verbunden mit nachhaltigen klaren Wasserzuflüssen, vorhanden ist, festzustellen, ob durch zweckmäßige Veränderungen Plätze zur Anlage von Papiermühlen gewonnen werden könnten. Endlich brachte er in Vorschlag, mehr allgemeiner Natur, zweckmäßigere Bildungsanstalten für Gewerbe und Beförderung überhaupt aller auf Verbesserung des Gewerbes gerichteten Anstrengungen. Fähige junge Leute sollte man ins Ausland schicken, auf Vervollkommnung der Arbeitsmethoden und Mühleneinrichtungen, Beschaffung von Modellen und Maschinen bedacht sein.

Die Zeit war wohl nicht dazu angetan, um derart weitausschauende, gewiß treffliche Maßregeln durchführen zu können. Möglicherweise mangelte auch das Kapital. Der Großherzog begnügte sich, am 19. August 1828 die Zoll- und Steuervorschriften beim Ankauf von Lumpen für die einheimische Fabrikation von Papier zu regeln. Jeder Papiermüller sollte nachweisen, wieviele Lumpen er jährlich und von welcher Güte er jährlich brauche. Alles Papier, abgesehen von der Pappe, sollte im Wasserzeichen den Ortsnamen der Fabrik enthalten. Jede Papierversendung des Fabrikanten mußte von der Obrigkeit bescheinigt werden, wobei innerhalb des Landes der gewöhnliche Steuerpassierschein, in dem Menge und Bestimmungsort des Papiers angegeben war, außerhalb des Landes der sogenannte große Passierschein gelöst werden mußte. Zunächst von Michaelis 1828 auf 6 Jahre bis Michaelis 1834 bewilligt, wurde die Vorschrift später erneuert.

Wieviele Personen in der mecklenburgischen Papierindustrie des 18. Jahrhunderts beschäftigt gewesen sind, entzieht sich der Ermittelung. Eine größere Anzahl wird es kaum gewesen sein, da ja eben der Ausbau einer Industrie erwünscht schien. Die Güte der Fabrikate wird gerühmt, aber die Leistungsfähigkeit war damals so ungenügend wie hundert Jahre vorher. Immerhin ist die Anregung auf unfruchtbaren Boden nicht gefallen. Im Jahre 1882 gab es in Mecklenburg-Schwerin 7 Papierfabriken mit 255 Arbeitern, 1907 6 Fabriken mit 577 Arbeitern. Außerdem 1882 10 Dachpappenfabriken mit 56 Arbeitern, 1907 15 mit 155 Arbeitern. Von 99 977 Arbeitern, die die Zählung von 1907 für Mecklenburg nachweist, sind 0,73 % auf die Papierfabrikation zu rechnen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Papiermühlen