Abschnitt 1

II. Die Papiermühlen in Mecklenburg-Schwerin.


8. Der Handel mit Lumpen.


Eine Hauptschwierigkeit, die auch in der Geschichte der einzelnen Papiermühlen hervortritt, zeigte sich in dem Mangel an Lumpen, vielleicht richtiger in der ungenügenden Organisation, sie zu sammeln. Am 29. Mai 1691 wurde dem Marius Holst erlaubt, im Bezirk Teterow Lumpen zu sammeln und auszuführen. Neun Jahre später wurde dem Bürger und Schuhmacher Jürgen Hanselow diese Erlaubnis verweigert, weil auf das Lumpensammeln bereits einem andern ein Freibrief erteilt wäre. Er hatte in Grevesmühlen und Klütz Lumpen sammeln wollen. Desgleichen wurde 1717 ein gewißer Hans Nehring abschlägig beschieden, der um das Privileg im ganzen Lande oder wenigstens in den Ämtern Grevesmühlen, Gadebusch, Rehna, Redentin sammeln zu dürfen, nachgesucht hatte. Die Regierung nahm damals den Standpunkt ein, daß der Lumpenhandel ein Regal sei. Die Herrschaft sollte durch eigene Leute Lumpen sammeln lassen und solche auf ihre Papiermühlen im Lande liefern, damit diese in Aufnahme kämen. Jeder Papiermühle sei ein Distrikt zuzuweisen, in dem die Lumpen ihr zuständen. Nach Maßgabe der Ausbreitung dieser Industrie würden infolge der zahlreichen Menschen, die sie beschäftige, sich die Einnahmen aus Zoll und Lizent vermehren. Auch Tobias Strelner, ein erblindeter Nadler aus Gadebusch, erhielt die Erlaubnis zum Lumpensammeln nicht. Er wollte ein Privileg haben, in den Ämtern Schwerin, Mecklenburg, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Wittenburg sammeln zu dürfen. Erst später brach man mit dieser Auffassung und ließ den Lumpensammler Friedrich Hildebrandt im Jahre 1753 für 10 Jahre zu dem mühseligen Geschäfte zu. Er bekam dieses Recht nur für das Amt Neustadt und mußte dafür 30 Taler Rekognitionsgebühr zahlen, ein Beweis, daß der Lumpenhandel kein uneinträgliches Geschäft gewesen sein kann.

Indes viel schlimmer als die Unregelmäßigkeit des Sammelns der Lumpen dürfte ihre Ausfuhr über die Grenze gewesen sein. Aus eigentlich nicht durchsichtigen Gründen zogen die Lumpenhändler es vor, obwohl mit dem Transport über die Grenze gewiß Weitläuftigkeiten verbunden waren, sie aus Mecklenburg hinauszuführen, statt sie den einheimischen Papiermühlen anzubieten. Wahrscheinlich wird der Preisunterschied innerhalb und außerhalb Mecklenburgs nicht unerheblich gewesen sein. Herzog Friedrich der Fromme hatte bereits 1763 angeregt, die Ausfuhr von Lumpen zu verbieten, war indes mit seinen Gedanken nicht durchgedrungen. Einige Jahre darnach wurde die Angelegenheit aufs neue angeregt durch den Oberstlieutenant von Bülow aus Zülow, dessen Papiermüller wiederholt geklagt hatte, daß er keine Lumpen bekommen könnte, weil alle außer Landes gingen. Man kaufe die Lumpen in Kleinigkeiten zusammen und versende sie in größeren Beständen ins Ausland. Nicht nur, daß angeblich dieser Handel in den Ämtern völlig organisiert und verpachtet sei, so werde er auch auf Schleich- und Nebenwegen geführt. Herr von Bülow bat den Landtag, die Ausfuhr von Lumpen zu untersagen und die Lumpensammler anzuhalten, die Lumpen an die Papiermacher zu bestimmten Preisen zu verkaufen. Indes die gewohnte Antwort des Landtages war: „Das begehrte privilegium exclusivum müsse als dem ritter- und landschaftlichen Interesse entgegen erachtet werden.“ Man könne auf eine Einschränkung der Handelsfreiheit, gegen die jederzeit „möglichste Precaution“ genommen sei, sich nicht einlassen.

Während auf diese Weise im Schwerinschen der Stand der Dinge unverändert blieb und der Lumpenhandel nach dem Ausland weiter blühte, ging ein Jahrzehnt darnach der Herzog Adolph Friedrich IV. von Strelitz energischer vor und erließ am 2. Januar 1779 ohne Zustimmung des Landtages ein Verbot der Ausfuhr von Lumpen auf die Dauer von 5 Jahren. Der Erfolg scheint ein befriedigender gewesen zu sein, da er es nach Ablauf dieser Zeit am 5. November 1784 „zum Besten des Landes und der inländischen Papiermühlen“ erneuerte. Hatten die Stände merkwürdigerweise zu dem ersten Erlaß geschwiegen, so beruhigten sie sich bei seiner Wiederholung nicht, sondern ersuchten, es nicht in Kraft treten zu lassen. „Man könne nicht in einem Kreyse das ein verbotenes Exportandum sein lassen, dessen Ausführung in den beyden übrigen Creysen unverboten sei.“

Nachdem die Sache soweit gediehen war, hielt Herzog Friedrich Franz es für angemessen, einzuschreiten und unterbreitete im Jahre 1785 dem Landtage die Proposition, die Ausfuhr von Lumpen zu verbieten. Papier sei ein so unentbehrliches Ding, daß man wünschen müsse, die 4 Papiermühlen, die im Lande bestanden, nicht nur zu erhalten, sondern ihre Produktion auszudehnen. Das an sich fast wertlose Rohmaterial werde in Frachtwagen und Schiffsladungen ausgeführt und das täglich im Preise steigende Papier bekäme man dafür aus dem Auslande zurück. Das Verbot würde niemanden benachteiligen, den betreffenden Erwerbszweig dagegen beleben und zur Folge haben, daß man gutes inländisches Papier zu wohlfeilem Preise erstehen könne.

In gewohnter Weise nahmen die Verhandlungen und Beratungen über die Zulässigkeit des Verbotes ihren Fortgang. Die Herren Landräte und der Herr Bürgermeister von Rostock gaben ihre Gutachten ab und wieder einmal wurde die schon so oft aufgeworfene Frage, ob man überhaupt in Mecklenburg die Industrie einführen solle, erörtert. Im allgemeinen war die Stimmung dem Vorhaben nicht günstig. Die geringen bisherigen Erfolge hatten eine gewisse Mutlosigkeit hervorgerufen. Man Sprach es aus, daß Fabriken eigentlich nur den Ländern zuträglich seien, die keinen sonderlichen Ackerbau noch sonst irgend ein anderes einträgliches Nahrungsgeschäft für sich haben. Die Bevölkerung sei nicht beträchtlich, weder in den Städten noch auf dem platten Lande, und der geringe Mann in Mecklenburg von Natur nicht eben aufgelegt zur Industrie. Besser als durch Beschränkung des Handels könne man die Hebung der Industrie auf anderen Wegen erstreben, durch Anlage von Werkhäusern, Hemmung der überhandnehmenden Juden und Hausierer, durch Prämien für vortreffliche Leistungen, durch Abschluß von Handelsverträgen zur Sicherung der Ausfuhr von Getreide usw. Was speziell das Ausfuhrverbot für Lumpen beträfe, so glaubte man, daß die Papiermühlen nicht alle Lumpen, die Mecklenburg hervorbringe, würden verarbeiten können und demgemäß entweder die Papierfabrikanten einen Lumpenhandel anfangen oder die Lumpen auf Schleichwegen doch ins Ausland gelangen möchten. Trotzdem ging man aus „Respekt für das höchste Absehen“ und weil die wohlwollenden Absichten der Regiernng sich nicht verkennen ließen, auf das Verbot ein. Mit Michaelis 1786, so beschloß der Landtag am 3. Dezember 1785, sollte auf die Dauer von 6 Jahren das Verbot in Kraft treten, nach dieser Zeit von selbst aufhören. Alle zum Sammeln von Lumpen erteilten Freibriefe sollten bis zu dem genannten Termin erlöschen. Den Papiermühlen wurde von vornherein untersagt, einen Lumpenhandel anzufangen. Dies teilte man dem Herzoge mit in der Voraussetzung, daß Rostock, dessen Vertreter das Verbot auf höchstens 2-3 Jahre erlassen wissen wollte, gleichfalls zustimmen werde.

Der Herzog, obwohl dankbar für das Entgegenkommen der Stände, war mit der beschränkten Dauer des Ausfuhrverbotes nicht einverstanden. Die Papiermühlen, die man schützen wollte, bedürften zum Teil einer neuen Einrichtung. Man müßte tüchtige Papiermacher aufsuchen und unter vorteilhaften Bedingungen aus dem Auslande heranzuziehen suchen. Auch würde man vielleicht neue Etablissements errichten wollen. Alle diese Schritte ließen sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg tun, wenn der Schutz auf längere Zeit gewährt würde. Der Herzog schloß das Schreiben an den Engeren Ausschuß mit der Hoffnung, daß „es ihm gelingen werde, durch Mitwirkung der Landstände, dem Lande das Glück zu verschaffen, welches wir beim Antritt unserer Regierung zu begründen und herbeizurufen uns zur angelegentlichsten ersten Sorge ausgewählet und auf unserem ersten Landtage zum Vortrage gebracht haben“.

Auf eine unbeschränkte Dauer des Ausfuhrverbots für Lumpen wollten die Stände so wenig eingehen wie auf einen Wollzoll. Dem im Herbste zusammentretenden Landtage gegenüber betonte der Herzog: „Es unterliege ihm keinem Zweifel, daß es gut sei, Gewerbe und Nahrung in einem Lande zu verstärken, den Fleiß der Einwohner zu beleben, auf Verarbeitung und Veredelung von Landesprodukten, mithin auf Forthelfung oder Anlegung angemessener Manufakturen Bedacht zu nehmen oder, was einerlei ist, die Wohlfahrt eines Landes und seiner Einwohner zu vermehren.“ Der Landtag konnte sich indessen nicht entschließen, seinen grundsätzlichen Standpunkt aufzugeben. Schließlich willigte er wenigstens in ein Ausfuhrverbot auf die Dauer von 20 Jahren, forderte aber dann als conditio sine qua non die Aufhebung der Handlungsakzise. Obwohl nun der Entwurf zu dem Patente über das Ausfuhrverbot der Lumpen dem Landtage bereits vorlag, scheiterte an diesem Verlangen sein Erlaß. Freilich legte der Herzog im November 1788 dem Landtage die Beschreibung der neuen Papiermühle in Bützow vor, erwähnte auch, daß er mit der Errichtung einer anderen Mühle umgehe und nur auf die Zustimmung zum Ausfuhrverbote harre Der Landtag beschloß gleichwohl, auf seiner Forderung zu bestehen, obgleich die städtischen Deputierten einlenkten und das Verbot billigten, selbst wenn die Handlungsakzise nicht aufgehoben werden könnte. Somit kam es damals nicht zum Ausfuhrverbot für Lumpen, und auch im Stargardischen Kreise hörte es nach 1789 wieder auf.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Papiermühlen