Abschnitt 2

I. Die Geschichte der Papierbereitung.


Französischerseits hat man zwar diese Verbesserung - die Franzosen nennen die holländische Maschine den Zylinder - für sich in Anspruch nehmen wollen und behauptet, daß sie erst von dort aus nach Holland gelangt sei. Sicher ist, daß diese Vorrichtung im 18. Jahrhundert in Deutschland ziemlich allgemein Eingang gefunden hatte. Der Professor Johann Paul Reinhard sagt im Jahre 1774 von der Papiermühle in Erlangen: In der Papiermühle treiben zwey Wasserräder ein doppeltes Geschirr, einen Holländer, also nennet man einen runden Kasten mit Wasser, so die Lumpen zermalmt, den die Holländer erfunden haben, und einen Lumpenhacker. Breitkopf wiederum, der die Maschine „als eine dicke Walze, die mit Schienen von Messing oder von Eisen die Länge herunter ringsherum besetzt ist, und die auf einer ebenfalls eisernen Platte herumläuft, zwischen welchen die Lumpen zerrissen und gemahlen werden“ erklärt, meint zehn Jahre später, daß in Deutschland kaum noch eine Papiermühle ohne sie zu finden wäre. Die Holländer wurden in Deutschland an die Wasserräder der Papiermühlen angehängt, um die durch die Stampfen schon klein gemachte Masse auch durch diese Mahlmaschine vollends klar und musartiger machen zu lassen.


Der Rohstoff, den man zur Fabrikation verwandte, dürfte anfangs ausschließlich linnene Lumpen gewesen sein. Es ist bekannt, daß seit der holländische Gelehrte Gerard Meermann im Jahre 1762 die Universität Göttingen dazu veranlaßte, eine Preisaufgabe über das Thema auszuschreiben, ob Baumwollen- oder Linnenpapier das ältere sei, eine förmliche Literatur entstand, die es zu keinem rechten Abschlusse brachte. Es fehlte an technischen Hilfsmitteln, um die Faser der Baumwolle und der Leinwand im Papier auseinanderzuhalten. so huldigte man lange der Ansicht daß die Anfertigung des Baumwollenpapiers bereits den Chinesn bekannt gewesen wäre, durch Araber und Griechen am Ende des 11. Jahrhunderts in das Abendland gebracht worden sei und die Verwendung linnener Lumpen zur Bereitung des Papiers sich erst allmählich eingebürgert habe. Nicht her als am Anfange des 13. und zu Anfang des 14. Jahrhunderts sollte das Linnenpapier aufgekommen sein. Diese Auffassung vertrat Ersch’s und Gruber’s Enzyklopädie im Jahre 1838 und Wattenbach schloß sich ihr an.

Dem entgegen haben die mikroskopischen Untersuchungen von E. M. Briquet in Genf neuerdings zu ganz anderen Ergebnissen geführt. Briquet hat eine Anzahl aus dem 11., 12. und 13. Jahrhundert stammende Handschriften der Archive und Bibliotheken zu Berlin, Paris, Bologna, Fabiano, Udine, Venedig und Genua, die angeblich auf Baumwollenpapier verfaßt waren, untersucht - mehr als 100 Proben - und gefunden, daß sämtliche Papiere aus linnenen Lumpen hergestellt sind. Nur in einigen Stücken kommen vereinzelte Baumwollenfasern vor, ein Beweis dafür, daß wahrscheinlich bei der Sortierung der Lumpen nicht die gehörige Sorgfalt obgewaltet hatte. Diesen Ergebnissen haben sich die von Julius Wiesner über die in El-Fajum gefundenen, dem 8. und 9. Jahrhundert angehörenden Papiere und Girard und Giry in Paris, die unabhängig von Briquet ihre Forschungen anstellten, angeschlossen.

Wann auf deutschem Boden zuerst in größerer Anzahl Papierfabriken entstanden und die einheimische Produktion für die vorhandene Nachfrage auszureichen begann, ist nicht festgestellt. Bei dem heutigen Stande der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung, die sich noch nicht lange der Ermittelung solcher Tatsachen zuwendet, läßt es sich auch nicht genau angeben. Zutreffend ist, daß während des 15. Jahrhunderts das ganze südliche Deutschland hauptsächlich mit italienischem Papier, von Venedig und Mailand aus, versehen wurde. Die Stadt Görlitz in der Oberlausitz bezog zwischen 1376 und 1426 ihr Papier ebenfalls aus Italien. Wenn in den Hildesheimischen Stadtrechnungen um 1440 der Einkauf von Papier aus der Lombardei (lumberdes poppyrs) eingetragen ist, so liegt es nahe zu glauben, daß auch in anderen Fällen, wo über die Herkunft des Papiers nichts gesagt ist, das Fabrikat von derselben Herkunft war. Es steht damit im Zusammenhange, daß man unter den Ausfuhrartikeln der Deutschen aus Venedig im 14. Jahrhundert Papier genannt findet und unter den in den Warenhäusern Mittewald’s im 15. Jahrhundert niedergelegten italienischen Waren, die zur Weiterbeförderung nach Deutschland bestimmt waren, Ballen mit Schreibpapier regelmäßig vorkommen. Wiederholt nennen die Zolltarife von Konstanz, Bern, Basel, Luzern, Worms und Straßburg aus dem 14. und 15. Jahrhundert Papier als Gegenstand der Einfuhr aus Italien. Frankreich erlernte auf keinen Fall früher als Deutschland die Kunstfertigkeit, Papier zu machen. Doch werden für Troyes, neben dem Essoune im Departement Seine et Oise die Ehre beansprucht, die früheste Papiermühle besessen zu haben, immerhin die Jahre 1315 und 1328 als Ursprungsjahre angegeben. So darf man wohl annehmen, daß die Deutschen den Italienern die Anfertigung abgesehen haben. Auf diese Vermutung kommt man um so eher, als bei einer der ältesten deutschen Papiermühlen gerade italienische Arbeiter genannt werden.

Im 16. Jahrhundert scheint dann Italien als Lieferant von Papier an Bedeutung verloren zu haben. Nunmehr waren es abgesehen vom südlichen und südwestlichen Deutschland, wo allmählich eine Menge Papiermühlen entstanden, die Schweiz, das Elsaß, Lothringen und Burgund, von wo man insbesondere die besseren Sorten gerne bezog.

Von deutschen Papiermühlen hört man im 14. Jahrhundert vereinzelt. Bereits um 1320 sollen zwischen Köln und Mainz Papierfabriken in Tätigkeit gewesen sein, jedoch ist genaueres über sie nicht bekannt. Die erste urkundlich nachweisbare deutsche Papiermühle ist die zu Ravensburg. Im Jahre 1336 führen die Patrizier Hans und Trick Holbain wegen einer Stampfmühle, die sie für ihr Gewerbe nötig hatten, einen Rechtsstreit. Die allgemeine Annahme geht dahin, daß unter ihr eine Papiermühle verstanden werden könnte. Ein wirklicher Papiermacher ist indes daselbst erst zwischen 1427 und 1428 nachweisbar. Ebenso unsicher sind die Nachrichten über die Papierbereitung in Straßburg am Ende des 14. Jahrhunderts, eine Papiermühle in Au bei München 1347 und eine solche zu Chemnitz 1398. Allerdings ist die Urkunde, durch die Fürst Wilhelm von Sachsen dem Abt Niclaus und dem Konvente des Benediktinerklosters zu Chemnitz die zweien Bürgern erteilte Konzession zur Eröffnung einer Papiermühle bestätigt, erhalten. Aber man weiß doch nicht, ob die Fabrik je eröffnet worden ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Papiermühlen