Abschnitt 1

I. Die Geschichte der Papierbereitung.


Am Anfang des 15. Jahrhunderts ersuchte der Rat von Lübeck den Revaler Magistrat, ihm die gerichtlichen Urteile nicht auf Papier, sondern auf Pergament zu übermitteln „wante dat poppir vergenklik is“. Aus dem gleichen Grunde, seiner Vergänglichkeit wegen, hatte schon Kaiser Friedrich II. die Anwendung des Papiers bei Ausstellung von Urkunden verboten.


Indes nicht nur dieser Umstand, auch der hohe Preis des Papiers ist anfangs seiner Verbreitung hinderlich gewesen. Es ist zwar unmöglich, bei den verschiedenen Preisangaben zu einem sicheren Urteile zu gelangen und einen Vergleich zwischen der älteren und der neueren Zeit durchzuführen. In der Regel sind eben Güte und Format der Papiere nicht bekannt und es kommen außerdem verschiedene Münzfüße in Betracht. Immerhin sind die statistischen Zusammenstellungen, die F. Hermann Meyer darüber gemacht hat, insoweit überzeugend, als verglichen mit dem höheren Geldwerte der Vergangenheit die Preise hoch erscheinen und im Laufe der Jahrzehnte heruntergehen. So notieren beispielsweise die Stadtkassenrechnungen in Leipzig in den Jahren 1477 und 1478 für ein Ries Papier 28 und 30 Groschen, hundert Jahre später 20 und 24 Groschen. Und man wird es ebenfalls als hoch bezeichnen müssen, wenn in den Rentereirechnnngen zu Schwerin in den Jahren 1517-1519 regelmäßig „vor eyn halff riß pappir zu registern und vurschlagen“ 12 Schillinge gebucht sind. Mit den mecklenburgischen Notierungen stimmen die Hamburger leidlich überein. Aus denselben Jahren fehlen zwar die Daten, aber im Jahre 1522 zahlte

der Rat in Hamburg für ein Ries 21 Schillinge, d. h. 3 Schillinge weniger als die Mecklenburger, die ihr Papier aus Hamburg oder Lübeck bezogen. Bemerkenswert ist übrigens, daß in Hamburg am Ausgange des 15. Jahrhunderts die Preise hoch stehen. Von 1471-1500 kostet nämlich das Ries gewöhnlich 28-32 Schillinge, das Buch etwa 2 Schillinge. Dann verringern sich im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts die Preise, wie erwähnt, um gegen Ende des Jahrhunderts wieder zu steigen. Um 1562 wird das Ries Papier mit 36-40 Schillingen bezahlt.

Eine interessante Reihe liefern die Preise der Hildesheimischen Stadtrechnungen, vorausgesetzt, daß, wie wahrscheinlich, es sich alle Jahre um die gleichen Sorten handelte, um Papier, wie es zu Registern und Rechnungen gewöhnlich gebraucht wurde, keinenfalls um feines, hochwertiges. Auf ein Buch Papier umgerechnet, läßt sich folgende Reihe aufstellen. Es kostete ein Buch:

Tabelle 1

Die Preise aus den 40er Jahren kommen ungefähr den Hamburger Preisen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts gleich, stehen indes niedriger. Auf das Ries berechnet, schwanken sie zwischen 31 1/2 und 26 Schill. 8 d.

Fragt man nach den Bedingungen, unter denen die Papierindustrie in Gang gebracht werden kann, so muß es eigentlich befremden, daß sie so langsam sich entwickelte. Lumpen und das fließende Waffer zum Treiben eines Mühlrades waren an vielen Orten in Deutschland gegeben. Erst der späteren Zeit, nachdem die vielen aufgekommenen Mühlen sich gegenseitig Konkurrenz machten, blieb es vorbehalten, besondere Lumpensammelbezirke zu schaffen.

Die Technik war ursprünglich eine höchst einfache und blieb lange Zeit unverändert. Die Lumpen wurden gekocht, zerstoßen und solange geschlagen, bis ein Teig daraus entstand, der sich im Wasser verdünnen, in Formen sSchöpfen und zu Papier umschaffen ließ. „Ich brauch Hadern zu meiner Mül“ läßt Hans Sachs den „Papyrer“ im Texte zu Jost’s Amman’s Holzschnitt in der Serie der „Stände und Handwerker“ sagen und fährt fort:

Dran treibt mir’s Rad des wassers viel
Daß mir die zschnitn Hadern velt,
Das zeug wirt in wasser einquelt,
Drauß mach ich Pogn, auff den filtz bring,
Durch preß das wasser darauß zwing.
Dann henk ichs auff, laß drucken wern,
Schneeweiß und glatt, so hat mans gern.

Dabei sollen zuerst Handpapiermühlen im Gebrauch gewesen sein, die man seit der Mitte des 14. Jahrhunderts durch Mühlstampfen ersetzte. Hierin ging Italien voran, Deutschland und Frankreich folgten, bis dann Holland, vermutlich nicht viel früher als gegen Ausgang des 17. Jahrhunderts, auf das ältere deutsche System zurückgriff und durch Vervollkommnung desselben in den sog. Holländern der Papierfabrikation einen neuen Impuls gab. In dem deutschen Geschirr, d. h. der Stampfmühle, wurden die schon vorher gröblich zerstückten Lumpen durch Zufluß von Wasser in einen dünnen Brei verwandelt. Nachdem die Lumpen 20-30 Stunden unter den Hämmern gewesen sind, ist das Halbzeug oder Halbstoff entstanden. Wird dieses nochmals unter die Hämmer gestampft, so führt der dünne Brei, der überall von gleicher Dichtigkeit, schließlich herauskommt, den Namen Ganzzeug. Die Einrichtung des Holländers, wesentlich hiervon verschieden, erreicht das gleiche Ziel vollkommener. Der Holländer ist teuer zu erbauen, aber er arbeitet schneller und wirksamer. Mitunter wurden wohl beide Systeme miteinander verbunden, indem man das Halbzeug durch das deutsche Geschirr, das Ganzzeug durch den Holländer herstellen ließ.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgische Papiermühlen