Abschnitt 3

Wallensteins Abzug aus Mecklenburg im Jahre 1629 – Vorrede


Für den Aufenthalt in Neustadt war schon dadurch gesorgt, daß der vierte Theil des ausgeschriebenen Proviants für Neustadt bestimmt war 23). Außerdem ward dem Amte Neustadt befohlen, "sich mit allerhand Provision gefaßt zu halten 24)" und von der Herzogin Mutter Sophie zu Lübz, welche im Lande geblieben war, "ungesäumt 3 Last Hafer abzufordern, welche aus der fürstlichen Rentkammer bezahlt werden sollten 25)".


Ganz besondere Aufmerksamkeit muß der Befehl erregen: "Es soll ein groß Faß mit Eis bei Nacht nach Schwerin geschickt werden 26)." Wallenstein liebte also den Genuß von Eis, den er ohne Zweifel von Oesterreich herüberbrachte. Das Eis wird auf seiner letzten Reise in Mecklenburg noch öfter eine Rolle spielen.

Wallenstein langte am Dienstag den 14. Julii 1629 in Schwerin an. Er war vorher nur ein Mal kurze Zeit in Schwerin gewesen, im Anfang December auf seiner Rückreise aus Holstein, in ungünstiger Jahreszeit, wo es wohl rauh sein kann. Die Sagen von Bauten und Anpflanzungen in Schwerin durch ihn lassen sich in keiner Weise beweisen: die Sagen von Bauten, von Wallensteinschen Flügeln am Schlosse u. s. w. haben sich alle als falsch erwiesen. Wallenstein hat in Schwerin nichts bauen lassen.

Von Wallensteins Aufenthalt während der ausgesetzten 4 Tage wissen wir so gut wie nichts, als daß zum Fischtag, Freitag den 17. Julii, ungesäumt 3 Schock Karpfen von Wittenburg, einem Leibgedings-Amte der Herzogin Mutter Sophie von Lübz, geholt und deshalb "baar aus der Rentkammer bezahlt werden sollten 27)."

Schwerin muß dem neuen Herrscher in der guten Jahreszeit sehr gefallen haben. "Seine Fürstliche Gnade hatten ihr Vorhaben in etwas verändert" und beschlossen, "noch etzliche Tage in Schwerin zu verharren 28)." Er blieb noch drei Tage, bis zum Dienstag den 21. Julii, in Schwerin.

Nun ging aber der Proviant aus. Es mußten daher in der größten Eile von allen Ecken und Enden her bei Tag und Nacht neue Vorräthe herbeigeschafft werden. Es wurden schon am 17. Julii Eilboten mit Befehlen ausgeschickt. Zunächst ward dem Hauptmann zu Neustadt, 4 Meilen von Schwerin, Freitag den 17. Julii befohlen, daß er alle dort zu des Herzogs Ankunft vorräthig gehaltenen Fische, als Hechte, Barsche und Forellen, lebendig und frisch zum andern Morgen "gar früh um 4 Uhr ohne einigen Aufenthalt" nach Schwerin schicken, die übrigen bestellten Victualien aber "so viel möglich wohl verwahrlich und frisch aufbewahren solle 29)." An demselben Tage erhielten die Beamten zu Gadebusch, Tempzin, Wittenburg und Warin, um der Noth zu steuern, den "ernstlichen Befehl 30)" einen "großen Vorrath von Eiern" nach Schwerin zu senden; der Beamte zu Mecklenburg sollte Angesichts des Befehls 8 Schock Eier zusammenbringen und dieselben "sammt so viel Gartengewächs als möglich, so wie alle Butter am folgenden Tage nach Schwerin schicken"; in Crivitz sollten Eier und "alle Butter" in der Stadt aufgekauft werden. In Güstrow sollten sogleich 2 Drömt (Waizen?) gemahlen werden und das Mehl bis spätestens Sonntag Mittag in Schwerin vorhanden sein. Auch 16 Schock Eier wurden am Sonntage noch von dem Küchenmeister zu Güstrow eingefordert 31). So wurden alle ungefähr 2 bis 4 Meilen um Schwerin liegenden Aemter und Städte in Bewegung gesetzt und entblößt, um den großen fürstlichen Hofstaat zu erhalten. Der Amtmann zu Mecklenburg erhielt die Weisung, zum Freitag und Sonnabend "See- und andere Fische zu früher Tageszeit" einzusenden 32). Sehr bezeichnend sind bei der Vorliebe Wallensteins für frisches Obst die Veranstaltungen, seine Neigung zu befriedigen. Dem Amtmann zu Mecklenburg, 3 Meilen von Schwerin, ward befohlen, die Kirschen nicht auf Wagen zu schicken, sondern nach Schwerin tragen zu lassen 33). Ganz unerhört mag es sein, daß der Hauptmann Joachim v. d. Lühe, "um Ihro Fürstlichen Gnaden unterthänige Willfahrung zu bezeigen", am Sonntage den 19. Julii einen eilenden Boten an seinen Oheim Joachim von Möllendorf zu Dargelütz bei Parchim (5 Meilen von Schwerin) schickte, der besonders guten Obstbau getrieben haben wird, mit der Bitte, "wenn er irgend gute Kirschen oder sonst Obst" habe, es sogleich durch den Ueberbringer verabfolgen zu lassen 34). So mußte alle Welt die allergrößten Anstrengungen machen, um den leisesten Wünschen des strengen Gebieters zuvorzukommen.

Sehr ungnädig aber vermerkte Wallenstein, daß man seinen eigenen ausgesprochenen Wünschen nicht genau nachkam. Wie schon oben bemerkt ist, liebte Wallenstein vorherrschend den Genuß von Eis. Schon zur Abreise von Güstrow war befohlen, ein "groß" Faß "mit Eis nach Schwerin zu schicken." Nun hatte aber der Gärtner zu Güstrow das "Eis sehr unfleißig in "kleine" Fässer verpackt", so daß es größten Theils geschmolzen war. Darüber hatte Ihro Fürstliche Gnade sich sehr ungnädig vernehmen lassen. Es erging daher am Sonntage den 19. Julii "von wegen Ihro Fürstlichen Gnaden der ernstliche Befehl 35), bei Vermeidung scharfer Strafe das Eis so einzupacken, daß es ohne zu schmelzen bei Nachtzeit könne verfahren werden, und zum Montag Morgen früh 4 Uhr wieder ein "großes" Faß Eis unter Aufsicht eines Gärtnergesellen nach Schwerin zu schaffen", wozu der Küchenmeister ihm "Angesichts" gute Fuhren verschaffen solle: bei einer Entfernung von 7 Meilen Landweg allerdings ein sehr harter Befehl.

Der Eisgenuß lag dem Herrscher so sehr im Sinne, daß er am Montag den 20. Julii den Hauptleuten zu Schwerin, Neustadt, Doberan und Stargard "ernstlich" befahl 36) bei guter Zeit zwei Eisgruben nach Art und Modell, wie die zu Güstrow, bauen und mit Eis für Ihro Fürstlichen Gnaden Hofstaat füllen zu lassen; auch sollte zu Güstrow eine zweite Eisgrube angelegt werden. Dieser sehr bezeichnende Befehl ist wohl einer der letzten von Wallenstein selbst im Lande erlassenen Befehle.

Daß der Befehl befolgt ward, darf nicht bezweifelt werden. Nach des Bauschreibers zu Güstrow Rechnungen waren dort vom 26. October bis zum 6. December 1629 mehrere Teichgräber und Zimmerleute beim Bau des zweiten Eiskellers beschäftigt; so heißt es zum 26. October bis 1. November: "6 Tage 4 Zimmerleute an der Ayßkuhlen und an der Decken zum Gange vor der Ayßkuhlen", u. s. w.

Am Dienstag, den 21. Julii 1629, zog Wallenstein von Schwerin nach Neustadt, wo er einen halben Tag und eine Nacht zu bleiben beschlossen hatte. Die kleine Stadt Neustadt an der Elde war damals ein lebhafter Ort. Es war dort ein altes Schloß, welches noch steht, und der Herzog Adolph Friedrich hatte wegen des nahen großen Jagdreviers in der Lewitz-Waldung das neue Schloß anlegen lassen. Durch den in der Gegend häufigen Raseneisenstein blüheten hier Eisenwerke. Die Elde bot günstige Gelegenheit zur Flußschifffahrt und zu Mühlen.

Die Beamten in Neustadt waren der Hauptmann Joachim von Kleinow und der Küchenmeister Friedrich Thesandt, ein sehr tüchtiger, einflußreicher Mann, welcher 1621 bis 1645 Küchenmeister zu Neustadt, dann Rentmeister des Herzogs Adolph Friedrich war. Von Thesandt ist ein ausführlicher und genauer Bericht 37) über den Aufenthalt Wallensteins in Neustadt an den hochgestellten und gewichtigen Kammer-Präsidenten Hans Heinrich von der Lühe erhalten, welcher eine sehr klare und lebhafte Schilderung Wallensteins nach seinem häuslichen und geschäftlichen Leben giebt. Dieser Bericht ist bei weitem eine der wichtigsten Quellen für die Beurtheilung Wallensteins als Landesherrn.




23) Vgl. Beilage Nr. 1.
24) Vgl. Beilage Nr. 10.
25) Vgl. Beilage Nr. 7.
26) Vgl. Beilage Nr. 1.
27) Vgl. Beilage Nr. 9.
28) Vgl. Beilagen Nr. 10 und 11.
29) Vgl. Beilage Nr. 10.
30) Vgl. Beilage Nr. 11.
31) Vgl. Beilage Nr. 15.
32) Vgl. Beilage Nr. 14.
33) Vgl. Beilage Nr. 14.
34) Vgl. Beilage Nr. 12.
35) Vgl. Beilage Nr. 13.
36) Vgl. Beilage Nr. 17.
37) Vgl. Beilage Nr. 18.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein