Abschnitt 1

Wallensteins Abzug aus Mecklenburg im Jahre 1629 – Vorrede


Vorrede.


Seit länger als einem Vierteljahrhundert war es mein Wunsch und Wille, das Leben und Wirken Wallensteins als Landesherrn zu schildern, da es noch ganz an einer erschöpfenden Darstellung der wenigen wichtigen Jahre fehlt, in denen der bedeutende Mann in seinem neuen Lande Ruhe und Glück zu finden und zu schützen hoffte. Die Arbeit war außerordentlich schwer und groß. Denn das mecklenburgische Staats-Archiv besitzt keine Spur von Haus- und Cabinets-Acten des Friedländers, welche er jedes Mal mit sich und schließlich nach seinen böhmischen Hausgütern geführt haben wird. Alle Acten des mecklenburgischen Staats-Archivs aus Wallensteins Zeit sind Regierungsacten. Aber da die mecklenburgischen Archivare den Eindringling, und zwar mit Recht, als Landesherrn betrachteten, so sind alle von ihm und seiner Regierung ausgegangenen Erlasse und die Acten über deren Folgen jedes Mal nach dem System des Archivs zu den Acten gelegt, wohin sie dem Inhalt nach gehören, und daher über das ganze Archiv zerstreut. Es liegt also z. B. die Berufung eines protestantischen Theologen zu einer Landpfarre bei den Acten dieser Pfarre unter der Rubrik Pfarrbesetzung nach der Zeitfolge. Es ist daher klar, daß nur ein mecklenburgischer Archivar den Herzog von Friedland als Landesherrn von Mecklenburg schildern kann.

Ich richtete daher seit meiner Berufung ins Staats-Archiv mein unablässiges Augenmerk auf diesen Gegenstand und sammelte eine große Menge zerstreuter Nachrichten; namentlich aber holte ich aus dem Vorrath der in den letzten Jahrhunderten zurückgelegten und noch nicht geordneten und eingereiheten Acten (im Archive seit alter Zeit "Rejectanea" genannt) bei deren wiederholter Durchmusterung beträchtliche Massen bisher unbekannt gewesener Wallensteinscher Verwaltungsacten hervor und bewahrte sie abgesondert im Archive auf, bis ein günstiger Zeitpunct zu ihrer Bearbeitung und Einreihung gekommen sein würde.

Ich begann schon an die Ausführung meiner lange vorbereiteten Arbeit zu denken, als am 1. December 1865 durch ein verhängnißvolles Geschick das ganze Regierungsgebäude, in welchem sich auch das Staats-Archiv befand, bis auf den Grund ausbrannte. Zwar gelang es übermenschlicher Anstrengung und aufopfernder Hülfe und Theilnahme, in wenig Stunden das ganze Staats-Archiv zu retten; aber die Ordnung und der vollständige Ueberblick war durch die allgemeine Verwirrung auf einige Jahre aufgehoben. Vor allen hatten die noch zurückgelegten Acten das Schicksal, weit unter die übrigen Acten zerstreut zu werden. Zwar ist bei der Neuordnung des Archivs in den nächsten Jahren nach dem Brande manches von meinen "Wallensteinianen" wieder in meine Hände gekommen; manches ist aber von den Hülfsarbeitern bei der Neuordnung zu den Verwaltungsacten an die gehörige Stelle gelegt, ohne daß sich jetzt nachweisen ließe, welche Acten es gewesen sein mögen. Außerdem trat mir für die Verwirklichung meines Wunsches nicht allein während der letzten Jahre bei der Neugestaltung des Archivs, sondern überhaupt bei vermehrter Wirksamkeit und Lebensdauer Mangel an Zeit hindernd in den Weg.

Ich habe daher meinen Plan, eine möglichst vollständige Schilderung Wallensteins als Landesherrn von Mecklenburg zu liefern, namentlich bei vorgerücktem Alter, für meine Person leider aufgeben müssen. Ich werde es aber versuchen, nach und nach einzelne Seiten seines Lebens und Wirkens darzustellen, da ich durch die Länge der Zeit wohl mehr Erfahrung in der Sache gewonnen habe, als mancher Andere.

Ein günstiges Geschick spielte mir bei der Neugestaltung des Staats-Archivs einige Actenstücke in die Hände, welche mehr als alle andern, vielleicht allein, im Stande sind, das häusliche und landesherrliche Leben und die Regierungsweise Wallensteins erkennen zu lassen. Und mit der Mittheilung dieser Nachrichten, welche Wallenstein als Menschen zeigen, obgleich manche Seiten als etwas kleinlich angesehen werden mögen, will ich den Anfang machen, da die Beleuchtung dieser Seite dringend nothwendig erscheint, um eine breitere Grundlage für die richtige Würdigung des Charakters zu gewinnen. So Gott will, werden ähnliche Darstellungen im Laufe der Zeit folgen können.

Wallenstein war jedenfalls nicht allein als Kriegsmann, sondern auch als Regent ein ungewöhnlich bedeutender Mensch, wenn er in Mecklenburg auch als harter Eroberer und Eindringling betrachtet ward und angesehen werden mußte. Von seinen Thaten als Herrscher ist aber bisher sehr wenig bekannt geworden; noch weniger kennt man seine Lebens- und Regierungsweise: es fehlt darüber in den mecklenburgischen Archiven fast ganz an Nachrichten. Und doch ist es von großer Wichtigkeit, einen solchen Mann in seinem ganzen Thun, Treiben und Wesen, auch in seinem häuslichen Leben möglichst genau kennen zu lernen. Sehr ergiebigen Stoff zu einer solchen Forschung geben die erst vor kurzer Zeit glücklicher Weise entdeckten Acten über seinen Abzug aus Mecklenburg, die ihn sehr genau erkennen lassen.

Am 17. Julii 1628 betrat Wallenstein als Herzog von Mecklenburg von Stralsund her, über Tribsees und Gnoien, das Land und nahm an demselben Tage seinen Wohnsitz zu Güstrow, in der Mitte des Landes, wo er ein großes, schönes, ziemlich neues (noch heute sehr stattliches) Schloß vorfand, während das Schloß zu Schwerin schon dem Verfalle entgegen ging (vgl. Jahrb. V, S. 256 flgd.). Wallenstein war gerade ein Jahr in Mecklenburg, und in diesem Jahre vollführte er die ganze Umgestaltung des Landes. Zwar ließ er die uralte landständische Verfassung und deren Vertretung bestehen; aber alles Andere ward umgeformt. Nicht lange nach seiner Ankunft trennte er die Rechtspflege, nach vielen Collegien, und die Verwaltung ("Kammer"), alle Collegien mit zahlreichen, eingebornen Beamten, von der Landes-Regierung und richtete einen so wohl geordneten "Staat" ein, als man ihn selbst in neuern Zeiten nur darstellen konnte 1). Daneben errichtete er, außer dem "Cabinet" für Kriegs-, Reichs- und Haus-Angelegenheiten, in welchem seine bekannten Obersten als Arbeiter saßen, noch eine Regierungs-"Canzlei" mit großem Personal für die Oberleitung der Regierung, das Lehnswesen und die gesammte Landes-Polizei, also eine "Cabinets-Regierung", an deren Spitze er selbst leitend stand. Außerdem war im ganzen Lande Alles genau nach diesen Oberbehörden geordnet 2) und ward überall mit straffen Zügeln gelenkt, indem ohne Ausnahme ein unbedingter Gehorsam gefordert ward 3).

Aber auch in seinem Hause, welches mit großem fürstlichen, ja kaiserlichen Aufwande regiert ward, mußte nach seinen Lieblingsneigungen und Lebensbedürfnissen Alles gründlich umgestaltet werden. Wallenstein liebte vor allen Dingen die gewiß sehr alte, leichtere, vornehme böhmische Lebensweise an Nahrung durch Geflügel, Fische, Gemüse 4), Obst, wie man sie heute wohl in Böhmen trifft. Daher ging es vorzüglich seit dem Anfange des Frühlings 1629 an ein Graben und Wirtschaften, so daß die ganzen Umgebungen des Schlosses weithin völlig umgestaltet wurden. Alte, störende Gebäude wurden niedergerissen, große Gemüse- und Lustgärten angelegt, Samen und Pflanzen aus Italien herbeigeschafft 5), Fasanen aus Böhmen geholt. Daher ist in Verzeichnissen aller Art aus jener Zeit viel von jungen Gänsen, jungen Hühnern, Truthühnern ("Indianen"), Tauben, Fasanen, und daneben von "ungesalzener Butter" die Rede, welche in Mecklenburg noch heute nie verwandt wird. Auch böhmischer Wein ward im Schlosse zu Güstrow getrunken. Nachdem König Gustav Adolf von Schweden 1630 den deutschen Boden betreten hatte, strebte Wallenstein darnach, sich in Rostock festzusetzen. Am 16. Mai 1631 ließ Wallenstein befehlen, für seinen "Vetter Graf Bertold von Waldstein" von dem "in Schwerin vorhandenen böhmischen Wein so viel Stücke, als immer möglich, alsbald nach Rostock zu liefern 6).




1) Es kann hier das Ergebniß nur kurz angedeutet werden. Einzelne beweisende Ausführungen muß ich mir für spätere Zeiten vorbehalten.
2) Schon Thomas, Analecta Gustroviensia, 1706, p. 228, fällt ein ziemlich richtiges Urtheil über Wallenstein als Landesherrn von Meklenburg, wenn er sagt: Praeter opinionem evenit, ut severitatem temperaret Wallensteinius ille mira quadam prudentia, qua non solum res omnes suo loco suisque legibus permisit, sed Gustroviae imprimis tamquam sedi suae splendorem rerumque affluentiam conciliare voluit. Sicque non tam perdidit, quam conservavit, ampliavitque Gustroviam, ut sedes esset postea principi justo eo gratior, eo liberalior."
3) Ein schlagendes Beispiel gibt die folgende Abhandlung über die Armenversorgung.
4) Obgleich neben dem Schlosse in weiter Ausdehnung auch 6 Küchengärten angelegt waren, erhielten doch im Frühling 1629 die fürstlichen Gärtner zu Neustadt und Grabow Befehl, "wöchentlich allerlei Salat und Kraut" einzuschicken.
5) Die Gewächs-Verzeichnisse des Güstrowschen Schloßgartens von dem Gärtner Lacher, 1628, sind sehr beachtenswerth.
6) Berthold Wallenstein ließ zu gleicher Zeit "alle zu Güstrow vorhandenen Tapezereien" und Teppiche nach Rostock bringen. - Auch viele Kamin-Geräte an "Eisen, Schaufeln, Gabeln, Zangen, Schürhaken" waren auf dem Schlosse zu Güstrow unter "des Generals von Friedland Sachen, auch Bilder aus dem Ovidio."

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein