Abschnitt 4

Mecklenburg unter Wallenstein - Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge


Mecklenburg war nun völlig von den Feinden gesäubert und die Herzöge waren wieder, soweit die Schweden dies zuließen, die Herren des Landes. Aber sie hatten in der Zeit ihres Exils nichts vergessen und - nichts gelernt. Sie begingen, als sie sich in ihrem Lande wieder sicher fühlten, Fehler über Fehler. Sie reizten die Stände durch beleidigende Reden, warfen ihnen Allen Treulosigkeit und Verrath an ihren Landesherren vor.


Und als die Stände 1) diese ungerechten Beschuldigungen empört und unwillig zurückwiesen und Angabe der Namen verlangten, erklärten die Herzöge ausweichend, die Schuldigen würden ihrer Strafe nicht entgehen. Jeder, der Wallenstein irgendwie gedient hatte, galt den Herzögen als Hochverräther, gleichgültig, aus welchen Gründen er ein Amt von dem Eroberer angenommen hatte. Hans Heinrich von der Lühe, Ulrich von Pentz, Otto von Preen, Gebhard von Moltke, Balthasar von Moltke, Albrecht Dietrich von Plessen und viele andere bürgerliche Mecklenburger, die theils freiwillig im Interesse ihres Heimathlandes, theils gezwungen Wallensteins Dienste genommen hatten, wurden gefänglich eingezogen, auf das peinlichste befragt, oft über die kleinlichsten und unbedeutendsten Dinge wochenlang verhört, zum Theil auch ihrer Güter beraubt und des Landes verwiesen. Noch schlimmer erging es einigen Wallensteinschen Beamten, die nicht Mecklenburger waren. So wurde der Regent Heinrich Kustoß, 2) der von einer schwedischen Partei im Juli 1630 gefangen und von Gustav Adolf den Herzögen "geschenkt" worden war, vorläufig in Greifswald, dann in Rostock und später in Güstrow eingekerkert. Die Herzöge ließen ihn bis auf die Einzelheiten nach allen Vorgängen während Wallensteins Regierung und nach allen dabei betheiligten Personen verhören, wobei sie ihn besonders mit Hans Heinrich von der Lühe und Ulrich von Pentz konfrontierten, um auch diese ihrer Schuld zu überführen. Trotz zahlreicher für ihn eingelaufener Intercessionen und obwohl er sofort die Summe von 12400 Thaler als Ranzion auf ein Lübecker Kaufhaus anwies und zur Verfügung stellte, wurde er doch etwa drei Jahre lang gefangen gehalten, bis er schließlich, nachdem nichts Neues mehr von ihm zu erfahren war, gegen Erlegung der Ranzion des Landes verwiesen wurde. 3)

Gingen die Herzöge hier, von persönlicher Rachsucht getrieben, zu scharf vor, so vernichteten sie andrerseits durch allzu große Schwäche, was der fremde Usurpator Ersprießliches in Mecklenburg gestiftet hatte. Wir haben schon gesehen, daß Wallensteins Postordnung sowie seine Armenversorgung bald nach dem Untergange seiner Herrschaft spurlos verschwanden. Andererseits begannen die von Wallenstein niedergedrückten Stände den Herzögen gegenüber wieder ihr Haupt zu erheben und das in Zeiten der Noth und Verschuldung der Landesherren ertrotzte Recht der Steuerbewilligung zurück zu verlangen. Wallenstein war der Mann dazu, ein geregeltes Steuerwesen im Lande einzuführen, er brach die Stände, wenn sie sich nicht beugten, - unter der Herzöge Regiment fing sofort nach der Wiedereroberung des Landes von neuem der alte und widrige Streit um die Veranlagung und Höhe der Steuern an, in dessen Verlaufe natürlich dann an Landesteuern garnichts oder nur wenig und das noch sehr unregelmäßig einkam.

Auch die Rechtspflege machte einen schlimmen Schritt rückwärts. Sofort nach dem Einzuge der Herzöge hörte der geregelte Instanzenzug der Wallensteinschen Zeit auf und bald war alles wieder im alten Schlendrian. Noch 1632 rieth der schwedische Gesandte Salvius den Herzögen, das Privilegium de plane non appellando sich zu erhalten und nicht den Ständen preiszugeben. Aber bei der am 6./16. Dezember 1633 zu Güstrow vollzogenen Huldigung wurde es gar nicht besonders erwähnt. Es hieß einfach: der ganze Prozeß gegen die Herzöge sei ungerecht gewesen, alles was damit zusammenhinge und daraus gefolgt sei, sei als unrechtmäßig zu vertilgen und wieder in den vorigen rechtmäßigen Zustand zu bringen. Das Gesuch der Ritterschaft um Wiederbestellung des alten Land- und Hofgerichts wurde bewilligt. Am 18./28. Dezember 1634 befahlen die Herzöge, die Prozesse, die noch bei dem ehemaligen Wallensteinschen Appellationsgericht anhängig gewesen und auf sie überkommen wären, an Juristenfakultäten zur Einholung eines unanfechtbaren Urtheils zu verschicken. Später allerdings bereute man diesen reaktionären Schritt: bereits am 28. Oktober/7. November 1651 erwarben die Herzöge Adolf Friedrich und Gustav Adolf ein neues Privilegium de non appellando für Angelegenheiten bis zur Werthhöhe von 2000 Gulden, und dabei blieb es bis zum Frieden zu Teschen (1779), in dem die mecklenburgischen Herzöge gegen Verzicht auf ihre Erbansprüche an die Landgrafschaft Leuchtenberg vom Kaiser das volle Privilegium de non appellando zugesagt erhielten. Jedoch zog sich die endgültige Regelungdieser Sache in Folge des heftigen Widerstandes der Stände noch fast drei Dezennien hin und fand durch den Untergang des Reiches und seines Gerichts im Jahre 1806 von selbst ihre Erledigung. Erst im Jahre 1818 wurde das mecklenburgische Ober-Appellationsgericht begründet und dadurch ein Rechtszustand geschaffen, den man vor nahezu 200 Jahren wissentlich sich hatte entziehen lassen.

Auch die segensreichste Schöpfung Wallensteins, die Kammer mit ihrer Sonderstellung als Kollegium, verschwand vollkommen durch die von den Herzögen gegen die Wallensteinschen Einrichtungen systematisch durchgeführte Reaktion. Erst 1653 bestellte der Herzog Adolf Friedrich wieder einige Kammerräthe und ernannte Valentin von Lützow zum Kammerdirektor, um "das seit einiger Zeit in Konfusion gerathene Kammerwesen wieder in Richtigkeit zu bringen". Allein das vollständige und gesonderte Kammerkollegium erscheint erst wieder gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter dem Herzoge Christian I. Ludwig.

So ging die kurze Fremdherrschaft dahin, ohne irgendwie äußerliche sichtbare Spuren zu hinterlassen. Die Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen Wallensteins hätten bei ihrer einheitlichen straffen Form sicherlich einen günstigen Einfluß auf die Entwicklung Mecklenburgs ausgeübt, und es liegt eine grausame Schicksals-Ironie in der Thatsache, daß die so segensreichen Einrichtungen des verhaßten Feindes von den dem Lande angestammten Fürsten in blindem Uebereifer von Grund aus vernichtet wurden.

Ein Gutes jedoch hat die Herrschaft Wallensteins für Mecklenburg im Gefolge gehabt, was auch die grimmigste Reaktion der Herzöge nicht beseitigen konnte: sie hat dem Lande fast zwei Jahre hindurch Ruhe vor den verheerenden Stürmen des Krieges gegeben. Doch es sollte nur ein kurzer Aufathmen gewesen sein. Denn bald schon nach der Wiedereroberung durch die Herzöge und nach dem Tode des Königs Gustav Adolf wurde Mecklenburg viele Jahre hindurch der Schauplatz der gräßlichsten Verwüstungen, und am schlimmsten dabei trieben es die beim Prager Frieden im Stich gelassenen ehemaligen Verbündeten der Fürsten, die Schweden, - die Befreier von dem Joche Wallensteins.

Vignette




1) Spalding II, S. 221.
2) Schweriner Archiv, Untersuchungsakten gegen den Kammerregenten Heinrich Kustoß und Konsorten.
3) Er begab sich sofort wieder in Wallensteins Dienste und wurde von diesem 1633 als Generalkommissar in die Fürstenthümer Groß-Glogau und Sagan geschickt. (Arthur Heinrich, Wallenstein als Herzog von Sagan. S. 96.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein