Abschnitt 1

Mecklenburg unter Wallenstein - Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge


3. Die Wiedereroberung des Landes durch die Herzöge.


Die vertriebenen Herzöge hatten während der Okkupation ihrer Länder nicht müßig gesessen. Es ist bereits erwähnt, wie eifrig und weitreichend ihr Briefwechsel wegen Interzessionen von ihren sächsischen Aufenthaltsorten, nachher von Lübeck aus gewesen ist. Aber wie Wallenstein in dem Schwedenkönige mit vollem Recht den größten Gegner seiner norddeutschen Politik sah, so blickten andrerseits die Herzöge schon frühzeitig auf Gustav Adolf als ihren einzigen Retter hin.

Zwar wandten sie sich zunächst am 21./31. August 1629 hülfeflehend von ihrem Zufluchtsorte Hamsfelde bei Lübeck aus an König Christian IV. von Dänemark und baten wenigstens um Anweisung einer ungefährdeten Wohnstätte, da sie Lübeck nicht mehr für sicher hielten. Christian, der von Wallenstein durch den Lübecker Friedenschluß gezwungen worden war, die Sache der Herzöge fallen zu lassen, erklärte am 25. August/4. September den herzoglichen Abgesandten Moritz von der Marwitz und Simon Gabriel zur Nedden, er halte Lübeck für unbedenklich, könne ihnen auch augenblicklich keinen andern sicheren Aufenthaltsort überweisen, da seine Städte in Holstein verwüstet seien, er werde ihnen aber für die Dauer des Exils 2000 Thaler jährlich anweisen lassen.

Am 23. September/3. Oktober berichteter Simon Gabriel zur Nedden an den Herzog Adolf Friedrich ausführlich über den Erfolg seiner Sendung: er habe zuerst vom Könige keinen Schein über die zugesagten 2000 Thaler erhalten können, da das nächste einkommende Geld des Herzogthums Holstein schon den abgedankten Offizieren versprochen gewesen sei. Schließlich habe er doch noch einen Schein darüber erhalten, aber die ersten 2000 Thaler sollten erst am 13./23. Januar 1631 fällig sein; der holsteinsche Landmarschall Bussius habe ihm endlich zugesagt, der König werde etwa in vier Wochen 1000 Thaler zahlen. Für die Auszahlung dieser Summe bedankt sich Herzog Adolf Friedrich im Dezember 1629.

Auch an Johann Friedrich von Holstein-Gottorp, den Erzbischof von Bremen und Bischof von Lübeck, den Bruder ihrer Mutter, der sie schon früher mit Geld unterstützt hatte, wandten sich die Herzöge mit der Bitte um Ueberlassung eines sicheren Zufluchtsortes. Erwies ihnen im September 1629 seinen Stiftshof in Lübeck zur Wohnung an und befahl seinen Amtsmännern zu Neustadt und Oldenburg (Holstein), den Hofhalt heimlich mit Lebensmitteln zu versorgen. Auch gestattete er den Herzögen die Ausübung der Jagd auf bischöflichem Gebiete bei Lübeck, warnte sie aber zugleich vor allzu ausgedehnten Ausflügen, da er, falls sie von Wallensteinschen Spionen gefangen würden, die größten Unannehmlichkeiten von Seiten der Kaiserlichen zu erwarten hätte.

So stellten diese beiden Fürsten wenigstens den einfachsten Lebensunterhalt der von ihren heimischen Einnahmequellen völlig abgeschnittenen Verbannten sicher; mehr konnten sie nicht thun. Aber für die Gestaltung der künftigen Lage kam bei der Schwäche der übrigen deutschen Fürsten und bei der erdrückenden Uebermacht Wallensteins nur Schweden in Betracht. Vorläufig war jedoch der König Gustav Adolf noch durch seinen Krieg mit Polen gefesselt und konnte den Herzögen nur durch Ertheilung von Ratschlägen helfen. Er war deshalb auch genöthigt, am 28. April/8. Mai 1628 den Herzog Adolf Friedrich zu bescheiden, er fürchte ausgelacht zu werden, wenn er jetzt für den Herzog intercedieren wolle, und würde ihm dadurch mehr schaden als nützen; er möge auf Gott vertrauen und sein Schicksal in Geduld tragen.

Im September 1629 aber schloß der König trotz aller Gegenbemühungen Wallensteins, der zuletzt sogar mit Wissen des Kaisers seinen General von Arnim mit Truppen zur Unterstützung der Polen zu König Sigismund geschickt hatte, Frieden mit diesem und hatte nunmehr alle seine Kräfte für die bedrängten deutschen Protestanten frei. Jetzt klangen auch seine und seiner Beamten Schreiben an Herzog Adolf Friedrich ganz anders. So berichtete am 3./13. Oktober 1629 der schwedische Kammerjunker Adam von Behr aus Stockholm an den Herzog:

Man sei dort sehr erregt über den Herzog, der sich zu nichts entschließen könne, auch sei er ja nicht, wie er versprochen habe, zum Könige gekommen; man glaube in Stockholm, der König von Dänemark habe ihn "umgetauft". Auch verachte man dort die Erniedrigung vor dem Kaiser und die fortwährenden Bittschriften an diesen, ferner daß sie jegliche Verbindung mit Dänemark leugneten, wo doch gerade das Gegenteil der Fall sei, und man hätte keine Ursache, das Unrecht zu nennen, was man recht gethan habe. Man halte das in Stockholm für Unbeständigkeit und es könnte dem Herzoge geschehen, daß er bei einem etwaigen Frieden zwischen dem Kaiser und den Schweden ebenso ausgeschlossen würde, wie bei dem Frieden zu Lübeck.

Vom 26. Oktober/5. November 1629 erhielt der Herzog Adolf Friedrich ein Schreiben Gustav Adolfs, des Inhalts, daß er Alles tun wolle, was Gott zulassen werde, zur Restituierung des fürstlichen Standes und Hauses seiner Vettern, - sowie ferner die Mittheilung aus der schwedischen Reichskanzlei, daß der König im nächsten Frühjahre seine Absicht, den Herzögen durch eine Expedition zu helfen, ausführen werde. Sie sollten ihm einstweilen den Weg bahnen, einige Orte in Mecklenburg einnehmen und besetzen, die Stände und die Bevölkerung mit Güte oder Drohungen auf ihre Seite ziehen, die Gesinnung in Hamburg und Lübeck erforschen, genaue Kundschaft von der Wallensteinschen Armee einziehen und dem Könige übermitteln, sowie ihm ihren Rath für den günstigsten Platz zum Einfall in Mecklenburg erteilen. Auch dürften sie inskünftig in den Schreiben an den Kaiser sich nicht mehr Unrecht geben, als ihrer Reputation zuträglich sei, sondern sollten das schwarz nennen, was schwarz sei und die Sache nicht ärger machen, als sie bereits wäre. Im Geheimen erkundigte sich Gustav Adolf danach, ob sie etwa Geld und wie viel sie brauchten.

Der Herzog Adolf Friedrich berichtete dem Könige im Dezember 1629 durch seinen Rat Moritz von der Marwitz von der zwischen Hamburg und Lübeck getroffenen geheimen Einigung, daß man, wenn er in Deutschland angekommen sei, dem Feinde die Zufuhr abschneiden werde, ferner, daß Pommern und Brandenburg nach Befreiung von den kaiserlichen Truppen seufzten. Sie selbst, die Herzöge, seien von ganzem Herzen zum kräftigen Handeln bereit, dürften aber, von allen Seiten von Aufpassern umgeben, jetzt noch keinen entscheidenden Schritt unternehmen, ehe der König nicht selbst im Lande sei; auch in Mecklenburg werde dann erst etwas anzufangen sein. Am 6./16. Januar 1630 meldete dann Adolf Friedrich dem Könige, daß er Wismar und Rostock für die geeignetsten Angriffspunkte halte, indessen verflog dieser Kampfesmut der Herzöge bald. Trotz ihrer Versicherung, daß sie bereit seien, sich mit Waffengewalt ihr Recht zu verschaffen, teilten beide Herzöge in unbegreiflicher Verzagtheit und Schwäche am 15./25. März dem Könige mit, daß sie zu dem vom Kaiser anberaumten Kurfürstentage nach Regensburg einen Abgesandten schicken würden, um nochmals den Versuch zu machen, auf friedlichem Wege ihre Restitution zu erlangen.

Seiner am 26. Oktober/5. November 1629 dem Herzoge Adolf Friedrich gegebenen Zusage gemäß eröffnete Gustav Adolf im Sommer 1630 den Kampf gegen den Kaiser. Das rechtswidrige Verfahren gegen seine Vettern, die Herzöge von Mecklenburg, die vom Kaiser den Polen geleistete Kriegshilfe, die Ernennung Wallensteins zum General des baltischen Meeres, über welches Schweden die Oberherrschaft beanspruchte, sowie endlich die schmähliche Zurückweisung seiner Gesandten seitens Wallensteins von den Friedensverhandlungen zu Lübeck, alle diese Kränkungen und Angriffe gaben ihm sicherlich ein Recht dazu, mit Waffengewalt gegen den Kaiser vorzugehen und in die verworrenen deutschen Verhältnisse einzugreifen. Das Ultimatum, das er an den Kaiser stellte, lautete auf Räumung Nieder- und Obersachsens, Pommerns und der Ostseehäfen, Wiedereinsetzung der Herzöge und Aufhebung des Restitutionsedikts. Diese Bedingungen waren für den Kaiser natürlicher Weise unannehmbar, und der König landete am 24. Juni/4. Juli 1630 mit 15 000 Mann bei der Insel Ruden an der pommerschen Küste vor der Mündung der Peene. Am 30. Juni/10. Juli zeigte er dem Herzog Adolf Friedrich seine vollzogene Landung an und forderte die protestantischen Fürsten Deutschlands zur Vereinigung und zum Kampfe gegen den Katholizismus auf. Aber der Ruf verhallte zunächst wirkungslos, so sehnsüchtig auch der König von Vielen herbeigesehnt war. Besonders die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen hielten Norddeutschland durch ihre zaudernde und schwankende Politik von jeder entschlossenen Tat zurück. Am 5./15. Oktober 1630 baten die Herzöge den Kurfürsten von Sachsen um Rat: sie hätten bisher noch nicht Partei ergriffen, da sie den Entscheid des Regensburger Tages erst hätten abwarten wollen; man schiene sie aber mit leeren Hoffnungen gerne hinzuhalten, um sie zu zwingen, dem Schweden die Hand zu reichen, um dadurch das Vorgehen des Kaisers gegen sie gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Erregter schon klingt das Memoriale, das ihr Rat Hartwig von Passow am 10./20. Januar 1631 für seine Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Sachsen erhielt: Ihre Angelegenheit sei zwar von allen Kurfürsten dem Kaiser ans Herz gelegt worden, aber ihre Apologie habe man gewaltsam zu unterdrücken versucht. Sie hätten sich deshalb jetzt an Schweden gewandt, um wenigstens wieder zu ihrem Eigentum zu gelangen. Und zum Schlusse erhielt Passow die Instruktion, wenn der Kurfürst zu fernerer Geduld riete, solle er ihm entgegnen, daß nunmehr gar kein Grund zu "weiterer patientz" vorhanden sei. - Der Kurfürst von Sachsen antwortete kühl, er halte es für übereilt, daß sie nicht den Ausgang des Kurfürstentages abgewartet, sondern sich schon vorher allzuviel mit den Schweden eingelassen hätten. Und wirklich ließen sich dadurch die Herzöge nochmals bestimmen, ihr Zaudern fortzusetzen. In Süddeutschland begriff man dieses Schwanken gar nicht. So berichtete am 4./14. September 1630 ihr Agent Jeremias Pistorius von Burgdorf aus Regensburg, man glaube dort allgemein, die Herzöge seien bei den Schweden, und dieser Irrtum sei kaum zu zerstören.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein