Abschnitt 6

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


Wallenstein stand kurz vor seinem Abzuge aus Mecklenburg im Juli 1629 auf der Höhe seiner Macht im Norden Deutschlands. Am 12./22. August 1628 hatte er bei Wolgast den König Christian IV. von Dänemark so energisch auf das Haupt geschlagen, daß dieser eine Landung in Pommern oder Mecklenburg nicht mehr versuchte, sondern sich auf sein Inselreich zurückzog. Wallenstein drängte die übrigen dänischen Truppen noch im Herbst desselben Jahres weit nach Holstein hinein und eroberte die starke Festung Krempe an der untern Elbe. Aber auch er wünschte den Frieden mit Dänemark, da er einen drohenden Krieg mit Schweden schon lange voraussah. So kam denn nach längeren Verhandlungen am 12./22. Mai 1629 der Friede zu Lübeck zu stande.


Wallenstein, der einsah, daß sein Wunsch, eine den vereinigten Dänen und Schweden gegenüber genügend starke Seemacht sich zu erwerben, zur Erfüllung noch sehr viel Zeit und die umfassendsten Vorbereitungen erfordern würde, gewährte dem Könige sehr günstige Bedingungen: Christian blieb im Besitze seiner holsteinschen Länder, mußte dagegen auf die Stifter im Reich, also wie schon gesagt, auch auf das Stift Schwerin für sich und seine Nachkommen verzichten, sowie dadurch, daß er sich verpflichtete, in Reichssachen sich nicht einzumischen, implicite auch Wallenstein als Herzog von Mecklenburg anerkennen. So war Wallenstein von einem gefährlichen und lästigen Gegner auf billige Weise frei geworden und erstrebte nun den völligen erblichen Besitz Mecklenburgs.

Schon seit dem Beginne des Jahres hatten Wallenstein Abgesandte, an ihrer Spitze Oberst Heinrich von St. Julien, am kaiserlichen Hofe, den vielfachen ränkevollen Widerständen zum Trotz, für ihres Herrn definitive Belehnung mit Mecklenburg schriftlich und mündlich gekämpft. Am 24. Mai/5. Juni erreichten sie schließlich einen kaiserlichen Bescheid, daß Seine Maj. "sich darauf endlich resolviret, daß Sie es nämlich bei der vor einem Jahre wider ernannte Herzöge wegen des von ihnen vielfältig begangenen Lasters beleidigter Majestät fürgenommenen Privation und Alienation ihrer innegehabten Herzogthümer und Länder allerdings bewenden und solches ehisten Tags mit Vorbehalt der Acht publiciren, hergegen wohlgedachtes Herzogen zu Friedland fürstliche Durchlaucht, . . . damit belehnen und wirklich investiren lassen wollen."

Am 30. Mai/9. Juni 1629 erließ dann der Kaiser die in Aussicht gestellte Deklarationsschrift gegen die Herzöge, in der er sie ihrer Lande auf immer für verlustig erklärte und mit der Acht im Widersetzungsfalle bedrohte. Die nochmalige Bitte St. Juliens um Anberaumung der Belehnung wurde noch am 4./14. Juni durch den Bescheid beantwortet, zuvor wegen der "Vorbehalte und Spezial-Conditionen", unter denen die Fürstenthümer verkauft seien, der Hofkammer gegenüber Richtigkeit zu machen. Diesem von der Kanzlei eilfertig expedirten Bescheide scheint sofort nachgelebt zu sein, denn bereits am 6./16. Juni meldet Jeremias Pistorius von Burgdorf den Herzögen die am selben Tage erfolgte Belehnung, und mit gleichem Datum sind auch der kaiserliche Lehnbrief, die Kommission für die Obristen Altringer, Walmerode und Oberkampf zur Empfangnahme der Erbhuldigung und ein "Gehorsambrief" für Wallenstein an die mecklenburgischen Stände erlassen. 7) Durch den Lehnbrief erhielt Wallenstein ausnahmsweise das Recht, falls er keinen männlichen Leibeserben hinterließe, selbst einen Lehnserben aus seinen Agnaten bestimmen zu können. Es war dieser Passus die kaiserliche Bestätigung der von Wallenstein am 2./12. Juni 1629 erlassenen Verfügung, daß sein Neffe und Erbe Maximilian von Wallenstein (Waldstein) und dessen Nachkommen ihm auch im Besitze des Herzogthums Mecklenburg folgen sollten. Die auf Grund dieser Belohnung in dem Gehorsambrief verlangte Erbhuldigung durch die mecklenburgischen Stände fand trotz des Protestes der Herzöge und der Bitte der Stände um persönliche Anwesenheit Wallensteins am 22. Januar/1. Februar 1630 zu Güstrow statt, nachdem der Statthalter von Wingersky und der Kanzler von Eltz den Ständen Schutz ihrer Privilegien und des evangelischen Bekenntnisses versprochen hatten.

So schien der Besitz Mecklenburgs nach außen hin genügend gesichert, im Innern arbeitete der vortreffliche Wallensteinsche Regierungsapparat untadelhaft, und der neue Herzog konnte nun ohne irgend welche Unruhe daran denken, wenn auch ungern und wieder seinen Willen, den ihm vom Kaiser gegebenen Aufträgen zur Durchführung des von ihm offen gemißbilligten Restitutionsedikts in Norddeutschland nachzukommen. Er beschloß, sich zunächst energisch gegen das feste, von ihm schon seit einiger Zeit blockirte Magdeburg zu wenden, da er Holstein laut Vertrag des Lübecker Friedens räumen mußte, Pommern und Brandenburg zu sehr ausgesogen waren, Mecklenburg dagegen geschont werden sollte.

Dem Abzuge Wallensteins aus seinem neuen Herzogthume (1629) gingen die umfangreichsten Vorbereitungen voraus. Auch hierbei kümmerte sich Wallenstein um alle Einzelheiten: so erhielten die Hauptleute der auf der Reise berührten Aemter fast täglich von ihm selbst die genauen Lieferungszettel für die herzogliche Küche. Für die Nachtlager und den Aufenthalt in Sternberg, Schwerin und Neustadt wurden von ihm bis in das Genaueste ausgearbeitete Befehle gegeben. Als Tag des Aufbruchs wurde der 13./23. Juli angesetzt, als erstes Nachtquartier Sternberg vorgesehen und für Schwerin ein Aufenthalt von vier Tagen bestimmt; zur Begleitung in Mecklenburg wurden der Regent Heinrich Kustoß und der Kammerpräsident Hans Heinrich von der Lühe befohlen.

In Schwerin, das Wallenstein zuvor nur im Dezember 1628 gesehen hatte, hielt er sich länger auf, als eigentlich beabsichtigt war; er blieb dort bis zum 21./31. Juli. Deshalb mußten schleunigst, weil der Proviant auszugehen drohte, Eilboten mit Lieferungsaufträgen nach verschiedenen Aemtern geschickt werden. Am 20./30. Juli erließ Wallenstein wohl seinen letzten schriftlichen Befehl auf mecklenburgischem Boden; er betraf den vorzunehmenden Bau von Eisgruben in Schwerin, Neustadt, Doberan, Stargard und Güstrow, und wurde im Spätherbst des folgenden Jahres ausgeführt. Am selben Tage gab er noch dem Regenten Kustoß eine ausführliche "Instruction wegen Abführung etzlicher Geldposten und anderer Puncta, wornach die F. Mecklnburgische Cammer sich zu richten."

Am 21./31. Juli kam er nach Neustadt, wo, wie oben erwähnt, das Eisenschmelzwerk eingehend besichtigt wurde. Am folgenden Tage brach er Morgens um 5 Uhr von Neustadt auf und überschritt in der Richtung auf Perleberg zu die Landesgrenze. Er sollte das Herzogtum Mecklenburg niemals wiedersehn.

Wallenstein zog seinem Sturze entgegen. Im Reiche, besonders unter den Kurfürsten, war schon seit längerer Zeit gegen ihn eine erbitterte Stimmung hochgekommen, die ohnmächtige Wuth des von dem Stärkeren zu Boden gedrückten Schwachen. Besonders war es der Kurfürst Maximilian von Bayern, das Haupt der Liga, der unter den Fürsten sowie unter den Räthen des Kaisers den Haß gegen den übermächtigen Feldherrn schürte. Schon im Oktober 1629 beschwerte sich Wallenstein in Briefen an den Hofkriegsraths-Präsidenten, Grafen von Collalto, über die unverdiente feindselige Stimmung der Fürsten gegen ihn, die ihm nur wegen seiner dem Kaiser treu geleisteten Dienste so gram seien. Auf dem Kurfürstentage zu Regensburg, im Sommer des Jahres 1630, kam der lang genährte Unwille der Reichsfürsten gegen Wallenstein, den Vertreter der kaiserlichen absoluten Autorität, offen zum Ausbruche. Lange sträubte sich der Kaiser gegen die über des Herzogs selbstherrliche Kriegsführung empörten Kurfürsten, die zunächst eine anderweitige Besetzung des höchsten Heereskommandos, am 9./19. Juli auch die Eröffnung eines regelrechten Prozesses gegen die wider alle Reichsgesetze vergewaltigten Herzöge von Mecklenburg (in Folge der Apologie!) und am 2./12. August nochmals und dringender die Absetzung Wallensteins von der Heeresleitung und den ordentlichen Prozeß gegen die Herzöge von Mecklenburg forderten. Da endlich gab der Kaiser nach, weil er, freilich vergeblich, hoffte, durch dieses Zugeständniß die Stimmen der Kurfürsten zur Wahl seines Sohnes zum römischen Könige zu erhalten. Das Oberkommando, auf das der Kurfürst Maximilian für sich gerechnet hatte, wurde an Tilly übertragen und zugleich der Krieg gegen den an der pommerschen Küste gelandeten Schwedenkönig Gustav Adolf beschlossen. Von der mecklenburgischen Angelegenheit wurde es, wie Jeremias Pistorius von Burgdorf den Herzögen berichtete, wieder still. Die den Kurfürsten bei dem Zugeständniß der Absetzung Wallensteins vom Kaiser gemachte Bedingung, daß dem entlassenen weder an seiner Ehre noch seinem Vermögen Schaden geschehen solle, wirkte entschieden erfolgreich den mecklenburgischen Bestrebungen entgegen.




7) Schweriner Archiv, Acta investiturae ducum, meist vom Reichshofrath 1819 abgegebene Originalschreiben und -Concepte. Diese Akten enthalten auch die Concepte der Schreiben, durch die sämmtlichen Fürsten Deutschlands und auch dem Könige von Dänemark die Belehnung Wallensteins mitgetheilt wurde mit der Mahnung, ihm nunmehr den gebührenden Titel zu geben. Die Ansprüche Kurbrandenburgs aber aus seiner Erbverbrüderung mit den Herzögen von Mecklenburg sollten durch einen neuen Vertrag auf gleicher Grundlage sicher gestellt werden, für den die kaiserliche Genehmigung dem neuen Herzoge von Mecklenburg durch ein kaiserliches Dekret vom 5./15. und ein überaus gnädiges Handschreiben des Kaisers vom 6./16. April 1630 im Voraus zugesagt wurde (Ebendaselbst).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein