Abschnitt 5

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


Wallenstein regierte zwar äußerlich mit den Landständen zusammen, um nicht alle seine Anordnungen als Feind geben zu müssen, seine meisten Verordnungen waren jedoch gewisser maßen Kabinettsordres, ohne besondere Zustimmung der Stände erlassen; aber wehe dem, der nicht unbedingten Gehorsam leistete! Wir haben gehört, wie scharf und drohend er in den Briefen an Wingersky am 2. und 3. September n. St. 1628 den Ständen entgegentrat, als sie auf dem Landtage seinen Kontributions-Propositionen so vielerlei Querelen entgegenstellten. Er betrachtete sein Verhältniß zu ihnen von zwei Gesichtspunkten aus: in Regierungsangelegenheiten hatten sie ihm zu gehorchen, höchstens Vorschlage zu machen oder Bedenken zu äußern, nach denen er sich dann richten konnte, wenn es ihm beliebte und er sie als das Bessere erkannt hatte; ihre sonstigen Privilegien dagegen ließ er ganz ungestört. Eine Ausnahme machte er hierbei allerdings, indem er, wie wir sahen, ihnen das Appellationsrecht nahm und, wenn auch spät erst, vom Kaiser für sich das privilegium de plane non appellando erzwang. Am 7./17. Juni 1629, am Tage nach seiner Erbbelehnung mit Mecklenburg, schrieb er an St. Julien, nachdem er ihm für die Beendigung der mecklenburgischen Sache gedankt hatte, daß er, was die Privilegien des Adels anbetreffe, dem Adel wohlgesinnt sei und daß er diese nicht zerstören wolle; wenn er nur das Privileg erhalte, daß sie nicht appelliren dürften, so wolle er sie gewiß wie Edelleute und nicht wie Bauern leben lassen.


Eine ganz merkwürdige Stellung nahm Wallenstein, der katholische kaiserliche Feldherr, dem lutherischen Mecklenburg gegenüber ein. Man sollte annehmen, daß sein nach unbedingter Herrschaft strebender Geist dem Lande seine und seiner Gönner, der Jesuiten am Kaiserhofe, Religion aufgezwungen oder daß er wenigstens den Versuch dazu gemacht habe. Nichts davon geschah. Zwar versprach Wallenstein mehrfach, so z. B. in einem Schreiben an St. Julien vom 19./29. Oktober 1627, ehe er Mecklenburg sicher erhalten hatte, dem Orden der Jesuiten im Lande durch Gründung von Kollegien und Stiftern Ausbreitung und Macht zu verschaffen, überhaupt die katholische Konfession in Mecklenburg wieder einzuführen. Es geschah dies aber anscheinend nur, um die am Kaiserhofe allmächtigen Jesuiten für sich zu gewinnen und durch sie den Einfluß der seinen Plänen auf Mecklenburg widerstrebenden kaiserlichen Räthe zu brechen. Bei ihm war die Religion nicht Herzenssache, sondern nur eine Figur im Schachspiele der berechnenden Politik. Traten ihm die Protestanten irgendwie feindselig entgegen, so spielte er sofort, um sein Vorgehen gegen sie zu begründen, ihnen gegenüber den Katholiken aus. Schon im April 1628 sagte er bei der Entlassung der Rostocker Gesandten, nachdem er die Nachricht von der vollzogenen Pfandhuldigung erhalten hatte, sie sollten den Ständen mittheilen, er werde die Privilegien und ihre Religion nicht antasten; er werde Niemanden zu einer Religion zwingen, in seiner Armee seien mehr Evangelische als Katholiken, und der Lutheraner Arnim sei ihm ebenso lieb wie der katholische St. Julien. Auch wurde in den Kapitulationsbedingungen von Wismar und Rostock stets die Gewährleistung freier Ausübung des lutherischen Bekenntnisses verlangt, zugebilligt und auch innegehalten. Die Lehre Luthers war die allein herrschende in Mecklenburg; nur der Herzog Johann Albrecht II. von Güstrow war mit seiner Familie zum größten Verdruß der Stände 1617 zum Kalvinismus übergetreten und hatte angefangen, von den Steinen niedergelegter katholischer Kapellen in Güstrow sich ein Gebetshaus zu erbauen, dessen Vollendung aber durch die Ereignisse von 1628 verhindert wurde. Vermuthlich, um die strenge lutherische Bevölkerung für sich zu gewinnen, befahl Wallenstein, sowie er nach Güstrow kam, den sofortigen Abbruch dieses Hauses. 5) Im Uebrigen haben sowohl Wallenstein wie seine Statthalter die Ausübung des protestantischen Bekenntnisses nirgends gewaltsam gehindert. Lisch hat aus der Zeit der Wallensteinschen Herrschaft 19 Anstellungen bezw. Beförderungen lutherischer Prediger und Schullehrer zusammengestellt; einer der Lehrer, Georg Schedius, den Wallenstein zum Rektor der Domschule in Güstrow ernannte, war sogar von den Jesuiten seines Glaubens wegen aus Böhmen vertrieben worden.

Nur zwei Punkte deuten darauf hin, daß der neue Herr doch wohl beabsichtigte, im Laufe der Zeit und ganz allmählich Mecklenburg dem katholischen Glauben zuzuführen. Das ist einmal die Entsendung junger mecklenburgischer Adliger auf seine jesuitische Ritterakademie zu Gitschin und zum andern die nach dem Muster der Gitschiner vollzogene Gründung einer ebensolchen Akademie in Güstrow.

Den Plan zur Stiftung faßte Wallenstein gegen Ende des Jahres 1628; schon am 22. Dezember 1628/1. Januar 1629 berief er den ersten Magister, erklärte am 21./31. Januar die Stiftung für begründet und ernannte den französischen Niederländer Johann de Lasure zum Gubernator. Die Akademie war für fünf junge Herren aus Wallensteins Verwandtschaft, sowie für zwölf mecklenburgische Edelknaben bestimmt, die zusammen mit dem Gubernator, den Präzeptoren und den Dienern ein eigenes Haus auf der Domfreiheit bewohnen sollten. Sie wurde von Wallenstein sehr reich dotirt und war im Mai 1629 vollkommen fertig eingerichtet. Das (nach Lischs Ermittelungen) ungewöhnlich große Lehrerpersonal bestand fast durchweg aus Katholiken, und der Zweckdieser Akademie war sicherlich der, den Katholizismus in Mecklenburg, und zwar zunächst in die einflußreichen Adelsfamilien, wieder einzupflanzen. Sie hat bis in den Februar 1631 bestanden und verschwand, zum Glück für das protestantische Mecklenburg, vor dem Ansturm der Schweden. Vielleicht hätten doch die in ihr ausgestreuten Keime der katholischen Lehre sonst später die von Wallenstein und den Jesuiten erhofften Früchte getragen.

Dies waren aber auch die einzigen Punkte, in denen Wallenstein einen Blick auf seine Stellungnahme zu den streitenden Konfessionen thun ließ. Er war im Uebrigen viel zu sehr Realpolitiker, als daß er sofort nach der Uebernahme Mecklenburgs die Gegenreformation gewaltsam durchzuführen versucht hätte. In seinen Residenzen Güstrow und Schwerin richtete er zwar in den Schloßkirchen den katholischen Gottesdienst ein. Das that er schon, um nicht den Argwohn des Kaisers und der Jesuiten zu wecken. Indessen ließ er seine protestantischen Beamten, wie den Kanzler von Eltz, den Regenten Heinrich Kustoß, 6) sowie die dem mecklenburgischen Adel entnommenen in ihrem Bekenntniß vollkommen unbehelligt.

In besonderer Gunst stand bei Wallenstein die Universität zu Rostock. Obwohl ihr Lehrkörper den vertriebenen Herzögen treu anhing und mit ihnen ständig in Verbindung blieb, hatte sie dennoch nichts von dem neuen Herrn zu leiden. Er bemühte sich vielmehr, sie durch alle Mittel zu heben, bestätigte 1628 bei der Uebergabe Rostocks alle ihre Privilegien, suchte sie vor den Kriegslasten zu schützen und ließ mehrfach Salvaguardiabriefe für sie ausstellen. Noch am 23. Dezember 1630/2. Januar 1631 befahl er von Gitschin aus, die Professoren mit Einquartierung völlig zu verschonen. Leider zerschlugen sich die Verhandlungen mit dem Astronomen Johannes Kepler, den Wallenstein an die Rostocker Hochschule berief; Keplers Tod, im November 1630, zerstörte den Plan endgültig.

Wallenstein war zwar im Herzen ein Gegner des vom Kaiser am 24. Februar/6. März 1629 veröffentlichten Restitutionsedikts, das er politisch mit Recht für unklug hielt, nahm aber doch das Stift Schwerin, das ihm, wie schon erwähnt, am 16./26. Januar 1628 nebst andern geistlichen Stiftern des Landes verliehen war, mit der Residenz Bützow und allen Besitzthümern im Juli desselben Jahres in Besitz und zwang den Dänenkönig Christian IV., dessen Sohn Ulrich III. 1624 seinem Oheim Ulrich II. als Administrator des Stiftes gefolgt war, im Frieden zu Lübeck, für sich und seine Söhne darauf zu verzichten. Auch die Johanniterkomthureien Mirow und Nemerow wurden schon im Sommer 1628 von den Beamten Wallensteins trotz der im Jahre zuvor von Wallenstein selbst ertheilten Salvaguardiabriefe für diesen mit Beschlag belegt. Die Klagen des letzten Komthurs zu Nemerow, des Grafen Heinrich Volrad von Stolberg - Komthur von Mirow war nach dem Vertrage von 1593 der Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg gewesen -, wurden von den Wallensteinschen Räthen überhaupt keiner Antwort gewürdigt.




5) Von den Steinen ließ Wallenstein einen Flügel des Schlosses zu Güstrow erbauen, der allerdings später von Herzog Gustav Adolf, dem Sohne und Nachfolger Johann Albrechts, wieder abgerissen wurde, um "jedes Andenken an den Tyrannen zu vernichten". (Jahrbuch 37, S. 4.)
6) Des Kanzlers Bekenntniß geht aus seinem Eid hervor (Jahrbuch 36, S. 41). Kustoß gehörte einer aus Böhmen wegen ihres Glaubens vertriebenen Familie an (Jahrbuch 36, S. 23).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein