Abschnitt 4

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


Daß Wallenstein auch die geringsten seiner Unterthanen nicht vergaß, zeigt seine Armenordnung. Bisher waren die Armen des Landes auf die alten Armenhäuser zum heiligen Geist und die auch allmählich zu Armenhäusern umgewandelten Sondersiechenhäuser zum heiligen Georg oder auf den Bettel "um Gottes Willen" angewiesen. Wallenstein, der im Lande etwa dreihundert völlig Verarmte ermittelt hatte, ließ von seinen Beamten im Frühjahr 1629 eine Armenordnung ausarbeiten. Sie fand jedoch seinen Beifall nicht, und er stellte darauf selbst dem Kanzler von Eltz gegenüber einen andern Entwurf auf, den dieser sofort niederschrieb und am 3./13. Mai 1629 dem Lehns-Archivar Peter Graß zur weiteren Ausarbeitung überschickte. Die Grundzüge dieser Ordnung, die ein vollständiges Novum für die damaligen Zeiten war, sind sehr einfach: 1. Jedes Kirchspiel soll seine Armen und die, welche in ihm zu Schaden kommen, selbst unterhalten. 2. Die Armenhäuser sollen nur in den Pfarrorten und in den Städten errichtet werden. 3. Diese Bauten sollen bis Michaelis 1629 beendigt und bis Dionysiitag (9. Oktober) von den Armen bezogen sein. 4. In jedem Kirchspiel soll die Zahl der Armen genau erforscht und dabei der wahrscheinliche Zuwachs sorgfaltig berücksichtigt werden. 5. Die Veranlagung der Beiträge soll nach Hufenbesitz und Aussaat erfolgen. 6. Eingepfarrte Dörfer leisten ihre Beiträge zu der Stadt oder dem Pfarrdorfe und dürfen dafür ihre Armen dorthin abgeben. 7. Die Beiträge sollen jährlich am 9. Oktober einkommen und am selben Tage vertheilt werden.


Zugleich befahl Wallenstein sowohl den zur Ausführung dieser Verordnung bestellten landständischen Deputierten wie den versammelten Landständen, nicht eher auseinander zu gehen, als bis diese Angelegenheit den Ständen vorgetragen und durch Beschluß erledigt sei.

Auch diese Armenordnung ist, wie vieles andere Gute, in den Stürmen der folgenden Kriegsjahre untergegangen.

Besondere Sorgfalt und Aufmerksamkeit widmete Wallenstein auch den Eisenwerken, deren bedeutendstes in Neustadt i. M. betrieben wurde. Er bestellte am 1./11. August 1628 den schon unter Herzog Adolf Friedrich thätig gewesenen Martin Hoyer aus dem Braunschweigischen zum Schmelzmeister, nahm aber insofern mit dem Werke eine Aenderung vor, als er es, das bisher auf Schmelzen und allerhand Gießerarbeiten (Oefen, Mörser, Grapen u. s. w.) eingerichtet gewesen zu sein scheint, besonders zur Herstellung von Kriegsbedürfnissen heranzog; in der Bestallung des Schmelzmeisters sowie in den wenigen sonstigen Aktenstücken aus der Zeit über das Gießwerk ist daher hauptsächlich vom Kugelgießen die Rede. Noch am 21./31. Juli 1629 bei seinem Abzuge aus Mecklenburg besuchte Wallenstein dieses Werk und sah lange dem Gießen der Kugeln zu, indem er sich bei dem Schmelzmeister nach allen Umständen der Hütte erkundigte. An der Erhaltung des Werkes scheint ihm viel gelegen gewesen zu sein, da er noch 1630 als Zuschuß dafür die für damalige Verhältnisse große Summe von 1000 Thalern auf den Kammeretat setzte. Herzog Adolf Friedrich ließ nach seiner Rückkehr zwar den Gang des Eisenwerkes ganz ungestört, bestätigte auch Martin Honer wiederum als Schmelzmeister, jedoch ging in den furchtbaren Wirren der nächsten Jahre auch dieses Werk unter und die späteren Versuche zur Wiederherstellung waren niemals von Erfolg gekrönt.

Noch auf einem andern Gebiete griff Wallenstein in Mecklenburg scharf und energisch ein, nämlich auf dem der Posteinrichtung, 3) die bisher sehr im Argen gelegen hatte. Er trachtete besonders danach, Güstrow, den Sitz seiner Regierung, nach allen Richtungen hin mit den Grenzorten in Verbindung zu bringen, und so entstanden, den Landstraßen folgend, bald mehrere Postkurse oder Reitposten mit regelmäßigem Pferdewechsel. Die Verantwortung für ungehinderte Besorgung der Post lag den Städten und fürstlichen Aemtern ob, in denen gewisse Leute oder Häuser bestimmt waren, die stets Pferde zum sofortigen Wechsel zur Hand haben mußten. Auch diese vorzüglichen Einrichtungen überlebten das Ende ihres Begründers nicht. Nur die Einrichtung der relaismäßig angesessenen Amtsbriefträger hat sich erhalten, doch mußte auf den reitenden Dienst schon aus Pferdemangel verzichtet werden.

Erwähnen könnte man noch, daß Wallenstein am 26. April/6. Mai 1629 eine Verordnung erließ, die "zur befürderung des gemeinen besten" in dem Herzogthum "eine eintzige durchgehende gleichheit an Scheffeln, Maaß, Ellen und Gewicht" einführte, wobei die Rostocker Maße und Gewichte zu Grunde gelegt werden sollten. Es war dies eine Anregung, die erst nach etwa 70 Jahren zur weiteren Verfolgung und erst nach ferneren 50 Jahren zur endlichen Durchführung durch die Herzöge von Mecklenburg gelangen sollte.

Betrachten wir das Verhältniß Wallensteins, des Usurpators, zu den einzelnen Ständen im Lande und zu deren damals sehr mächtigen Vertretung, dem Landtage, so nehmen wir ein gewisses Schwanken wahr, das der gegebenen Lage sich anzupassen suchte. Ehe Wallenstein ins Land kam und die Verhältnisse überblicken konnte, dachte er daran, den Adel und die Stände in allen Stücken zu beugen oder zu brechen. Am 22. März/1. April 1628 schrieb er an Arnim, er vernehme mit Freuden aus seinem Schreiben, daß bei der Huldigung in Mecklenburg sich Schwierigkeiten ergäben; das sähe er von Herzen gern, da sie dadurch alle ihre Privilegien verlieren würden. Sobald Derartiges vorfiele, sollten die Güter der Opponierenden eingezogen, diese selbst ins Gefängniß geworfen werden. Bald jedoch änderte sich seine Ansicht und Ende April 1628 theilte er St. Julien mit, daß er den von den Ständen geplanten Empfang an der Grenze gestatte, um sie nicht zu beleidigen, obwohl ihm selbst wenig an solchen Zeremonien gelegen sei. Daß er später, nachdem er die Verhältnisse des Landes genauer kennen gelernt hatte, den Adel geradezu bevorzugte und lieber mit ihm als gegen ihn regieren wollte, liegt in der überwiegenden Macht des Grundbesitzes im Lande begründet.

Wir haben gesehen, daß Wallenstein fast alle höheren Verwaltungsbeamten, auch die Hof- und Jagdbeamten dem mecklenburgischen Adel entnahm. Traten auch einzelne wohl des pekuniären Vortheils wegen, Andere durch die angedrohte Verhaftung und Konfiskation der Güter dazu gezwungen, in des neuen Herren Dienste, so kann man doch annehmen, daß Viele deshalb sich von Wallenstein zu Beamten gewinnen ließen, um die Rechte und Gewohnheiten des Landes dem Fremden gegenüber wirksamer wahren zu können. Warum sollte nicht auch der Eine oder Andere erkannt haben, welcher Schutz für Mecklenburg in jenen schweren Zeiten in dem straffen und festen Regimente Wallensteins lag, der nicht nur den Willen sondern auch die genügende Macht dazu hatte, dem Lande zu gedeihlichem Frieden zu verhelfen?

Auch Bürger und Bauern entgingen nicht Wallensteins Fürsorge. Zwar trugen sie Alle schwer an den Kontributionen und andern Kriegslasten 4). Das war aber der Völker Deutschlands unabänderliches Geschick in jener Zeit, und niemals haben schwerere und größere Lasten auf Mecklenburg gelegen, als in den Jahren nach Wallensteins Tod, unter dem nach innen schwankenden, nach außen schwachen Regimente der Herzöge.

Wenn Wallenstein auch sonst dem Adel hold war, so wurden durch die Brau-Verordnung, die Wingersky mit Wissen und Willen seines Herrn am 10./20. September 1628 erließ, doch die Städte dem Adel gegenüber entschieden begünstigt, da allein Städte und Märkte dadurch das Recht erhielten, Bier brauen und ins Land verkaufen zu dürfen, weil dieses "der vornehmste Acquest" der Bürger sei.




3) Moeller, Gesch. des Landespostwesens in Jahrbuch 62, S. 18.
4) So hat das Herzogthum Mecklenburg nach einem gleichzeitigen Berichte in den Jahren 1628-1630 ohne Bieraccise und Licente in den Kontributionskasten allein 1 306 770 Thaler bezahlt (Boll II, S. 103).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein