Abschnitt 3

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


Vor Wallensteins Ankunft in Güstrow fungirte als sein Statthalter und Stellvertreter der Oberst Freiherr Henry de Guyard et de St. Julien, der später von Wallenstein nach Wien geschickt wurde, um am Kaiserhofe für die Interessen seines Herrn zu wirken. Sein Nachfolger wurde der Oberst Albrecht von Wingersky (wie er meistens geschrieben wird), der bis 1631 die


Person des Landesherrn in Mecklenburg vertrat. Er wurde dann von Wallenstein nach Böhmen berufen und sein Nachfolger im Amte wurde Graf Berthold von Wallenstein, ein Vetter des Herzogs, der am 6./16. Oktober 1631 aus dem von den Herzögen wiedereroberten Rostock abzog, während die meisten fremden Wallensteinschen Beamten schon im Frühjahr 1631 beim Vorrücken der Schweden entflohen waren.

Ueber den Kanzler Johann Eberhard von Eltz aus Kur-Trier ist schon oben bei Besprechung der Kanzleieinrichtung kurz gehandelt.

Der Kammerregent war gewissermaßen der Finanzminister des Herzogs. Nach dem Tode des bisherigen Regenten Hieronymus Buckowsky in Gitschin ernannte Wallenstein im Juli 1629 den Heinrich Kustoß 1) von der Lipka, einen Böhmen, zum Regenten für Friedland, Sagan und Mecklenburg zusammen. Sein Bruder Hans Kustoß wurde Wallensteinscher Amtshauptmann in Mecklenburg und gerieth 1630 zusammen mit dem Regenten in schwedische Gefangenschaft, wurde jedoch noch vor diesem entlassen und begab sich zu seinem Bruder Georg Kustoß nach Hamburg.

Wallensteins Kabinetssekretär und ständiger Begleiter war der Rittmeister Neumann, der am 15./25. Februar 1634 zusammen mit seinem Herrn in Eger den Tod fand.

Zur Ausführung besonderer Aufträge bediente sich Wallenstein vielfach der Mecklenburger Heinrich von Husan und Gerhard Oberberg, der früher als Hauptmann und Kommandant von Dömitz in mecklenburgischen Diensten gestanden hatte, aber durch die von dem Herzog Adolf Friedrich unkluger Weise wegen der Uebergabe der Festung gegen ihn eingeleitete kriegsgerichtliche Untersuchung und die ungerechte Verurtheilung in die Arme der Gegner getrieben war.

Die Hofjagdbeamten nahm Wallenstein fast sämmtlich aus dem mecklenburgischen Adel. Oberjägermeister war Joachim v. Winterfeld, Jägermeister waren Joachim von Lützow und Gebhard von Moltke, ein Vetter des Kammerdirektors. Daneben war nur der Jägermeister Gotthard Gohr als einziger Ausländer thätig.

Zeigt uns dieser sorgfältig durchdachte Beamtenstaat schon das ungewöhnliche Organisationstalent Wallensteins, so tritt es noch schärfer in seinen zum Nutzen des Landes und der Unterthanen getroffenen Maßnahmen hervor, durch die er oft bis aufs einzelne in die Verwaltung eingriff. Leider ist uns durch den Verlust so vieler Akten vermuthlich sehr vieles reiches Material über seine Pläne und Anordnungen verloren gegangen. Aber auch das wenige, was erhalten ist, zeigt uns, wie weit Wallenstein in der für seine Länder stets bewiesenen Fürsorge den meisten seiner deutschen Zeitgenossen auf dem Throne voraus geeilt war.

Da es in Wallensteins eigenstem Interesse lag, den Binnenhandel Mecklenburgs zu fördern und dadurch die immer noch reichen Hülfsmittel des Landes zu heben und für sich nutzbar zu machen, so griff er mit großem Eifer den alten Plan wieder auf, durch einen Kanal von Wismar über Kleinen durch den Schweriner See, die Stör und die Elde die Elbe mit der Ostsee zu verbinden. Auch in militärischer Hinsicht war die Anlage dieses Kanals von großer Wichtigkeit, da er den Verkehr zwischen Ost- und Nordsee nicht nur von den dänischen Sundzöllen, sondern auch von der gefürchteten Kriegsflotte dieses Inselreiches unabhängig machte.

Der Plan hatte bereits frühere Herzöge Mecklenburgs beschäftigt, war auch in einzelnen Theilen durchgeführt worden, aber vor

seiner Vollendung immer an den ungeheuren Kosten gescheitert. Schon im Anfang des Jahres 1628 versprach Wallenstein den Rostocker Gesandten die Wiederherstellung des Kanals Wismar-Schwerin. Im Dezember desselben Jahres unterzog er die Terrainverhältnisse zwischen diesen beiden Städten einer genauen Besichtigung und kam zu dem Entschluß, den Plan auszuführen. Sein Baumeister Alexander Borrey, sein Kanzleisekretär Martin Böckel und drei erfahrene Wasserbaumeister aus Hamburg wurden zum Berichte aufgefordert. Ueber das Ergebniß der Untersuchungen war ihre Ansicht getheilt. Die Hamburger und mit ihnen Böckel, der selbst von Haus aus Ingenieur war, erachteten, daß der Kanal nur brauchbar sei, wenn er für größere Schiffe (von 50 bis 60 Last) eingerichtet würde, statt wie bisher für Schiffe von etwa einem Drittel dieser Tragfähigkeit. Dafür aber sei die Strecke Eldena-Dömitz und ebenso der Störkanal zu eng und seicht, die Krümmungen seien nicht genügend durchschnitten, Elde und Stör nicht aufgeräumt, auch nicht mit Treidelpfaden versehen; ferner seien alle Schleusen nur aus Holz, deshalb zu durchlässig und dabei auch schnellem Verfalle ausgesetzt. Sämmtliche Schleusen, zwischen Wismar und Schwerin zwölf, zwischen Schwerin und Dömitz vierzehn, müßten neu und zwar geräumiger und massiv in Stein aufgeführt werden. Die gesammten Kosten dieser von ihnen vorgeschlagenen Veränderungen berechneten sie auf rund 500 000 Rthlr. Borrey's Gegenvorschlag bewegte sich in etwa dreißigfach geringeren Summen, da er - schon im Interesse des rascheren Ausbaues - sich auf kleinere Schiffe und die bisherigen Maße in Weite und Tiefe beschränkte und daher weniger einen Neubau als eine Ausbesserung und Vollendung des Vorhandenem erstrebte. Trotzdem die Kammer des geringeren Aufwandes wegen den Borreyschen Vorschlag für den annehmbareren erklärte und es entschieden widerrieth, so viele Tonnen Goldes auf ein bloßes Abenteuer zu wagen, scheint Wallenstein, wenn man einem späteren Briefe Martin Böckels trauen darf, doch der gründlicheren Abhülfe des Hamburger Vorschlages geneigter gewesen zu sein, da er daraufhin gesagt haben soll: "Das Geld solte dar sein, und das Wergk solte gefertigt werden".

Es mag dieses auch so sein; trotzdem aber scheint der einzige vorhandene Befehl Wallensteins über den Kanal mehr den vermittelnden Vorschlägen Borreys zu entsprechen, nämlich der im April 1629 gegebene und beim Abzug im Juli 1629 wiederholte Auftrag an die Beamten zu Neustadt i. M" die drei ihnen zunächst liegenden Schleusen in der bisherigen Art, doch einen Fuß tiefer, herzustellen.

Wallensteins Fortzug aus Mecklenburg und die Ereignisse der folgenden Jahre haben die Ausführung des ganzen Planes verhindert; 2) aber obwohl er nachweislich keine nennenswerthen Bauten an dem Kanal, namentlich an der Strecke Schwerin - Wismar, der sog. Viechelnschen Fahrt, ausgeführt hat - das Volk hat seinen Entschluß, den wichtigen Bau der Herzöge Johann Albrecht und Ulrich für das Land wieder nutzbar zu machen, im Gedächtniß behalten, so daß es bis auf den heutigen Tag den Abfluß aus dem Schweriner See nach Wismar hin mit dem Namen "Wallensteingraben" bezeichnet.




1) Jahrbuch 36, S. 19. Es ist ein Irrthum, wenn Fr. Förster, Wallenstein, S. 339, meint, diese Klasse der Wallensteinschen Beamten habe den Amtstitel Kustos geführt. Die Namen der Brüder beweisen es klar, daß Kustoß Familienname ist.
2) Ich kann mit Hunziker nicht übereinstimmen, wenn er (Seite 28) annimmt, es habe das nach dem Friedensschluß zu Lübeck zwischen Wallenstein und Christian IV. hergestellte gute Einvernehmen den Ausbau des Kanals verhindert; so zartfühlend war Wallenstein nicht, wenn es sich darum handelte, wichtige eigene Interessen zu verfolgen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein