Abschnitt 2

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


Wallenstein ließ die landständische Verfassung, die er in Mecklenburg vorfand, gänzlich unangetastet; wenn er auch den öfters hinhaltenden und disputirenden Landständen gegenüber, wie wir schon sahen, scharf und unangenehm den Herrn zeigte, die Form selbst blieb unverletzt bestehen. Die Regierung und Verwaltung des Landes aber gestaltete er vollkommen um. Er richtete sein Augenmerk zunächst auf die Verbesserung der Rechtspflege, in der er selbst der oberste Richter sein wollte. Die Stände hatten bisher das Recht gehabt, an das Reichskammergericht gegen Entscheidungen ihrer Landesherren Berufung einzulegen. Dagegen hatten die mecklenburgischen Herzöge schon früher (1569, 1621, 1623) vom Kaiser privilegia de non appellando für Sachen bis zu einer bestimmten Werthsumme in steigender Folge erlangt und waren zuletzt (1623) bis auf 1000 Gulden gekommen. Wallenstein erstrebte nun ein privilegium de plane non appellando auch für Mecklenburg, wie er es 1627 bereits für das Herzogthum Friedland erhalten hatte. Indessen erhielt er dieses Privileg, das bis dahin als alleiniges Vorrecht der Kurfürsten gegolten hatte, vom Kaiser erst am 4./14. August 1629 unter der Bedingung, daß des Herzogs "tribunalia in ermeltem Hertzogthumb Meckelnburg vff drei ordentliche instantias gericht vnd bestelt vnd solche mit Assessoren, so zum Theil vom Adel, darzu die Land-Saßen, wan Sie hierzu qualificiret, vor andern zu gebrauchen, vnd zum theil gelehret sein sollen, besetzt, dieselben auch Ihrem stande nach, welches S. Lbd. ohne das zu thun geneigt sein vnd sich anerbotten, gebührlich besoldet werden".


Von diesem Privileg wurden ausgenommen causae denegatae et protractae justitiae, nullitatis, fractae pacis et contributionis imperii; auch blieb für Wallenstein die Verpflichtung bestehen, zu den Unterhaltungskosten des Reichskammergerichts beizutragen. Erst am 10./20. März 1630 befahl er von Gitschin aus seinem Statthalter von Wingersky, die drei verlangten Instanzen einzurichten. Zur ersten Instanz wurde das alte Hofgericht bestimmt, das als ständigen Sitz das zu diesem Zweck angekaufte Haus Otto von Preens in Güstrow angewiesen erhielt. Es wurden hierzu die dienstfähigen Beamten des alten Hofgerichts genommen, die 1628 zum Theil vor Wallenstein geflohen, von diesem aber zurückgerufen waren, da ihm daran lag, des mecklenburgischen Rechts kundige Männer in diesem Amte zu haben. Das Gericht bestand aus: Paschen von der Lühe, Landrichter und Präsidenten (später Präsidenten des Appellationsgerichts); Bugislaf von Behr, Vizelandrichter (später Präsidenten); Georg v. Linstow, Rath (später Appellationsgerichtsrath); Joachim v. Lützow, Rath; Augustin von der Lühe, Rath (seit Michaelis 1630); Dr. Peter Waßmuth, Rath; Dr. Christoph von Hagen, Beisitzer; Hermann Meyer, Beisitzer (späterAppellationsgerichtsrath); Dr.Heinrich Schuckmann und Dr. Justus Zinzerling, Beisitzer, von den Ständen besoldet; Dr. Nikolaus Wasmund, Fiskal; Friedrich Mundrich und Ludwig Wolter, Protonotaren; schließlich noch aus zwei Sekretären, drei Kanzlisten und dem Unterpersonal.

Zu den bestimmten und ständigen Hofgerichtsräthen traten auf den Quartalgerichtstagen noch vier Landräthe und vier unbesoldete Beisitzer (einer wegen der Universität, einer vom Rathe zu Rostock, ein Bürgermeister von Wismar und ein Bürgermeister von Güstrow).

Zweite Instanz wurde das von Wallenstein neu geschaffene Apellationsgericht, dessen Besetzung und völlige Einrichtung erst nach Michaelis 1630 abgeschlossen war. Es bestand aus folgenden Beamten: Paschen von der Lühe, Präsidenten; Balthasar v. Moltke, Georg v. Linstow, Dr. Thomas Lindemann, Hermann Meyer, Räthen; Johann Oberberg, Sekretär, und zwei Ingrossisten.

Zur dritten und obersten Instanz bestimmte Wallenstein das höchste Regierungskollegium, den geheimen Rath. Zwar äußerten dessen Präsident Albrecht von Wingersky und Dr. Lindemann ihre Bedenken, da der Rath ja eigentlich keine ordentliche Instanz, wie der Kaiser gefordert habe, sondern nur eine Aushülfe sei; aber es blieb bei Wallensteins Anordnung.

Er schärfte als erste Pflicht allen seinen Beamten und besonders den Justizbehörden schnellste Erledigung aller Sachen ein. Lisch berichtet, er habe aus keiner Zeit so dünne Gerichtsaktenfaszikel gefunden, wie gerade aus der Wallensteinschen Periode, und oft seien - unerhört für jene stürmischen und doch in ihren Verwaltungsmaßnahmen so schleppenden Zeiten - Eingabe und Bescheid von ein und demselben Tage.

Auch auf dem Gebiete der Verwaltung führte Wallenstein tief einschneidende Neuerungen ein, indem er, wie vorher schon in seinem Herzogthume Friedland, die Verwaltung der Domänen und landesherrlichen Einkünfte, die bisher dem Kanzler unterstanden hatte, von der eigentlichen Landesregierung trennte und dem neu errichteten Kammerkollegium übertrug. Obwohl Gebhard von Moltke, Hans Heinrich von der Lühe und Dr. Justus Lüders ihm das Gutachten abgaben, daß nach der mit großer Mühe hergestellten Ordnung der Wirtschaften nunmehr die Oeconomica durch einen Buchhalter, einen Rentmeister und einen Schreiber gut genug verwaltet werden könnten, so gab Wallenstein doch dieser Behörde ein verhältnismäßig zahlreiches Beamtenpersonal. Bis Anfang 1629 war Gebhard von Moltke Kammerdirektor; als er zum Direktor des geheimen Raths berufen wurde, folgte ihm als Kammerpräsident Hans Heinrich von der Lühe, dem Dr. Justus Lüders als Vizepräsident und Bugislaf von Platen als Rath zur Seite standen. Seit 1630 war auch Ulrich von Pentz, Amtshauptmann zu Bützow und Rühn, als berathendes Mitglied im Kammerkollegium. Das Unterpersonal bestand aus einem Rentmeister und dessen Gehilfen, zwei Sekretären, zwei, später fünf Schreibern und zwei Kammerboten. Auch über die Form der Kammererlasse sind wir unterrichtet: am 13./23. Mai 1629 erging von Wallenstein der Befehl an die Kammer, kein Schreiben unter dem fürstlichen Siegel ausgehen zu lassen, das nicht von dem anwesenden Kammerpräsidenten und einem Kammersekretär unterschrieben sei.

Die alte Kanzlei, das eigentliche Regierungskollegium, ließ Wallenstein unter diesem Namen weiterbestehn. Ihr unterstand die Beaufsichtigung und Bethätigung der landesherrlichen Hoheitsrechte, wie Lehen- und Grenzsachen, Bestätigungen, Konsense und Begnadigungen. An der Spitze stand der Kanzler Johann Eberhard von Eltz, einer der wenigen landfremden wallensteinschen Beamten in Mecklenburg, der 1630 von Wallenstein aus dem bedrohten Besitze heraus und in das Hauptquartier berufen wurde. Ferner gehörten dieser Behörde an: Dr. Joh. Oberberg als Direktor; H. von Halberstadt, J. D. von Stralendorf, Balthasar von Moltke, Dr. Heinrich Niemann und Dr. Nikolaus Eggebrecht als Räthe; zwei Lehnsekretäre und Archivare, fünf Kanzleisekretäre, Registratoren und Kanzlisten, Botenmeister und Boten.

Als höchstes Kollegium im Lande und, wie schon erwähnt, zugleich oberste Gerichtsinstanz schuf Wallenstein den geheimen Rath, dessen Vorsitz er selbst oder sein Statthalter führte. Gebhard von Moltke wurde Direktor, zwei mecklenburgische Adlige, Gregorius von Bevernest und Volrath von der Lühe, standen ihm als Räthe zur Seite, ein Sekretär und ein Schreiber bildeten das übrige Beamtenpersonal.

Es war ein kluger Schachzug Wallensteins, daß er zu den höchsten Beamten der Kollegien nur Meklenburger nahm. Ihre Kenntniß von Land und Leuten, von Sprache, Einrichtungen, Gewohnheiten und Rechten in Mecklenburg mußten ihm vonunschätzbarem Werthe sein. Die Namen von Moltke und von der Lühe waren besonders oft in seinem Beamtenstaate vertreten; ihre Träger glaubten, damit dem Vaterlande besser zu dienen, als wenn sie durch ihre Weigerung den Usurpator zwangen, Fremde an die Spitze der Verwaltung zu stellen. Wie ihnen von ihren angestammten Herzögen dafür gedankt wurde, werden wir später sehen.

Es sind noch vier Beamte zu nennen, die Wallenstein zur Vertretung seiner persönlichen Interessen um sich hatte; sie waren seine Vertrauten und sämmtlich keine Mecklenburger. Das waren der Statthalter, der Kanzler, der Regent und Wallensteins persönlicher Sekretär, die Lisch zusammen nicht unpassend "das Kabinett" nennt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein