Abschnitt 1

Mecklenburg unter Wallenstein - Der Usurpator als Landesherr


2. Der Usurpator als Landesherr.


So waren die festen Plätze und größeren Orte des Landes in der Hand Wallensteins, und dieser führte nun durch, was er schon von vornherein im Auge gehabt hatte, eine militärische Entlastung Mecklenburgs. Am 12./22. November 1627 theilte er Arnim mit, daß, sobald die "Mutation" mit Mecklenburg vorgenommen sei, die Truppen sofort nach Pommern umquartiert werden müßten, da nur zehn bis zwölf Fähnlein und etwa drei Kompagnieen Reiter in Mecklenburg, und zwar zur Besetzung der Häfen, der Festung Dömitz sowie der Insel und des Hauses Poel, verbleiben würden. Am 10./20. Mai 1628 befahl er Arnim, die Kavallerie, die damals noch allgemein vom flachen Lande durch Naturallieferungen erhalten wurde, aus dem Lande zu nehmen und auf Pommern, die Uckermark, die Priegnitz und die lübischen Dörfer zu vertheilen; er wolle das Land jetzt wieder aufbringen und nicht ruinieren. Noch in andrer Weise sorgte Wallenstein dafür, daß sein Herzogthum von den Kriegsbeschwerden möglichst verschont bleibe. Am 14./24. Mai 1628 wies er Arnim an, strengstens darauf zu halten, daß jeder durchmarschierende Truppentheil sich zuvor bei dem Obersten von St. Julien melde, den von diesem anbefohlenen Weg einschlage und keinen Rasttag im Lande halte. Einige Tage später befahl er dem Obersten von St. Julien, zu jedem durchmarschierenden Truppentheile auch Marschkommissare zu stellen.

Eine Hauptsorge Wallensteins mußte es sein, den für seine Truppen nöthigen Unterhalt durch Kontributionen aus Mecklenburg bei möglichst großer Schonung des Landes zu entnehmen, und obwohl er sonst wenig geneigt war, sich mit Anderen in die Leitung seiner Angelegenheiten zu theilen, so hielt er es doch für angebracht, in dieser dringenden und höchst wichtigen Sache die Stände zur Berathung heranzuziehen. Schon auf dem vom 21. - 30. April/1. - 10. Mai 1628 in Güstrow abgehaltenen Landtage verhandelten Wallensteins Statthalter, Oberst von St. Julien, und die kaiserlichen Kommissare mit den Landständen über die Höhe und den Modus der neu zu erhebenden Kontribution, wobei man sich schließlich auf eine einmal zu zahlende Summe von 100 000 Thalern, Lieferung von Brotkorn an die Truppen und Geldgeschenken an den Statthalter einigte. Die Summe sollte binnen Monatsfrist bezahlt, werden, aber nicht in den Landkasten zu Rostock, sondern nach Güstrow. Es waren dies jedoch nur vorläufige Abmachungen, und die Lage der Sache änderte sich vollkommen nach der Ankunft Wallensteins in seinem neu erworbenen Herzogthume. Die Stände wurden zum 19./29. August 1628 wieder nach Güstrow zusammenberufen, erschienen aber nicht sehr vollzählig, drängten auch ungeduldig auf baldigen Schluß der Tagung, da die Ernte Vielen das längere Verlassen ihrer grade jetzt der Aufsicht sehr bedürftigen Güter nicht rathsam erscheinen ließ.

Es wurde ihnen folgende Präposition gemacht: Wallenstein habe beschlossen, zum Schutz des Landes nur 6000 Mann zu Fuß und 600 Reiter in Mecklenburg und zwar an den Grenzen zu unterhalten, das übrige Land aber von Einquartierung zu befreien. Um nun die zugesagte strenge Disziplin aufrechterhalten zu können, sei es erforderlich, diesen Truppen den monatlichen Sold pünktlich auszuzahlen und dazu müßten an jedem Ersten des Monats 50 000 Thaler bezahlt werden. Außerdem müsse zumZwecke der Herstellung und Erhaltung von Befestiaungswerken die Accise, die hier zum ersten Male von der Kontribution getrennt wurde, verdoppelt werden. Den flehentlichsten Gegenvorstellungen der Stände gab Wallenstein nur insofern nach, als er die Summe auf 30 000 Thaler monatlich ermäßigte und bestimmte, daß die bis dahin eximierten fürstlichen Leibgedings- und Witthumsämter sowie die Domanialunterthanen und das Stift Schwerin zur Leistung der Kontribution herangezogen werden sollten. Wismar und Rostock blieben von der Zahlung der Kontribution befreit. Wallenstein schrieb dazu am 23. August/2. September von Wolgast aus an den Obersten (den späteren Statthalter) Wingersky, Rostock solle ihm ohnedies noch die 8000 Thaler bezahlen, und die von Wismar seien ruiniert. Den bisherigen Modus der Erhebung der Kontribution änderte Wallenstein trotz aller Gegenvorstellungen der Stände und befahl, statt des alten Saaten- und Hufenmodus, eine sofortige Einschätzung sämmtlicher Güter, um den hundertsten Pfennig davon zu erheben. Als Anfangstag für die Zahlung dieser neuen Kontribution wurde der 1./11. September 1628 festgesetzt, wobei die ständische Landkastenkontrole aufgehoben wurde, die nur bei den gewöhnlichen Landesanlagen, nicht aber bei Kriegssteuern zulässig sei. Die Stände mußten sich dem eisernen Willen ihres neuen Herrn Beugen, der ihnen das für sie so vortheilhafte Steuerbewilligungsrecht aus den Händen nahm. Daß Wallenstein nicht gewillt war, in diesem Punkte irgendwie nachzugeben, zeigen seine Schreiben an Wingersky vom 23. August/2. September 1628 und vom folgenden Tage, in denen er drohende Warnungen ausspricht: "Aus seinem Schreiben verneme ich, was die Stände für Impertinentzen und Prolongacien begeret haben, Nun sage ich, sie sollen mich nicht vf solche weise tractiren, wie sie die vorige Herzogen tractiret haben, denn ich werde es gewisse nicht leiden, vnd zum ersten zu der Land-Räthe und Vornembsten Güetern, auch den Personen greifen"- "Werden sie die Disposition wegen des Geldes nicht machen, sie werden sehen, was ihnen daraus wird entstehen, darumb scherzen sie nur nicht mit mir" - "Er weise ihnen nur dies mein Schreiben mit Warnung, sie sollen die Impertinenzien einstellen, oder es wird ihnen nichts Guts daraus erfolgen." Und "Aus seinem Schreiben verneme ich, daß die Stände in Mecklenburg nicht gerne wollen kommen auf den newen modum contribuendi, wie auch daß die Contributionen nicht vf Monat sondern auf eine gewisse quota soll gerichtet werden. Nun habe ich das alles wohl zuvor bedacht vnd befehle ihm, das ich weder vom modo, noch von dem, das die Contributionen vf die Monat sol gerichtet werden, wil weichen, dahero dann er ihnen solches andeuten, vnd sie warnen, das sie mir kein Vrsach zu etwas anders geben sollen."

Die hervorragendste That Wallensteins, in Mecklenburg auf dem Gebiete der Verwaltung war die Trennung der Justiz von der Verwaltung im engeren Sinne. Ueber diesen bedeutsamen Schritt haben die Forschungen von Lisch erst Licht gebracht, und sein Verdienst ist auch die Zusammenstellung der Namen aller Beamten und der Kollegien der mecklenburgischen Regierung Wallensteins. Interessant ist der Hinweis Hunzikers auf den Umstand, daß schon der Herzog Adolf Friedrich I. diese Aenderungen plante, die Wallenstein ein Dezennium später thatsächlich durchführte, ja daß dieser vielleicht diese Gedanken benutzte. 1618 hatte der Herzog Adolf Friedrich eine 69 Folioseiten umfassende Schrift über die Zustände Mecklenburgs verfaßt, mit dem Titel Discours de present l'éstat de Mechelbourg, des desordres en c'este estat et des remedimens, in der er diese umgestaltenden Gedanken aussprach. Er gab sie (wie er in seinem Tagebuch unter dem 17. Oktober 1619 vermerkt) zur Durchsicht an Gebhard von Moltke, dem sie sehr gut gefiel. Gebhard von Moltke aber war zehn Jahre später unter Wallenstein erst Kammerdirektor, dann Direktor des geheimen Raths und hatte als solcher großen Einfluß auf Wallensteins Entschließungen auf diesem Gebiete.

Am schärfsten tadelt Herzog Adolf Friedrich in dieser Schrift den Zustand der Rechtspflege im Lande. Der Kanzler, je einer zu Schwerin und zu Güstrow, habe das Direktorium in der Kanzlei, in der Regierung und in den Gerichten. Dabei könne es aber nothwendig wegen der vielen andern Geschäfte des einen Mannes und dessen häufiger Abwesenheit nicht ordentlich zugehen. Diese Kanzleien kosteten viel und nutzten wenig, da sie nur Bagatellen erledigten, große Sachen aber stets an die Juristenfakultäten abschieben. Er verlangt deshalb ständige Beisitzer und einen besonderen Direktor. Am Hofgericht, das er lieber Landgericht genannt haben will, mißfällt dem Herzoge am stärksten der viermal jährlich stattfindende Ortswechsel und das dadurch bewirkte Herumschleppen der Akten. Er schlägt einen bestimmten Ort, z. B. eine der Residenzen, zur Tagung vor. Nur die Wirren und Unruhen des ausbrechenden Krieges hinderten den Herzog an der Verwirklichung dieser Pläne.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg unter Wallenstein