Wirkungen der Aufrufe; Teilnahme des Volkes.

Die genannten Aufrufe brachten, was bisher an Begeisterung und Kampfesmut noch im geheimen und in kleinen Kreisen sich bewegt hatte, offen und vor aller Welt zum Ausdruck. Überall wurden sie durch Maueranschläge und öffentliche Ausrufer verbreitet, vornehmlich aber von den Kanzeln verlesen, und diese letzte Art der Verbreitung gab ihnen ihre religiöse Weihe und gewann die Herzen von hoch und niedrig, arm und reich. Bald erklangen allerorten vaterländische Lieder. In Rostock vornehmlich war es wieder die studierende Jugend, die sich des Abends auf dem Markte versammelte nnd hier im vollen Chor Kriegs- und Abschiedslieder erschallen ließ. Fackeln beleuchteten den Platz, Freudenfeuer wurden angezündet, und von den Fenstern der umliegenden Häuser erfolgten Beifallsrufe. Immer größer wurde die Menge, und wenn dann der Mond mit seinem Silberschein dieses Schauspiel bestrahlte, so glich wohl der ganze Platz einem Siegesfeld nach einer gewonnenen Schlacht.

Der Mittelpunkt patriotischer Erhebung aber ward im Schweriner Lande die Stadt Güstrow. Hier wurde am 31. Marz mittags 12 Uhr der Ausruf des Herzogs unter Glockengeläute und Kanonendonner öffentlich vom Rathausbalkon verlesen. Der Hofrat Rönneberg knüpfte daran eine flammende Rede und suchte die jungen Leute zum Eintritt in das Freiwilligenkorps zu begeistern. Schließlich stimmte die ganze Versammlung unter Begleitung des Musikkorps den Gesang an: Herr Gott, dich loben wir. Gegen 30 Freiwillige hatten sich schon gemeldet. Ihnen zu Ehren wurde von Stadtwegen ein Festmahl im Schützenhause gegeben. Nach Schluß desselben wurden die jungen Krieger, paarweise geordnet, vom Rate der Stadt in festlichem Zuge durch die Straßen nach dem Rathause geführt und dort als Freiheitskämpfer geweiht.
Eine allgemeine Illumination am Abend beschloß den schönen Tag.
Ganze Scharen von jungen Mannern jeglichen Standes und Gewerbes strömten in den ersten Apriltagen aus allen Landesteilen entweder nach Rostock zum Eintritt in das dortige Infanterieregiment oder nach Güstrow, dem Sammelplatz der freiwilligen Jäger. Allen voran gingen die mecklenburgischen Prinzen, so z. B. trat der Prinz Gustav, der zweite Sohn des Herzogs, bei den reitenden Jägern ein. sein Bruder, der Prinz Karl, diente als russischer Generalleutnant, sein anderer Bruder Adolf als Volontär im Stabe des Generals v. Wallmoden. In Gnoien meldeten sich nicht weniger als 44 Freiwillige, von denen sich 40 nach Rostock zu der Infanterie, 4 nach Güstrow zu den Jägern wandten. In Grevesmühlen waren es 20 Frei-willige, ebenso viele in Grabow und in anderen kleinen Städten. Fast keine Stadt und kein Dorf blieb übrig, die nicht wenigstens einen Freiwilligen zum Kampf gegen Napoleon entsandten. „Es war,“ wie Theodor Körner singt, „kein Krieg, von dem die Kronen wissen,“ es war ein „Kreuzzug, war ein heiliger Krieg.“ Auf den Landwegen und Straßen erschollen Kriegs- und Vaterlandslieder. Mancher Jüngling riß sich unter Tränen aus den Armen der weinenden Eltern los. War es doch vielleicht ein Abschied für immer und der Tod auf dem Schlachtfelde die erste und letzte Kunde, die von dem Aus-gezogenen nachher wieder ins heimatliche Haus gelangte.


Auch das weibliche Geschlecht wollte dem männlichen an Opfermut nicht nachstehen. Frauen und Jungfrauen meldeten sich zur Pflege der Verwundeten und Kranken, zum Marketenderdienst, und mehrfach geschah es, daß sie sich zum Heeresdienst stellten und weinten, wenn sie zurückgewiesen wurden.

Wer nicht selbst mit in den Kampf zog, wirkte daheim, soviel er vermochte. Groß war damals die Opferfreudigkeit aller Städte und Ortschaften im Lande, aller Stände und beider Geschlechter. Gold und Silber, in bar oder Wertsachen aller Art, selbst kostbare Geschmeide und Trauringe gab man für die Ausrüstung der Regimenter. Alte Leute trennten sich von der ihnen liebgewordenen Pfeife, Kinder von ihrem Spielzeug. Wie in einem Fundbureau, so kamen schließlich die verschiedenartigsten Sachen in den einzelnen Annahmestellen zusammen: Bilder, Uhren, Leinwand, Hypothekenscheine, Broschen, Dosen, Sparbüchsen, Messer, Gabeln und Löffel, Gesangbücher, Kissen, Decken, Haare, Ringe, Schalen, Heller, Stroh, Hafer, Früchte, Gemüse, alles lag bunt neben- und durcheinander. Begüterte und wohlhabende Bürger, Vereine von Männern, Frauen und jungen Mädchen rüsteten einen oder mehrere Jäger auf eigene Kosten aus. Die Jungfrauen Güstrows stickten kostbare Fahnen; die Penzliner Schützenzunft schenkte an die Bewaffnungskommission der Freiwilligen sieben silberne Schilder (17 Lot Silber an Gewicht), ähnlich machten es viele andere Zünfte und Gilden. Besonders noch mag hervorgehalten werden, daß die Vereinigung der Rostocker Dienstmädchen dem General von Fallois, dem Kommandeur des Füsilierregiments, am 20. April durch eine Abordnung einen mit einer roten Schnur umwundenen Regimentstambourstab, dazu ein Trommelbandolier von rotem Scharlachtuch mit silbernen Tressen nebst einem Paar silberbeschlagenen Trommelstöcken von Ebenholz mit folgendem Begleitschreiben überreichten: „Auch wir bringen hier eine kleine Gabe für das Vaterland, denn auch wir haben das Vaterland lieb und haben deutschen freien Sinn. Wohl größeres Geschenk wäre besser, aber wir sind arme Mädchen, wir haben getan, was wir vermochten, und bitten unsern guten Willen für die Tat anzunehmen.“ In Rostock wurden an freiwilligen Beiträgen von den Einwohnern rund 31.000 Taler zusammengebracht, wovon 59 Jäger zu Pferde und 55 zu Fuß ausgestattet werden konnten. Aus dem in der Münze zu Schwerin eingegangenen und eingeschmolzenen Silberzeug wurden allein 6.000 Taler erzielt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Mecklenburger.