Landwehr und Landsturm.

Außer den genannten Truppenkörpern war nach dem Vorbilde Preußens auch die Bildung einer Landwehr und eines Landsturmes vom Herzog angeordnet. Bereits Anfang April erschien darüber folgende Bekanntgabe des Herzogs:
„In einer Zeit, wo allenthalben Krieg die Lösung ist, halte ich es für notwendig zur Sicherheit des Vaterlandes, nach dem Beispiel aller meiner Nachbarn auch in Mecklenburg eine Landwehr und demnächst einen Landsturm zu errichten. - Während ich den bestimmten Plan dazu ausarbeiten lasse, wünsche ich vorläufig, daß sich fördersamst bei meiner Regierung alle diejenigen meiner getreuen Untertanen melden, welche durch frühere Kriegsdienste und Erfahrungen die Kenntnisse und das Geschick erlangt haben, welche erforderlich sind, um bei Einrichtung, Übung und Anführung einer Landwehr mit Nutzen angestellt werden zu können. - Bei der Landwehr, deren Dienst sich mehr dem regulären Militär nähert, wird es auf militärische Kenntnisse ankommen, um die verschiedenen Abteilungen an bestimmten Tagen militarisch zu üben, und wenn es die Vertreibung des Feindes erfordert, militärisch anzuführen. - Bei dem Landsturm bedarf es nur Mut, Vaterlandsliebe und Vertrauen unter den Haufen der Mitbürger, um auf jede Art und mit jeden Waffen im Augenblick der nahen gegenwärtigen Gefahr den eigenen Herd zu verteidigen und mit jeder Aufopferung durch Vertilgung des Feindes, da, wo er sich hinwirft, sich um seine übrigen Mitbürger verdient zu machen, für sie zn kampfen und das Vaterland zu retten. - Es wird keiner geringen Anzahl von Anführern höheren und geringeren Grades bedürfen. Ich erwarte mit Vertrauen, daß sie sich in völlig hinlänglicher Zahl melden werden, fordere sie ausdrücklich hiermit dazu auf und wünsche, daß sie dabei eine kurze Anzeige ihrer früheren militärischen Verhältnisse und ihrer gegenwärtigen Geschäfte, auch ihres Wohnorts mit Benennung der ihnen am nächsten gelegenen Stadt machen, damit ich vorläufig übersehen kann, wo und wie sie am zweckmaßigsten anzustellen sein möchten.“
Ludwigslust, den 8. April 1813. Friedrich Franz.

Eine Landwehr- und Landsturmordnung wurde erst im Juni während des Waffenstillstandes veröffentlicht. Dennoch sammelten sich schon jetzt, gleich nach der Aufforderung des Herzogs, überall im Lande Jünglinge und Manner vom 17. bis 60. Lebensjahr, um sich zum Eintritt in eine der beiden Landesbewaffnungen zu melden. Ein eigenartiger Umstand wollte es, daß gerade in dem Augenblick, als die Bekanntmachung des Herzogs vom 8. April erschien, der Eifer der gesamten Bevölkerung für eine allgemeine Landesverteidigung ins hellste Licht trat. Am 10. April nämlich ging durch Brandenburg, beide Mecklenburg und Pommern das Gerücht, daß in der Gegend von Röbel ein starkes französisches Korps angekommen sei und sich nach allen Richtungen in kleinen Abteilungen verbreite. In vielen Städten und Dörfern wurden des nachts die Sturmglocken geläutet und die sog. Lärmstangen angezündet. In wenigen Stunden hatte sich noch in der Nacht vom 10. auf 11. sowie am folgenden Tage an hundert verschiedenen Stellen die wehrhafte Bevölkerung zusammengefunden, mit Piken und Sensen bewaffnet zur Abwehr bereit; und so hatte sich gleichsam schon von selber Landwehr und Landsturm, wenn auch noch nicht als einheitlich zusammengehörige Waffengattung, über ganz Mecklenburg wie ein großes Netz mit Hunderten von Verbindungsknoten verzweigt. Es waren unruhige Nächte. Die Verwirrung in der Bevölkerung war sehr groß. Wie es in solchen Augenblicken immer zu sein pflegt, so waren auch damals die widersprechendsten, schlimmsten Gerüchte im Umlauf. Viele Bewohner, besonders Frauen und Kinder, wähnten sich schon in der Macht der Franzosen und erwarteten stündlich voller Angst einen Überfall. Die Erinnerungen an die schreckliche Franzosenzeit wurde mit einem Male wieder wach, dazu die Furcht vor der nun folgenden Rache seitens der wiedergekehrten Feinde. Doch stellte sich die Sache bald ganz anders dar. Einige gefangene Franzosen von der Division Morand, die in Lüneburg fast vernichtet war, hatten sich auf dem Transportwege nach Berlin in der Priegnitz befreit und darauf in mehreren Dörfern sich an den Bewohnern vergriffen. An verschiedenen Orten begannen nun die Landwehrleute die Umgegend, besonders Wälder und Büsche, nach Franzosen abzusuchen, aber es scheint nirgends ein Feind entdeckt oder aufgefunden zu sein. Immerhin hatte dieses von einem gewissen Humor begleitete Ereignis eine großartige Wirkung gehabt, und der Mut und die Entschlossenheit, die Kampfeslust aller noch irgendwie wehrhaften Männer des Landes, selbst der Greise, hatten eine vorzügliche Probe bestanden. Der Gewinn konnte für die Folgezeit nicht ausbleiben. Überall begann man jetzt, sich, so gut es ging, für die Landesverteidigung zu üben. Als Waffen dienten bei der städtischen Bevölkerung vorerst nur eine 10 Fuß lange hölzerne Pike mit einer eisernen Spitze, für die Landleute das Werkzeug, an das sie am besten gewöhnt waren, die Sense, die jedoch als Stoßwaffe eingerichtet und zu dem Zweck geradegestellt wurde. In Stadt und Land wurden bereits Exerzierplätze hergerichtet, und bald hatten sich an vielen Orten ganz nach militärischer Art Garden, kolonnenmäßig eingeteilt und mit Hauptleuten versehen, gebildet.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Mecklenburger.