Landesherrliche Erlasse und Aufrufe.

Die Nachricht von dem Entschluß des Herzogs verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch ganz Mecklenburg und entzündete überall das schon lange glimmende Feuer der Begeisterung für den Kampf wider die französische Zwingherrschaft zu einer helllodernden Flamme.

Sogleich ließ Friedrich Franz seinen Worten die Tat folgen. bereits am 16. März entsandte er seinen Minister Freiherrn von Plessen an den preußischen Hof nach Berlin und weiter ins Hauptquartier des Kaisers Alexander nach Kalisch, um seine Mitwirkung für eine allgemeine deutsche Erhebung gegen Napoleon zu bekunden. Der Minister traf am 17. nachmittags in Berlin ein. Die Stadt war noch in voller Aufregung, denn vor einigen Stunden erst war der General York mit etwa 15.000 Preußen unter dem Jubel der Bevölkerung eingerückt. Plessen besprach in Berlin auf Befehl seines Herzogs bereits mit dem russischen Grafen Wittgenstein die Frage etwaiger militärischer Leistungen des Mecklenburger Landes, und dabei wurde besonders die Errichtung eines Korps freiwilliger Jäger viel erörtert. Dieser Gedanke, neben der regulären alten Infanterie noch ein besonderes Korps zu schaffen, war schon früher in Mecklenburg mehrfach laut geworden. So hatte z. V. der Gutsbesitzer Graf von Osten-Sacken auf Bellin, ein ehemaliger preußischer Offizier, unter dem 12. März in einem Briefe an den Minister von Plessen einige auf eigener Erfahrung beruhende Vorschläge gemacht über Organisation „eines Hilfskorps anderer Art als bisher“, eines Korps, das nicht nur genannt werden müsse, ,,wenn von Mehl- und Ochsentransporten die Rede ist“, sondern stets kräftig mitzuwirken habe. Zugleich bot er sich selbst als ersten Freiwilligen an.


Vollen Ausdruck fand die Begeisterung im Lande aber, als der Herzog am 23. März eine Kabinettsordre an die Kommandanten von Rostock und Wismar erließ, durch die alle Verordnungen und Einrichtungen betreffs der napoleonischen Kontinentalsperre aufgehoben und fortan wieder ein freier Seehandel mit allen Völkern außer denen, die mit Rußland im Kriege lagen, gestattet wurde. Diese Bestimmung war im letzten Grunde gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung an Napoleon. Gerade die Seestädte hatten, wie oben (S. 4) besagt, am schwersten unter dem französischen Joch zu leiden gehabt. Mit unbeschreiblichem Jubel wurde diese Nachricht daher von der seestädtischen Bevölkerung aufgenommen. Die Schiffe in den Häfen ließen wieder ihre Flaggen wehen, und abends waren Markt und Straßen festlich erleuchtet. In Wort und Bild verspottete und verhöhnte man Napoleon. Strohpuppen und Hampelmänner, in denen des Korsen Gestalt und Gesicht karikiert erschien, wurden hier wie auch den Städten von Witzbolden und Gassenjungen unter Gejodel und Gepfeif durch die Straßen getragen.

Am höchsten stieg die Begeisterung in Rostock. Schon seit einiger Zeit hatten sich viele junge Leute unter Anweisung und Leitung seitens der Unteroffiziere der dortigen Garnison heimlich im Gebrauch der Waffen geübt. Die Studenten hatten einen feierlichen Bund geschlossen und waren brieflich mit den Studenten anderer Universitäten, vornehmlich Greifswalds und Berlins, in Verbindung getreten. Einige von ihnen waren, als die Nachricht von der Bildung des Lützowschen Freikorvs und den Bestrebungen des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn erscholl, nach Berlin geeilt, um sich diesem Korps anzuschließen, hatten aber zum Teil wegen Sperrung der Stadt unverrichteter Sache wieder umkehren müssen. Trotzdem hatte man sich nicht einschüchtern lassen. Anderen gelang es, nach Breslau durchzukommen und sich dem Freikorps anzuschließen. Unter diesen befand sich auch der schon genannte Dichter Ludwig Nagel, eines Tischlers Sohn aus Schwerin, damals Hauslehrer auf einem mecklenburgischen Rittergut. Er ließ sein schönes „Gebet“ erklingen:
Vater, mit Herz und Hand
Flehet Dein deutsches Land,
Das Du zur Freiheit erkoren.
Wild in erneuter Glut
Hat sich der Hölle Wut
Gegen die Deinen verschworen.

Herr, unser Schild und Hort,
Führe das deutsche Wort
Irdisch wie himmlisch zum Siege!
Hilf uns, Du starker Gott,
Daß des Verderbers Rott’
Uns nun auf ewig erliege!“

Als nun die Kunde von dem Austritt des Landesfürsten aus dem Rheinbund kam, da sandten die Rostocker Studenten sogleich folgende Petition an den Herzog:

„Durchlauchtigster Herzog,
Gnädigster Herzog und Herr!“

„Die Liebe zu Euer Herzolichen Durchlaucht, unserm allverehrtesten Landesherrn, die unser Innerstes erfüllt und unsern Mut entflammt, Euer Herzoglichen Durchlaucht die größten Opfer zu bringen, die Anhänglichkeit an unser Vaterland und das Beispiel so vieler deutscher Jünglinge unseres Standes, die zum Schutze ihres Regenten und zur Verteidigung ihres Vaterlandes herbeieilten, hat auch uns zu der untertänigsten Bitte bestimmt, Euer Herzoglichen Durchlaucht mögen es uns gnädigst gestatten, wenn höchst-dieselben es dem Wohle des Ganzen angemessen finden sollten, alle Jünglinge Mecklenburgs zur Verteidigung des Landes aufzurufen, daß wir vereint mit einem eigenen Korps in Verbindung mit anderen gebildeten Jünglingen für unsern geliebten Fürsten und das Vaterland kampfen dürfen.

„Indem wir Euer herzoglichen Durchlaucht um huldreiche Gewährung unserer untertänigsten Bitte und um gnädige Aufnahme der Äußerung unserer Gesinnung anflehen, verharren wir in tiefster Ehrfurcht
Euer herzoglichen Durchlaucht
Untertänigste
sämtlich zu Rostock
Studierende.“
Rostock,
den 17. Marz 1813.

Auf diese Adresse war unter dem 20. März eine Antwort des Herzogs erfolgt. Letzterer war über den patriotischen Eifer und die Vaterlandsliebe seiner akademischen Jugend tief gerührt und zugleich hoch erfreut, gebot ihr aber, sich zunächst noch ein wenig zu gedulden, mit der ausdrücklichen Versicherung, daß er das Anerbieten mit Vergnügen annehmen werde, sobald die Verhaltnisse die Ausführung desselben zweckdienlich machten.

Dieser Augenblick war nicht mehr fern. Schon unter dem 25. März erschien der langersehnte landesherrliche Aufruf zum freiwilligen Dienst in der Infanterie. Er lautet folgendermaßen:

„Die Treue und Anhänglichkeit unserer geliebten Untertanen haben in jedem Augenblick unserer Regierung höchstes Glück ausgemacht. Sie sind unsere Stütze, unser Trost in den verhängnisvollen Zeiten gewesen, welche ganz vorzüglich unser teures Vaterland belastet haben.

Diese in jedem Wechsel der Dinge erprobte Treue erfüllt Unser landesväterliches Herz mit den Gefühlen der reinsten Dankbarkeit.
Jetzt ist eine neue Zeit aufgegangen, die eine glückliche Zukunft verspricht. Des großmütigen Kaisers von Rußland siegreiche Heere bringen dem deutschen Vaterlande die lange entbehrte Freiheit wieder.

Es gilt nichts Geringeres als Deutschlands Befreiung für immer. Zu diesem großen heiligen Zweck muß alles, was deutsch sich nennt, mit voller und ausdauernder Anstengung mitwirken. Nur so kann das hohe Ziel erreicht, nur so das Glück verdient werden, welches Alexanders heilbringende Gesinnungen uns darbieten.

Wir rechnen es uns zur Ehre, unter Deutschlands Fürsten einer der ersten zu sein, der das Beispiel reiner Vaterlandsliebe gibt, und Wir sind entschlossen, alle unsere Kräfte aufzubieten.

Zu dem Ende wollen Wir auch ein Korps regulärer Infanterie, von welchem unsere Leibgarde den Stamm ausmachen soll, und ein Jägerkorps errichten und fordern hierdurch unsere getreuen Untertanen ohne allen Unterschied der Geburt und des Standes auf, sich zu diesem Zwecke zu vereinigen; überzeugt, daß Wir nur dem allgemeinen Wunsche entgegenkommen, indem Wir die Gelegenheit darbieten, durch die Tat zu zeigen, daß in den Herzen der Meckleitburger reiner deutscher Sinn und Liebe für Fürst und Vaterland treu bewahrt geblieben sind.

Zuerst fordern wir hiermit diejenigen auf, welche bereit sind, sich freiwillig unter die reguläre Infanterie zu engagieren, wo ihnen Montierung, Waffen und der gehörige Sold gereicht werden sollen.

Sie haben sich deshalb bei unserm Generalmajor von Fallois in Rostock fördersamst zu melden und von ihm das weitere zu gewärtigen, da Wir, nachdem bereits der Stamm der Brigade mit einigen hundert Mann fürs erste nach Hamburg ausmarschiert ist, denselben zur weiteren Organisierung dieser Brigade beauftragt haben.

Sollte sie bis zum 15. April wider Unser Hoffen und Erwarten nicht durch freiwilligen Zutritt vollzählig geworden sein, so wird freilich zur Anschaffung der alsdann noch fehlenden Mannschaft die sonst hiermit suspendierte Subskription eintreten müssen.
Wer sich jetzt freiwillig stellt, hat seine völlige Freiheit, nach beendigtem Kriege seinen Abschied zu nehmen, und ist alsdann nicht allein von aller Konskriptionspflichtigkeit frei, sondern hat auch, wenn er gut gedient hat, zu erwarten, daß wir bei Besetzung folcher Stellen, zu denen er Geschick hat, vorzüglich auf ihn Rücksicht nehmen werden. Es wird übrigens jeder zum Militärdienst tüchtige Mann angegenommen, nur nicht, wenn er unter 19 Jahren alt ist.

Wegen des Jägerkorps und inwiefern es zu Fuß oder auch zum Teil zu Pferde errichtet werden dürfte, soll binnen der nächsten acht Tage das Nähere bekannt gemacht werden; nur wird hiermit im voraus angezeigt und von uns erklärt, daß jeder zu solchem Jägerkorps tretende Mann sich auf seine eigenen Kosten wird equipieren und armieren müssen und daß wir vorzüglich wenigstens einige hundert gelernte Jäger zu haben wünschen.

Jede Obrigkeit in unserm Lande hat für die Austeilung der mit dem Offiz. Wochenblatt ihr zugehenden Exemplare dieses Aufrufs zu sorgen und auf die Stellung dienstfähiger Mannschaft nach ihren Kräften möglichst mitzuwirken; allen Predigern aber in unserm Lande befehlen wir, an den beiden ersten Sonntagen nach Empfang dieses Aufrufs denselben mit einer kurzen, anpassenden Ermahnung von den Kanzeln zu verlesen.
Gegeben auf unsrer Festung Schwerin den 25. März 1813.
Friedrich Franz.
A. G. v. Brandenstein.

Tagsdarauf, am 26. Mürz, erfolgte bereits ein zweiter Aufruf zur Unterstützung der Bewaffnung durch freiwillige Beiträge.
„Was freier Wille,“ so heißt es darin, „angefeuert durch den dankbaren Aufblick zu dem großen Gott, der uns schon jetzt über unsre Erwartnng dem großen Ziele näher gebracht hat, was wahre Liebe gegen Fürst und Vaterland, welche den guten Mecklenburger bezeichnet und ehret, einem jeden eingeben, was eines jeden Kräfte vermögen, das gebe er segenbringend zum allgemeinen Bedürfnisse. Es sei bestimmt zu unserer Verteidigung, zur Unterstützung derer, die jetzt ihren Arm und ihr Blut dem Vaterlande widmen, zur Anschaffung von Waffen und was sonst zur Ausrüstung des Kriegers gehört.“ Alle freiwilligen Beiträge an Geld, Kostbarkeiten, Schmuckgegenständen usw. sollten auf dem Lande von der Ortsobrigkeit, in den Städten von freiwillig sich meldenden patriotischen Männern eingesammelt und an den unter der Direktion des engeren Ausschusses der Ritter- und Landschaft stehenden Landkasten in Rostock gesandt werden. Pferde, Waffen und Kleidungsstücke konnte man auch direkt an eine Behörde abliefern. Von einer besonderen Steuer hoffte der Herzog im Hinblick auf reichlich fließende freiwillige Beiträge absehen zu können. „Lasset uns,“ so schließt alsdann der Aufruf, „nicht veressen, daß auch wir durch möglichste Anstrengung Gottes Segen und unser Glück verdienen müssen.“

An demselben Tage wurde auch durch eine weitere Verordnung eine Nationalkokarde in den mecklenburgischen Wappenfarben blau gelb rot als äußeres Zeichen gestiftet. Jeder ungescholtene Mecklenburger sollte sie an der Kopfbedeckung tragen.

Wiederum einen Tag später, am 27. März, an dem Tage, an welchem das Gardebataillon bereits Ludwigslust verließ, um am Kampfe unter Tettenborn gegen die Franzosen an der Niederelbe teilzunehmen, erfolgte ein dritter Aufruf zur Bildung und Formierung zweier neuer Jägerregimenter, eines zu Fuß und eines zu Pferde.

Wie die Organisierung einer neuen Fußtruppe, so war auch die Formierung besonderer Kavallerie schon verschiedentlich betont worden. Der Minister von Plessen hatte bereits vor einigen Tagen die Meinung des preußischen Königs, die dieser ihm gegenüber bei der königlichen Mittagstafel außerte, daß nämlich „gerade tüchtig ausgebildete Jäger zu Fuß im Kriege von großem Wert seien“, an den Herzog berichtet und diesen in seinen Gedanken an die Errichtung neuer Truppenteile bestärkt. Der Graf von Osten-Sacken hatte, wie oben gesagt, sich schon als ersten Freiwilligen für ein Hilfskorps angeboten. Dasselbe tat nun auch in einem Briefe vom 23. März der Rittmeister a. D. von Müller, der früher in preußischen Diensten gewesen war. Dabei erklärte er, daß ihn, der im Besitze eines trefflichen Weibes und dreier hoffnungsvoller Söhne sei, häuslich überaus glücklich lebe und sein Brot habe, nur reine Liebe für Fürst und Vaterland zu dem Entschluß bestimme, ,,in reiferen Jahren noch einmal dem Vaterlande bei drohender Gefahr sich darzubieten“. So forderte denn der Herzog unter dem 27. alle jungen Männer, besonders auch die Forstbedienten, zum Eintritt in zwei neu zu bildende Jägerregimenter, eines zu Fuß und eines zu Pferde, auf. Bedingung zum Eintritt soll, ausgenommen bei den gelernten Jägern, selbständige Bekleidung und Bewaffnung sein. Eine Bevorzugung in der Besetzung von staatlichen Ämtern sowie das Offenhalten der Stellen für die gegenwärtigen Inhaber, falls solche ins Korps eintreten, wird auch hier zugesichert und von allen kommunalen Behörden des Landes ebenfalls erwartet. Zu Obersten werden für das Regiment zu Fuß der Graf von Osten-Sacken, für das reitende Korps von Müller ernannt, die beide bereits am 26. März vom Herzog nach Ludwigslust befohlen waren, um ihm bei der Ausführung seiner Pläne zur Seite zu stehen. Auch dieser Aufruf wurde auf Befehl des Herzogs allerorten obrigkeitlich bekannt gemacht und von den Kanzeln verlesen.

Es waren arbeitsreiche Tage für den Herzog. Rastlos vom frühen Morgen bis zum späten Abend galt es im Bunde mit Ministern und Ratgebern die Angelegenheit zu fördern und ihre Ausführung in die richtigen Wege zu leiten. Am 2. April wurde vom Herzog das von der Regierung im Bunde mit den beiden Obersten von Osten-Sacken und von Müller ausgearbeitele Regulativ zur Organisation des freiwilligen Jägerkorps bestätigt. Das ganze Werk aber, das dem rechten Geiste und aus vollem Herzen in Angriff genommen wurde, gedieh mit Gottes Hilfe zum Segen des Vaterlandes, zum Ruhme aller, die daran teilnahmen, und zur Nacheiferung für uns, die wir mit Stolz und Freude auf die Väter in den Tagen jener großen Zeit zurückblicken.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Mecklenburger.