In der Residenz Ludwigslust; Austritt des Herzogs aus dem Rheinbund.

Am 14. März morgens 10 Uhr, an einem herrlichen Frühlingstage, rückte der russische Oberst Freiherr von Tettenborn, von Berlin über Perleberg und Grabow kommend, mit der russischen Vorhut in Ludwigslust, der damaligen Mecklenburg-Schwerinschen Residenz, ein. Er hatte vier Kosakenregimenter, zwei Schwadronen Isumpscher Husaren, eine Schwadron kasanscher Dragoner, insgesamt etwa 1.500 Reiter, dazu zwei Geschütze mit Bedienungsmannschaft bei sich. Nach einer kleinen Ruhepause und Erledigung eines hochwichtigen Auftrages wollte er alsdann von hier seinen Weg durch Mecklenburg an die untere Elbe fortsetzen, um das von den Franzosen besetzte Hamburg diesen zu entreißen. Als die Nachricht von dem heranrücken der Reiterschar in Ludwigslust bekannt geworden war, da war ihr bereits eine große Menschenmenge auf halbem Wege nach Grabow entgegengeeilt und hatte die Ankommenden mit stürmischen Hurrarufen empfangen. Unter dem lauten Gesang der Krieger, in den die sie begleitende Menschenmenge, so gut sie es vermochte, aus vollem Herzen einstimmte, zog die ganze Schar, die sich von Minute zu Minute aus allen Straßen und Häusern vergrößerte, zum herzoglichen Schloß und brachte hier der fürstlichen Familie, die vom Balkon des Schlosses aus dem Einmarsch zusah, begeisterte Ovationen dar. Dann wurde der eine Teil der Truppen, vornehmlich die Husaren, einguartiert, während der Rest, ein ziemlich bunter Haufe von Kosaken, Baschkieren und Asiaten, auf dem Schloßplatze (heute Alexandrinenplatz) und am Ende der Schloßstraße sich lagerte. Für die Pferde schüttete man Hafer in großen Mengen auf den Damm. Die Truppen aber wurden durch die herzogliche Küche sowie von der Einwohnerschaft mit Freuden bewirtet. Ein jeder gab gern und reichlich, was er nur hatte. War es doch nach langer, trüber Zeit das erstemal, daß die Sonne des Glückes wieder über der mecklenburgischen Residenz leuchtete und mit ihren Strahlen die wenn auch nur kleine Zahl von Kampfern für Freiheit und Recht vergoldete.

Indessen hatte sich Tettenborn selbst gegen Mittag zu Friedrich Franz ins Schloß begeben und verweilte daselbst über zwei Stunden. Er überbrachte dem Herzog einen Brief vom Kaiser Alexander von Rußland mit der Aufforderung, dem Rheinbunde zu entsagen. War der Herzog auch noch vor kurzem einem Ausruf entgegengetreten, den der Kaiser Alexander und sein Oberbefehlshaber Barkley de Tolly an die Deutschen zur Befreiung aus dem französischen Joch und zum Anschluß an Rußland richteten, so hatte er es nur gezwungen als Mitglied des Rheinbundes getan. Dazu war er noch ganz umringt gewesen von französischen Soldaten und Beamten und hatte somit fürchten müssen, daß Napoleon an dem Mecklenburger Land und Volk Rache nehmen möchte. Jetzt aber, wo aus den Trümmern der französischen Armee in den Gefilden Rußlands die Glocke der Befreiung so mächtig geschlagen hatte und die zurückkommenden elenden Reste des einst so stolzen französischen Heeres eine nur zu deutliche Sprache redeten, jetzt zögerte Friedrich Franz nicht länger, und bald mischte sich in den Jubel der Bevölkerung draußen vor dem Schloß und auf den Straßen der Residenz die Kunde von dem Entschluß des Fürsten: wie er einst als letzter dem Rheinbunde beigetreten war, so wollte er ihm nunmehr als erster wieder entsagen.
Das geschah bereits am 14. März, drei Tage vor dem Aufruf des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm ,,An mein Volk“ und ,,An mein Kriegsheer“. Am Nachmittag besuchten der Herzog sowie die Erbprinzessin und andere Mitglieder des fürstlichen Hauses das Lager der Truppen. Als man vernahm, daß auch die Kinder der verstorbenen ersten Gemahlin des Erbprinzen Friedrich Ludwig, der russischen Großfürstin Helene Paulowna, einer Schwester des Kaisers Alexander, sich dabei befänden, da drängten sich besonders die Kosaken heran, um ihnen die Hände zu küssen. Heiter und fröhlich verlief der Abend, bis man durch eine kleine Nachtruhe sich für den in aller Frühe beabsichtigten Weitermarsch noch zu stärken suchte.


Gern hätte Tettenborn sogleich das erste aus drei Kompagnien (etwa 300 Mann) wohlgeübter Truppen bestehende Gardegrenadierbataillon mit nach Hamburg genommen, um so neben seiner Reiterei doch wenigstens auch ein Kommando regulärer Fußtruppen bei sich zu haben, aber das Bataillon war noch nicht völlig formiert und marschfertig. So setzte er denn voll Freude über den bisherigen Erfolg am nächsten Morgen, den 15. März, bei Tagesanbruch seinen Zug über Lübtheen auf Hamburg fort. Noch in Ludwigslust hatte er von dem Führer der Hamburger Bürgerwache v. Heß durch einen reitenden Boten ein Schreiben erhalten, das ihn über den Abzug der Franzosen aus Hamburg und die dortige Lage der Dinge unterrichtete. Der französische General Morand, so hieß es, der die letzten französischen Nachzügler von Pommern her durch Mecklenburg führte, sei im Anzug auf Hamburg. Sogleich ließ Tettenborn durch den Boten zurückmeldeten, dass er unverzüglich auf Hamburg vorgehen und die Besetzung der Stadt durch Morand zu verhindern versuchen werde. Eilens machte er sich denn auf den Weg, trotz der frühen Stunde von einer großen Menschenmenge zur Stadt zur Stadt hinausbegleitet. Am 16. schon erreichte er den General Morand, der um die Südseite des Ratzeburger Sees herum über Mölln eiligst auf Hamburg zueilte und unterwegs schon einige Munitionswagen, die ihm hinderlich waren, bei Thurow bei Ratzeburg hatte stehen lassen, in der Gegend von Bergedorf. Am 17. wurde Morand unter Verlust von 6 Kanonen, die er auf dem Elbdeich an der rechten Seite zum Schutze hatte auffahren lassen, beim Zollenspeicher, einem wichtigen Elbübergang, auf das linke Elbufer zurückgedrängt. Am Abend dieses Tages noch zog Tettenborn in Bergedorf ein.
In Ludwigslust aber wie auch im ganzen Mecklenburger Land galt es jetzt, die Ausrüstung der eigenen Landestruppen zu beschleunigen, um auch sie möglichst bald als Streiter für die deutsche Sache entsenden zu können.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Mecklenburger.