Güstrow, der Sammelplatz der freiwilligen Jäger.

Schon anfangs April strömten eine große Anzahl junger Leute jeglichen Standes und Gewerbes aus allen Gegenden in Güstrow zusammen. Das Bureau, in dem sich die Freiwilligen für den Heeresdienst einschreiben ließen, befand sich im Hause des Stadtsekretärs Sauerkohl am Schloßplatz. Am 14. April waren bereits 171 Mann und 80 Pferde beisammen, deren Zahl sich ständig vergrößerte. Bald kamen auch die beiden neuernannten Kommandeure, die Obersten Graf von Osten-Sacken und von Müller, nach Güstrow.*) Eine große Arbeit wartete ihrer hier. Zwar war in dem Regulativ vom 2. April in Plänen und Gedanken alles wohl vorbereitet und ausgesprochen. Nun aber sollte es in die Tat umgesetzt werden. Da zeigten sich denn sogleich nicht geringe
Schwierigkeiten. Das jahrelange französische Regiment im Lande, die Habgier französischer Beamten, die vielen Einquartierungen, die großen Truppendurchzüge, die unaufhörlichen Kontributionen, vor allem der entsetzliche Feldzug nach Rußland, zu dem Mecklenburg über Gebühr und Können an Truppen und Abgaben hatte beisteuern müssen, hatten das Land verödet, die Bevölkerung verarmen lassen und es fast an den Rand des Verderbens gebracht. Wo waren trotz der großen Begeisterung jetzt noch Waffen, Munition, Kleidung und Uniformen, wo Sattelgeschirr für die Pferde, wo Offiziere und Truppenführer oder wo die Mittel zu ihrer Beschaffung? Gewiß hatte das Volk viel gegeben, soviel es hatte, aber war es genug zu einem Kampf gegen den Weltbezwinger Napoleon? Wie beschwerlich war zudem die Herbeischaffung des Notwendigsten in einer Zeit, in der es keine Eisenbahnen und Telegraphen gab, wo die Wege unter der Kriegszeit verfallen waren! So schreibt denn auch der Graf von Osten-Sacken am 15. April an den Herzog: „Gute Waffen, Durchlauchtigster Herr, ist, was uns fehlt, und ohne gute Büchsen dieses Korps marschieren zu lassen, wäre in der Tat unverantwortlich, weil es, gut bewaffnet, Wunder tun muß, noch sind wir ohne Uniform, dem Mangel des Tuches ist erst in diesem Augenblick abgeholfen, wir exerzieren aber täglich recht fleißig.“ Auch der Oberst von Müller klagt über gänzlichen Mangel an grünem Tuch und an Sätteln. Sodann fehlte es an Kompagniechefs, an Abteilungsführern, an alten, gelernten Offizieren. Vorschläge über Vorschläge mußten die beiden Obersten dem Herzog machen, der mit allem einverstanden war und sich von Herzen über ihren unermüdlichen Fleiß freute. Waffen sollten zu den inländischen noch vom Auslande bezogen werden, besonders aus Preußen und England. Zugleich wurden vom Engeren Ausschuß, der die Verwaltung und Einteilnng der eingehenden freiwilligen Beiträge hatte, dem Major von Flotow zu Woldseegarten, dem Regimenisquartiermeister beider Korps, l.000 Tschakos, das Lederzeug für 400 Mann, dazu die übrigen Equipierungsbedürfnisse für 400 Mann angewiesen mit der Bemerkung, daß die Bemittelten alles nach dem Selbstkostenpreis bezahlen, die Unbemittelten es jedoch umsonst erhalten sollten.**) Bald flutete denn Güstrow auch über von grünen Kriegern, die sich in ihrer dienstfreien Zeit auf dem Markte und in den Straßen und Anlagen sowie vor der Stadt mit den Bewohnern bunt durcheinander mischten. Die Geschäftsleute und Handwerker, wie Schuster, Schneider, Sattler, Klempner, Schlosser u. a. konnten die Menge der Aufträge für die Ausrüstung der beiden Korps nur mit Zuhilfenahme der Nacht erledigen. Ein Verein edler mecklenburgischer Frauen und Jungfrauen schenkte dem reitenden Korps eine Standarte, den Fußjägern vier Fähnlein. Auf der einen Seite der Fahne befand sich innerhalb eines goldgestickten Eichenkranzes das mecklenburgische Wappen auf einem roten Kreuze, auf der andern in einem gleichen Kranze die Inschrift: ,,Von Gott kommt Mut und Stärke“. Die Fähnlein zeigten auf der einen Seite Kreuz und Schwert ebenfalls in einem goldenen Eichenkranz, auf der andern die Inschriften, bei zweien: „Sieg oder Tod“, bei zweien: „Mit Gott fürs Vaterland“.



*) Graf von Osten-Sacken auf Bellin, Amt Goldberg, Chef der Fußjäger, war geboren im Jahre 1780 zu Klausdorf im Preußischen, diente als Leutnant im preußischen Regiment Hohenlohe und erhielt als solcher 1800 den Abschied. Schon am 12. März 1813 hatte er sich in einem Briefe an den Minister von Plessen als ersten Freiwilligen gemeldet. Ein stattlich-schöner Mann, anfangs dreißiger, selbst klug und gebildet, war er wohlgeeignet, der Anführer des Fußjägerkorps zu werden, das sich zum größten Teil aus Vertretern der gebildeten Klassen sowie aus Forstmännern zusammensetzte. Sein Adjutant wurde der Haupttnann Freiherr von Stein, der den russischen Feldzug mitgemacht und alle Schrecknisse desselben mit eigenen Augen gesehen hatte. Osten-Sacken starb l86l.
Der Oberst von Müller, geb. l768 zu Gartow in der Mark, hatte im preußischen Regiment von Usedom gedient, dann 1801 seinen Abschied erhalten, erwarb mehrere Güter, wie Gramzow, Schabow und Striggow und hatte am 23. März sich für eine etwaige Errichtung eines Kavallerieregimentes beim Herzog angeboten. Am 6 April wurde er zum Obersten und Chef des reitenden Jägerkorps ernannt. Ein ebenso kluger und erfahrener Kriegsmann wie Osten-Sacken, verstand er vortrefflich die ihm gestellte Ausgabe zu lösen. Sein reitendes Korps bestand im Gegensatz zu den Fußjägerkorps mehr aus früheren Husaren und Gendarmen meist bäuerlicher Herkunft, aber kerniger und derber Art, die keine Gefahren kannten und ohne Erbarmen auf den Feind einhieben. Müller starb 1824 zu Bützow.


*) Die Einkleidung eines Fußjägerkorps kostete 42 Taler, 10 Gr. 4 Pf., die eines reitenden Jägers (ohne Pferd) 69 Taler, 11 Gr. 11 ½ Pf.

Die Ausrüstung der Fußjäger bestand in einem Tschako mit grünen wollenen, bei den Feldwebeln und Oberjägern mit golddurchwirkten, bei den Offizieren aber mit rein goldenen Schnüren; außerdem hatte der Tschako gelbe messingne Sturmbänder, die, nach oben gebunden, durch einen je nach der Kompanie verschiedenfarbigen Ponpon befestigt waren, dazu noch ein Messing- bzw. Goldblech, das die aufgehende Sonne mit dem mecklenburgischen Wappen darstellte, und einen langen günen Federbusch. Außer Dienst wurde statt des Tschakos eine Feldmütze von grünem Tuch mit einem roten Bandstreifen getragen. Die Uniform war hellgrün mit rotem, hochstehendem Kragen und Achselklappen, roten Handaufschlägen und Rockschößen mit gelben Knöpfen und verschiedenen Goldtressen, die bei den Offizieren meist kunstvoll gestickt waren. An zwei auf Brust und Rücken über die Schulter weg sich kreuzenden schwarzen Riemen, die durch einen dritten um den Leib festgehalten wurden, hing an der linken Seite der Hirschfänger, bei den Offizieren der Säbel, dazu die Patronentasche. Außer Dienst ging der Fußjäger in einer leichtengrünen Jacke. Die Hosen waren aus dunkelgrünem Tuch, die Fußbekleidung bestand aus schwarzen Schuhen oder Stiefeln. Als Waffe diente neben dem Hirschfänger bzw. Säbel eine Büchse mit Bajonett, das aber an der Seite des Büchsenschaftes befestigt werden konnte. Die Büchse schoß sicher nur auf 300 bis 500 Schritt; sie wurde beim Marschieren an einem Riemen über der rechten Schulter getragen. Auch waren die einzelnen Büchsen vielfach verschiedenen Kalibers, und viele Jäger hatten daher ihre eigene Kugelform, die sie sich nicht selten selbst unterwegs mit ihren dazu notwendigen Gerätschaften anfertigten. Mantel, Tornister (bei den Offizieren Mantelsack), Handschuhe, Feldflasche u. a. mehr vervollständigten die Uniformierung.

Die Ausrüstung der reitenden Jäger entsprach unter den für ihre Art als Reitertruppe notwendigen Änderungen im großen und ganzen der der Fußjäger. Statt des grünen Federbusches am Tschako hatten sie einen grauen Roßschweif, statt des Hirschfängers einen großen, gebogenen Säbel, statt der Büchse den Karabiner, dazu Pistolen, statt des langen Infanterierockes ein kurzes Reiterjackett, statt der grauen Beinkleider grüne Hosen. Ihre Pferde waren meist ausgesuchte schöne Exemplare des mecklenburgischen Landes.

Das Fußjägerregiment bestand aus 4 Kompagnien, von denen jede ihren Kompagniechef (Hauptmann) hatte. Der Führer der 1. Kompagnie, ein Major, war zugleich Adjutant des Obersten von Sacken. Außerdem besaß jede Kompagnie vier Leutnants, von denen jeder seinen Zug hatte, zehn Oberjäger, von denen wieder jeder seine Jägerschaft hatte, einen reitenden Oberjäger, einen Quartiermacher, einen Chirurgus, die alle vier wieder unter dem Regimentsarzt standen, mehrere Hornisten, die bisweilen alle zusammen unter einem Stabshornisten zu einem Musikkorps vereinigt wurden, einen Büchsenmacher und etwa 100 Jäger. Der Etat hatte als Gesamtzahl des Regiments ca. 600 vorgesehen, eine Zahl, die aber erst später in Grabow erreicht wurde. Zum Troß gehörten Marketender, Wäscherinnen, Packknechte usw.

Das reitende Jägerkorps bestand - allerdings auch erst nach der vollständigen Organisation, wie sie später in Parchim erreicht wurde - aus 4 Eskadrons (Schwadronen), deren jede ihren Eskadronchef und Stabsrittmeister erhielt.*) Außerdem gehörten zu jeder Eskadron 4 bis 5 Leutnants, mehrere Unteroffiziere, 10 Oberjäger, 3 Trompeter, die alle zusammen wieder unter einem Stabstrompeter standen, ein Chirurg, die alle 4 wieder unter einem Regimentsarzt waren, ein Fahnenschmied und 125 Jäger. Außerdem besaß das Korps einen Quartiermeister, einen Wagenmeister und einen Regimentsschreiber. Dem Obersten von Müller standen zwei Adjutanten zur Seite. So belief sich die Anzahl insgesamt auch hier auf etwa 600.

Die Übungen der Fußjäger fanden, anfangs von einem einzigen Hauptmann, später durch mehrere Exerziermeister und gelernte Jäger geleitet, zunächst auf dem Schloßplatz und Schloßhos statt. Neben Schießen, Marschieren, Schwenken u. dgl. wurde besonders das Tiraillieren, das Schwärmen, geübt. Zweiunddreißig verschiedene Hornsignale regelten das ganze Exerzieren. Auch bei den reitenden Jägern nahmen die Übungen einen regelmäßigen Fortgang. Zunächst galt es, die Pferde an die ihnen unbekannte Arbeit und Umgebung zu gewöhnen. Auch die nach Beschäftigung und Herkunft ver-schiedene, dazu oft unbeholfene und schwerfällige, noch wenig durch strengen Gehorsam und einen einheitlichen Ton geschulte Mannschaft in eine straffe Ordnilng zu bringen, war nicht leicht.



*) Chef der 2. Eskadron wurde Major Prinz Gustav von Mecklenburg-Schwerin.

Beide Korps, wenn auch in ihrer Art als Reiter- bzw. Fußtruppe verschieden, bildeten dennoch eine ziemlich geschlossene Einheit und gegenseitige Ergänzung. Zwischen beiden bestand ein gutes Einvernehmen, gegründet auf das gemeinsame Ziel des Kampfes gegen den Feind, und so oft sich später im Felde Teile des einen mit denen des andern begegneten, war aus beiden Seiten stets große Freude und, wenn möglich, lauter Jubel und Begrüßung durch Händedruck. Als Feldprediger fungierte für beide Regimenter der bisherige Kandidat Riemann. Alle Jäger erhielten ein Gesang- und Gebetbuch, und mehrfach fand unter freiem Himmel ein feierlicher Feldgottesdienst statt.

Schon am 23. April war vom Herzog der Bescheid gekommen, dass die Jäger in anderen, dem Hofe näher liegenden Orten garnisoniert werden sollten, nnd Graf Wallmoden, der Oberbefehlshaber der Verbündeten an der unteren Elbe, drang immer mehr darauf, daß die Truppen an die Elbe in Bewegung gesetzt würden, um zwischen Dömitz und Boizenburg Kantonnierungen zu beziehen, damit sie dort Wachtpostendienst tun und sich so im Angesicht des sich mehr und mehr entwickelnden Krieges weiter ausbilden könnten. Auch eine bessere Regelung der Schußwaffe sollte erfolgen: statt der schweren Büchsen mit ungleichem Kaliber sollten leichtere Gewehre eingeführt werden. Am 29. April kam alsdann der Befehl, daß zwei Kompagnien Fußjäger und 20 bis 30 reitende Jäger zusammen mit 30 ehemaligen, in Ludwigslust equipierten Gendarmen nach Dömitz abgehen sollten, doch rückten statt ihrer am 2. Mai nur die noch nicht vollzählige zweite Fußjäger-Kompagnie des Hauptmanns Brandt, dazu von den reitenden Jägern der Leutnant von der Lühe mit 2 Oberjägern und 17 Jägern aus. Der Rest der Fußjäger wurde zugleich nach Grabow, das reitende Jäger-korps nach Parchim in Garnison beordert.

So fand denn am 1. Mai vor dem Ausmarsch von Güstrow die Beeidigung beider Regimenter in Gegenwart des Prinzen Karl von Mecklenburg, russischen Generalleutnants, statt.

Auf wiederholte Aufforderung des Herzogs erfolgte alsdann nach einem Abschiedsball am 8. zwei Tage darauf, am 10. Mai, der Aufbruch von Güstrow über Lübs nach Parchim bzw. Grabow, wo man schon am 11. eintraf. Der Zug des Fußjägerkorps bestand aus einer Menge Wagen voll Gewehren, Feldkesseln, Kleidern, Schuhzeug, Tschakos, Tornistern, Munition und allen möglichen Geräten. Voraus und hinterdrein, daneben nnd zwischen gingen, manche humpelnd, die halb oder ganz montierten Jäger; einige hatten sich schon so wund gelaufen bzw. exerziert, daß sie auf die Packwagen gesetzt werden mußten. Der Zug glich noch keineswegs einem zum Kriege ausziehenden Feldregiment. Die Ausrüstung war noch vielfach mangelhaft. Es fehlte an vielen Dingen, besonders an Tschakos und sonstigen Iniformteilen, dazu den reitenden Jägern noch an genügend Pferden, so daß bei dem Zug der letzteren ebenfalls manche zu Wagen in die neue Garnison gebracht werden mußten.
Die Bewohner Güstrows aber sahen die ihnen liebgewordenen Jäger init großem Bedauern aus ihren Mauern scheiden. Es war ein herzliches Lebewohl, das man sich hier von beiden Seiten zurief. Hatten doch die Jäger gern in der alten Vorderstadt geweilt und manches treue Freundschafts- und Herzensband geknüpft, die Güstrower dagegen in den beiden Regimentern ihren Stolz und ihren Ruhm gesehen. So blieb denn auch weiterhin Güstrow die Stadt der freiwilligen Jäger, und als diese nach Jahresfrist aus dem Feldzuge wieder heimkehrten, da war es ganz natürlich, daß die Fußjäger, die nach dem allgemeinen Empfang in Rostock auch noch in Güstrow ihren Einzug hielten, bei allen Bewohnern eine überaus herzliche Begrüßung und gleichsam als Kinder des Ortes einen väterlichen Dank ernteten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Mecklenburger.