Abschnitt 6

„Gestern sagte mir nun Graf Görz 11), daß er auch kürzlich angewiesen sey, diese Angelegenheit nachdrücklichst zu unterstützen, desgleichen auch KurBayern. Im Vertrauen ist mir gesagt, daß die französischen Gesandten eben nicht dafür geneigt wären, jedoch dieses nicht, als ob sie ungünstig für Mecklenburg gestimmt wären, sondern nur weil ihnen die Anzahl der neuen Kurfürsten als eine ungerade Zahl bey Deliberationen für angemessener schiene jedoch haben sie ganz bestimmt erkläret, daß sobald von Rußland der Vorschlag für Mecklenburg gemacht würde, sie ihn von ihrer Seite auch eifrigst betreiben wollten. Wenn indessen Euer herzogl. Durchlaucht diese Anträge in weisen Rathschluß gezogen, und bey der gegenwärtigen schnellen Betreibung der Angelegenheiten, auch eine höchste Entschließung bestimmt werden gefaßt haben, so bitte ich in Unterthänigkeit mich darüber aufs baldigste zu instruiren. Ich sehe dieser höchsten Weisung in desto größerer Ungedult entgegen, als es gegenwärtig der wahre Moment ist, die Sache in Vortrag und Unterhandlung zu bringen, sobald Eure herzogliche Durchlaucht noch auf die Kurwürde reflectiren oder auch die Negotiation zu irgend einer Acquisition noch einschlagen möchten. Ich würde in diesem Falle bitten, mir per Estaffette die höchste Resolution zukommen zu lassen, weil man suchen müßte noch vor der völligen Concludirung Höchstdero Angelegenheiten mit darinn begreifen zu lassen. Von den Gesandten der Höfe, welche sich dafür interessiren, werde ich um Auskunft angegangen, weil Sie keine voreilige Schritte machen möchten. Eure herzogl. Durchlaucht werden mir alsdann die Gnade wiederfahren laßen mit der höchsten Willensmeynung in ihrer ganzen Vollständigkeit und Bestimmtheit mich bekannt zu machen. Soferne man den ungewissen Gang der Deputationshandlungen berechnen kann, so glaubt man, wie mir gestern der französische Gesandte äußerte, vorläufig über die Annahme des Plans innerhalb 14 Tagen concludiren, das definitive Conclusum zur Ratifikation an Kaiser und Reich aber nach 4 Wochen abschließen zu können. Ich möchte jedoch glauben, daß manche Hindernisse hiebey wenigstens einen Aufenthalt verursachen werden.“

Dieser doch nicht unwichtige Bericht wurde von Plessen seltsamerweise mit der Post gesandt und traf in Ludwigslust erst am 16., in Schwerin am 17. ein, was den Grafen Bassewitz zu der Dorsalbemerkung veranlaßte: „Ich wünschte Ref. hätte diesen Bericht durch Estaffette befördert.“ Sofort wurde die Weisung an Plessen aufgesetzt, die, da Graf Bassewitz erfuhr, der damals nicht im Lande weilende Herzog werde bis zum 21. in Dresden bleiben, nebst einem herzoglichen Schreiben an den Reichsfriedens-Exekutions-Kongreß zunächst durch Estaffette nach Dresden ging und von dort auf gleiche Weise nach Regensburg gesandt werden sollte. Infolge veränderten Reiseplans verfehlte aber die Estaffette den Herzog sowohl in Dresden als auch nachfolgends in Braunschweig; erst am 26. kehrte er nach Ludwigslust zurück.


Die Weisung an Plessen vom 17. September besagte: „So sehr Wir die damit verknüpften Vorzüge zu schätzen wissen, so würden Wir doch den größten Wehrt der KuhrWürde, wenn sie Unserm fürstlichen Hause verliehen werden sollte, darinn setzen, daß Wir solche der Protektion des Kaisers von Rusland und des Königs von Preußen Majestäten sowie der Verwendung andrer Höfe zu verdanken haben sollen. Wir können Uns daher nicht entschliessen, eher bei der Reichs-Deputation die Verleihung der KuhrWürde nachzusuchen als bis Wir durch solche kräftige Unterstützungen eben des gewierigen Erfolgs Uns völlig versichert halten können, der den mit dem Unsrigen alternirenden übrigen altfürstlichen Häusern lange vor der Eröfnung der ReichsDeputation zugesichert ist. Dazu aber wird nach dem beschränkten Umfang Unsrer Lande und deren verfassungsmäßiger Revenuen eine angemessene Vergrößerung derselben erfodert, wodurch Unser fürstliches Haus in den Stand gesetzet werden kann, die mit der KuhrWürde verbundenen Lasten und grösseren Kosten zu tragen. Würde es Uns nun zwar am angenehmsten seyn, wenn sich dazu in der Nachbarschaft Unsrer Lande eine Gelegenheit gegen anderweitige Entschädigung finden wollte, so werden Wir es doch auch mit Dank erkennen, wenn dazu in einer andren Gegend Deutschlands eine Acquisition ausgemittelt, oder im Fall dieses nicht geschehen könnte, wenn Uns eine solche baare Hebung angewiesen würde, wodurch die jährlichen Einnahmen Unsers Hauses einen Zuwachs von 200 000 Rthlr. erhielten. Wir auctorisiren euch, hierüber mit dem Russisch Kaiserlichen Gesandten vertraulich euch zu benehmen und diesen dahin zu disponiren, daß er für das Interesse Unsers fürstlichen Hauses nachdrücklich sich verwende, mithin deshalb Namens seiner Russisch Kaiserlichen Majestät und aus Allerhöchstderoselben eignem Antrieb, in Gemäsheit der ihm ertheilten Instructionen, Vorschläge machen möge. Zugleich habt ihr zu eben dem Zweck die Verwendung des Königlich preussischen und des Kuhrbaierschen Gesandten, die sich gleichfalls beifällig gegen euch geäussert haben, bestens zu reclamiren. Wir schmeicheln Uns um desto mehr, daß bei dieser Gelegenheit auf die Vergrösserung Unsers fürstlichen Hauses wird Bedacht genommen werden, je mehr Uns das Glück einer so nahen verwandtschaftlichen Verbindung mit dem Kaiserlich Russischen Hofe und die gegründeten Foderungen dazu berechtigen, die Wir an das deutsche Reich für die beträchtlichen Opfer zu machen haben, welche für die Ruhe desselben von Unsern fürstlichen Vorfahren gebracht sind.“

Das Schreiben an den Reichsfriedens-Executions-Congreß vom 14. September enthielt eine Spezialvollmacht für Plessen: „In dem Augenblick wo, von der vereinigten Weisheit und Standhaftigkeit gegenwärtiger unter reichsoberhäuptlicher allerhöchster Leitung versammleten ausserordentlichen Reichsdeputation, Deutschland die Sicherstellung der Früchte seines Friedens und eine dauerhafte Befestigung seiner Grundverfassung mit so vielem Rechte erwartet, ist auch für Uns und für Unser fürstliches Haus um so viel entscheidender, weil Wir, mit der Vollstreckung des 7ten Artikels des Luneviller Friedenstractats, zugleich zum Genuß eines angemessenen Ersatzes für dasienige Aequivalent zu gelangen hoffen dürfen, welches Unsern fürstlichen Vorfahren im XIIten Artikel § 2 des Osnabrückschen FriedensInstruments schon zugesichert wurde, dessen Wir so lange entbehren mußten und das Uns nun durch die Abtretung des linken Rheinufers auf immer entzogen ist. Wir haben deshalb Unsern Comitial-Gesandten Kammerherrn Leopold Hartwig von Plessen zu Unserm ParticularGevollmächtigten ernannt, um bei der bevorstehenden Ausmittelung und etwanigen Modificirung der Reichsfriedensschlusmäßigen Indemnitäten, auch die offenkundigen Ansprüche Unsers fürstlichen Hauses auf eine gerechte Entschädigung für ienen Verlust geltend zu machen. Wir ersuchen Eure Exzellenzen und die Herren auf das angelegentlichste, gedachtem Unserm bevollmächtigten Gesandten und seinen Anträgen und Reclamationen ein geneigtes Gehör zu verstatten, mithin allem, was in Unserm Namen er vorzubringen die Ehre haben wird, vollkommenen Glauben zuzustellen usw.“




11) Graf Goertz war seit 1787 der brandenburgisch-preußische Komitialgesandte in Regensburg

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde