Abschnitt 5

In dieser vom 10. September datierten Instruktion wird zunächst die befremdliche Tatsache hervorgehoben, daß in dem französisch-russischen Entschädigungsentwurf Mecklenburg überhaupt nicht erwähnt sei, aber die Hoffnung ausgesprochen, daß es gleichwohl nicht ganz ausgeschlossen bleiben werde, und Plessen ausgegeben, „so viel die Lage der Sache nur irgend erlaube, jede sich darbietende Gelegenheit auf das sorgfältigste zu benutzen.“ „Sollte namentlich“ - so heißt es dann weiter - „dem deutschen Orden für den Verlust der überrheinischen Commenderien ein Ersatz an mittelbaren Stiftern zugebilliget werden, so wollen Wir demselben solche zwar in Rücksicht aus die entschiedenen Verdienste des itzigen Herrn Hoch- und Deutschmeisters 8) gerne gönnen. Wir können aber dabei unbemerkt nicht lassen, daß der VII. Artikel des Luneviller Friedens einen Anspruch auf solche Entschädigung eigentlich nicht begründet, indem dieser ausdrücklich nur die weltlichen Erbfürsten princes laïques héréditaires), nicht aber die geistlichen (ecclésiastiques usufruitiers) dazu berechtiget.“

„Desto weniger können Wir zugeben, daß durch eine solche Ausnahme von der Regel des gesammten ratificirten Friedenstraktats Unsere auf dem XII. Art. § 2 des Osnabrückschen Friedensinstruments 9) beruhende ältere Entschädigungsansprüche zurückgesetzt werden. Wir glauben vielmehr die Überlastung der beiden in Unsern Landen belegenen, zur LandComthurei Lucklum der Ballei Sachsen gehörigen mittelbaren deutschen Ordensgüter Frauenmark und Rosenhagen als einen billigen Ersatz um so mehr mit Recht begehren zu können, je gewisser Uns solche als unstreitigem Landesherrn von selbst anheimfallen würden, wenn von dem sonst allgemein einverstandenen SäcularisationsSystem nicht der Deutsche geistliche Ritterorden und dessen Hochmeisterthum durch besondere Begünstigung diesmal ausbeschieden wären.“


„Je weniger aber der geringe Ertrag dieser beiden, ohnehin schon Unserer Landeshoheit unterworfenen unbedeutenden ritterschaftlichen Güter im Stande ist, für den so lange entbehrten Genuß aus der obgedachten friedensschlusmäßigen Entschädigung Unser Fürstl. Haus völlig schadlos zu halten, desto eindrücklicher werdet ihr Gelegenheit nehmen, es vorstellig zu machen: Wie Wir wohl gehofft hätten, bei der in Vorschlag gebrachten Säcularisirung des in der Nähe Unsrer Lande belegenen Hochstifts Lübeck und dessen DomKapittels, mit Unsern Entschädigungsansprüchen nicht ganz übergangen zu werden; und wenn Wir gleich aus persönlicher Freundschaft für des regierenden Herzogs von Holstein-Oldenburg Liebd. gerne davon abstrahirten, so würden Wir doch offenbar hinter die Reichsstadt Lübeck zurückgesetzt, wenn diese, die doch aus keine Weise in die Classe der durch den Krieg benachteiligten Reichsstände gerechnet werden und einen Schadloshaltungsanspruch aus dem Luneviller Traktat ableiten kann, bei einer Säcularisirung, nach dem vorliegenden EntschädigungsPlan gewinnen, Unser Fürstl. Haus hingegen ohne Ersatz dafür bleiben sollte.“

„Wir verstehen hierunter die Abtretung der Teils in Unsern Ämtern Buckow und Grevesmühlen begriffenen, Teils auf der Insel Poel belegenen und bei deren Überweisung an die Krone Schweden im X. Art. § 6 des Westphälischen Friedens namentlich ausgenommenen PrivatGüter und Dörfer des heil. Geisthospitals in Lübeck 10), die wegen ihrer weiten Entfernung von Lübeck dieser milden Stiftung wenig nützen, Uns aber zur Arrondirung Unserer Lande um so wesentlicher interessiren, je anmaßender die Schritte sind, welche der Magistrat gedachter Reichsstadt zum Nachtheil Unserer Landeshoheit über diese HospitalsGüter geltend zu machen bei jeder Gelegenheit versucht.“

„Indem Wir euch eine der neueren Veranlassungen dazu aus dem abschriftlich angeschlossenen Schreiben zu ersehen geben, ertheilen Wir euch den angelegentlichen Auftrag: euch dahin bestens zu verwenden, daß, durch die Abtretung jener 6 Dörfer an Uns, zugleich dieser HoheitsStreit für immer beigelegt und der Stadt Lübeck allenfalls überlassen werden möge, aus den eingezogenen KapittelsGütern das Hospital zu entschädigen.“

Da sich bei dieser Gelegenheit herausstellte, daß Plessen bei der Reichsfriedensdeputation gar nicht beglaubigt war, so wurde ihm schleunigst ein Kreditiv ausgestellt nach Anleitung desjenigen, welches bei Gelegenheit des Rastatter Kongresses, auf dem Mecklenburg durch den Grafen Bassewitz vertreten wurde, erteilt worden war.

Inzwischen hatte Plessen am 6. September weiter berichtet: „Es war bisher die Absicht der Deputation, die Ausmittlung der Entschädigungen als den ersten Punkt ihrer Verhandlungen vorher zu berichtigen, ehe Sie in jene allgemeine Bestimmungen, welche die Verfassung des Ganzen normiren, hereingehen wollte. Es hat sich aber hiebey eine doppelte Schwierigkeit gefunden, weil diese erstlich als generelle Betrachtungen schon in dem Plan mit ausgenommen waren, dann aber auch mit den einzelnen Entschädigungen in so genauer Verbindung standen, daß darüber zugleich mußte entschieden werden. Indem man daher gegenwärtig den Plan im Ganzen adoptiret, so treten auch jene allgemeinen Bestimmungen in ihre Wirklichkeit. Bey der Ertheilung der neuen Kurwürden ist dieses schon von Folge gewesen inden neuerlich Würtemberg und Hessen-Cassel dringend angetrieben haben, daß darüber zugleich mit Genehmigung des Plans concludiret werden möchte. Baaden wird sich denen anschließen. Natürlich überheben Sie sich dadurch aller Widersprüche des kaiserl. Hofes, welchen sie sonst gewiß ausgesetzet gewesen. Dieß hat dann Veranlassung gegeben, daß der Russische Gesandte Hr. v. Bühler nach der ihm von seinem Hof gewordenen Weisung für Eure herzogl. Durchlaucht in einem Nachtrag des Plans die KurWürde fordern, und zugleich, wo möglich, darüber wollte abschließen lassen. Er besprach sich deshalb vorgestern Abends mit mir. Ich sah mich daher genöthiget, ihm zu erklären, daß ich mit keiner speziellen Instruction hierüber versehen sey, insoferne ich aber die bisherigen Gesinnungen meines durchlauchtigsten Hofes kenne, so habe derselbe auch noch in Petersburg erklären laßen, daß er diese ihm aus Kaiserlichem Wohlwollen zugedachte Erhöhung nur insoferne zu übernehmen im Stande wäre, als die dadurch verursachten Kosten durch irgend eine angemessene Acquisition, wozu uns die Ansprüche allerdings nicht mangelten, vergütet würden. Herr von Bühler konnte nicht umhin mir seine Bewunderung über diese Mäsigung und Klugheit zu bezeigen, ersuchte mich aber nachgehends bey Euer herzoglichen Durchlaucht darauf anzutragen, daß Höchstdieselben geruhen möchten aufs schleunigste mich mit einer bestimmten und vollständigen Instruction der höchsten Absichten gnädigst zu versehen; er habe von seinem Hofe die Anweisung erhalten, dieses angelegentlich zu bewirken, er könne aber jedoch eher keine Schritte machen, als er mit Gewisheit wüßte, daß diese Erhöhung auch angenommen würde. Wenn aber dieses der Fall seyn sollte, so theilte er mir seine Meynung mit über die Art es zu betreiben; er wünschte: Eure herzogl. Durchlaucht möchten durch einen bey der Deputation accreditirten ParticularAbgeordneten mittelst einer zweckmäßigen Vorstellung um die Kurwürde nachsuchen, welche dann bestens von ihm und dem französischen Gesandten unterstützet werden sollte. Wollte aber Mecklenburg auch gegenwärtig sich der KurWürde begeben, so rieth er doch darum einzukommen, daß ihm bei nächster Gelegenheit kein anderer vorgezogen würde. Ich vermuthe daß dieser ganze Vortrag sehr gut gemeinet und Hr. von Bühler nur in Verlegenheit war, wie er die Sache in erste Anrege bringen sollte. Ich erwiederte daraus, daß ich meinem Hofe hiervon freylich genauen Bericht abstatten wollte, wenn er mir aber erlaubte, meine privative Meynung freymüthig zu äußern, so glaubte ich nicht, daß der Hof sich der vorgeschlagenen Weise unterziehen würde, um etwas nachzusuchen, welches er nur der gütigen Fürsorge Sr. Rußisch kaiserl. Majestät verdanken möchte.“




8) Hoch- und Deutschmeister war Erzherzog Karl
9) Dieser Paragraph behandelt Familiae Megapolitanae jus in duos canonitatus Argentinenses
10) Es sind dies Wangern, Seedorf, Brandenhusen und Weitendorf

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde