Abschnitt 4

Lützows Mission endete also mit einem halben Mißerfolg. Kaiser Alexander stand damals auf dem Standpunkt, daß er möglichst geringe Veränderungen im Deutschen Reich wünschte. Unter Ausschluß aller Vergrößerungen wollte er es bei strikter Entschädigung der erblichen Fürsten bewenden lassen; erst später hat er, wie wir sahen, dem Andringen einiger verwandter Höfe nachgebend, in ein paar Fällen sein Konzept geändert. Dem gleichzeitig mit Lützow in Petersburg anwesenden Erbprinzen Friedrich Ludwig gegenüber sprach er das deutlich aus. Der hatte ihm vorgestellt, daß der Herzog unter der Hand aufgefordert sei und nur notgedrungen habe fordern müssen, um nicht vielleicht wider Willen die Kurwürde zu bekommen, ohne gleichzeitig die zur schicklichen Erhaltung derselben nötige Vergrößerung zu erlangen; die mecklenburgische Forderung sei durch die preußische Okkupation Hannovers notwendig geworden, da sonst Mecklenburg, als ganz von Preußen enklaviert, in eine mißliche Lage käme. Alexander aber hatte - wie Lützow am 12. Mai berichtete - erwidert, daß er gern jederzeit alles mögliche für das herzogliche Haus tun wolle, die hier geforderten Sachen aber seien in diesem Augenblick nicht angängig. Er wünsche, daß jeder Hof von seinen Forderungen nachlassen möge, weil er, so viel wie irgend möglich, die Dinge wieder in ihren vorigen Stand herstellen wolle. Der Herzog könne bei jeder Gelegenheit auf ihn rechnen und solle sich nur immer direkt an ihn wenden; er werde ihm dann jederzeit sagen, ob die Erfüllung seiner Wünsche möglich sei oder nicht. Und ähnlich sprach noch im Oktober Graf Kurakin zu Lützow: Der Kaiser werde gewiß jederzeit alles mögliche für ein so nahe verwandtes Haus tun, vorzüglich was die Erhaltung der herzoglichen Lande betreffe; an deren Besitz müsse dem Herzog doch vor allen Dingen gelegen sein und in dieser Beziehung werde der Kaiser sicher etwas bewilligen. Seltsam, daß trotz dieser runden Absagen der Herzog doch fortfuhr, auch bei seinen Bemühungen um territoriale Vergrößerung auf Rußlands Unterstützung zu rechnen.

Von der Kurwürde ist in Lützows Berichten nur einmal, nämlich in seiner schon erwähnten Note vom 28. Mai, die Rede; irgendwelche Verhandlungen darüber scheinen nicht stattgefunden zu haben. In Mecklenburg verhielt man sich abwartend, aber Rußland betrieb die Sache weiter, wenn auch mit der ihm für jene Zeit oft vorgeworfenen Lässigkeit.


Die nächste weitere aktenmäßige Erwähnung der Sache findet sich in Plessens Bericht aus Regensburg vom 16. August 1802, wo es heißt: „Außerdem, daß man Ew. Herzogl. Durchl. die Kurwürde angeboten, haben ganz bestimmt auch noch Baden, Hessen-Cassel und Würtemberg dringend darum nachgesucht, und jetzt auch die feste Zusicherung darüber erlangt.“ Darauf erging an ihn unterm 6. September die Weisung: „Wir haben zwar zur Zeit nicht weiter als aus Gerüchten und Privat-Nachrichten erfahren, daß des Kaysers von Rußland Maystt. sich für die Erhebung Unsers Herzogl. Hauses verwenden. so sehr wir aber auch diese Fürsorge mit Dank erkennen, so glauben Wir doch immer voraussetzen zu dürfen, daß sie mit einer angemessenen Vergrößerung an Land und Leuten, oder mit einer sonstigen Verbesserung verbunden seyn werde, worauf Wir um so gerechtere Ansprache haben, als Wir schon aus dem Congreß zu Rastatt wegen des nunmehr entschiedenen Verlustes der Strasburger Canonicate Entschädigung nachgesucht haben, und unter die Zahl der Beschädigten aufgenommen sind, und überdem alle andere Reichsfürsten, welche mit des Kaysers von Rußland Maystt. in Verwandtschaftsverbindungen zu stehen das Glück haben, so sehr bevorzuget werden sollen. Ihr habet dem Russisch-Kayserl. Gesandten dies vertraulich zu eröffnen, ihn um seine Verwendung zu ersuchen, und demselben zu versichern, daß Wir bemühet seyn würden, ihm diesen Unsern Wünschen gemäße Instruction seines Hofes zu bewirken; es indessen mit Dank erkennen würden, wenn er dazu durch Äußerungen vorläufig den Weg zu bahnen geneigen wollte.“

Noch bevor Plessen in den Besitz dieser Weisung gelangen konnte, hatte er unterm 23. August betreffs der Kurwürde zu berichten: „Der Antrag zur Kurwürde für Ew. H. Durchl. hat noch nicht in dem hier vorgelegten Plane begriffen seyn können; er wird aber noch nachgetragen werden, wie man mich versichert hat. Übrigens hat der Russische Gesandte mir bezeugt: wie er von seinem Hofe besonders angewiesen wäre, dem Herzoglichen Hause in allem beförderlich zu seyn. Obgleich ich nun vermuthe, daß bisher hiebey von keinen Acquisitionen die Rede gewesen, so könnte ich doch auf Höchsten Befehl eine Regotiation mit ihm hierüber versuchen. Nur wäre hiebey die größte Eile nöthig, weil Frankreich darauf besteht, das EntschädigungsWesen in zwey Monaten beendigt zu sehen. Freilich wäre es alsdann gut, auch in Berlin Anträge zu machen, allein das Petersburger Cabinet behält doch auf alle diese Verhandlungen . . . den entscheidendsten Einfluß.“

Plessen hatte betreffs der Akquisitionen, wie wir gesehen haben, richtig vermutet. Da er aber wußte, wie sehr dem Herzog an solchen gelegen war, so hielt er fleißig Umschau nach Möglichkeiten zu Landerwerb. So machte er denn in demselben Bericht vom 23. August - in dem sich aber auch die Bemerkung findet: „wenn nur noch etwas zu teilen übrig geblieben“ - darauf aufmerksam, „daß Hannover beym preußischen Hof stark darauf angetragen, das Lauenburgische gegen das gesamte Bisthum Hildesheim auszutauschen“. Das habe Preußen aber völlig abgelehnt; es habe den bisher bestandenen Plan, sich nach dieser Seite hin zu arrondieren, aufgegeben und sei nun bestrebt, eine Verbindung seiner brandenburgischen Lande mit den westfälischen herzustellen. Unter diesen Umständen könne der Herzog hoffen, „gegen ein angemessenes Aequivalent das Lauenburgische einzutauschen“. Dieser Anregung wurde in Schwerin keine Folge gegeben. In seinem nächsten Bericht vom 30. August lenkte dann Plessen die Aufmerksamkeit des Ministeriums auf die in Mecklenburg gelegenen Besitzungen des Deutschen Ordens. Der Hoch- und Deutschmeister sei zwar bei den Entschädigungen verkürzt, aber der kaiserliche Hof werde nicht eher ruhen, als bis ein genügender Ersatz ausgemittelt worden, wahrscheinlich durch Anweisung verschiedener mediater Stifter. Es sei das vielleicht eine günstige Veranlassung, diese Besitzungen jetzt zu erwerben. Plessen fügte hinzu: „Ich wage es von meinetwegen hier bloß einen Plan in Erinnerung zu bringen, von dem ich weiß, daß er schon vor geraumer Zeit den höchsten Absichten angemessen gewesen.“ Das fand den Beifall des Grafen Bassewitz, der in dorso des Berichts bemerkte: „Die Güter, die der teutsche Orden in hiesigen Landen besitzt, sind zwar nur klein, indessen möchte Referent allenfalls dahin zu instruiren seyn, so bald er in Erfahrung brächte, daß der teutsche Orden auf andere Art, allenfalls durch Mediatstifter, entschädigt werden würde, dahin anzutragen, daß dem Herzogl. Hause die . . . beiden Güter Frauenmarck und Rosenhagen, wovon der Ertrag ohnehin nur unbedeutend sey, beigeleget würden.“ 7) Aber Graf Bassewitz ging noch einen Schritt weiter und fuhr fort: „Auch sobald die Reichsstadt Lübeck auf eine oder die andere Art bevorzuget würde, darauf anzutragen, daß die Güter Buckow und Warnckenhagen, welche einer milden Stiftung gehöreten, in hiesigen Landen gelegen und derenthalben wegen der Landeshoheit Differentien entstanden wären, dem Herzogl. Hause zu Teil würden. Der Herr RegierungsRath Rudloff sind mit der Bewandnis näher bekannt, welche es mit den lezten Gütern hat, und geneigen wol, die Instruction abzufassen.“




7) Frauenmark (Amt Gadebusch) war seit 1720, Rosenhagen (Amt Schwerin) seit 1723 im Besitz des deutschen Ordens. Über die Geschichte dieser beiden Güter s. Lisch in den Jahrbüchern 14. Jahrg. (1849) S. 41 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde