Abschnitt 22

Wenn das Ministerium geglaubt hatte, durch die Berufung auf Gaspari, aus dessen Werk es einen guten Teil der Argumentationen seines Promemoria entnommen hatte, den Herzog umstimmen zu können, so mußte es sich bald vom Gegenteil überzeugen. Denn am 19. Dezember 1803 antwortete er: „Die Gründe, welche Mein getreues Ministerium in seinem Pro Memoria vom 11. v. M. gegen die Einziehung der hiesigen LandesKlöster angeführt hat, haben zur Zeit meine Überzeugung, dazu ein Recht zu haben, noch nicht geändert, vielmehr ist selbige durch das Werk des Statistikers Gaspari noch mehr bestärkt worden, denn wenn dieser aus Irthum, weil er kein Rechts-Gelehrter ist, den noch von keinem RechtsGelehrten je behaupteten Grundsaz aufstellt, daß die protestantischen Klöster bereits Secularisiret wären, da Sie doch nur reformiret aber nicht Secularisirt sind, mithin in die Reihe der Klöster fallen, welche der ReichsDeputationsSchluß angiebet, so gibt er doch am Ende die landesherrliche Befugniß zu die Klöster einziehen zu können.“ Es folgt dann eine Reihe von Bemerkungen, die beweisen, daß der Herzog das Gaspari'sche Werk sehr aufmerksam gelesen hat. Und dann heißt es zum Schluß: „Es stehet mir daher nicht zu verdenken, wenn ich um völlig sicher zu gehen das Erachten eines Auswärtigen berühmten academischen Rechtslehrers darüber einzuziehen Wünsche. . . . Da nun zu diesem Zwecke ein genaues und umständliches Species facti Erforderlich ist um es dem zu befragenden RechtsGelehrten Vorzulegen, so trage ich hiedurch mein Getreues Ministerium auf, ein solches entwerfen zu laßen, um die Einholung eines Rechtlichen Erachtens, wo von ich zu meiner beruhigung nicht ablaßen kann noch werde, zu besorgen. Ich traue es der Treue und Anhänglichkeit meines Ministerii vollkommen zu daß es gegen Diesen meinen Willen nichts einzuwenden haben wird, und erwarte daher bestimmt deßen Befolgung.“

In der Weihnachtswoche war dann die Klosterfrage noch einmal Gegenstand gründlicher Erörterungen im Schoße des Regierungskollegiums. In ihnen trat wieder der fundamentale Unterschied in den Standpunkten der adlichen und der bürgerlichen Mitglieder des Kollegiums zutage: Graf Bassewitz und Brandenstein beharrten dabei, dem Herzog die Berechtigung zur Aufhebung der Landesklöster abzusprechen, während die Regierungsräte Krüger und Rudloff des Herzogs Recht dazu für außer Frage stehend erklärten. Aus dem umfänglichen Krügerschen Votum mögen hier die ersten Absätze mitgeteilt werden.


„Nachdem die KlosterAngelegenheit regiminel gemacht ist, darf ich meine Meinung darüber nicht länger zurückhalten. Ich bin gänzlich überzeugt, daß es in Serenissimi Recht stehe, die Klöster einzuziehen. Auf Recht und Rechtsgründe kann es hierbey nach meinem Bedünken überall nicht ankommen; sondern blos allein darauf, was in dem ReichsDeputationsSchluß steht. Ales, was vorhin dieses Puncts halber Recht und Verhältniß war, ist dadurch totaliter umgestossen und aufgehoben; und es ist von stärkerer Macht ein anderes Recht, eine andere Ordnung der Dinge eingeführt. Es kann daher kein Widerspruch eines andern, in specie hier der Ritter- und Landschaft, in Betracht kommen; und es hilft keine RechtsErörterung aus Gründen ab aliunde eben so wenig, als bey der faktischen Wegnahme der Lübeckschen Dörfer die Stadt Lübeck gefragt ward, oder das Heil. Geist-Hospital, die doch weit mehr und wesentlichere Rechte an die Dörfer, als hier Ritter- und Landschaft an die Klöster, hatten, und überall sonst nichts gegen sich, als dieß, daß es vermöge des ReichsDeputationsschlusses nicht länger so seyn, sondern ihr EigenthumsRecht auf einen andern übergehen sollte. Die AssecurationsReverse, und alles was damit in Verbindung steht, nützen eben hier darum nichts, weil die neue Bestimmung und deren Urheber sich darüber weggesetzt, und etwas anderes eingeführet haben.“

„Wenn die Fürsten ohnehin Recht und Macht hätten, die Stifter in ihren Landen einzuziehen, und sich Revenuen daraus zu machen, so wäre der hierher gehörige Passus des ReichsDeputationsAbschiedes, mit allen seinen weitläuftigen Vorarbeitungen, etwas durchaus unnützes. Es muß also schlechthin die Absicht gewesen seyn, den Fürsten etwas zuzueignen, was sie sonst nicht hatten, auf Kosten der bisherigen Rechte anderer. Daher lassen sich diese, durch Obermacht vernichtete, Rechte gegen den erklärten Willen der Obermacht auf keine Weise wieder anziehen.“

„Kann nun aber hier anders nichts gefragt werden, als: was sagt der ReichsDeputationsReceß? So muß ich gestehen, daß ich keinen anderen Sinn darinn finden kann, als der wörtlich da steht: Alle Güter der fundirten Klöster werden der freyen Disposition der Landesherren überlassen: ja so gar ausdrücklich zur Erleichterung ihrer Finanzen. - Die hier zur Frage stehenden Mecklenburgischen Klöster sind Klöster, so gut es irgend welche in protestantischen Ländern giebt; und Serenissimus ist ihr Landesherr. Die Folge ist also klar.“

„Die §§ 35 und 36 machen nicht die geringste Einschränkung. Es ist kein Gedanke daran, daß nur diejenigen Landesherren gemeynet seyn sollten, die am linken Rhein-Ufer verlohren haben. Deren Entschädigung war durch die vorhergehenden Austheilungen schon absolvirt; und nun erst folgte, als eine Zugabe zu der mit Teutschland vorgenommenen Veränderung, die Vestsetzung des neuen Princips von dem landesherrlichen Dispositions-Rechte über die noch übrig gebliebenen mediaten Stifter; und diese Bestimmung erfolgte ungeachtet voraufgegangener Einwände von einzelnen Reichsständen. Auch steht im § 35. 36 mit keinem Worte, daß diese Uebergebung der mediaten Stifter als eine Entschädigung angerechnet werden sollte zur Gutmachung dieses oder jenes Verlustes; sondern ganz ausdrücklich zu Behuf des Aufwandes für gemeinnützige Anstalten und Erleichterung der landesherrlichen Finananzen. Dies paßt auf alle Teutsche Landesherren; so wie die voraufgegangenen, allenthalben besonders behandelten und bis zur Zufriedenheit der Interessenten ausgeglichenen, bestimmten Schadens-Ersetzungen nur auf jeden individuellen Schaden leidenden Reichsstand.“

„Ich finde weiter in den §§ 35. 36 keinen Gedanken daran, daß nicht alle vorhandene Stiftungen und Klöster gemeynet seyn sollten, ausser denjenigen die nahmentlich ausgenommen sind; das sind nämlich diejenigen, deren Verwendung schon vorher vestgesetzt worden, die Ausstattungen derjenigen Domkirchen welche bleiben, und die Pensionen der aufgehobenen Geistlichkeit. Sonst ist nichts ausgenommen oder vorbehalten, insbesondere auch nicht solche Stiftungen, deren Fortdauer in juribus quaesitis der Landstände zu beruhen scheinen mögte. Es giebt keine Stiftungen, bey welchen nicht einer oder anderer interessierte, und dennoch sollen sie aufgehoben werden dürfen. Es trit also bey unsern Klöstern nichts besonderes, sie von dem § 35 ausschliessendes, ein. Ob dieser oder jener Patron derselben ist, ihre Verwaltung zu besorgen hat, ihre Stellen besetzet u. d. m., das ist alles gleich viel; denn der § 35 macht darunter keinen Unterschied. Eben so wenig kann es bedeuten, ob dieser oder jener Stand, diese oder jene Classe von Leuten, darinn receptibel sind. Es sind und bleiben allemal Commünen, welche zu Vermehrung der Revenüen der Landesherren abgeschaft werden sollen, weil man sie nach der heutigen Denkungsart nicht mehr für heilig und nützlich, vielmehr für bequeme Mittel gehalten hat, die Landesherren ein wenig zu soulagiren.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde