Abschnitt 18

Diese Vorschläge des Ministeriums fanden den vollen Beifall des Herzogs und am 13. September schrieb der Erbprinz im Sinne des Promemoria an den Kaiser von Rußland. Am 21. wurde eine Abschrift dieses - anscheinend unbeantwortet gebliebenen - Briefes Plessen zu seiner geheimen Instruktion übermittelt 17).

Damit aber brechen auffallenderweise unsere Akten ab. Man sollte denken, eine so weit gediehene Angelegenheit müsse doch zu einem formellen Abschluß gelangt sein, selbst wenn das Resultat der Verhandlungen wie im vorliegenden Falle ein negatives war. Aber weder in Wien noch in Petersburg ist ein ferneres einschlägiges Aktenstück vorhanden. Wir müssen uns also bescheiden, den weiteren Verlauf der Sache nicht zu kennen, und uns an der Tatsache genügen lassen, daß Mecklenburg die Kurwürde nicht erhielt - der Hoch- und Deutschmeister allerdings auch nicht - und ebensowenig das Privilegium de non appelando illimitatum und die dritte Stimme für Rostock.


Man hat die Schuld an diesem Mißerfolg dem Ersten Konsul Bonaparte zuschreiben wollen. Treitschke sagt: „Eine reichliche Entschädigung ließ sich dem mächtigsten der weltlichen Reichsstände [d. i. Preußen] nicht abschlagen, nur jede Verstärkung der preußischen Partei im Reiche mußte vermieden werden. Daher erhielt Talleyrand die Weisung, das preußisch gesinnte Haus Mecklenburg von dem neuen Kurfürstenrate auszuschließen, er dürfe aber nicht davon sprechen.“ In der Tat heißt es in einem Schreiben Bonapartes an Talleyrand vom 31. August 1802, in dem er diesem seinem Minister Direktiven gibt: Der Kaiser von Rußland scheint eine Vergrößerung für den Großherzog von Toscana zu wünschen. Auch der König von Preußen wünscht, daß dem Hause Österreich etwas bewilligt werde. Wir haben keinen Grund, Österreich schlechter zu behandeln als die anderen. Talleyrand soll also mit Cobenzl einen Vertrag schließen und unterzeichnen: der Kaiser soll bei der Reichsversammlung eine Entschädigung für den Großherzog von Toscana beantragen; dagegen soll sich Österreich verpflichten, diesen Vertrag binnen zwei Monaten zu ratifizieren und Passau an den Kurfürsten von Bayern zurückzugeben. „Enfin vous inséreriez dans cette convention, qu'il n'y aurait que trois électeurs protestants; le but serait d'exclure, mais sans en parler, Mecklenbourg.“ Dabei kann es sich bei der Sachlage nur um jenen Vertrag handeln, den die Vertreter beider Mächte mit Beitritt Rußlands am 26. Dezember 1802 in Paris abgeschlossen haben, denn ein anderer Vertrag kam in den Jahren 1802-1804 zwischen Frankreich und Österreich nicht zustande. In diesem Vertrag aber wird nur von der Entschädigung des Herzogs von Modena und des Großherzogs von Toscana und der Erteilung der Kurwürde an den letzteren gehandelt. Davon, daß es nur drei protestantische Kurfürsten geben solle, ist nicht weiter die Rede und Bonaparte muß in dieser Hinsicht seine Meinung geändert haben; wie hätte sonst im Mai 1803 sein Gesandter in Regensburg, wie wir gesehen haben, im Verein mit dem russischen Gesandten für Mecklenburg die Kurwürde verlangen können. Also nicht in Bonaparte werden wir denjenigen zu suchen haben, der das Haus Mecklenburg um die Kurwürde gebracht hat; vielmehr spricht alles dafür, daß es der Wiener Hof war, der in letzter Stunde die ganze Aktion zum Scheitern brachte. Und nicht ganz ohne Schuld am schließlichen Mißlingen war der Herzog selber, der trotz alles Drängens von russischer Seite hartnäckig die Erhebung zur Kurwürde abhängig machte von einer Vergrößerung an Land und Leuten und sich zur bedingungslosen Annahme erst dann entschloß, als es zu spät war. -

Im Zusammenhang mit den Entschädigungsfragen und dem Streben nach Gebietszuwachs und Erhöhung der Einkünfte mögen hier beiläufig noch zwei Dinge erwähnt werden.

Zu einer Zeit, da die Indemnitätsverhandlungen der Reichsdeputation schon ziemlich weit fortgeschritten und dem Herzog Friedrich Franz seine Entschädigungen bereits zugesprochen waren, erschien auch Mecklenburg-Strelitz mit Entschädigungsforderungen, und zwar nahm es zu diesem Zwecke die Vermittelung Preußens in Anspruch. Darüber belehrt uns eine „aus seiner Königlichen Majestät allergnädigsten Spezialbefehl“ erlassene Weisung des Grafen Haugwitz vom 22. November 1802 an den Grafen Goertz, die folgendermaßen lautet: „Außer dem Euch bereits bekannten Gesuch um eine neue Virilstimme im Reichsfürstenrath hat der Herzog von Mecklenburg-Strelitz durch seinen hieher gesandten LegationsRath von Penz noch ein anderes Anliegen Unserer Unterstützung angelegentlichst empfehlen lassen. Dieses betrift die zwey Canonicate im vormaligen Domstift zu Strasburg, welche bekanntlich durch den Westphälischen Frieden dem Herzoglichen Mecklenburgischen Hauße zugestanden worden, und wegen welcher der Herzog von Mecklenburg-Schwerin in dem letzten Indemnitäts-Plan eine so reichliche Entschädigung erhalten hat. Man behauptet Mecklenburg-Strelizischer Seits einen Mitanspruch auf diese Canonicate und folglich auch auf die Entschädigung, und gründet ihn vornämlich darauf, daß in dem Westphälischen Frieden die Canonicate nicht eigentlich als eine Schadloshaltung für Wismar, sondern mehr als Gegenstand einer gegründeten alten Prätension dem Gesammthauße der Herzoge beygelegt worden, daß der damals regierende Herzog Adolph Friederich I., welcher als ein neuer erster Erwerber der Canonicate für seyn Hauß angesehen werden muß, der Stammvater aller jetzt vorhandenen Herzoge von Mecklenburg ist; und insbesondere, daß dessen jüngster Sohn Adolph Friederich II. der lezte würkliche Besizer der Canonicate zur Zeit, als diese durch das ReunionsWesen Ludwigs XIV. dem Mecklenburgischen Hauße gewaltsam genommen wurden, gewesen und von ihm die Linie der jetzigen Herzoge von Strelitz gestiftet worden, mithin auf diese sein Recht zunächst übergegangen ist. Der Herzog wird seinen Anspruch und sein Gesuch um Theilnahme an der Mecklenburgischen Entschädigung für diese Canonicate dort anbringen und betreiben lassen. Derselbe würde damit auch schon früher hervorgetreten seyn, wenn ihm nicht das, was dieserhalb von seiten des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin bewirkt worden, biß auf die Erscheinung des letzten Indemnitäten-Plans völlig unbekannt und verschwiegen geblieben wäre. Wir hätten allerdings wohl gewünscht, daß in dem Augenblick der letzten Entscheidung in Regensburg neue Reklamationen dieser Art, die den Gang des Geschäfts hemmen oder doch erschweren, besonders wenn ihnen Unsere Verwendung ihren hauptsächlichen Werth geben soll, hätten abgehalten werden können. Bey dem so nahen Verhältniß, worin wir mit dem Herzog stehen, können Wir uns jedoch nicht ganz entziehen, demselben in einer ihm so angelegenen Sache Unseren guten Willen zu bezeugen, und einen Versuch zu machen, ob sich noch etwas für ihn ausrichten läßt, zumal da seine Wünsche nicht eigentlich auf eine Participirung an den einmal dem Herzog von Mecklenburg-Schwerin zugewiesenen Indemnitätsstücken selbst, sondern eigentlich darauf gehen, daß ihm nur die dem Hospital zu Lübek gehörenden und in dem Fürstenthum Ratzeburg gelegenen Dörfer Schatin und Utecht zur Schadloshaltung gegeben werden. Wir wünschen nun, daß Ihr in nähere Erwägung ziehet und einen Versuch machet, ob sich hiernach die Sache noch einleiten, und zu einigem Erfolg durchführen läßt, und daß Ihr in jedem Fall die Vorschritte, welche von Mecklenburg-Strelizischer Seite geschehen werden, mit allem von Euch abhängenden Nachdruck unterstüzet.“




17) Diese Abschrift liegt nicht bei den Akten, indessen ermöglicht es mir die Güte des Direktors des Petersburger Staatsarchivs, den Brief hier mitzuteilen. Er lautet:
Mon bien cher Beaufrère.
Le Duc mon Père vient de recevoir de Son Envoyé à Vienne la nouvelle, que Vous avez de nouveau daigné Lui faire éprouver Votre gratieuse protection en réitérant Votre intercession pour Lui faire accorder la Dignité Électorale. Plus qu'il est pénétré de reconnaissance pour cette nouvelle marque de Votre faveur, plus il croit son devoir de mettre les expressions de Sa respectueuse gratitude à Vos pieds. Il m'ordonne d'en être l'organe et de Vous supplier de bien vouloir les agréer avec bonté.
Le Duc croit le devoir à la protection dont Vous l'honorez, mon très cher Beaufrère, et à la respectueuse reconnaissance et confiance qu'il Vous porte, de Vous faire part des conditions que Sa Majesté l'Empereur et Roi met à cette élevation à la Dignité Électorale.
Le Vice Chancelier de Cour et d'État, le Comte de Cobenzl s'est ouvertement expliqué envers le Baron de Plessen, Envoyé du Duc à Vienne, que S. M. l'Empereur demandait comme conditio sine qua non, que le Duc assura sa voix au Collège É lectoral à l'héritier de la Maison d'Autriche, en cas que le Trône Impérial vînt à vaquer. Le Comte de Cobenzl ajouta que si le Duc consentait à cet engagement, cela devrait rester le plus grand secret et qu'il n'y aurait que Vous, mon très cher Beaufrère, qui en seriez instruit.
Si même le Duc ne le croit point contre Ses intérêts que la Couronne Impériale d'Allemagne soit accordée à l'héritier de la Maison d'Autriche, en cas du décès de l'Empereur d'aujourd'hui, et que par là il pourrait incliner à offrir d'avance cette promesse à la Cour de Vienne, pour accélérer Sa décision, qu'elle paraît d'ailleurs vouloir remettre encore, il ne voudrait cependant point se porter à aucune démarche qui d'avance n'eût reçu Votre approbation. N'étant et ne désirant être redevable de Son élevation qu'à Votre protection et à Vos bontés, il désire agir seul après Vos volontés, mon bien cher Beaufrère. Il ose donc Vous supplier de bien vouloir Lui faire connaître Vos intentions sur la marche qu'il aura à tenir. Le Duc le connaîtrait comme un effet flatteur de Vos bonnes graces, si Vous daigniez bientôt Lui faire parvenir Vos ordres, afin qu'il puisse faire les démarches que Vous jugeriez convenables, avant l'expiration des vacances de la Diète de Ratisbonne, pour qu'au recommencement des affaires le décret de Commission Impériale puisse être expédié.
C'est avec un attachement aussi inviolable que respectueux que je suis
                      on très cher Beaufrère
                      Votre très humble et très
                      obéissant Beaufrère
Ludwigslustet        serviteur
le 1/13 Septembre
Frederic Louis.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde