Abschnitt 11

Trotz dieses wenig ermutigenden Berichtes seines Gesandten wollte der Herzog, wie aus seiner Weisung an Plessen vom 15. Oktober erhellt, die Hoffnung nicht ausgeben, daß nicht durch Verwendung des russischen Hofes neben der Kurwürde eine angemessene Vergrößerung ausgemittelt werden könne, da ohne einen Zuwachs an Land und Leuten er sich außerstande sehen würde, die mit der neuen Würde notwendig verbundenen größeren Ausgaben zu tragen. Sollte das unüberwindlichen Hindernissen begegnen, so werde er sich allenfalls mit der Anweisung einer hinlänglichen Summe Geldes oder einer sicheren jährlichen Aufkunft begnügen müssen. Ein Nachtrag zu diesem Reskript besagt dann: sollte Mecklenburg diesmal bei Ernennung von Kurfürsten anderen fürstlichen Höfen nachstehen müssen, so möge wenigstens dagegen eine Entschädigung an barem Gelde ausgemittelt werden. Mit dieser mit aller möglichen Vorsicht und Delicatesse zu machenden Äußerung habe aber Plessen erst dann vorzugehen, wenn er die volle Überzeugung gewinne, daß die Kurwürde mit annehmlichen Bedingungen und Zugaben nicht zu erhalten sei.

An demselben 9. Oktober aber, an dem Plessen in so resigniertem Ton nach Schwerin berichtet hatte, konnte er einen zweiten, wesentlich günstigeren Bericht absenden, des Inhaltes, daß er „durch geheime Negotiationen“ näher zum Ziel gelangt sei und einige Entschädigungen ausgesetzt worden seien. Diese beträfen erstens die in Mecklenburg und auf der Insel Poel gelegenen Lübecker Hospitalgüter und zweitens als Ersatz für die Kanonikate die Anweisung von 10 000 Gulden jährlicher Rente auf die Osnabrückschen Stifter, die zum Eintausch des hannoverschen Amtes Neuhaus dienen solle. Dieser letztere Zusatz sei allerdings lästig und werde Auseinandersetzungen zwischen Mecklenburg und Kurhannover nötig machen. Auf diesen Punkt einzugehen vermied das Reskript vom 16. Oktober, welches sich damit begnügte, Plessen die besondere Zufriedenheit des Herzogs mit seinem Verfahren in dieser Sache auszusprechen und ihn damit beauftragte „denjenen, durch deren Vermittlung ihr die zugebilligte Entschädigung für die so lange entbehrten Canonicate bewürkt habet, Unsere Danksagung bestens zu erstatten.“ Brieflich fügte der Herzog bei Rücksendung der „expeditions nach Regensburg“ an das Ministerium hinzu: „Ich hoffe daß noch vieles zu meines Hauses Nutzen zu machen ist. Indeßen ohne Geld und Land, kann mir die Churwürde nichts helfen.“


Beides zu beschaffen blieb man auch fernerhin redlich bestrebt. Den Bemühungen des Erbprinzen Friedrich Ludwig in Berlin war es - wie er glaubte - gelungen, den König von Preußen günstig dafür zu stimmen; vom Kaiser von Rußland behauptete er, daß er sich in Paris eindringlich für Mecklenburg verwende, und Plessen harrte mit Ungeduld auf die Antwort des Ersten Konsuls. Er sah mit Besorgnis, daß binnen kurzem durch den förmlichen Schluß der Reichsdeputation jeglichem Teil seine Entschädigung würde zuerkannt und dann schwerlich eine nachträgliche Änderung zu bewerkstelligen sein. Nur zwei Möglichkeiten schienen sich ihm - wie er nach Schwerin berichtete - noch darzubieten: im Niederstift Münster seien noch Veränderungen beabsichtigt, und bei der Gelegenheit könne dem Herzog vielleicht eine Rente von 50-60 000 Talern verschafft werden; oder aber: es möge der Stadt Bremen, der durch die Aufhebung des Elsflether Zolles beträchtliche Vorteile erwachsen seien, die Zahlung von einer Million an Mecklenburg auferlegt und sie dafür von der Rentenzahlung entbunden werden, die man jetzt von den Reichsstädten verlange. Aber keiner dieser beiden Vorschläge fand die Billigung des Ministeriums. Eine Rente von 50-60 000 Talern würde nicht hinreichen, um die mit der Kurwürde verbundenen Kosten anders als mit der größten Einschränkung zu tragen, und die Anweisung einer Million auf die Stadt Bremen wäre ungenügend zur Acquisition der Herrschaft Wismar, über die man damals mit Schweden verhandelte, und bei weitem nicht so annehmlich wie eine Vergrößerung an Land und Leuten. Inzwischen hatte der Herzog auch schon etwas anderes ins Auge gefaßt. Dem Herzog von Oldenburg waren nämlich als Entschädigung für den Elsflether Zoll die nieder-münsterschen Ämter Kloppenburg und Vechta zugedachte er aber hatte ein größeres Interesse am Fortbestehen des Zolles und betrieb in Berlin und Petersburg die Rückgängigmachung der Aufhebung. Wenn es ihm gelang, das durchzusetzen - und in Schwerin hielt man das für wahrscheinlich -, so fiel natürlich jeder Grund für eine Entschädigung fort, die beiden Ämter wurden frei, und die hoffte Herzog Friedrich Franz sich dann beigelegt zu sehen und hatte bereits den Erbprinzen beauftragt, sich deswegen mit dem russischen Gesandten Alopeus in Verbindung zu setzen. Davon wurde denn Plessen unterm 28. Oktober in Kenntnis gesetzt und ihm aufgetragen, sich bei den Gesandten der Höfe, die die Interessen Mecklenburgs zu befördern angewiesen seien, bestens dahin zu verwenden, daß diese Absicht in Erfüllung gehe.

Aber das war nicht leicht. Denn Plessen meldete alsbald, daß, sollte der Elsflether Zoll wirklich fortbestehen, der Herzog einen sehr starken Konkurrenten auf die beiden niedermünsterschen Ämter Kloppenburg und Vechta in der Person des Kurfürsten-Reichserzkanzlers habe, der leider von allen Parteien begünstigt werde, um ihm die zwar zugesicherten, aber bisher noch nicht fundierten Renten von 350 000 Gulden zum Teil auszumitteln. Auch noch nach einer anderen Seite hin erhöben sich Schwierigkeiten. Der hannoversche Gesandte erhalte von seinem Hofe den Befehl, aller Belegung des Bistums Osnabrück oder der mediaten Stifter desselben förmlichst zu widersprechen. Zwar habe Plessen von den Gesandten der vermittelnden Mächte die bestimmteste Zusage erhalten, daß alsdann die für Mecklenburg ausgesetzte Rente Von 10 000 Gulden auf eine andere Anweisung begründet werden solle, aber auf welche, das sei noch ungewiß. Diese osnabrücksche Rente aber sollte, wie wir sahen, zur Erwerbung des Amtes Neuhaus dienen; deshalb sprach der Herzog den Wunsch aus, daß sie von Bestand bleibe, wies aber Plessen an, „in dem unerwünschten Fall, daß dieses unmöglich sei, dafür zu sorgen und durch Verwendung der vermittelnden Mächte zu bewirken, daß diese Rente, oder statt deren das Capital auf andere Stifter oder deren Besitzer, allenfalls auf eine der benachbarten Reichsstädte angewiesen werde.“ Der eigentliche Macher unter den Diplomaten der vermittelnden Mächte war übrigens Mathieu, und um diesen, von dem bekannt war, daß er wertvolle Geschenke zu schätzen wisse, bei guter Laune zu erhalten, ließ ihm der Herzog durch Plessen um diese Zeit eine „goldene blau damascirte Dose mit Brillanten und oval buntem Gemälde“ im Wert von 300 Louisd'or überreichen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde