Abschnitt 10

„Bey dieser Gelegenheit, da von den Entbehrungen die Rede ist, welche das Haus Mecklenburg im Reich erlitten, dürfen wir auch nicht der durch die Erbverbrüderungen von 1431 und 1518 gerechtfertigten und von Mecklenburg bey dem kaiserlichen Reichshofrath gegen jede Ansprüche längst feyerlichst verwahrten Rechte aus Sachsen-Lauenburg vergessen, die selbst die Reichsstände bey den Westphälischen FriedensUnterhandlungen für es geltend zu machen suchten. Es ward dieses Land indessen, da mehrere Ansprüche kamen, im Jahre 1716 blos provisorisch und Salvo petitorio et cujuscunque jure einstweilen dem Herzog von Braunschweig als Niedersächsischen KreisDirektor zu Lehen übertragen, da derselbe es vorher zur Ruhe für das Reich besetzet hat, und auf diese Weise besitzt KurBraunschweig es noch heutzutage.“

„Auf eben solche Art lies Mecklenburg sich auch bey Gelegenheit der 1778 erfolgten Beylegung der bayerischen Erbfolgestreitigkeiten durch täuschende Hofnungen eines hinlänglichen Ersatzes mittelst eines ihm sogleich zu ertheilen versprochenen Privilegii de non appellando illimitati seine Ansprüche auf die Landgrafschaft Leuchtenberg bisher entziehen, welche durch eine dem Herzog Heinrich von Mecklenburg vom Kaiser Maximilian I. im Jahre 1502 darauf ertheilte Anwartschaft begründet sind. Indessen gab dieses Fürstenhaus seine Forderung so lange noch nicht ganz auf und wahrte sie nahmentlich noch bey dem WahlConvent zu Frankfurth vom Jahre 1790 bis daß das ihm im Teschner Frieden zugestandene privilegium de non appellando illimitatum ausgefertiget seyn wird.“


„Diese beyden Ansprüche auf Lauenburg und Leuchtenberg zeugen eben so sehr von den Verdiensten des Hauses Mecklenburg für das Reich, da dasselbe jede unruhige Zeit vorbeystreichen lies, ohne dem Vaterlande mit seinen gerechten Bitten und Forderungen beschwerlich zu fallen, als die gegenwärtigen so wichtigen Umänderungen in Teutschland den Wunsch abdringen, daß über alles dieses nunmehr definitive entschieden und das herzogliche Haus Mecklenburg zu seinen Rechten und Besitzungen reichsfriedensschlußmäsig gelangen möge.“

Unterm 1. Oktober wurde die Zufriedenheit des Herzogs mit Plessens Berichten und Gumpelzhaimers Aufsätzen ausgesprochen und weiter gesagt: „Da des Kaisers von Rusland Majestät höchsteigenhändig versichert haben, Unserm herzoglichen Hause bey dieser Gelegenheit nützlich werden zu wollen: so können Wir nicht bezweifeln, daß der dortige Russisch Kaiserliche Gesandte mit bestimmten Instructionen werde versehen werden, und hoffen, daß er sich immittelst werde bereit finden lassen, das Interesse Unsers Hauses jnn Betracht der nahen Verwandtschaft mit dem Russisch Kaiserlichen Hofe beßtens zu befördern, und durch seine Verwendung kräftigst zu unterstützen, als warum ihr denselben angelegentlichst zu bitten habet.“

Die Unterhandlungen wegen der mecklenburgischen Entschädigungen hatte unterdessen Plessen ununterbrochen fortgesetzt und konnte am 27. September berichten, daß er die Abtretung der in Mecklenburg belegenen Lübecker Hospialgüter und die Bewilligung von ein paar mediaten Abteien „unter dem Vorwande, damit die dem teutschen Orden in Mecklenburg gehörigen Güter eintauschen zu können“ bestimmt beantragt habe, daß ihm beides zugesagt worden sei und er sich dabei auch der Befürwortung durch den französischen Gesandten erfreue. Laforest habe ihm gesagt, daß Frankreich geneigt sei, dem Hause Mecklenburg einige Vorteile zuzugestehen, „daß solche aber in den Augen aller so sehr interessierten Mitbewerber auch hinlänglich motiviret seyn müßten; die in Anrege gebrachten Canonicate wären eigentlich kein Gegenstand wofür Entschädigung gefordert werden könne, weil es blos geistliche Rechte wären, für welche nach dem Luneviller Frieden kein Ersatz geleistet würde, auch wäre in der vorgelegten Deklaration nie auf geistliche Rechte Rücksicht genommene er riethe daher als Motiv zu gebrauchen, weil des Herrn Herzogs Durchlaucht für diesesmal der KurWürde sich begäben und dagegen andere Fürsten von gleichen Range sie erhielten.“ Plessen habe ihn hinsichtlich der Rechte Mecklenburgs vom Gegenteil zu überzeugen gesucht; die Kurwürde anlangend sei er noch gar nicht instruiert, da jedoch der russische Hof sie für den Herzog begehre, so werde Bühler darüber bessere Auskunft geben können. Mit Mathieu habe Plessen täglich Besprechungen gehabt; wegen der vom Herzog verlangten mediaten Abteien habe er Mathieu vorgeschlagen, es sollten dem Herzoge die sämtlichen in Osnabrück belegenen mediaten Stiftungen überlassen werden, um dagegen von Kurhannover das Amt Neuhaus und den Strich des Lauenburgischen zwischen Elbe und Rögnitz einzutauschen, habe aber hören müssen, daß über diese Stifter schon anderweitig verfügt sei. In dieser Hinsicht begegne Plessen übrigens auch dem Widerspruch des Grafen Goertz, „vermuthlich wegen des beabsichtigten Austausches von einem Theile von Hildesheim gegen diesen Theil von Osnabrück“. Seufzend fügt Plessen hinzu: „So weit verflochten ist das Interesse jedes Einzelnen und bey jedem Schritte stößt man auf dasselbe.“ Um indessen einigermaßen sicher zu gehen, habe er Mathieu „eine Liste von einträglichen, noch nicht öffentlich vergebenen Abteyen überreicht, woraus er die für den Herzog zu bestimmenden wählen sollte.“ In dem nächsten Bericht vom 30. September heißt es dann: „Gegenwärtig sind mir über die beyden . . . Gegenstände, welche ich zur Enschädigung vorgeschlagen, die bestimmtesten Versprechungen von den beyden vermittelnden Gesandten gemacht worden. Mediate geistliche Güter selbst können nicht vergeben werden, weil denen Landesherren, welchen sie zufallen, die Disposition darüber bleibt, allein man hat mir doch Hofnung gemacht, mit 9-10 000 Gulden auf sehr gelegene Art angewiesen zu werden. Diese Entschädigung, welche nur für die Canonicate geschieht und dieselben doch bey weitem aufwiegt, wird zugleich im Nachtrag des Entschädigungs-Planes festgesetzt.“

Diese beiden Berichte vom 27. und 30. September befriedigten in Schwerin sehr und unterm 8. Oktober wurde Plessen das „gnädigste Wohlgefallen“ des Herzogs darüber ausgesprochen, daß er „die Entschädigung wegen der Canonicate durch Beilegung der Lübeckschen Hospital-Dörfer und der Güter des teutschen Ordens unmittelbar bei der französischen Gesandtschaft nachgesucht habe“. Zugleich wurde Plessen angewiesen, „sich angelegentlichst dahin zu verwenden, daß die Entschädigung für die Canonicate durch mediate geistliche Güter oder anzuweisende bare Hebung verbessert werde, weil die Aufkünfte der vorbesagten Güter und Dörfer nur äußerst geringfügig sind“. Aber wie schleppend und bedächtig auch die Arbeiten der Reichsfriedenskommission fortschreiten mochten - eine Tatsache, die in eben diesen Tagen den Ersten Konsul Bonaparte veranlaßte, der französischen Gesandtschaft durch einen Kurier seine Unzufriedenheit mit dem langsamen Geschäftsgange auszusprechen - so gab es doch in Regensburg beständig neue Kombinationen und fast von Posttag zu Posttag hatte Plessen von plötzlichem Stimmungswechsel und veränderten Situationen zu berichten, durch die seine Anweisungen überholt wurden. Kaum war das Schreiben vom 8. an ihn abgefertigt, so mußte er am 9. melden, daß trotz seiner „äußersten Anstrengungen“ es nicht möglich gewesen sei, irgendwelche beträchtliche Vorteile für das herzogliche Haus zu erlangen. Das würde sich nur haben machen lassen, wenn seine Bemühungen durch den russischen Gesandten unterstützt worden wären. Allein Bühler habe erklärt, seine Instruktionen beschränkten sich darauf, für den Herzog die Kurwürde zu fordern; „auch auf die Beilegung von einträglichen Acquisitionen zu drängen, dazu müsse er vermöge des Verhältnisses zum französischen Hofe erst gemessene Befehle seines Hofes erwarten“. Auch mit dem preußischen und dem bayerischen Gesandten habe Plessen sich dieserhalb besprochen „und von beyden die Zusicherung erhalten, daß sie wegen Erteilung der Kur-Würde allen möglichen Beistand leisten wollten, aber nicht im Stande wären, die verlangte Vermehrung der Einkünfte zu verschaffen.“ „Beyde Theile“ - fügt Plessen hinzu - „sind vielmehr am stärksten beym Gegentheil interessirt, weil fast nur auf ihre Kosten dieses Verlangen durchgesetzet werden kann.“ Was übrigens die Kurwürde anlange, so möge der Herzog geruhen, seine endgültige Entschließung auch für den Fall, daß keine weiteren Vorteile damit verbunden seien, in den nächsten 14 Tagen bis 3 Wochen auf das bestimmteste Plessen zugehen zu lassen. Der habe für den Fall der Annahme mit Bühler bereits Verabredungen über die Einleitung dazu getroffen, für die es zwei Wege gebe: der Kaiser von Rußland könne entweder an das gesamte Reich die Erklärung ergehen lassen, er hoffe, daß das Reich ihm in Anerkennung seiner Verdienste um dasselbe den Wunsch erfüllen werde, ein ihm so nahe verwandtes Haus gleichfalls zur Kurwürde zu erheben, oder aber er wende sich direkt an den Deutschen Kaiser und bewirke von da aus die Ernennung. Beide Wege seien für das Haus Mecklenburg gleich ehrenvoll und jedenfalls besser, als wenn der Herzog diese Erhöhung gleichsam aus den Händen der Franzosen empfange. Zwar seien die französischen Minister auch bereit, diese Anträge zu unterstützen, hätten aber ihrer in der Deklaration nicht gern Erwähnung tun wollen, um nicht dem Deutschen Kaiser Gelegenheit zu geben, alsdann noch mehrere katholische Kurfürsten zu begehren und diese Würde für den Großherzog von Toscana zu fordern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und die Kurwürde