Verhandlungen mit dem König von England

Verhandlungen mit dem König von England; Neutralitäts-Verhandlungen in Regensburg.

Im Sommer des Jahres 1761, als durch das Vorgehen der Russen und Schweden die Aussichten Mecklenburgs sich günstiger zu gestalten schienen, glaubte der Herzog Friedrich, durch die Verlobung der Prinzessin Sophie Charlotte aus dem blutsverwandten Strelitzer Hause mit König Georg III. von England, seinem Lande die Fürsprache dieses Monarchen bei dem Könige von Preußen erwirken zu können. Wenn auch die Beziehungen der beiden mecklenburgischen Höfe durch die Hinneigung des Herzogs Adolf Friedrich zu Preußen derart erkaltet waren, dass Herzog Friedrich die 17jährige Prinzessin Sophie Charlotte persönlich nicht kannte, so hoffte er doch, dass diese edeldenkende Fürstin mit ihrem weichen und gefühlvollen Gemüt ihren Einfluss auf den König zu Gunsten des schwer leidenden Schwesterstaats geltend machen, und Hand in Hand mit Lord Bute, dessen stetig wachsendem Einflusse auf seinen Souverain sie ihre Erhebung auf den brittischen Königsthron verdankte, und dessen tiefe Abneigung gegen Friedrich den Großen bekannt war, erreichen würde, dass die preußischen Gewalttätigkeiten in Mecklenburg aufhörten. Bei der gänzlichen Unerfahrenheit der Prinzessin in allen Hof- und Staats-Intriguen, welche eine große Rolle am englischen Hofe spielten, ließ der Herzog durch den Baron von Forstner, welchen er zur Beglückwünschung an den Strelitzer Hofgesandt hatte, den Herzog Adolf Friedrich bitten, sich der Dienste des Geheimen-Legationsrats und Schlosshauptmanns von Dewitz, welcher die jugendliche Fürstin nach London begleiten sollte, bedienen zu dürfen. Herzog Adolf Friedrich erteilte diese Erlaubnis bereitwilligst und schrieb, dass er sowohl seiner Schwester, der Prinzessin, als auch dem Geheimen-Rat von Dewitz die Angelegenheiten des Herzogs dringend ans Herz gelegt habe.


Am 8. September wurde die Vermählung des königlichen Paares im St. James-Palast in London in feierlicher Weise vollzogen. Der König bezeugte sich äußerst huldvoll gegen Dewitz und sagte ihm, dass er zu jeder Zeit freien Zutritt zur Königin habe. Kurz darauf war Dewitz 2 Stunden lang bei den königlichen Gatten, welche ihr großes Glück und die sonderbare Fügung Gottes nicht genug zu rühmen wussten. Als der König für kurze Zeit abberufen wurde, erinnerte Dewitz die Königin an die gemeinschaftlich übernommene Verpflichtung.

Nach einigen Tagen wurde Dewitz zur Königin befohlen. Er fand den König dort, und als dieser wiederholt betonte, wie sehr angelegen ihm fortan die fürstlichen Häuser Mecklenburg sein sollten, übergab er demselben einen Brief des Herzog Friedrich, worin dieser zur Vermählung gratulierte und zugleich die beweglichsten Klagen über die preußischen Gewalttätigkeiten in seinen Landen führte. Beide Majestäten lasen den Brief zusammen, die Königin Tränen vergießend und der König, den Arm um die Schulter seiner Gemahlin geschlungen, erkundigte sich sehr gerührt nach den Einzelheiten, besonders auch, welches denn der Grund der preußischen Grausamkeiten sei? „Wie würdig, wie patriotisch, wie gut mecklenburgisch denkt der König!“ berichtete Dewitz hochbeglückt nach Schwerin.

Am nächsten Tage ging Letzterer zu dem hannoverschen Geheimrats-Präsidenten von Münchhausen, fand aber hier nicht die leicht bewegliche Flitterwochen-Stimmung wie bei Hofe, sondern den ernsten, gewiegten Staatsmann, welcher ohne Sentimentalität, unerschütterlich an der preußischen Alliance festhielt. Der Minister erwiderte kühl, der König, sein Herr, würde gewiss gerne alles Mögliche tun, wenn man nur über die Gesinnungen des Herzogs von Mecklenburg dem König von Preußen Garantien geben könne, welcher leider mehr denn zuviel von den genauen und engen Verbindungen des Ersteren mit den Feinden Preußens wisse und die schriftlichen Beweise davon in Händen habe.

Arg enttäuscht begab sich der Geheimrat von Dewitz zum Lord Bute und fand hier als Ankläger des Königs von Preußen die zuvorkommendste Aufnahme, sowie die feste Versicherung, dass der König die besten Gesinnungen für den Schweriner Hof hege. Auch der Herzog von Newcastle sagte seine Verwendung zu. „Bei Monsieur Pitt hoffe ich in diesen Tagen vorgelassen zu werden,“ schrieb Dewitz. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, denn am 5. Oktober war es den Bemühungen Lord Bute's gelungen, Pitt zu stürzen; mit ihm, seinem Schwager Lord Temple und dessen Bruder Grenville schieden die Freunde Friedrich des Großen aus dem englischen Cabinet.

Dewitz benutzte die sich ihm bietende Chance auf das Eifrigste. Auf seinen Rat schrieb der Herzog an die Königin Charlotte einen freundschaftlichen Brief, welchen Dewitz übergab, als er wusste, dass der König bei seiner Gemahlin war. Als er die Frage des Königs, ob auch er Briefe aus Schwerin habe, bejahte, mußte er das herzogliche Schreiben, in welchem das ganze Elend des Landes ausführlich geschildert war, laut vorlesen. Ende Oktober schrieb der Herzog noch einmal an die Königin dringend um Hülfe, welchen Brief die Königin tränenden Auges ihrem Gemahl vorlas. Der König versprach jetzt dem Geheimrat von Dewitz, sofort an den König von Preußen schreiben zu wollen, unterließ dies aber auf den Rat seiner Minister. Dagegen wurde Mitchel beauftragt, in Magdeburg beim Grafen Finkenstein Vorstellungen zu tun; auch die Königin nahm Gelegenheit, dem Baron Knyphausen von den Gewalttätigkeiten des Obersten von Belling zu erzählen, ward aber fast irre, als der Gesandte ungemein erstaunt tat und mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns Ihrer Majestät versicherte: davon wisse der König, sein Herr, sicherlich nicht das Allergeringste! Ähnlich äußerte sich Mitchel: der Graf Finkenstein wisse nichts von dem, was sich in Mecklenburg ereigne, wolle aber sofort darüber an seinen Herrn berichten.

Graf Bassewitz hatte sich von vorne herein von der Intercession des Königs von England keinen Nutzen versprochen, er fürchtete sogar, dass die Mächte der Koalition dem Herzog diesen Versuch im feindlichen Lager ernstlich übel nehmen könnten. Er bestimmte daher den Herzog, welcher bereits einen zweiten Brief an König Georg geschrieben hatte, ohne dass dieser den ersten beantwortet hatte, dies Schreiben nicht abzuschicken.

Im Januar 1762 erneuerte Mitchel, auf Lord Bute's Befehl, seine Vorstellungen beim Grafen Finkenstein; der preußische Minister hatte auf die andauernden feindseligen Gesinnungen des Herzogs von Mecklenburg hingewiesen und - die Achseln gezuckt.

Um das Interesse König Georgs stets rege zu erhalten, unterhielt Herzog Friedrich einen fortlaufenden Briefwechsel mit Sophie Charlotte. Es liegen uns die Antwortschreiben der Königin vor, welche von Mitgefühl für die Leiden des Schweriner Landes und vom Lobpreis ihres ehelichen Glückes überfließen, aber in keiner Weise näher auf die Behandlung Mecklenburgs durch den König von Preußen eingehen. Dieselben sind so gänzlich verschieden von dem Ton des Briefes an Friedrich den Großen, welchen man der Königin zugeschrieben hat, und es wird auch in den umfangreichen Akten über den Dewitz'schen Aufenthalt in London dieses Briefes nirgends Erwähnung getan, dass wir die Ansicht derer teilen, welche behaupten, dass dieser Brief, nach Pitt's Sturz, unter dem preußenfeindlichen Ministerium Bute gefälscht sei. Damit der Leser Gelegenheit hat, selbst zu urteilen, geben wir einen Brief der Königin an Herzog Friedrich vom 22. Januar 1762 wörtlich wieder:

„So sehr mich das bisher ausgestandene harte Schicksal Eurer Durchlaucht rührt, so herzlich ist mein Wunsch, dass Seiner Majestät gute Absicht und Verwendung den abgezielten Erfolg haben möge. Wie große Ursache habe ich, dem Allerhöchsten zu danken, in der Person eines liebenswürdigsten und mich zärtlich liebenden Gemahls, eines gottesfürchtigen und tugendhaften Herrn, einen edlen und großmütig denkenden und für meine Verwandten und mein Vaterland gnädig gesinnten König zu besitzen.“

Ganz ähnlichen Inhalts sind die 3 anderen Briefe der Königin an den Herzog.

Und nun der Brief derselben Königin an Friedrich den Großen, welcher im März 1762 in London im Druck erschien! Folgende Stelle desselben ist Schäfers Geschichte des 7jährigen Krieges entnommen, welcher denselben für gefälscht erklärt:

„Das ganze Land, mein teures Vaterland liegt da als eine einzige schreckliche Wüste; Ackerbau und Viehzucht haben aufgehört; die Städte sind nur noch von Greisen, Weibern und Kindern bewohnt, vielleicht hockt da und dort ein Krieger, den Wunden oder der Verlust seiner Gliedmaßen für den Dienst untauglich gemacht haben, vor seiner Tür.“

Als im Frühling des Jahres 1762 die Kriegsaussichten zwischen Russland und Dänemark drohender wurden, bat Dewitz Georg III. im Namen beider Herzöge um Schutz für die mecklenburgischen Lande. Infolgedessen ließ der König dem dänischen und russischen Hofe erklären, wie er es nicht mit gleichgültigen Augen ansehen würde, wenn die Länder zweier so naher und verehrter Verwandten wider Vermuten feindlich behandelt werden sollten.

Den oben erwähnten Vergleich mit dem Obersten von Belling, demzufolge die preußischen Truppen Mecklenburg im Mai räumten, hielt der Herzog Friedrich für eine Folge der englischen Intercession und ließ dem König seinen Dank in den wärmsten Ausdrücken aussprechen. Auch wurde in Schwerin im Monat Juni, entgegen dem sonstigen Brauche, in allen Kirchen des Landes Fürbitte für die Königin Sophie Charlotte gehalten, als diese sich in gesegneten Umständen befand; „aus persönlicher Hochachtung“, hieß es in dem 4 Seiten langen, äußerst überschwänglichen Kirchengebet, welches der Herzog selbst verfaßt hatte.

Durch das überaus gnädige Wohlwollen, welches der englische Monarch dem Geheimrat von Dewitz, als dem väterlichen Freunde seiner geliebten Gemahlin, bei jeder Gelegenheit bewies, wurde Letzterer ermutigt, dem Könige gegenüber eine sehr heikle Angelegenheit zur Sprache zu bringen: die Abtretung Lauenburgs an Mecklenburg. Auf dies Herzogtum glaubte Herzog Friedrich in Folge einer Erbverbrüderung aus früherer Zeit, welche bei Abschluß des Westfälischen Friedens von Kaiser und Reich anerkannt war, Ansprüche zu haben. Dewitz hatte dies gesprächsweise dem Könige Georg wiederholt mitgeteilt, aber, um sich die scheinbar günstige Gelegenheit, auch seinem - dem Strelitzer - Hofe Vorteile zuzuwenden, nicht entgehen zu lassen, in der Weise, als ob beiden Mecklenburgs diese Anrechte zugesprochen wären. Der König hatte nicht widersprochen, wahrscheinlich weil ihm die ganze Angelegenheit völlig fremd war, und dies hatte Dewitz als ein günstiges Zeichen angesehen. Er hatte die Sache seinem Gönner, dem Lord Bute vorgetragen - den Verkehr mit Münchhausen hatte er nach der oben erwähnten Unterredung ganz aufgegeben -, aber, wie dies auch nicht anders zu erwarten war, die Antwort erhalten, dass das englische Ministerium sich in die rein hannoversche Angelegenheit nicht mischen könne.

In Schwerin war man von der Wendung, welche Dewitz der Lauenburgischen Frage im Interesse des Strelitzer Hofes gegeben hatte, gar wenig erbaut, indessen hatte Graf Bassewitz dem Herzog geraten, „gute Miene zum bösen Spiel zu machen, da Schwerin jetzt auf gar so schwachen Füßen stehe“, und Baron Dittmar war angewiesen worden, in Wien dahin zu wirken, dass beim Friedensschlusse das Herzogtum Lauenburg, gegen Säkularisierung der Bistümer Osnabrück und Hildesheim zu Gunsten Hannovers, an beide Mecklenburg abgetreten werde. Den dringenden Rat des Geheimrat von Dewitz, einen Minister an die Regierung nach Hannover zu senden, da von deren Bericht Alles abhänge, befolgte die mecklenburgische Regierung nicht.

Um diese Zeit war ein Mitglied der hannoverschen Regierung, der Geheimrat von Behr, welcher mit Dewitz intim befreundet war, nach London gekommen. Die beiden Freunde hatten die Lauenburg'sche Angelegenheit im strengsten Vertrauen eingehend besprochen und daraufhin hatte Dewitz dem Herzog geraten, dem König Georg offenherzig und mit Vertrauen seine Lauenburgischen Wünsche zu enthüllen und sich somit völlig England in die Arme zu werfen.

Der Plan war nicht ohne Bedenken, doch riet Graf Bassewitz entschieden, diesen Schritt zu tun. „Auf diese Art“ argumentierte er, „kommen Eure Durchlaucht meines Erachtens aus der unerträglichen Lage, sich von den Höfen, die selbst im Unglück sind und nicht helfen können (selbst wenn sie wollten!), amüsieren und hinhalten lassen und aus Ihrem natürlichen und gegründeten Vertrauen zu dem siegreichen und Alles vermögenden Hofe von London, ein Geheimnis machen zu müssen, mit einem Male heraus. Eure Durchlaucht entdecken dem englischen Hofe selbst den vormals, ut ita dicam, mit seinen Feinden auf seine - Englands - Kosten geschmiedeten Anschlag, welchen die hannoverschen Minister Ihnen so sehr zur Last zu legen suchen, mit voller Freimütigkeit, verlangen aber nichts umsonst, sondern bieten volle Entschädigung durch die Säkularisierung der genannten Bistümer.“

Mitte Oktober wurde das sehr ausführliche Schreiben des Herzogs dem König Georg übergeben. Dasselbe appellierte an „die Gerechtigkeitsliebe und Großmut des Königs, welcher jetzt als Sieger der Welten Europa den Frieden wiedergeben wolle;“ es schilderte das Elend der mecklenburgischen Lande, ging dann auf die Entschädigungsfrage über und forderte die Rückgabe der 4 an Preußen, der 8 an Hannover verpfändeten Ämter, sowie die Abtretung Lauenburgs, auf welches Mecklenburg ein Recht habe und erwähnte zum Schluss die Entschädigung des Kurfürstentums Hannover durch die Bistümer.

Die Antwort König Georgs kam schneller, als man erwartet hatte. „Wir wollen,“ so schrieb der König, gegengezeichnet: von Münchhausen am 22. Oktober, „die in dem freundvetterlichen Schreiben vom 18. v. M. enthaltenen Vorschläge mit Stillschweigen übergehen, solches wird Eure Liebden, wie Wir von der Ihnen beiwohnenden Einsicht und Gemüts-Billigkeit nicht anders hoffen können, keinen Augenblick befremdlich bleiben, wenn Demselben gefällig sein wird, in Betracht zu ziehen, dass Wir den Schaden, worüber Eure Liebden boliren, weder unmittelbar noch mittelbar verursacht, noch Etwas dazu beigetragen haben, folglich auch hierauf uns nicht einlassen können, noch Ansprüche auf unsere angeerbten eignen Länder gelten lassen können.“

In Schwerin erregte diese Antwort des Königs große Bestürzung. Nun war jegliche Aussicht auf Entschädigung dahin. In der ersten Hitze wurde Dewitz ziemlich ungnädig angelassen; Graf Bassewitz schickte ihm den Brief des Königs, „da er billig zweifeln müsse, ob sein Freund Behr ihm eine Abschrift desselben mitgeteilt habe.“

Welche Rolle Herr von Behr in diesem Handel gespielt, ist nicht ersichtlich, jedenfalls hatte sich Dewitz gründlich täuschen lassen und die mecklenburgische Regierung hatte den Avis des dänischen Ministers Grafen Bernstorf, - von diesem war der Rat ausgegangen, sich um englische Hülfe zu bemühen - dass der König ein seelensguter Herr sei, aber nur das tue, wozu seine Minister ihm rieten, unbeachtet gelassen. Baron Dittmar hatte mit richtigem Blick von vorne herein von dem englischen Negoce abgeraten.

Um den vermeintlichen Unwillen König Georgs zu besänftigen, schrieb der Herzog sofort an die Königin und an den König sehr verbindliche Briefe und „legte das Wohl und Wehe seines altfürstlichen Hauses gänzlich in seiner Majestät Hände.“ Der König war aber nicht im Mindesten erzürnt; er hatte das von Münchhausen verfasste Schreiben unterzeichnet, wie jedes andere und damit war für ihn die Sache abgetan. Er empfing Dewitz, nach dessen Genesung von einem hartnäckigen Fieber äußerst gnädig bei der Königin, sagte, er werde sich des Interesses des Herzogs beim Friedensschluss gerne annehmen und sprach den Wunsch aus, die beiden Mecklenburg möchten einen ständigen Gesandten an seinem Hofe halten. Einen solchen Luxus verbot aber der schlechte Zustand, wenigstens der schwerinschen Finanzen schlechterdings und Dewitz kehrte im Januar 1763 in die Heimat zurück.

Vor seiner Abreise hatte Dewitz noch eine Verhandlung zu führen, welche aber ebenfalls zu keinem Abschluß führte. Es war nämlich zur Kenntnis des Herzogs gekommen, dass der dänische Hof während des russisch-dänischen Konfliktes beabsichtigte, den König Georg zu bewegen, die mecklenburgischen Truppen in seinen Sold zu nehmen, um sie auf alle Fälle der russisch-preußischen Machtsphäre zu entziehen. Dewitz hatte den Auftrag bekommen, in London zu erklären, dass er mit dieser Subsidienzahlung, deren Höhe er ganz der Großmut des englischen Hofes anheimgebe, durchaus einverstanden sei, aber unter der Voraussetzung, dass seine Truppen während des jetzigen Krieges nicht aktiv verwendet würden, da ihm Letzteres die Rücksicht auf Kaiser und Reich untersage; nach dem Kriege aber wolle er seine Truppen, welche aus auserlesener Mannschaft beständen und wohl beritten seien, zu einem ansehnlichen Corps vermehren und gegen Zahlung der üblichen Subsidien dem Dienste der britischen Krone, welche auch wohl nach geschlossenem Frieden Gelegenheit zu deren Verwendung finden würde, überlassen. Dewitz kehrte mit dem Bescheid des Königs zurück, dass er bedaure, für jetzt keinen Gebrauch von dem Anerbieten machen zu können; sollte er aber später in die Lage kommen, Truppen anwerben zu müssen, so verspräche er dem Herzog, dass er von allen deutschen Fürsten der Erste sein solle, der berücksichtigt werden würde.

Seltsam! Derselbe Fürst, dessen Gewissen ihm verbot, das Blut seiner Truppen auch nicht im gerechten Kriege zur Verteidigung seines Landes zu vergießen, der lieber die härteste Behandlung und die Verwüstung seiner Städte und Dörfer erduldete, als sich zu entschließen, auch nur einen Rekruten freiwillig wegzugeben, bot seine gesammten Truppen, die der großen Mehrzahl nach aus Landeskindern bestanden, einer fremden Macht zur beliebigen Verwendung in fremden Weltteilen gegen Erlangung bedeutender Geldvorteile an. So groß ist die Macht des Herkommens und des Geistes der Zeit, in welcher man lebt, dass auch die besten und edelsten Charaktere in unwissentlicher Verblendung Handlungen begehen, welche die Moral eines späteren Jahrhunderts strengstens verurteilen muss.

Es erübrigt sich nun noch, darzutun, in welcher Weise das deutsche Reich und somit auch Mecklenburg seinen Frieden mit dem König von Preußen machte.

Nachdem Friedrich der Große im Mai des Jahres 1762 Frieden mit Russland und Schweden geschlossen hatte, konnte er seine gesammten Streitkräfte gegen die Österreicher und gegen die Reichsarmee verwenden. Dadurch wuchs die Armee des Königs in Schlesien auf 78.000, die des Prinzen Heinrich in Sachsen auf 30.000 Mann an. Am 21. Juli wurden die Österreicher in dem Treffen bei Burkersdorf geschlagen; am 9. Oktober kapitulierte die Festung Schweidnitz nach neunwöchentlicher hartnäckiger Belagerung. Am 29. Oktober schlug Prinz Heinrich - unter ihm die Generäle von Seidlitz, Stutterheim, Kleist und Belling - die Reichsarmee unter dem Prinzen Stolberg entscheidend bei Freiberg. Am 7. November ließ der König, welcher sich nach Beendigung der Operationen in Schlesien nach Sachsen begeben hatte, den Feind aus seinen Stellungen diesseits des Plauenschen Grundes vertreiben. Es war der letzte Kampf in diesem gigantischen Kriege; die kleinen Staaten des deutschen Reiches lagen wehrlos zu den Füßen des Königs von Preußen!

Um den Reichsständen dies klar zu machen und um Kontributionen als Ersatz für die den preußischen Ländern zugefügten Kriegsschäden zu erheben, entsandte der König den General von Kleist mit 6.000 Mann zu einem Streifzuge nach Franken. Am 20. November besetzte Kleist Bamberg und legte der Stadt eine Kontribution von 1.000.000 Thalern auf. Kleinere Reichsstädte, deren Bürger sich den Streifkommandos widersetzten, wurden geplündert und mußten bedeutende Summen entrichten. Am 29. November wurde Nürnberg mit Beschießung bedroht; die Stadt öffnete ihre Thore, lieferte zwölf sechspfündige Geschütze aus und verpflichtete sich 2.000.000 Gulden zu zahlen. In Nürnberg waren eine Anzahl Geißeln aus preußischen und hannoverschen Gebieten interniert. Vor der Ankunft der Kleist'schen Truppen hatten dieselben nach Regensburg in Sicherheit gebracht werden sollen. Doch die städtischen Behörden dieser Stadt weigerten sich sie aufzunehmen; dieselben mußten einige Meilen vor der Stadt Halt machen und wurden dann durch preußische Husaren befreit.

Ein panischer Schrecken und eine unbeschreibliche Aufregung hatte sich der süddeutschen Staaten bemächtigt. Diese wurde noch vergrößert, als der Baron Plotho am 25. November den einzelnen Gesandten erklärte, der König, sein Herr, beabsichtige, da alle Ermahnungen des Königs, sich nicht in den Krieg zwischen Preußen und Österreich zu mischen, unbeachtet geblieben wären, 4 Corps gegen diejenigen Reichsstände, welche nicht sofort ihre Kontingente von der Reichsarmee abberufen würden, zu senden.

Am 21. November wurden zwischen den preußischen und den österreichischen Befehlshabern eine Waffenruhe verabredet. Der Reichsarmee wurde in der Konvention mit keinem Worte gedacht. Der Baron Teuffel schrieb seiner Regierung, man sei beim Reichstage empört über den Kaiser, der das Reich völlig offen liegen lasse und die Reichstruppen zur Bedeckung Böhmens verwende. Die preußischen Husaren ritten bis an die Thore Regensburgs; die Comitialgesandten waren wiederum wegen ihrer persönlichen Sicherheit besorgt und dachten daran, die Stadt zu verlassen. Eine Sprengung des Reichstags lag aber nicht in der Absicht des Königs von Preußen. Er wollte bei Beginn der Friedensunterhandlungen mit Österreich nicht neue Verwicklungen herbeiführen; er gedachte vielmehr, sich die Furcht der Reichsstände zu Nutzen zu machen und mit denselben Separat-Abkommen zu schließen, um das Haus Habsburg durch völlige Isolierung leichter zum Frieden zu bewegen. Zu dem Ende hatte er dem Baron Plotho am 5. Dezember 1762 Vollmacht gesandt, um mit den einzelnen Comitialgesandten auf Neutralität zu unterhandeln, stellte dabei aber den 14. März des folgenden Jahres als festen Termin, an welchem Alles abgeschlossen sein müsse.

Die deutschen Reichsstände beeilten sich, die goldene Brücke zu betreten, welche Preußen ihnen baute. Baiern eröffnete den Reigen, dann folgten Württemberg und Kurpfalz; die Bischöfe von Bamberg und Würzburg hatten direkt mit dem General Kleist einen Neutralitätsvertrag abgeschlossen. Der mecklenburgische Comitialgesandte ging keinen Spezialvertrag ein, war aber von seiner Regierung dahin instruiert, wenn Preußen am Reichstage eine allgemeine Neutralitäts-Deklaration vorlege, derselben beizutreten, dabei aber zu betonen, dass der Herzog ja während des ganzen Krieges sich streng neutral verhalten habe. Man nahm in Schwerin an, dass Preußen durch den mit dem Obersten v. Belling abgeschlossenen Vertrag gesichert sei.

Der Kaiser war mit dem Verlaufe, welchen die Angelegenheiten im Reiche nahmen, im Grunde genommen nicht unzufrieden; es wurde das österreichische Kaiserhaus dadurch der Ehrenpflicht, beim Frieden für die Interessen der Reichsstände einzutreten, überhoben. Indessen glaubte er es seiner Würde und seinem Ansehen schuldig zu sein, als Oberhaupt des deutschen Reiches aufzutreten und die Initiative zu ergreifen. Er suchte daher die Stände zur Standhaftigkeit zu ermahnen und traf Maßregeln, den General Kleist aus Franken zu vertreiben. Der Prinz von Stolberg, welcher mit den Truppen des (österreichischen) Generals von Haddick bei Dresden im Lager stand, wurde angewiesen, schleunigst nach Franken aufzubrechen. Bevor derselbe aber in N?rnberg anlangte, ward der General Kleist gezwungen, vor dem chursächsischen Corps, welches, im französischen Dienste stehend, nach dem am 15. Nov. zwischen dem Prinzen Ferdinand und den Marschällen d'Estrees und Soubise geschlossenen Waffenstillstande heranmarschierte, sich über Erfurt nach Altenburg zurückzuziehen - 21. Dezember -. Am 11. Januar 1763 ward dann eine Waffenruhe mit der Reichsarmee abgeschlossen, welche sich jetzt, ebenso wie sie vor 6 Jahren zusammengetreten war, nach der Willkür der einzelnen Kriegsherren allmählich aufzulösen begann.

Am 19. Januar 1763 ließ der Kaiser der Reichsversammlung durch ein Kommissions-Decret eröffnen, dass die Kaiserin von Österreich auf die ihr durch den Reichstags-Beschluss vom 17. Januar 1757 gewährte Reichshülfe verzichte und ersuchte die Versammlung ein Reichsgutachten abzugeben, wie dem deutschen Vaterlande der so wünschenswerte Friede wiederzugeben sei. Am 7. Februar wurde die kaiserliche Botschaft in den drei Kollegien - dem kurfürstlichen, dem fürstlichen und dem reichsstädtischen - beraten und die einzelnen Vota zu Protokoll gegeben. „So groß war das Bedürfnis nach Frieden,“ berichtete Baron Teuffel seinem Hofe, „dass Niemand widersprach, was noch nie vorgekommen ist!“ In der Sitzung vom 11. Februar wurde das Reichsgutachten dahin zusammengefasst, dass die reichsständischen Kontingente entlassen werden sollten, und dass man zu dem Könige von Preußen das Vertrauen habe, dass nunmehr die Reichslande von allen Belästigungen des Kriegs befreit sein würden. Hieraufhin gab der Freiherr von Plotho die Erklärung ab, dass der König, sein Herr, die Neutralität des Reiches annehmen und dabei die Stände schützen und schirmen würde. Am 24. Februar erließ der Kaiser ein Decret an die Reichsversammlung, in welchem der Abschluß des Hubertsburger Friedens - 15. Februar 1763 - mitgeteilt und der Befehl zur Auflösung der Reichsarmee gegeben wurde.

In der nächsten Ratsversammlung - berichtet Teuffel - wurde ein Beschluss gefasst, in welchem man der Kaiserin-Königin und dem Kaiser dankte, ersterer für das Interesse, welches sie bei den Friedensverhandlungen dem Reiche bewiesen, letzterem für die Mitteilung des Friedensschlusses. Zum Schluss erhob sich der kursächsische Gesandte, der Baron von Ponikau, und verlas - es klang wie Hohn! - ein in den verbindlichsten Ausdrücken abgefasstes Schreiben, worin „der Churfürst, sein Herr, den höchsten und hohen Ständen für die geleistete Reichshülfe seinen Dank aussprach und sich vorkommenden Falls zu Gegendiensten bestens offerierte.“

Wir sind mit unserer Erzählung zu Ende. Es ist kein erfreuliches Zeitbild, welches wir unseren Lesern entrollt haben. Es zeigt das ehedem so mächtige deutsche Reich in Zerrissenheit und tiefer Erniedrigung. Und doch sollten noch schmachvollere Zeiten kommen, bevor sich überall in den deutschen Landen, bei Fürsten und Völkern, die volle Erkenntnis Bahn brach, dass nur durch ein einmütiges Zusammenstehen Aller ein gesichertes und gedeihliches Staatsleben gewährleistet werde. Dass unser Volk diese Zeiten überdauert hat, ohne zu Grunde zu gehen, ist ein Beweis von dem, sämtlichen deutschen Volksstämmen, auch den kleinsten, innewohnenden moralischen Halt und ihrer kernfesten Tüchtigkeit.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg
008. König Georg III. Kupferstich von W. Woollett nach dem Bilde von A. Ramsay

008. König Georg III. Kupferstich von W. Woollett nach dem Bilde von A. Ramsay

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