Übernahme des Kommandos der preußischen Truppen in Mecklenburg

Übernahme des Kommandos der preußischen Truppen in Mecklenburg durch den Prinzen Eugen von Württemberg; 2. Marsch der mecklenburgischen Truppen nach Rügen; die Festung Dömitz.

Wir wissen, dass der Prinz Eugen von Württemberg, als er am 31. Oktober im Begriff stand, das schwedische Lager bei Prenzlau anzugreifen, vom Könige zur Verteidigung Berlins abberufen worden war. Nach der Capitulation der Hauptstadt war er zur Armee nach Sachsen gegangen und hatte bei Torgau mitgekämpft. Darauf sollte er mit seinem Corps im Verein mit dem General Werner gegen die Russen operieren. Als Letztere sich aber im Winter 1760 nach der Weichsel zurückzogen, hatte ihm der König befohlen mit seinen Truppen Winterquartiere in Mecklenburg zu beziehen. Sein Corps - das frühere Stutterheimsche - war circa 5.000 Mann stark.


Am 29. November kündigte der Prinz dem Engeren Ausschusse von Woldegk aus an, dass er den Oberbefehl über sämtliche preußischen Truppen in Mecklenburg - incl. des Bellingschen Corps - übernommen und dass das Land diese Truppen zu verpflegen habe; gleichzeitig entbot er Deputierte der Ritter- und Landschaft in sein Hauptquartier. Übrigens verhieß der Prinz strengste Ordnung und Manneszucht im Lande halten zu wollen und ersuchte den Engeren Ausschuss dies den Einwohnern bekannt zu machen, zugleich aber auch dieselben zu ermahnen, ruhig in ihren Wohnungen bei ihrem Gewerbe und Hantierung oder in ihrem Amte zu verbleiben. Diesem Manifeste folgte am 2. Dezember von Stavenhagen aus noch ein ausdrücklicher General-Sauve-Garde-Brief für das ganze Land und dessen Einwohner.

Man muss bei dem ehrenwerten Charakter des Prinzen Eugen annehmen, dass derselbe die bestimmte Absicht hatte, das unglückliche Land zu schonen, soweit es die Rücksicht aus das Wohl seiner eigenen Truppen irgend gestattete und zwar um so mehr, als er durch die Bande der Verwandschaft mit dem mecklenburgischen Fürstenhause verbunden war.1) Allein er hatte einem mächtigeren Willen zu gehorchen, gegen welchen es keinen Ungehorsam gab.

Die erste Sorge Friedrich des Großen nach dem Beziehen der Winterquartiere war stets, die Mittel für den Feldzug des nächsten Jahres bereit zu stellen und so gingen schon in den ersten Tagen des Dezember (1760) im Hauptquartier des Prinzen die gemessensten und schärfsten Befehle des Königs ein, Geld und Naturallieferungen im großartigen Maßstabe aus „seiner Kornkammer“ einzutreiben.

Am 9. Dezember verlegte der Prinz sein Hauptquartier nach Rostock und teilte am nächsten Tage dem Engeren Ausschusse mit, dass der König befohlen habe, das Land solle 1.500.000 Thaler in 3 Terminen von 3 zu 3 Wochen zahlen, ferner 2.000 Ochsen und 6.000 Schafe zur Lieferung nach Wittstock bereit halten und 6.000 Wispel Mehl, dazu 48.000 Thaler Emballage-Gelder binnen 3 Wochen nach Lenzen senden.2) Außerdem forderte er die Gestellung von 2.000 Pferden und freie Verpflegung des ganzen Corps. Für das schlechte lauenburgische und sächsische Geld - letzteres hatte der König in der Münze zu Dresden mit sächsischem Stempel prägen lassen - wurde der Zwangscours eingeführt; bei Einzahlung desselben in die preußischen Kassen mußte jedoch ein bedeutendes Agio entrichtet werden. Bei so bewandten Umständen darf es uns nicht Wunder nehmen, dass der Herzog dem Beispiele des Königs folgte; i. J. 1758 ließ er aus der Mark sein Silber zuerst 16, dann 18 Thaler, im November 1761 33, im Dezember desselben Jahres 34 und im Mai 1762 gar 40 Thaler prägen, ohne den Stempel von 1754 zu ändern.

1) Die Herzogin Luise Friederike von Mecklenburg war eine Tochter des Erbprinzen Friedrich Ludwig von Württemberg, also eine Nichte des Prinzen Eugen.

2) Später trat eine Änderung dahin ein, dass die Lieferungen nach Lenzen, Zehdenick, Havelberg und Stettin gesendet werden sollten.


Erschreckt durch diese neuen Forderungen schickte der Herzog den Oberjägermeister von Koppelow nach Rostock. Aber anstatt auf eine Ermäßigung der Lieferungen einzugehen, äußerte der Prinz sarkastisch: „Seine Majestät haben mit großem Interesse vernommen, dass der Herzog so viele Truppen angeworben, auch noch Cavallerie und Husaren errichtet hat; da werden auch wohl noch 3.000 Rekruten für seine Armee in Mecklenburg zu finden sein“; und fügte lächelnd hinzu, als Herr von Koppelow sprachlos vor Erstaunen ob dieser schriftlich nicht erwähnten Menschenforderung war: „Ja, ja, so etwas kann man nicht schriftlich fordern, sonst fliehen alle jungen Leute sofort aus dem Lande! Aber sagen Sie doch Ihrem Herrn, Seine Majestät will alle diese Forderungen fallen lassen, wenn Seine Durchlaucht sich entschließt, Seine Truppen in den Dienst des Königs zu geben“.

Eine Übergabe der mecklenburgischen Truppen an den König von Preußen wäre aber gleichbedeutend mit einer völligen Änderung des politischen Systems des Herzogs gewesen und wurde daher in den Verhandlungen mit dem Prinzen mit keiner Silbe weiter erwähnt. Auf Befehl des Herzogs waren die Truppen, welche im Laufe des Jahres durch Werbung auf circa 1900 Mann vermehrt waren, übrigens schon auf dem Marsche nach Rügen. Missmutig zogen sie der ihnen wohlbekannten Zufluchtsstätte zu. Sie wussten, was ihrer dort harrte; schlechte Quartiere, schlechte Verpflegung und im Herzen das niederdrückende Gefühl, mit Wehr und Waffen in den Händen, dem Feinde den Rücken wenden zu müssen.

Um den völligen Ruin des Landes abzuwehren, blieb der Regierung nichts übrig, als sich mit dem Engeren Ausschuss in Verbindung zu setzen und mit den Lieferungen zu beginnen. Zugleich aber wurden herzogliche Kommissare an den Prinzen gesandt, um einen Nachlass der unerschwinglichen Forderungen zu erwirken, mit dem Auftrage, ganz besonders zu betonen, dass sich der Herzog zur freiwilligen Gestellung von Rekruten unter keinen Umständen herbeilassen würde, weil dies gegen sein Gewissen und bei dem notorischen Menschenmangel im Lande auch völlig unmöglich sei. Der Prinz blieb aber bei seiner Forderung von 3.000 Rekruten oder von 300 Thalern für jeden nicht gestellten Mann hartnäckig stehen: sonst sollten alle waffenfähigen Männer fortgeschleppt und die mecklenburgischen Lande gänzlich verheert werden.

Indessen mochte der Prinz einsehen, dass er auf diese Weise eine erhebliche Anzahl brauchbarer Rekruten nicht erlangen würde.

Er änderte seine Sprache und gab vertraulich zu verstehen, dass er von der Gestellung der Rekruten wohl absehen würde, wenn er nur sähe, dass seine übrigen Forderungen pünktlich erfüllt würden.

Die Regierung schmeichelte sich mit der Hoffnung billigere Bedingungen zu erlangen, zumal der Prinz als Verwandter der Herzogin die fürstlichen Herrschaften in Ludwigslust auf das höflichste hatte „becomplimentiren“ und die Zusicherung geben lassen, der Herzog würde nicht allein in seiner Residenz, sondern auch in jedem seiner Schlösser vollkommen sicher und unbehelligt sein. Allein, als der erste Termin verstrichen war, ohne dass die fälligen Gelder und Lieferungen eingegangen waren, trat das Feld-Kriegs-Kommissariat in der heftigsten Weise auf und drohte mit Verheerung und Verwüstung, sogar der Residenz und des Schlosses in Ludwigslust, so dass sich der Herzog, als ihm mitgeteilt wurde, dass sich wirklich schon Truppen-Kommandos in Bewegung gesetzt, um die Drohungen auszuführen, bewogen fühlte - Anfang Januar 1761 - in großer Eile nach Lübeck zu flüchten.

Im höchsten Grade aufgebracht über den vermeintlichen Treubruch des Prinzen - die Drohungen waren wohl schwerlich ernstlich gemeint - und tief verstimmt über die Willfährigkeit der Ritterschaft den preußischen Forderungen gegenüber, schrieb der Herzog Anfang Januar an seine Gemahlin:

„Ich bin (Gott Lob!) eben glücklich und wohl hier angekommen, nachdem ich im Dunkeln in denen tiefsten Löchern und Wegen herumgekrochen und wäre mir eher des Himmels Einfall als diese Reise vermuten gewesen nach allen Versicherungen des Prinzen von guter Gesinnung gegen mir. Ich bin aber immer so und glaube, die Leute denken, wie ich denke. Ich komme nicht wieder, es wäre denn, dass mir der Prinz auf Ehre und Gewissen versichern kann, wie ich und die Gegenden in Mecklenburg, wo ich mich immer aufhalte, als Schwerin und die Lusthäuser niemals beunruhigt werden und dass ich auch sicher sei, der König schicke ihm keine diesem Vertrage zuwiderlaufenden Befehle.

Der Engere Ausschuss soll sein gewissenloses Betragen aber für Gott und mir verantworten! Mache übrigens den Herrn meine allerbeste Empfehlung: ich empfehle ihnen die Sorge für das Wohl des Landes und der Untertanen, und den Teil der Verantwortung des Guten oder Bösen, das geschähe, würden sie am jüngsten Tage auch übernehmen. Sage dem Prinzen, dass keine Menschen geliefert würden; das liefe wider Gott, das könnte ich nicht tun, einem Menschen seine Freiheit nehmen.“

Als nun der Prinz von Württemberg dem Herzog durch die Übermittelung seiner Gemahlin die bündigsten Versicherungen für seine persönliche Sicherheit gab, dabei aber den dringenden Rat einfließen ließ, sich mit dem Könige auszusöhnen, schrieb der Herzog - am 11. Januar: durch einen Ausgleich mit Preußen würde er den Kaiser, Frankreich und Russland zu sehr erbittern, auch traue er dem Könige nicht. „Ich weiß kein ähnlicheres Bild zwischen Ihm und mir, als die Fabel des Wolfes und des Lammes, ich weiß keine Zuflucht wie Gott und die Barmherzigkeit des Prinzen, für welche ich mich glücklich schätzen würde, es sei über kurz oder lang, eine wahre Erkenntlichkeit an den Tag zu legen. Gott wird zwischen dem König und mir der Richter sein!“

Um die Mitte des Januar kehrte dann der Herzog in seine Residenz zurück.

Das Kriegs-Kommissariat hatte sich endlich durch die dringlichen Bitten und Vorstellungen der herzoglichen Kommissare und des Engeren Ausschusses 500.000 Thaler von den geforderten 1.500.000 Thalern abdingen lassen. Allein die Abminderung der Summe wurde dadurch fast bis auf die Hälfte wieder zurückgenommen, dass die Kontribution in Gold gezahlt werden sollte, oder, wenn die Zahlung in Courant geschähe, 200.000 Thaler Agio verlangt wurden. Die Bemühungen der Kommissare um teilweisen Erlass der Naturallieferungen hatten keinen Erfolg.

Die großen Mengen von Schlachtvieh und Mehl, welche in die Magazine nach Lenzen geliefert werden sollten, waren zur Proviantierung der Festungen Stettin, Colberg und Magdeburg bestimmt. Abgesehen hiervon hatte das Land aber noch Naturallieferungen zur Verpflegung der in Mecklenburg und an der Grenze liegenden preußischen Truppen zu gestellen. Diese Lieferungen waren so reichlich in Ansatz gebracht, dass das Kriegs-Kommissariat gleich Anfangs 6 Ämter mit den auf sie entfallenen Quoten an die Magazine nach Lenzen weisen konnte, also die Naturalien zu einem ganz anderen Zwecke verwendete, als wozu sie ursprünglich verlangt waren. Aber, was viel schlimmer war, die preußischen Truppen mußten, ungeachtet der an das Kriegs-Kommissariat für sie zu liefernden Naturalien und ungeachtet der sogenannten Ochsengelder, welche sich bereits über 71.000 Thaler beliefen und welche unter dem Versprechen gefordert und eingetrieben wurden, dass die Truppen für Geld zehren sollten, fast überall von den Einwohnern verpflegt werden. Das Land aber erfuhr in Bezug auf die weit über die Stärke der Truppen geforderten Lieferungen trotzdem keine Erleichterung. Zwar untersagte das Kriegs-Kommissariat, als der Bedarf für die Truppen auf lange hinaus reichlich gedeckt war, der Ritterschaft und den Städten alle weiteren Naturallieferungen, verlangte aber dafür, unter dem Titel „Ersparte Naturaliengelder“ eine Summe von 135.000 Thalern. Ebensowenig wurde, als die Magazine in Lenzen u. s. w. gefüllt waren, der Rest der geforderten Naturalien dem Lande erlassen, sondern zu Geld angesetzt und somit noch weitere 175.000 Thaler verlangt. Ja, man legte sogar nach Verlauf von 5 Monaten der Ritterschaft eine neue Naturalienlieferung auf.

Mit alledem war aber das Kriegs-Kommissariat noch nicht zufrieden. Man suchte die rückständigen Forderungen aus den Jahren 1758 und 1759 hervor und verlangte unter diesem Titel noch weitere 387.927 Thaler, zahlbar binnen wenigen Tagen. Das Einzige, was diese ernormen Leistungen für das Land erträglich machte, war, dass alle Zahlungen und Naturallieferungen der Billigkeit und dem bestehenden Herkommen gemäß von den Behörden verteilt und ordnungsgemäß eingesammelt an das Kriegs-Kommissariat abgeliefert wurden. Bald aber trat ein Ereignis ein, welches den geschäftlichen Beziehungen zwischen der Regierung und dem preußischen Hauptquartier einen argen Stoß gab und an die Stelle von Gesetz und Ordnung, Gewalt und Willkür setzte.

Ende Januar 1761 erließ der Prinz ein Ausschreiben im Lande, dass jedes Domanial-Amt, jede Stadt und jedes Rittergut eine bestimmte Anzahl 4spänniger Wagen zum 10. Februar nach Rostock, Neukalen und Tessin zu gestellen hätte. Bei jedem Wagen sollten sich außer dem Gespannführer zwei zur Arbeit tüchtige Leute befinden, versehen mit Arbeitsgerät, mehreren Faschinen und Lebensmitteln auf 3 Tage. Dabei war die ausdrückliche Versicherung erteilt, dass nach Ablauf dieser Frist Gespann und Leute in ihre Heimat zurückkehren sollten.

Sobald dies Ausschreiben zur Kenntnis der herzoglichen Kommissarien und des Engeren Ausschusses kam, begaben sich dieselben zum Prinzen und stellten ihm vor, dass hieraufhin kein mecklenburgischer Untertan erscheinen würde, da alle Landeseinwohner, vom Ersten bis zum Letzten glauben würden, dass es hierbei auf eine Rekrutenaushebung abgesehen sei.

Der Prinz zeigte große Empfindlichkeit über das in ihn gesetzte Misstrauen, welches er nicht verdiene und gab die bündigsten Versicherungen, dass er weit entfernt wäre, solche Mittel, um sich Rekruten zu verschaffen, anzuwenden. Vertraulich eröffnete er den Herren, dass es sich um eine Expedition nach Schwedisch-Pommern handle, zu welcher die Arbeiter und die Gespanne gebraucht werden sollten. In diesem Sinne schrieb der Prinz eigenhändig an den Herzog, ebenso richtete die Prinzessin, seine Gemahlin,1) welche zu längerem Aufenthalte in Rostock eingetroffen, im dortigen Palais residierte und sofort die freundschaftlichsten Beziehungen zur Herzogin Luise Friederike angeknüpft hatte, ein völlig beruhigendes Schreiben an die Letztere.

Unter diesen Umständen ließ es der Herzog, im Einverständnis mit dem Engeren Ausschuss, geschehen, dass Gespanne und Leute gestellt wurden. Jedoch verbot er ausdrücklich, junge ledige Knechte und Arbeiter zu schicken; „um den preußischen Offizieren den in den mecklenburgischen Landen noch übrigen kleinen Vorrat an jungen, diensttauglichen Leuten nicht zu zeigen,“ wie es in dem Erlass heißt.

So kam denn - aus dem Domanium nur wenige - eine sehr ansehnliche Menge von Wagen und Leuten in den drei genannten Städten zusammen und wurden sofort, Gespannführer wie Arbeiter, von preußischen Kommandos ergriffen und in Gewahrsam gebracht. Besonders vertrauenerweckend für das Auge der musternden Offiziere war freilich diese bunt zusammengewürfelte Menge nicht. Die Mehrzahl waren bejahrte, verheiratete Männer, Greise und halbe Kinder; nur wenig junge und rüstige Leute. Alle wurden in die Kirchen gesperrt und in strengem Gewahrsam gehalten; da man die Gespanne ohne Aufsicht stehen ließ, die Behörden aber sich in den ganzen Handel nicht mischen wollten, nahm sich Jedermann, was ihm gefiel; Wagen, Geschirre und Pferde wurden teils gestohlen, teils irrten letztere noch Tage und Nächte lang in den Straßen und Feldern umher und kamen entweder überhaupt nicht oder halb verhungert und zerschunden in die Hände ihrer Besitzer zurück.

Die Absicht des preußischen Oberbefehlshabers lag klar zu Tage. Zwar gab er sich zunächst noch den Anschein, als sei es auf eine Rekrutierung gar nicht abgesehen gewesen. Er rief den Oberamtmann Brandt2) zu sich, beschwerte sich heftig darüber, dass aus den Domainen so wenig Wagen erschienen seien; es sei des Herzogs eigner Schade, denn bevor alle Gespanne zusammen wären, könne er mit denselben nichts anfangen. Indessen als der Engere Ausschuss, dessen Mitglieder zu empfangen der Prinz abgelehnt hatte, eine schriftliche Beschwerde einreichte und sich auf des Prinzen, unter Brief und Siegel gegebenes Versprechen berief, gab er offene Antwort: er habe nach der bestimmten Ordre des Königs, seines allergnädigsten Herrn gehandelt und werde auch künftighin so handeln. Zu gleicher Zeit forderte er für die gesandten Dienstuntauglichen, ebenso für die Verheirateten, jüngere, kräftige Leute, für die nicht Gestellten aber einen dreifachen Ersatz.

1) Eine Nichte Friedrich des Großen.

2) Derselbe war zweiter herzoglicher Kommissarius.


Inzwischen wurden die weggenommenen Leute in verschiedenen Transporten, mit Stricken an einander gekoppelt, in die preußischen Rekruten-Depots abgeführt. Auf ihrem Marsche durch das Land befanden sich dieselben in den Kirchen, wo sie während der Nacht, mitunter auch mehrere Tage lang eingesperrt wurden, in der bejammernswertesten Lage. Es liegen gerichtliche Aussagen der Küster an der Pfarr- und der Heiligen Geist-Kirche zu Güstrow vor, welche ein Bild großen Elends liefern. „Man reichte den Gefangenen“, heißt es in einem amtlichen Bericht, „statt aller Nahrung Brod und Wasser und dieses in so wenig zureichender Menge, dass sie verhungert und verdürstet sein würden, wenn sich nicht die Bürger und Einwohner ihrer erbarmt hätten. Die Versagung auch derjenigen Freiheit, welche dem ärgsten Missetäter vergönnt ist, machte die Kirchen zu wahren Kloaken und setzte die Leute in den Stand des unreinlichsten Viehes. Die natürliche Neigung, aus einem so entsetzlichen Zustand zu kommen, trieb einige der in die Kirche zu Krakow gesperrten Untertanen zu einem Fluchtversuch. Man bemerkte es, man schoss unter sie und tötete 3 auf der Stelle. Unlängst hat man wieder 4 von diesen entflohenen Leuten in dem Krakower See gefunden, welche ohne Zweifel damals auch sich mit der Flucht zu retten versucht, vermutlich aber verfolgt und in der Angst in den See gelaufen und ertrunken sind.“

Die Folgen blieben nicht aus, als diese gewaltsame Rekrutierung im Lande bekannt wurde. Bürger und Bauern, Alles was zum Kriegsdienste irgendwie tauglich war, ging scharenweise aus dem Lande oder verkroch sich, ungeachtet der rauen Jahreszeit, in Wäldern und Brüchen. Handel und Wandel lagen völlig dar nieder.

Im Vertrauen auf die Zusicherungen des preußischen Oberbefehlshabers hatte Herzog Friedrich, um wenigstens die persönliche Sicherheit seiner Untertanen zu erhalten, sein Land alle Kräfte anspannen lassen, seine eignen Kassen völlig erschöpft und seinen Kredit aufs Höchste angespannt. Die Handlungsweise des Prinzen aber und die schließliche Berufung auf die königlichen Befehle, welche ja jeden Tag neue Forderungen bringen konnten, benahm seinen feierlichsten Versicherungen jegliche bindende Kraft, mithin allen Wert. Der Herzog Pächtern weitere Zahlungen und Lieferungen zu leisten und der Ritterschaft und den Städten gab er anheim, in derselben Weise zu verfahren. Er selbst aber, auf das Äußerste indigniert über das Benehmen des Prinzen, traute jetzt auch den Versicherungen, welche derselbe ihm in betreff seiner persönlichen Sicherheit gegeben hatte, nicht mehr und begab sich am 14. Februar mit den Ministern nach Lübeck. Auch der Erb-Prinz Ludwig, welcher bei den früheren Invasionen stets im Lande geblieben war, folgte seinem Vater dorthin. von der fürstlichen Familie blieb nur die Herzogin Luise Friederike in Schwerin zurück.

Die Rekrutenaushebung hatte den Erwartungen des Prinzen nicht entsprochen. Statt der erhofften 3.000 Rekruten hatte er nur 600 diensttaugliche Leute erhalten, dafür aber das Vertrauen des Herzogs und der mecklenburgischen Bevölkerung völlig verloren. Er bemerkte zu seinem großen Schrecken, dass nun auch die Zahlungen und Lieferungen ins Stocken gerieten und suchte einzulenken. Zunächst schickte er den Gutsbesitzern ihre alten Leute zurück, jedoch nur gegen einen Revers, in welchem sich Erstere auf ihr Ehrenwort und bei Verpfändung ihres ganzen Vermögens verpflichten mußten, für jeden Zurückgesandten einen diensttauglichen Rekruten zu stellen und dem Herzog ließ er durch den Oberamtmann Brandt mitteilen, wenn die Lieferungen aus dem Domanium wieder aufgenommen würden, wolle er sogleich alle verheirateten Rekruten in ihre Heimat entlassen. Der Herzog aber, zu aufgebracht, um sich auf irgend welche Unterhandlungen einzulassen, schnitt alles Weitere mit der Erklärung ab, dass er keine andere Sicherheit für seine unschuldigen Untertanen sähe, als wenn der Prinz sich entschließen wolle, mit seinem Truppenkorps die mecklenburgischen Lande gänzlich zu verlassen. Bei dieser Antwort verblieb er auch, als der Prinz schriftlich erklärte, dass der König nunmehr die Rekruten-Angelegenheit ganz in seine Hände gegeben hätte und dass in Mecklenburg an keinem Ort mehr gewaltsam rekrutiert werden sollte, wenn der Herzog sich verpflichten wolle, für die nicht gestellten Rekruten für seine Domainen 100.000 Thaler, welche Summe nach einigen Tagen auf 70.000 ermäßigt wurde, zahlen wolle. Der Ritterschaft wurden die fehlenden Leute ebenfalls zu Gelde und zwar zu 40.000 Thalern gerechnet.

Am 26. Februar 1761 erließ der Prinz wiederum ein Manifest, in welchem er öffentlich erklärte, es solle keine Rekrutenaushebung in Mecklenburg fortan mehr statthaben, worin er aber gleichzeitig drohte, denjenigen Einwohnern, welche ihre Heimat verlassen hätten und nicht binnen 8 Tagen zurückkehrten, alles bewegliche und unbewegliche Eigentum zu nehmen oder zu verwüsten.

Aber auch diese Erklärung des Prinzen war nicht im Stande den Herzog zur Wiederaufnahme der Lieferungen zu bewegen.

Der König war in hohem Grade aufgebracht, als er vernahm, dass die Zahlungen und Lieferungen aus Mecklenburg, deren er in diesem Jahre mehr denn je bedurfte, um seine Armeen zum Frühjahr in Kriegsbereitschaft zu setzen, zu stocken anfingen. Er sprach dem Prinzen seine höchste Unzufriedenheit aus und sandte ihm die bestimmtesten und schärfsten Befehle. Diese Ordre war gerade in Rostock eingegangen, als der Oberamtmann Brandt sich beim Prinzen verabschiedete, um nach Lübeck zurückzukehren. Zu seinem äußersten Schrecken las der herzogliche Kommissar das eigenhändig vom König unterzeichnete Schreiben: „Es sollten durchaus keine gelinden Mittel mehr zu gestatten sein, sondern bei fernerer Weigerung wären die Vorwerke, Dörfer und Städte in Brand zu stecken, auch Alles bis auf den Grund zu verheeren.“

Es ist nicht ersichtlich, wie weit die geforderten Kontributionsgelder bei Eingang der neuen königlichen Befehle - Ende Februar - bereits entrichtet waren. Außer den Lieferungen an Naturalien und außer dem bereits Gezahlten, verlangte das Kriegs-Kommissariat jetzt allein von den herzoglichen Domainen 566.683 Thaler und da man eingesehen hatte, dass die Städte überhaupt nicht mehr zahlungsfähig waren, sollte der Herzog die von denselben noch zu zahlende Summe von 407.764 Thaler mitbezahlen, also im Ganzen beinahe 1.000.000 Thaler.

Der Prinz von Württemberg befand sich in einer schwierigen Lage. Die Befehle des Königs mußten buchstäblich vollzogen werden, einesteils weil derselbe Ungehorsam bei seinen Generälen überhaupt nicht duldete, dann aber auch, weil der Prinz wusste, dass die immer verzweifelnder sich gestaltende Lage des preußischen Staats den König zwang, die von seinen Truppen besetzten Länder seiner Gegner unerbittlich, bis zum völligen Ruin derselben auszunutzen. Auf der anderen Seite widerstrebten dem loyalen Charakter des Prinzen die befohlenen Zwangsmaßregeln auf das Äußerste und er bemühte sich lebhaft, den Herzog zur Sinnesänderung und zur Wiederaufnahme der Zahlungen zu bewegen. Gewiss handelte er in gutem Glauben, wenn er dem Herzog schrieb: „Ich will mit Leib und Seele dafür haften, dass keine neuen Anforderungen in diesem Jahr an Eure Durchlaucht mehr gemacht werden.“

Seine Bemühungen waren vergeblich. Der Oberamtmann Brandt mußte dem Prinzen mitteilen: Der Herzog müsse. mit blutendem Herzen das Schicksal seiner Lande erwarten, welches er nicht ändern könne.

Mit dem März dieses Jahres beginnt für Mecklenburg eine Schreckensherrschaft, welche an die Zeit des 30jährigen Krieges erinnert. von hier an hauptsächlich stammte jener Hass gegen Preußen, von dem unsere Väter uns erzählten, der namentlich beim Landvolk mit zäher Ausdauer von Generation zu Generation forterbte und der erst in unserer Zeit völlig überwunden ist durch die nahe Verwandtschaft und Freundschaft, welche unser Herrscherhaus mit dem Hohenzollernstamm verbindet und durch die enge Waffenbrüderschaft, welche die mecklenburgischen Regimenter aus den blutigen Schlachtfeldern Frankreichs mit ihren preußischen Kameraden schlossen.

Die exekutorische Beitreibung der Kontribution und der Naturallieferungen wurde in systematischer Weise begonnen und zwar, um einen Druck auf den Herzog auszuüben, zunächst in den herzoglichen Domainen und Bauerndörfern. Der Feld-Kriegs-Kommissar General von Kleist schickte sogenannte Proviant-Kommissare mit Exekutions-Kommandos aus und Jedem derselben wurde ein oder nach Beschaffenheit mehrere herzogliche Ämter zur Ausnutzung überwiesen.

Wie diese Beamten ihren Auftrag auffassten, geht aus einem Schreiben hervor, welches der Proviant-Kommissar Teßmar an das Amt Walsmühlen richtete. „Mir ist aufgetragen,“ schreibt er mit großer Offenherzigkeit, „die Beamten zur Kontribution und Fouragelieferung mit den schärfsten Mitteln ohne Ausnahme anzuhalten und erreiche ich meinen Zweck nicht anders, so wird Plündern, Rauben, Stehlen, Sengen und Brennen fürgenommen.“

Und so wurde es im ganzen Lande ausgeführt. Anfangs verfuhr man nach vorgeschriebenen Schemas; z. B. einem Bauernhofe wurde eine bestimmte Summe „Rekrutengeld“ auferlegt und diese auf die Bauern, die Knechte, Mägde, Einlieger und Kinder über 12 Jahre repartiert. War dies Geld bezahlt, mußte derselbe Hof außerdem einen Zuschlag zur Steuer, unter dem Namen „Montierungsgeld“ entrichten. Bald aber hörte dies ordnungsgemäße Verfahren auf und es begann eine förmliche Plünderung. Man nahm aus den Pachthöfen und Bauerndörfern fort, was man fand. Alles ausgedroschene Korn wurde weggefahren, was noch in Garben war, mußte durch die wenigen Leute, welche vom Pfluge weggeholt und dadurch verhindert wurden die Äcker zu bestellen, ausgedroschen werden. Die brauchbaren Pferde, die Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe, selbst das Federvieh ward ins Brandenburgische abgeführt oder an fremde Händler, welche wie die Geier den Kommissaren auf Schritt und Tritt folgten, verkauft.

Die Mehrzahl der herzoglichen Beamten und viele Pächter waren, dem Beispiel ihrer Regierung folgend, geflüchtet. Den Zurückgebliebenen wurden große Geldsummen abgepresst, nichts desto weniger nahm man ihnen aber ihren ganzen Vorrat an Korn. Einige derselben kauften ihr eigenes Vieh mit barem Gelde zurück; man nahm es ihnen aber dennoch, selbst wenn sie leichtgläubig genug gewesen waren, einen solchen Handel zum zweiten, ja zum dritten Male abzuschließen.1)

Dabei lebten die Exekutions-Kommandos überall auf Diskretion und mußten ebenso wie die Kommissarien mit Wein, Branntwein, Kaffee und den besten Speisen vollauf bewirtet werden.

Am schlimmsten erging es natürlich den Ämtern, in welchen die Beamte oder die Pächter geflohen waren. Die zurückgelassenen Effekten wurden geraubt oder verdorben, die Häuser aber derart demoliert, dass sie in langer Zeit nicht wieder bewohnt werden konnten. In vielen Wohnungen blieb kein Fenster unversehrt und in einigen wurden sogar alle Türen, Öfen, ja selbst die Dächer völlig ruiniert.

Den Bauern, welche sich selbst, ihr Vieh und Korn nicht in Wäldern und Brüchen verbergen konnten, ging es nicht besser. Dörfern, die man für so armselig hielt, dass sie nicht im Stande waren 40 - 50 Thaler aufzubringen, sind durch die grausamste Behandlung der Einwohner 4 - 500 Thaler abgepresst worden. Die Frauen, Dienstmägde und Kinder versuchte man durch Prügel, unter welchen Einige derselben ihren Geist aufgaben, zu zwingen, den Aufenthaltsort der geflüchteten Männer und den Ort anzuzeigen, wo sie das Ihrige versteckt hielten. An einigen Orten wurden die Frauen mit Stricken in die Schornsteine gehängt und mit Rauch gequält, um Geständnisse zu erpressen. In anderen Dörfern, z. B. in Raduhn, wurden die Häuser der Geflüchteten niedergebrannt.

Durch diese Requisitionen und Verwüstungen erlitten die Domainen einen ungeheuren Schaden. Auf Jahre hinaus wurden dem herzoglichen Haushalt fast alle Einnahmen entzogen und nur durch die größte Einschränkung gelang es dem sparsamen Fürsten mit der Zeit das Gleichgewicht in seinen Finanzen herzustellen.

1) Wir folgen bei dieser ganzen Schilderung einer ausführlichen Species facti, welche auf Grund protokollarischer Erhebungen angefertigt und vom Herzog und den Ministern eigenhändig unterzeichnet ist. Es ist wohl anzunehmen, dass die Behörden vielfach stark übertriebene Berichte an die Regierung eingesendet haben.

Als der Geld- und Kornzufluss aus den Domainen zu versiegen drohte, richtete das Kriegs-Kommissariat auf die großen bei Schwaan, Ribnitz und Doberan gelegenen fürstlichen Waldungen sein Augenmerk. Die Oberförster wurden befehligt, die besten Bäume fällen zu lassen, aber auch Käufer anzuschaffen und die Abfuhr zu veranlassen. Da die Kommissare bald einsahen, dass sie Unmögliches gefordert, wurde angeordnet, dass die Ritterschaft 500 6spännige Wagen mit je 2 Leuten 3 Wochen lang zur Abfuhr des Holzes stellen sollten. Hierzu wollten sich aber die Gutsbesitzer der mangelnden Arbeitskräfte wegen und aus Furcht, Leute und Pferde nicht wieder zu bekommen, durchaus nicht verstehen; auch wiederstrebte es ihnen, die Hände zur Devastirung der schönen mecklenburgischen Waldungen zu bieten, besonders da der Holzmangel im Lande bereits anfing, fühlbar zu werden. Das Kriegs-Kommissariat erklärte hierauf, der Gewinn aus dem Holzverkauf sei auf 400.000 Thaler veranschlagt; wolle die Ritterschaft von dieser Summe 300.000 Thaler und die Städte 100.000 bar oder gegen Wechsel bezahlen, so wolle dasselbe von dem Fällen der Bäume absehen.

Der Engere Ausschuss wandte sich, bei dem völligen Unvermögen des Landes, diese neue enorme Summe zu entrichten, um Hülfe an den Herzog; doch konnte dieser nicht helfen, machte aber die Ritterschaft für den Schaden verantwortlich, wenn sie sich an der Zugrunderichtung der Forsten beteiligte. Als der Engere Ausschuss unmittelbar beim Prinzen vorstellig wurde, erhielt er von demselben einen scharfen Verweis und wurde unter Androhung der härtesten Strafen zum ungesäumten Gehorsam ermahnt.

Inzwischen suchte die Regierung auf andere Weise Rat zu schaffen. Da das gefällte Holz von Rostock aus zur See versandt werden sollte, hatte sie sich nach Stockholm um Abhülfe gewendet und alsbald erschien vor dem Hafen von Warnemünde eine schwedische Brigantine, deren Capitain durch ein Manifest im Lande bekannt machen ließ, dass er alle Schiffe für gute Prisen erkläre, welche sich unterstehen würden, mit Holz beladen, den Hafen zu verlassen.

Durch diese Maßnahme wurde allerdings ein Verkauf des Holzes nach außen verhindert, aber es entstand hieraus eine neue Calamität für die Einwohner des Landes. Das Kommissariat setzte das Holz zu einem unmäßigen Preise zu Gelde an und zwang die Einwohner durch militärische Exekution, wenn nötig durch Schläge und Misshandlungen, die auf einen Jeden repartierte Fadenzahl anzunehmen und zu bezahlen. So wurden z. B. die Bürger der Stadt Wismar gezwungen, für Holz 18000 Thaler zu entrichten.

Zu diesen Verlusten, die das Land zu tragen hatte, kam noch, dass sämtliche herzogliche Kassen mit Beschlag belegt waren und alle Landes-Steuern, Einnahme der Post u. s. w. an preußische Kassen abgeführt wurden.

Da Friedrich der Große dem Herzoge seine feindselige Haltung besonders entgelten lassen wollte, hatte er befohlen, die Domainen in ganz besonderer Schärfe zu den Kriegslasten heranzuziehen. Die Ritterschaft litt infolgedessen weniger, aber immer noch schlimm genug. Da die Mehrzahl der Gutsbesitzer nicht im Stande gewesen war, den an sie gestellten Anforderungen Genüge zu leisten, hatte der Prinz Ende Februar einen ritterschaftlichen Konvent nach Rostock ausgeschrieben und durch heftige Drohungen jedem einzelnen Gutsbesitzer einen Revers abgepresst, durch welchen sich derselbe bei Verpfändung seiner Güter und seiner Ehre verpflichtete, alle Lieferungen bis Ende April zu bewerkstelligen. Diejenigen, welche auf dem Konvent nicht erschienen waren, wurden durch eine täglich zu zahlende Strafe von 50 Thalern gezwungen, den Revers nachträglich zu unterschreiben.

Auch hier handelte das Kriegs-Kommissariat durchaus willkürlich. So mußten diejenigen Gutsbesitzer, welche ihre Quote zu der großen Mehllieferung nach Lenzen pünktlich abgeliefert hatten, als letztere später in eine Roggenlieferung nach Stettin, Zehdenick und Havelberg umgewandelt war, an derselben wiederum teilnehmen und erhielten auf ihre Beschwerde die Antwort, die Anrechnung des bereits gelieferten Mehls sei zwar recht und billig, ein Erlass der Roggenlieferung sei aber untunlich, weil die Disposition aus eine solche Vergütigung nicht getroffen sei.

Manche von der Ritterschaft waren gänzlich unvermögend, alle diese Lasten zu tragen. Diesen wurde, wie in den Domainen, durch die härteste Exekution sämtliches Korn und Vieh genommen; so geschah es bei Herrn von der Lühe aus Massow, Hauptmann a. D. von Cramon aus Ilow, der Frau von Tornow und vielen Anderen.

Am unerträglichsten war aber das Elend in den Städten. Nirgends war der Überfluss weniger zu suchen als hier; in vielen derselben herrschte geradezu Armut und Mangel und die Gemeinden waren durch die früheren Zahlungen bereits hoch mit Schulden belastet. Das Kriegs-Kommissariat zog deshalb nur diejenigen Städte zu den Zahlungen heran, welche ihm noch leistungsfähig erschienen; es waren dies: Schwerin, Güstrow, Parchim, Bützow, Boizenburg, Rehna, Gadebusch, Grabow, Wittenburg, Waren und Röbel. Diesen Städten wurde Ende Februar, trotz der bereits gezahlten 35.000 Thaler und trotz geleisteter großer Naturallieferungen, die noch zu zahlende Summe auf rund 455.000 Thaler festgesetzt, wovon auf Schwerin und Güstrow je 120.000 Thaler entfielen.

Zuerst versuchte das Kriegs-Kommissariat die Verteilung dieser Summen auf die einzelnen Einwohner durch die Behörden vornehmen zu lassen, stieß dabei aber, trotzdem man die Magistratspersonen durch tagelangen Arrest bei Wasser und Brod und der gröbsten Begegnung mürbe zu machen gesucht, auf so entschiedenen Widerstand, dass das Kriegs-Kommissariat die Verteilung selbst in die Hand nehmen mußte. Es lag in der Natur der Sache, dass dieselbe auf diese Weise nicht gerecht und sachgemäß ausfallen konnte. Im Allgemeinen verfuhr man nach dem Prinzip, die reichen und wohlhabenden Bürger besonders heranzuziehen; so z. B. wurde in Güstrow der Stadtsyndikus Sibeth zu 10.000, andere angesehene Persönlichkeiten zu 5.000, 3.000 und 2.000, außerdem jedes Haus zu 100 Thaler angesetzt.

Wo der Kriegsrat von Kleist selbst anwesend war, wurde ganz besonders scharf verfahren. Konnten die Einwohner ihre Quote nicht bezahlen, wurden ihre Wohnungen völlig ausgeräumt, die Sachen meistbietend verkauft und hierauf das Haus demoliert; in dem Sibeth'schen Hause, dessen Besitzer geflüchtet war, wurden sogar die Wände eingeschlagen.

Da man aber bald einsah, dass dies Verfahren den wohlhabenden Einwohnern, von denen Viele sich und ihre Wertsachen in Sicherheit gebracht hatten, nicht empfindlich genug war, um sie zur Rückkehr und zur Herausgabe ihres Geldes zu bewegen, nahm man seine Zuflucht zu persönlichen Misshandlungen. Die Frauen der Geflüchteten - unter ihnen Frauen von Wirklichen Geheimräten, Doktoren u. s. w. - und die Kinder, wurden im Rathause bei Wasser und Brod tagelang gefangen gehalten, ohne Betten oder Stroh zum Lager. Weil aber besonders aus der Stadt Schwerin, viele zum Hofe und zur Regierung gehörige Einwohner geflüchtet waren - in Lübeck allein hielten sich 600 Personen auf, welche vom Herzog unterstützt wurden - ließ der Kriegsrat von Kleist sämtliche Einwohner der Stadt in Klassen einteilen und machte letztere für die einzelnen Mitglieder derselben verantwortlich. Zahlte die Classe nicht für die Geflüchteten und Unvermögenden, mußten wiederum einzelne, nach Willkür Herausgegriffene, auch solche, welche die auf sie entfallene Quote bereits eingezahlt hatten, für die ganze Classe eintreten und wurden, wenn sie sich weigerten, bedroht, zu Fuß nach Stettin transportiert und dort zum Festungsbau verwendet zu werden. So erging es unter Anderen zwei Herzoglichen und einem Kammerdiener der Prinzessin Ulrike von Mecklenburg, von welchen für die sogenannte Hofklasse 3.707 Thaler erpresst wurden. Ein gleiches Schicksal widerfuhr dem Regierungssekretär zur Nedden, welcher für die Regierungsklasse haften sollte. Nachdem derselbe vorher in seiner Wohnung von einem Offizier und dem Kommissar Christoffers arg gequält und mit Stockschlägen traktiert war, wurde er mit mehreren anderen Einwohnern zuerst zu Fuß, dann zu Wagen nach Bützow transportiert und nicht früher freigelassen, als bis er die an der Quote der Regierungsklasse noch fehlenden 100 Thaler bezahlt hatte.

Die Juden der Stadt bildeten eine eigene Klasse und waren zu 25.000 Thalern angesetzt. Als „der Hofjude“ Nathan, dessen Vermittelung sich die Regierung in der Regel bei ihren Geldgeschäften bediente, mit seiner ganzen Familie geflohen war, wurde sein gesamtes Mobiliar verkauft und ihm noch eine besondere Geldstrafe von 5.000 Thalern zuerkannt. Die Judenschaft Schwerins, haftbar für die gesammten 30.000 Thaler, konnten oder wollten diese Summe nicht zahlen; es wurden daher 10 derselben in engen Gewahrsam gebracht und es wird in den Akten als eine ganz besondere Schändlichkeit des Kriegs-Kommissars von Kleist hervorgehoben, dass er die Mitglieder des Magistrats, als diese ihre Quote zur bestimmten Frist nicht gezahlt hatten, zu den 10 Israeliten in dasselbe sehr kleine Zimmer sperren ließ.

Da beim Abmarsch der preußischen Truppen - Mitte Mai - noch nicht alle Summen beigetrieben waren, so befahl der Fähnrich Sommer, den gesammten Magistrat als Geißeln mitzuführen. Nur durch schleunige Erlegung der noch fehlenden 2.000 Thaler gelang es den schwer geängsteten Vätern der Hauptstadt ihre Freiheit zu erkaufen. Ähnlich erging es den kleinen Städten; es wurden dort Summen erpresst, deren Herbeischaffung Jedermann für unmöglich gehalten hatte.

Wie erwähnt war die Herzogin Luise Friederike in Schwerin zurückgeblieben, in der Absicht, durch den persönlichen Verkehr mit den preußischen Befehlshabern und deren Frauen die schweren Leiden des unglücklichen Landes zu mildern. Der Aufenthalt in der Residenz war für die edle Frau ein trostloser. Der Herzog weilte mit den Ministern und den Beamten seines Hauses in Lübeck, alle Freunde und dem Hofe nahestehende Personen waren geflohen. „Hier in meinem Frauenreich - denn die Männer laufen Alle davon! - ist Alles still“, schrieb sie im Februar 1761 ihrem Gemahl, und im April: „Es ist ein Jammer, welcher nicht zu beschreiben und einen Stein erbarmen muss, und dieses Elend mit anzusehen ist nicht für empfindliche Herzen, welche noch den Tod davon kriegen werden. Wann werden unsere Peiniger abziehen?!“ Die Briefe der Herzogin bieten uns ein Bild der rührendsten Gattenliebe; unter allen Klagen vergisst sie nie, ihren Gemahl zu trösten und ihm Mut einzusprechen. Dabei war sie ängstlich besorgt um seine Gesundheit, denn dem Herzog, welcher sich i. J. 1754, wegen einer krebsartigen Geschwulst an der Brust, einer sehr gefährlichen Operation hatte unterziehen müssen, war regelmäßige Bewegung und die strengste Diät von seinen Ärzten vorgeschrieben worden. „Gott ist gütig“, schreibt die Herzogin im März, „und Seine Güte währet ewiglich und der Menschen Bosheit muss vergehen wie ein Rauch. Um eins ersuche ich Dich, mein Engel, nämlich, dass Du ordentlich leben mögest im Essen und Schlafengehen und in der nötigen Motion, welches mit zur Gesundheit gehört und Gott auch von uns fordert, denn Er ist ein Gott der Ordnung.“

An dem Hofe der Herzogin verkehrte die Gräfin Isenburg, welche ihrem Manne, der das preußische Blockadecorps vor Dömitz befehligte, nach Mecklenburg gefolgt war und sich den Winter hindurch in Schwerin aufhielt. Zwar sagte der Herzogin die Persönlichkeit dieser Dame durchaus nicht zu, aber sie erhoffte durch den Umgang mit derselben Gutes für das Land. „Die Gräfin“, schrieb sie dem Herzog, „ist sehr energischen Charakters und hält ihren Herrn und Ehegemahl fest unter dem Pantoffel.“ Wir glauben bei dem späteren, überraschenden Abzuge der preußischen Truppen von Dömitz keinen Fehlschluss zu tun, wenn wir die geschickten Hände der Herzogin in den engsten Zusammenhang mit diesem Ereignis bringen.

Auch mit der Prinzessin von Württemberg stand die Herzogin im fortgesetzten freundschaftlichen Verkehr, da sie wusste, dass der Prinz gerne das Land geschont hätte und nur gezwungen einem höheren Willen gehorchte. „Eben komme ich von Schwaan“, schrieb sie im März ihrem Gemahl, „die Prinzessin scheint sich bei uns zu gefallen und lässt Dir, wie auch der Prinz, viel Schönes sagen. Letzterer versichert, er wolle als ein ehrlicher Mann und treuer Verwandter handeln, nur bitte er Dich um Gotteswillen, alles Mögliche beizutragen, damit er nicht in Verantwortung beim Könige käme, indem er gar zu strenge Ordres erhalten und also wider Willen sich genötigt sehen würde, wegen der mangelnden Kontribution mit der strengsten Exekution vorzugehen. Sobald er aber nur von Seite Deiner Domainen befriedigt wäre, so könne er mit Recht berichten, wie willfährig Du wärest; Du für Deine Person wärest ganz sicher, so lange er da wäre, aber es könne ein Anderer an seine Stelle kommen.“ -

Es gab nunmehr nur noch einen Fleck mecklenburgischer Erde, welcher nicht unter der Botmäßigkeit der preußischen Befehlshaber stand - die Stadt und Festung Dömitz.

Wir wissen, dass diese Festung, dem Allianzvertrage vom 1. Dezember 1757 zufolge, dem Könige von Frankreich übergeben werden sollte, welcher aus derselben einen starken Waffenplatz zu machen beabsichtigte, als Stützpunkt seiner Operationen an der Elbe und über diesen Fluss hinaus. In dem Zustande, in welchem sich die Festung bei Ausbruch des 7jährigen Krieges befand, hatte dieselbe nur insofern einige Bedeutung, als ihre Kanonen die freie Schifffahrt auf der Elbe zu hindern vermochten. Im Dezember 1757, als die ersten preußischen Truppen in Mecklenburg einrückten, sandte der Herzog dem Kommandanten von Dömitz die Warnung zu, wider eine Überrumpelung der Festung auf seiner Hut zu sein.

Zum Kommandanten der Stadt und Festung war im Oktober 1761 der Major Hieronymus Hertrich ernannt worden, ein von Asthma und Rheumatismus arg geplagter, sonst aber energischer und intelligenter Offizier. Aus seinem sehr detaillierten Bericht an den Herzog vom 16. Dezember ersehen wir, dass eine Stadtbefestigung überhaupt kaum noch existierte, der Zustand der eigentlichen Festung (Zitadelle) aber in jeder Hinsicht ein so über die Maßen elender war, dass dieselbe gegen einen Angriff nicht 24 Stunden gehalten werden konnte. Die Umwallung der Stadt, völlig verfallen, ließ eine Geschützaufstellung überhaupt nicht zu; die Festung, außerhalb der Stadt gelegen, war zwar sturmfrei, hatte aber weder bombensichere Räume, noch Kanoniere, noch genügende Munition und Proviant. Die Besatzung bildete das Infanterie-Bataillon Alt-Dömitz, dessen 2 Compagnien, zusammen 94 Mann stark, durchweg aus Invaliden bestanden. Zu seinem Schrecken hatte der Kommandant entdeckt, dass diese braven Leute nur in den Gewehrgriffen ausgebildet, aber auch hierin noch nicht bis zur Chargirung gekommen waren.

Auf die dringlichen Vorstellungen des Kommandanten um Abstellung dieser Übelstände hatte der Vizekanzler Dittmar erwidert: der Major solle sich ja auch nicht gegen eine Belagerung, sondern gegen eine Überrumpelung wehren und durch die Erklärung, sich bis auf den letzten Mann verteidigen zu wollen, seien schon schlechtere Plätze als Dömitz es sei, gehalten worden.

Zum Glück erschien in den ersten 3 Kriegsjahren kein Feind vor den Toren der Festung; erst im Frühjahr 1761 drohte derselben ernste Gefahr.

Als der General von Werner im Herbst 1760 Mecklenburg verlassen, hatte die mecklenburgische Regierung den General Lantinghausen ersucht, mit dem Oberst Belling, in dessen loyale Gesinnung der Herzog sehr großes Vertrauen setzte, einen Waffenstillstand dahin abzuschließen, dass beide kriegführende Mächte während des Winters 1760/61 den mecklenburgischen Boden nicht betreten sollten. Auf diese Anregung hin vereinbarte der schwedische Oberbefehlshaber mit dem Prinzen von Württemberg, als dieser sein Hauptquartier in Rostock aufgeschlagen hatte, eine Waffenruhe, welche bis Ende März währen sollte, aber - das Land Mecklenburg war in dem Vertrage mit keinem Worte erwähnt. So hatte denn der Prinz die Hände völlig frei und beschloss die günstige Gelegenheit zu benutzen, sich auch der Festung Dömitz zu bemächtigen. Zwei unbedeutende Vorfälle boten hierzu den Vorwand.

Der Major Hertrich hatte 2 preußische Dragoner, welche im Amte Dömitz, mit einem mecklenburgischen Deserteur in der schamlosesten Weise marodiert hatten, aufgreifen und nach Rostock an ihr Regiment abliefern lassen, wozu er nach dem von dem Prinzen emanirten Patent durchaus das Recht hatte. Dies Verfahren wurde ihm als Freiheitsberaubung preußischer Soldaten ausgelegt.

Der zweite Vorfall war noch drastischer. In einem bei Dömitz gelegenen Dorfe hatte der Kommissar Zuckmachovius, ein Mensch, von dem selbst die preußischen Offiziere nicht anders als mit der größten Verachtung sprachen, sich so ungalant gegen das schöne Geschlecht benommen, dass er, um eine größere Summe Geldes zu erpressen, Bauerfrauen geprügelt und die Frau eines Verwalters mit Füßen getreten hatte. Ermutigt durch die Ankunft einer mecklenburgischen Patrouille der Dömitzer Garnison, welche der Kommandant häufig in die Umgegend auszuschicken pflegte, waren die hocherregten Frauen aus ihrer renitenten Haltung schnell in die Offensive übergegangen und bald hatte sich ein dichter Kreis um den unglücklichen Beamten geschlossen. Was im Innern dieses Kreises vorgegangen, hat Niemand jemals erfahren, bald aber übertönte das durchdringende Hülfegeschrei einer männlichen Stimme das gellende Gekreische der wutschnaubenden Megären und lockte zwei zufällig des Wegs daherkommende Offiziere der Dömitzer Garnison herbei. Nur mit der größten Mühe und nicht ohne persönliches Risico gelang es diesen den übel zugerichteten Kommissar aus den Händen ihrer Landsmänninnen zu befreien. Die Haltung der Letzteren blieb jedoch eine so drohende, dass die Offiziere Herrn Zuckmachovius den wohlgemeinten Rat gaben, sich so schnell als möglich aus dem Staube zu machen. Diesen Vorfall beeilte sich der undankbare Kommissar im preußischen Hauptquartier so darzustellen, als ob die mecklenburgischen Offiziere ihn an der Ausübung seiner Amtspflichten gehindert hätten. Der Prinz, ohne sich auf eine weitere Erörterung dieser Angelegenheit einzulassen, schrieb kurzer Hand: „Unter diesen Umständen bleibt mir nichts Anderes übrig, als mich der Festung mit Waffengewalt zu bemächtigen.“

Am 22. März 1761 erschien das preußische Belagerungscorps vor Dömitz und besetzte alle Zugänge zur Festung, auch auf dem hannoverschen Elbufer. Kommandiert wurde das Corps, welches 480 Mann Infanterie, 150 Husaren und Dragoner, mit 6 Geschützen kleinen Kalibers, stark war, von den Majors Graf von Isenburg und von Römer.

Die Besatzung der Festung war durch die in Schwerin zurückgebliebenen Kranken und Invaliden auf 400 Mann verstärkt und mit Proviant auf 5 Monate versehen; die Zugänge zu derselben waren zum Teil durch Wasserstauungen unzugänglich gemacht. Ein Übelstand war es, dass die mecklenburgische Cavallerie, welche an der oben erwähnten, verunglückten schwedischen Expedition unter dem Major Baader teilgenommen hatte, in der Stärke von 96 Pferden nach Dömitz geschickt - der Kommandeur der Leibgarde zu Pferde, der Oberst von Barssen, übernahm dort den Befehl über dieselbe - und, aus Mangel an Platz in der engen Citadelle, in der gänzlich offenen Stadt einquartiert war, somit eine leichte Beute des Feindes werden konnte. Der Kommandant hatte dieselbe daher, von einer ihm erteilten Erlaubnis des Herzogs Gebrauch machend, bei Annäherung des Belagerungscorps über die Elbe setzen und in dem (mecklenburgischen) Dorfe Kaltenhof Quartier nehmen lassen. Ein Kanonenschuss von der Festung sollte das Signal für den Major Baader sein, mit seinen Reitern aufzubrechen und durch das hannoversche Gebiet Lübeck zu erreichen zu suchen.

Am 23. März früh Morgens, ließ der Kommandant auf die sich der Festung allzu keck nähernden preußischen Husaren einen Kanonenschuss abgeben. Es war der erste und letzte, welcher während der ganzen unblutigen Berennung abgefeuert wurde und zugleich der Marschbefehl für den Major Baader. Um seinen Mannschaften - es waren 2 Offiziere und 60 Reiter mit 96 Pferden - den Charakter einer Truppe zu nehmen, da sie als solche das neutrale hannoversche Gebiet nicht passieren durften, hatten die Leute Stallkittel über ihre Uniformen ziehen müssen, führten aber Säbel und Pistolen.

Der Abmarsch der mecklenburgischen Reiter war den Preußen verraten worden und sofort hatte der Graf Isenburg den Major von Zülow mit 100 Husaren über Boizenburg auf das linke Elbufer entsandt, um dieselben abzufangen. Als der Major Baader bei Artlenburg anlangte, und dort wieder auf das rechte Elbufer übersetzen wollte, verweigerte ihm der preußisch gesinnte Postbeamte die Benutzung der Fähre. Ein nach der Stadt Lauenburg an die dortige Behörde abgesandter Offizier kam mit dem Bescheid zurück, ohne Befehl der hannoverschen Regierung in Ratzeburg eine Erlaubnis zum Übersetzen nicht geben zu können. Durch diesen Aufenthalt gewann der Major von Zülow Zeit heranzukommen und das Kommando in Artlenburg, wo der Major Baader seine Leute einstweilen einquartiert hatte, aufzuheben. Die mecklenburgischen Reiter wurden zur Armee des Königs geschickt; nur 18 Gardisten gelang es sich nach Lüneburg zu retten, von wo sie teils in hannoversche Regimenter gesteckt wurden, teils nach Lübeck entkamen. Die Offiziere wurden auf ihr Ehrenwort, in diesem Kriege nicht gegen Preußen dienen zu wollen, entlassen. Der Postmeister aber erhielt durch Major von Zülow zur Belohnung seiner bewiesenen patriotischen Gesinnung von den, dem Major Baader abgenommenen Geldern 100 Thaler als „Douceur“ ausgezahlt.

Dem Major von Zülow glückte bei dieser Gelegenheit noch ein anderer Fang; seine Husaren nahmen auf der lauenburger Landstraße den Oberst von Glüer gefangen, welcher, wie schon früher erwähnt wurde, mit Befehlen des Herzogs von Lübeck nach Dömitz abgeschickt war.

Am 24. März ließ Graf Isenburg den Kommandanten in aller Form zur Übergabe der Festung auffordern; der Major Hertrich lehnte die Aufforderung entschieden ab.

Dem Herzog war es nicht zweifelhaft, dass die Festung, bei dem gänzlichen Mangel an bombensichern Räumen, sich bei einer Beschießung durch schweres Geschütz, dessen Herbeischaffung auf der Elbe von Magdeburg preußischerseits bereits eingeleitet war, keinen Augenblick würde halten können. Er suchte sich den Besitz der Festung daher auf andere Weise zu sichern. Der Oberjägermeister von Koppelow in Schwerin wurde, mit den ausgedehntesten Vollmachten aller Art ausgerüstet, angewiesen, in Unterhandlung mit den vor Dömitz befehligenden Offizieren zu treten. Mit Hülfe des Bürgermeisters Wenmohs aus Grabow, bei welchem der Stab des Belagerungscorps auf dem Hinmarsche nach Dömitz in Quartier gelegen und wo derselbe auf speziellen Befehl des Herzogs auf das zuvorkommendste aufgenommen war, gelang es demselben nach langen Verhandlungen die Majors Graf Isenburg und von Römer zu bewegen, dem Prinzen von Württemberg über die großen Schwierigkeiten, welche eine förmliche Belagerung der Festung bereiten würde, zu berichten und von weiteren Unternehmungen gegen dieselbe entschieden abzuraten.

Fünf Wochen hatte die Blockade der Festung gewährt; dann ließ der Graf Isenburg am 9. Mai einen Vergleich mit dem Kommandanten dahin abschließen, dass die preußischen Truppen gegen eine Zahlung von 4.000 Thalern seitens der Stadt Dömitz und einige vom Kommandanten abgegebene Erklärungen, z. B. dass Herr Zuckmachovius nicht von den Truppen der Festung arretiert, dass der abgegebene Kanonenschuss lediglich ein Warnungsschuss für die preußischen Husaren, sich den Wällen nicht all zu sehr zu nähern, gewesen sei u. s. f., die Einschließung der Festung aufheben und abmarschieren sollten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg