Rückkehr des Herzogs nach Mecklenburg

Rückkehr des Herzogs nach Mecklenburg; Vermehrung der mecklenburgischen Truppen; 2. Offensive der schwedischen Armee i. J. 1759; Kriegsschäden des Jahres 1759; Streifereien der Preußen in Mecklenburg im Winter 1759/60; Ankunft des Generals von Stutterheim in Mecklenburg im Januar 1760.

Nach dem Abmarsch der preußischen Truppen kehrte der Herzog aus Altona in sein Land zurück. Von den mecklenburgischen Truppen blieb das Regiment Alt-Zülow und die Leibgarde in Schwerin, dem Regiment Jung-Zülow wurden als Garnison die Städte Grabow, Neustadt und Crivitz zugewiesen. Sodann wurde, da, wie wir weiter unten sehen werden, die Höfe von Wien und Versailles durch den jetzt in Wien befindlichen Vizekanzler Dittmar in den Herzog dringen ließen, seine Truppen zwecks tätiger Mitwirkung am Kriege zu vermehren, am 10. Juni ein neues Bataillon errichtet. Zu demselben wurde als Stamm die dienstbrauchbare Mannschaft des Dömitzer Garnison-Bataillons abgegeben und außerdem 2 Compagnien des Regiments Jung-Zülow, welches Letztere wiederum 2 neue Compagnien errichtete. Zum Kommandeur dieses Bataillons welches Güstrow als Garnison erhielt und am 30. Juni dort einrückte, wurde der Oberst von Both ernannt. Als Besatzung der Festung Dömitz mußten die beiden Infanterie-Regimenter soviel Mannschaften abgeben, als dem dortigen Garnisons-Bataillon entnommen waren. Da diese Regimenter ihre sämtlichen alten und invaliden Leute nach Dömitz schickten, ist es erklärlich, wenn der Kommandant der Festung, der Major von Hertrich, nach Schwerin meldete, dass er bei einem etwaigen Angriffe die Festung nicht 24 Stunden halten könne.


Wiederum hatte die schwedische Armee in Stralsund und auf Rügen in den engen Cantonnements bei schlechter Verpflegung durch Krankheiten schwer gelitten. Im Frühjahr verhinderten häufige Stürme die regelmäßige Zufuhr von Proviant, sowie Ersatz an Mannschaften und Pferden und so kam es, dass die Armee nur auf den Etat von 12000 Mann gebracht werden konnte, und noch längerer Zeit der Erholung in der Umgegend von Stralsund bedurfte, um selbst gegen das schwache Detachement Kleist offensiv verfahren zu können. Der General Lantinghausen begnügte sich damit, seine Cavallerie gegen die Peene vorzuschieben und erst als die Truppen des General Kleist nach der Schlacht bei Kunersdorf (12. August) vom Könige teils zu der von ihm befehligten Armee nach Fürstenwalde, teils nach Sachsen gegen die Reichsarmee abberufen waren, rückte er auch mit dem Gros der Armee bis an die Peene vor.

Mitte August begann der schwedische Oberbefehlshaber seine Offensivbewegungen. Während er mit dem Gros langsamen Marsches gegen die Ukermark vorrückte, besetzte der General Fersen mit einem Detachement von 4.000 Mann die Oderinseln Usedom und Wollin und vereinigte sich dann wieder mit der Hauptarmee, welche die ihr entgegen getretenen Stettiner Garnison-Bataillone über die Uker zurückgedrängt hatte, bei Pasewalk am 1. Oktober. Der General Lantinghausen hatte sich durch das geschickte Benehmen der Stettiner Truppen derart imponieren lassen, dass er sich in 6 Wochen - vom 21. August bis zum 1. Oktober - nur 13 Meilen weit vorwärts bewegt hatte, ohne dass ihm ein Gegner, wenigstens nicht in nennenswerter Stärke gegenüberstand. Bei Pasewalk erreichte die schwedische Offensive völlig ihr Ende und gerade in dieser Zeit wäre ein rascher Vormarsch dringend geboten gewesen. Niemals während des siebenjährigen Krieges befand sich Friedrich II. dem Rande des Abgrundes näher, als nach der Kunersdorfer Niederlage und der Kapitulation von Dresden. Preußens Sache schien verloren. Da rettete den König dreierlei: die wunderbare Elastizität seines Geistes, die Geschicklichkeit, mit welcher sein Bruder Heinrich ihm den Rücken gegen Daun in Schlesien deckte und - es ist dies der Krebsschaden jeder Koalition - die Uneinigkeit der russischen und österreichischen Heerführer. Schon Mitte September war der König imstande, den General Manteuffel abzuschicken, um die Schweden zurückzutreiben.

Das Corps Manteuffel - Corps d'Armée hieß zu jener Zeit jede, selbst die kleinste, aus allen 3 Waffen zusammengesetzte und unter einem selbstständigen Befehlshaber stehende Truppe - war gering an Zahl; es zählte ca. 4.500 Mann und bestand aus 8 Bataillonen Infanterie, welche in Berlin und Stettin aus Reconvalescenten des früheren Dohna'schen Corps 1) formiert waren, und aus dem Detachement des Obersten von Belling, welches von den beiden Frei-Bataillonen Hordt, 5 Schwadronen Belling-Husaren und 5 Schwadronen Meineke-Dragoner gebildet wurde. Das Corps war klein, was aber demselben an Zahl abging - es stand ein Preuße gegen 4 Schweden - ersetzte die Tüchtigkeit der Führer. Der Kommandierende war einer der energischsten und unternehmendsten Generale aus der Schule des großen Königs, und Oberst Belling war ein so schneidiger und verschlagener Husar, wie je einer im Sattel gesessen. Kühn, listig, unermüdlich, wich er nie von dem einmal gefassten Vorhaben ab, bis er es ausgeführt. Heute dem Feind in der rechten Flanke erscheinend, allarmierte er morgen die linke und trug noch an demselben Tage den Schrecken weithin auf die Verbindungslinie des Feindes; wenn aber der Gegner besorgt den Blick nach rückwärts wandte, donnerten die leichten Feldstücke Bellings in der Front, um eben so rasch wieder zu verschwinden. Jede Blöße des Feindes erspähte der scharfsinnige Husar und wusste sie auszubeuten. Dabei kam es ihm besonders zu statten, dass er als Lieutenant und Rittmeister viele Jahre lang beim Ziethen-Husaren-Regiment in Parchim in Garnison gestanden und Land und Leute bei den Streifereien während der Werbestreitigkeiten und bei dem intimen Verkehr, welchen die Husaren-Offiziere mit dem mecklenburgischen Adel pflogen, gründlich kennen gelernt hatte. Er war das Musterbild eines Führers im kleinen Kriege. Seinem Husaren-Regimente, welches erst vor kurzem errichtet war, hatte er verstanden, den ihn beseelenden Geist einzuhauchen; diese vortreffliche Truppe versagte ihrem Führer nie. In dem Frei-Regiment Hordt, dessen ausgezeichneter Kommandeur soeben von den Kosaken gefangen genommen war, besaß er eine für den kleinen Krieg nicht minder verwendbare Truppe. Diese beiden Truppenteile zeichneten sich bis zur Beendigung des Kriegs auf dem schwedischen Kriegsschauplatze in so hervorragender Weise aus, dass Friedrich der Große in seinen späteren Schriften ihrer als epochemachend im kleinen und Parteigängerkriege mit dem höchsten Lobe erwähnt.

1) Dasselbe war bei Kunersdorf fast gänzlich vernichtet.

Der General Manteuffel war bei Beginn seiner Operationen gänzlich auf die Regimenter Bellings und die 20 Geschütze, welche seinem Corps zugeteilt waren, angewiesen, denn seine Infanterie entbehrte völlig des innern, festen Halts und war vorerst noch nicht vor dem Feinde zu verwenden. Dem Oberst Belling fiel daher die Aufgabe zu, mit seinem Detachement als Avantgarde den Feind zum Rückzuge zu zwingen.

Aus den überaus langsamen Bewegungen der schwedischen Armee während des August und September, also zu einer Zeit, wo die Niederlage des Königs bei Kunersdorf so überaus günstige Chancen bot, kann man den Schluss ziehen, dass die Pläne des General Lantinghausen überall nicht weiter gingen, als, den bestimmten Befehlen seiner Regierung gemäß, mit der Armee in Feindesland zu überwintern. Aber auch diese Absicht mußte der schwedische Oberbefehlshaber aufgeben, als das Manteuffel'sche Corps vor seiner Front erschien. Von allen Seiten von den Belling'schen leichten Truppen umschwärmt, welche ihre Streifzüge sogar in seinem Rücken bis Demmin ausdehnten, und denen er nicht einen einzigen Mann brauchbarer, leichter Cavallerie entgegenzusetzen hatte, wurden seine Fouragirungen verhindert und ihm nicht allein die Zufuhren, sondern auch die Nachrichten von außen her abgeschnitten. Seine Offensivstöße, welche er machte, um sich Luft zu verschaffen, waren daher matt und glichen den Bewegungen eines Blinden, welcher, ohne Kenntnis der Außenwelt, sich unsicheren Schrittes mit dem Stecken weiter tastet. Dazu kam das beängstigende Gefühl, dass die Operationen auf den übrigen Kriegsschauplätzen bald aufhören und der König überlegene Streitkräfte nach Pommern senden würde. Die Stockholmer Regierung gab seinen dringenden Vorstellungen nach und genehmigte den Rückzug. Am 6. November führte der General Lantinghausen die Armee hinter die Peene zurück, an derem rechten Ufer sich die preußischen Truppen postierten. Da aber der General Manteuffel Befehl vom Könige hatte, die Winterquartiere in Feindes Land zu nehmen und ihm die Cantonnements für seine Truppen in Mecklenburg zu gefährdet erschienen, weil die sämtlichen Pässe über die Grenzgewässer in schwedischen Händen waren, griff er Ende Januar 1760 in Verein mit einem Teil der Stettiner Garnison die Schweden an, um sie nach Stralsund hineinzuwerfen. Dieser Versuch misslang indessen der Uebermacht des Feindes gegenüber gänzlich und beide Teile behielten während des Winters ihre früheren Stellungen zu beiden Seiten der Peene bei. Für den General Manteuffel, welcher bei einem nächtlichen Überfall der Schweden in Anklam gefangen genommen war, übernahm der General von Stutterheim den Oberbefehl über die preußischen Truppen.

Es ist nicht recht ersichtlich, wie weit die Rückstände an Kontribution und Natural-Lieferungen aus den Jahren 1758 und 1759 an Preußen gezahlt worden sind. Nach einer spezifizierten, zu den Akten liegenden Berechnung geht hervor, dass die gesammten Kriegsschäden, welche Mecklenburg im Jahre 1759 erlitten, 1.892.997 Thlr. betragen und zwar an Kontributionsgelder 233.478, an Douceur und Tafelgeldern für die Generäle und Offiziere 421.059 und an Getreide- und Fourage-Lieferungen 1.238.460 Thlr. Zu Rekruten wurden in diesem Jahre 1690 Menschen gewaltsam ausgehoben.

Als sich im Oktober 1759 die preußischen Truppen der mecklenburgischen Grenze näherten, waren als Vorboten einer wiederholten Invasion vom Königlichen Feld-Kriegs-Kommissariat Schreiben an die Verwaltung der herzoglichen Domänen, an die Ritterschaft und die Städte ergangen, in welchen in der bedrohlichsten Weise die Abtragung der Rückstände, die zu sehr hohen Summen angewachsen waren, gefordert wurde. Da nun nach den Resultaten der bisherigen Kriegsführung, welche jedesmal nach einer kurzen, matt im Sande verlaufenden Offensive mit einem Rückzuge der schwedischen Armee nach Stralsund endete und Mecklenburg völlig in die Hände der Sieger gab, eine dritte Invasion zu befürchten war, entschloss sich die Regierung, so ungern sie dies auch tat der falschen Auslegung wegen, welche eine solche Handlungsweise bei den Mächten der Koalition erfahren konnte, mit dem preußischen Oberbefehlshaber in Unterhandlung zu treten, unter dem ausdrücklich ausgesprochenen Vorbehalt „ihrer sonstigen Reichsfürstlichen Befugnisse und der Gewalt weichend.“ Es wurde der Assessor von Storch aus Güstrow, welcher viele Bekannte unter den preußischen Offizieren hatte, nachdem ihm preußischerseits freie Rückkehr zugesagt war, in das Hauptquartier des General Manteuffel gesandt. Hier kam nach langen Verhandlungen ein Vergleich dahin zustande, dass sich die herzogliche Regierung dahin verpflichtete, wenn kein Mann der preußischen Truppen die Grenze überschritte und auch sonst die mecklenburgischen Lande von allen weiteren Leistungen verschont bleiben würde, von Ende Januar an, so lange die königlichen Truppen an der Grenze stehen würden, jede Woche 10.000 Thlr. an das Kriegs-Kommissariat zu zahlen. Diese Verpflichtung wurde von der Regierung auf das Genaueste erfüllt, trotzdem von den preußischen Truppen viele Streifereien in das mecklenburgische Gebiet ausgeführt wurden. Eine ganz andere Gestalt nahmen aber die Dinge an, als Ende Januar 1760 der General von Stutterheim das Kommando des Manteuffel'schen Corps übernommen hatte

Der General von Stutterheim war Adjutant des Königs und als solcher in den Jahren 1757 und 1758 dem Feldmarschall Lehwaldt und später dem Grafen Dohna beigegeben gewesen, mit dem speziellen Auftrage, für den raschen Fortgang der Lieferungen und besonders der Rekrutierung in den mecklenburgischen Landen Sorge zu tragen. Diese Geschäfte hatte er aber nach Ansicht des Königs so lässig betrieben, dass derselbe im hohen Grade unzufrieden mit seinem Adjutanten war. Der König hatte jetzt auch nur sehr ungern das Kommando über das Corps in die Hände Stutterheims gelegt, mit welchem derselbe einem dreifach überlegenen Feinde den Einmarsch in das preußische Gebiet verwehren sollte, aber er konnte seine besonders tüchtigen Generäle auf den wichtigeren Kriegsschauplätzen nicht entbehren und zwei Feldzüge hatten ihm gezeigt, dass die Schweden die mindest gefährlichen seiner zahlreichen Feinde seien.

Der General hatte die gemessensten Befehle vom Könige, die Lieferungen und Rekrutierungen in der schärfsten und rücksichtslosesten Weise zu betreiben. Er konnte sich daher durch die Abmachungen seines Vorgängers mit der mecklenburgischen Regierung nicht gebunden erachten und erließ sofort Ausschreibungen zur Abtragung der Rückstände und zur Gestellung von 1.000 Rekruten. Das Kommissariat begann, die Gelder exekutorisch beizutreiben und der Assessor von Storch, welcher nunmehr das Hauptquartier verlassen wollte, wurde mit Arrest bedroht und mußte einen eidlichen Revers ausstellen, sich auf Erfordern sogleich wieder zu gestellen. Alle diese Forderungen und Exekutionen lieferten aber ein nur wenig befriedigendes Resultat, weil dieselben in diesem Jahre nicht systematisch und mit Ordnung betrieben werden konnten; daran verhinderte die ins Mecklenburgische abgeschickten preußischen Detachements die Stellung der schwedischen Armee.

Diese, im Winter in jeder Weise vortrefflich retabliert, deckte ca. 17.000 Mann stark die pommersche Grenze von Dammgarten, Triebsees, Loitz, die Peene entlang bis Wolgast und war somit jeden Augenblick in der Lage, die Requisitions-Kommandos, welche bei der Schwäche des preußischen Corps nur in geringer Stärke abgesendet werden konnten, aufzuheben. Es entspann sich im Winter und Frühjahr ein kleiner Krieg in Mecklenburg, und den Belling'schen Husaren gelang es trotz ihrer großen Gewandtheit und Findigkeit nicht immer, der an Zahl so sehr überlegenen schwedischen Cavallerie zu entgehen; so wurde Anfang März das gesamte preußische Feld-Kriegs-Kommissariat mit seiner Husaren-Eskorte in Parchim gefangen genommen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg