Mission des Barons von Lützow nach Petersburg

Mission des Barons von Lützow nach Petersburg; Abberufung des Barons Dittmar aus Wien; Rückkehr der mecklenburgischen Truppen.

Am 1. Juli 1762 traf der Baron von Lützow in Petersburg ein. Seine Bemühungen sollten hauptsächlich darauf gerichtet sein, zu bewirken, dass die russischen Generäle in dem nahe bevorstehenden Feldzuge gegen Dänemark gemessene Befehle bekämen, Mecklenburg zu schonen und demselben - auch den Truppen - alle Rechte eines neutralen Staates angedeihen zu lassen. Der Herzog hatte wohl Ursache, für sein Land zu fürchten, denn während der russische Oberbefehlshaber beim Strelitzer Hof schon im April die Erlaubnis zum Durchmarsch seiner Truppen nachgesucht hatte, war bis Ende Juni keinerlei Benachrichtigung an die Schweriner Regierung gelangt. Um diese Zeit waren 2 russische Generalstabs-Offiziere, der Major von Tunzelmann und der Hauptmann von Ziegler, in Waren eingetroffen, um daselbst ein Lager für ein russisches Truppencorps abzustecken und ein Magazin anzulegen. Vom Engeren Ausschuss, mit welchem sich diese Offiziere in Verbindung gesetzt hatten, befragt, warum sie sich nicht an die herzogliche Regierung wendeten, äußerten dieselben, dazu hätten sie keinen Befehl und wüssten auch nicht, wie der Schweriner Hof zu den Verbündeten ihres Souverains, den Engländern und den Preußen, stände. Gleichzeitig übergaben sie die Marschroute der russischen Armee. Letztere stand unter dem Oberbefehl des Generals Romanzoff im Lager bei Colberg, 45000 Mann stark, die Avantgarde hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und sollte in 3 Colonnen auf Rostock, Güstrow und Waren marschieren. Die mecklenburgische Regierung ernannte den Geheimen Rat von Müller zum Marsch-Kommissarius, welcher sich zunächst zum Major Tunzelmann nach Waren begab, woselbst 100 Kosaken zur Bedeckung des Magazins eingetroffen waren. Hier wurde ihm am 10. Juli durch den Major im strengsten Vertrauen mitgeteilt, dass er eine Ordre vom General Romanzoff erhalten habe, vorläufig mit der Füllung des Magazins innezuhalten. Am 19. Juli bekam der Major dann den Befehl, die Kosaken auf die Kaiserin Katharina beeidigen zu lassen und nach Colberg zurückzumarschieren.1)


Durch die Entthronung Peter III. wurde Mecklenburg von einer großen Gefahr befreit. Der Herzog hatte zwar den Geheimen Rat von Müller instruiert, der russischen Generalität alle nur ersinnliche Willfährigkeit zu erweisen, selbst über die Grenzen der Neutralität hinaus, hatte auch die nachgesuchte Genehmigung zum Einmarsch der dänischen Armee in Mecklenburg sowie einen Antrag des Kopenhagener Hofes auf eine Defensiv-Verbindung abgelehnt, und den Kommandanten von Dömitz angewiesen, einer Besetzung der Festung durch die dänischen Truppen, welche trotz der versagten Erlaubnis in Mecklenburg eingerückt waren und einen Cordon von Wismar bis an die Elbe gezogen hatten, mit Waffengewalt entgegenzutreten, allein ein Bericht des Barons Lützow vom 20. August klang doch sehr bedenklich: „Man kann dem Allmächtigen nicht genug danken,“ schrieb er, „dass aus diesem Kriege nichts geworden ist. Der Kanzler hat mir gesagt, der Kaiser habe den König von Preußen um die Einräumung von Stettin und die Überlassung von 2 - 300 Offizieren gebeten; dies habe der König zwar abgeschlagen, habe dem Kaiser aber angeboten, ihm Mecklenburg gänzlich zu seiner Disposition überlassen zu wollen, da er ohne Besitz dieses Landes den Krieg gegen Dänemark nicht führen könne.“

Der Baron von Lützow kam nicht mehr dazu, sein Beglaubigungsschreiben dem unglücklichen Monarchen zu übergeben. Eine Woche nach Ankunft des Ersteren in der russischen Hauptstadt - 9. Juli - wurde Peter III. entthront und seine Gemahlin Katharina II. setzte sich die Zarenkrone auf das Haupt.

1) Der Herzog ließ den beiden russischen Offizieren, welche sich sehr loyal benommen und gute Mannszucht gehalten hatten, bei ihrem Wegzug je 100 und 50 Ducaten als „Douceur“ überreichen. Ein Ducaten betrug nach damaligem Gelde 7 Thaler 15 Groschen.

Nach dem Manifest, durch welches Katharina ihre Thronbesteigung ankündigte, und in welchem sie sagte, dass durch den kürzlich geschlossenen Frieden mit dem ärgsten Feinde der Ruhm Russlands unter die Füße getreten sei, schien es, als ob die Czarin eine feindselige Haltung gegen Preußen annehmen wollte. Dies bestätigt Lützow. Er berichtet am 16. Juli, der österreichische Botschafter, Graf Mercy, habe ihm gesagt, dass die Kaiserin ihm ausdrücklich erklärt habe, an der Alliance mit Österreich festhalten zu wollen, dass es aber an Geld fehle und man vorerst die Ruhe im Innern befestigen müsse. Tatsächlich ließ Katharina schon am 10. Juli dem preußischen Gesandten Goltz sagen, dass sie entschlossen sei, mit dem Könige auf gutem Fuße zu bleiben, wenn sie auch von dem Bündnisse, welches Peter III. mit Preußen abgeschlossen hatte, zurückgetreten war.

Die mecklenburgische Regierung stand Anfang August noch unter dem Eindruck des erwähnten Manifestes. Sie schrieb ihrem Gesandten in Petersburg, solange Stettin noch in preußischen Händen sei, bliebe Mecklenburg beständig der Gefahr neuer Invasion ausgesetzt; er solle mit allen Mitteln dahin wirken, dass diese von allen Truppen und Vorräten entblößte Festung von den Russen okkupiert werde; man sehe seinem Bericht mit Ungeduld entgegen. Als die Regierung dies schrieb, hatten die russischen Truppen bereits Colberg geräumt und der preußische Feldmarschall Lehwaldt war als General-Gouverneur der Provinz Preußen in Königsberg eingezogen. Bald darauf ging auch ein Bericht Lützows ein, dass Mecklenburg nichts von der russischen Regierung zu hoffen habe; zwar habe ihm der Kanzler Bestuchef kürzlich mit den gräulichsten Flüchen versichert, dass der König von Preußen ein Straßenräuber sei, aber die Wutausbrüche des meistenteils betrunkenen und durch den übermäßigen Branntweingenuss völlig entnervten Mannes, welcher zwar von der Czarin aus dem Exil zurückberufen, aber nicht den geringsten Einfluss auf dieselbe besitze, würde dem Herzog nicht zur Entschädigung verhelfen.

Katharina II. hatte sich gleich nach ihrer Thronbesteigung bemüht, den Frieden in Europa zu vermitteln; indessen alle Höfe, besonders aber der preußische, hatten sich den russischen Anerbietungen gegenüber ablehnend verhalten. Empfindlich hierüber, behandelte die Kaiserin den preußischen Gesandten mit Kälte und Lützow, welcher gleich allen Gesandten dem Hofe zu den Krönungsfeierlichkeiten nach Moskau gefolgt war, erreichte - Ende November - von den beiden Kanzlern Panin und Woronzoff das Versprechen, dass der Fürst Repnin, welcher sich beim König von Preußen in Sachsen befand, angewiesen werden solle, dringliche Vorstellungen wegen der Entschädigung des Herzogs beim Könige zu tun. Zu gleicher Zeit wurde Lützow ersucht zu veranlassen, dass dem russischen Botschafter ein mecklenburgischer Beamter zugewiesen würde, um Letzterem über die Wünsche des Herzogs Auskunft geben zu können.

Seit Mitte Dezember hatte der König von Preußen sein Hauptquartier in Leipzig aufgeschlagen, wohin ihm die Gesandten aller Mächte gefolgt waren. Dorthin ließ der Herzog im Februar 1762 den Regierungssekretär zur Nedden, im Gefolge des russischen Minister-Residenten in Hamburg, des Herrn von Mussin-Pusquine, welcher der Herzogin von Mecklenburg den Katharinenorden überbracht hatte und nun von Schwerin zum Fürsten Repnin nach Leipzig reiste, abgehen.1)

Die Vorstellungen des Fürsten Repnin beim König von Preußen hatten aber nicht den geringsten Erfolg. Der Kanzler Panin teilte dem Baron Lützow - Mitte Februar - mit: der König habe die Vorstellungen seines Hofes zwar sehr freundschaftlich aufgenommen, habe aber gesagt, dass er sich zu einer Entschädigung des Herzogs von Mecklenburg um so weniger entschließen könne, als derselbe gegen ihn eine offenbare Parteilichkeit bezeugt und er sich gezwungen gesehen habe, der schwedischen Armee die Subsistenzmittel zu entziehen, welche sie aus den mecklenburgischen Landen hatte beziehen können; übrigens sei der Verlust Mecklenburgs lange nicht so beträchtlich gewesen, als er angegeben sei. Als sich die Friedensverhandlungen zwischen Österreich und Preußen auf dem Schlosse Hubertsburg ihrem Ende näherten, schickte der Fürst Dolgorucki, welcher anstatt des Fürsten Repnin zum Gesandten am preußischen Hofe ernannt war, den Regierungssekretär zur Nedden nach Schwerin zurück mit dem Bescheide: der König habe auf seine nochmaligen Vorstellungen bestimmt erklärt, Mecklenburg sei evakuiert und habe von Seiten Preußens nichts zu besorgen; zu einer Indemnisation sähe der König keinen anderen Grund, als die Intercession Ihrer Kaiserlich-Russischen Majestät. Für diese hätte er alle Achtung; er bäte und hoffe aber, Ihro Majestät würden solche bei einem Punkt, worauf er - der König - sich weder einlassen könne noch würde, nicht weiter gebrauchen.

1) Um nicht als mecklenburgischer Beamter erkannt zu werden, trat zur Redden unter dem Namen Ludwig Zugehör als Secretair des Herrn von Mussin-Pusquine auf.

Nach dieser Antwort des Königs war von der russischen Vermittelung nichts mehr zu erwarten, und der Herzog, welchem der Zustand seiner Finanzen nicht erlaubte, unnötig Gesandte an fremden Höfen zu unterhalten, rief den Baron Lützow aus Petersburg ab, gab aber auf Anraten des russischen Staatskanzlers dem Oberhofmeister von Drieberg, welchen er nach Berlin schickte, um Friedrich den Großen wegen des abgeschlossenen Friedens zu beglückwünschen, wiederum den Regierungssecretair zur Nedden mit, damit Ersterer, welcher bei der preußischen Regierung, wenn sich die Gelegenheit böte, unter Beihülfe des Fürsten Dolgorucki, die Rückgabe der verpfändeten 4 Ämter anregen sollte, einen der Sache völlig kundigen Mann bei sich habe.1) Diese Gelegenheit bot sich aber nicht; die Ämter wurden erst unter der Regierung Friedrich Wilhelm II. an Mecklenburg zurückgegeben.

Der Baron Dittmar war, nachdem sich alle seine Bemühungen, vom Kaiserhofe werktätige Hülfe zu erlangen, als völlig vergeblich erwiesen hatten, auf seine dringende Bitte von Wien abberufen worden. Er reiste, da er die Originale der mit dem Kaiser und der Kaiserin abgeschlossenen Verträge bei sich führte, über Nürnberg und Holland nach Mecklenburg. Ende August kam derselbe in Schwerin an und wurde sofort mit ungnädigem Abschied seines Dienstes entlassen, trotzdem die Kanzler Kaunitz und Coloredo in Dittmars Recreditiv, welches der Hofrat Schmidt bereits Ende Juli nach Schwerin gesandt hatte, dem Herzog dringend empfohlen hatten, „diesen mit sonderbarer Vernunft, Geschicklichkeit und Gelehrsamkeit begabten Minister nicht allein zu seinem eignen, sondern auch als Patrioten zu des Deutschen Reiches Wohl weiter gebrauchen zu wollen.“

Nach den Verträgen, welche die Kaiserin Maria Theresia mit dem Herzog von Mecklenburg abgeschlossen hatte, mußte sie notgedrungen bei den Hubertsburger Friedensverhandlungen die Entschädigung ihres Bundesgenossen zur Sprache bringen. In der ersten Sitzung - 30. Dezember 1762 -, in welcher der österreichische Bevollmächtigte, Hofrat Collenbach, die Forderungen seiner Regierung zu Protokoll gab, verlangte er, dass gebührende Rücksicht auf die anderen Reichsstände, insbesondere auf die fränkischen, den Herzog von Mecklenburg und den Fürsten von Zerbst genommen werde. Nachdem der Graf Hertzberg diese Forderungen mit der kurzen Erklärung abgewiesen hatte, dass der König Mecklenburg, Zerbst, sowie anderen Reichsständen nichts schulde, kam man österreichischer seits während der ganzen, über 7 Wochen währenden Friedensverhandlung auf dies Thema mit keinem Worte mehr zurück. Das war der Dank des Hauses Österreich.

1) Wiederum incognito; diesmal „unbeschadet seiner sonstigen Würde“ als Kammerdiener des Herrn von Drieberg.

Nach dem Abzuge des Obersten Belling - im Mai 1762 - hatte der Herzog dem General von Zülow den Befehl gegeben, mit den Truppen den Rückmarsch nach Mecklenburg anzutreten.1) Der drohende Ausbruch des russisch-dänischen Krieges ließ es indessen dem Herzog zweifelhaft erscheinen, ob der Verbündete des Königs von Preußen auch die Neutralität der mecklenburgischen Truppen respektieren würde. Er bat daher den König von Schweden, seinen Truppen zu gestatten, das Ende dieses Krieges auf Rügen abwarten zu dürfen. Diese Erlaubnis ward bereitwilligst erteilt und die mecklenburgischen Truppen, welche sich bereits auf dem Rückmarsche befanden, bezogen in Schwedisch-Pommern Cantonnementsquartiere, bis sie dann Mitte Dezember 1762 in die langersehnte Heimat zurückkehrten.

1) Die 3 Infanterie-Regimenter zählten zu dieser Zeit in 24 Compagnien in Summa 1480 Mann; das Leib-Regiment in 4 Eskadrons 216, die Husaren-Eskadron 78 Köpfe; die Artillerie 21 Mann.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg