Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen in Wien

Wir haben den Ausgang der diplomatischen Verhandlungen an den Höfen von Versailles und Kopenhagen unsern Lesern bereits geschildert; es erübrigt nun noch, die Bemühungen des Barons Dittmar in Wien und des Obersten von Petersdorf in Petersburg weiter zu verfolgen.

Wie wir uns erinnern, hatte der Baron Dittmar die Traktate mit der Kaiserin Maria Theresia und mit dem deutschen Kaiser im August des Jahres 1759 zum Abschluß gebracht. Der Minister hatte bei diesen Verhandlungen große Geschicklichkeit bewiesen und sich nicht allein die höchste Zufriedenheit seines Landesherrn erworben, sondern es auch verstanden, sich am Kaiserhofe und in der Wiener Diplomatenwelt eine hochgeachtete Stellung zu erringen. Er verblieb deshalb auch ferner am Kaiserhofe zur Vertretung der Interessen des Herzogs. Seine nächste Aufgabe bestand darin, durch Verhandlungen mit dem französischen Gesandten die Ratifikation des französisch-mecklenburgischen Traktates vom 1. Dezember 1757 und den Abschluß eines dritten Vertrags mit Frankreich zu erreichen. Wir haben bei den französischen Verhandlungen gesehen, dass es nicht Mangel an Geschicklichkeit des mecklenburgischen Vizekanzlers, sondern der fehlende gute Wille seitens Frankreichs war, welcher jede nähere Verständigung mit Versailles unmöglich machte. Es ist sehr fraglich, ob die Absendung eines Gesandten an den französischen Hof zu der Dittmar schon i. J. 1759 riet und sich selbst hierzu anbot, ein günstigeres Resultat herbeigeführt haben würde; mehr Chance des Gelingens bot dieselbe i. J. 1759 aber jedenfalls als die offenbar zu spät erfolgte Mission des Barons Teuffel von Pürkensee.


Im Frühling des Jahres 1761 wurde in Wien zuerst von dem Kongress zu Augsburg gesprochen, dessen Zusammentritt die Diplomatenwelt lange und lebhaft beschäftigte, um dann mit Ende des Jahres 1761 als völlig gescheitert bei Seite geschoben zu werden. Des Herzogs große Sorge war, ob ein mecklenburgischer Minister bei dem Kongress würde zugelassen werden. Baron Dittmar bemühte sich dieserhalb eifrigst in Wien und erhielt auch beruhigende Zusagen, wenigstens von den Kaiserlichen Ministern. Eine weitere Frage war, in welcher Eigenschaft Mecklenburg in der Friedensversammlung auftreten sollte, ob als Verbündeter der Mächte der Koalition oder nur als ein beschädigter Reichsfürst? Baron Dittmar, von seiner Regierung zum Gutachten aufgefordert, riet im Mai 1761 als militärischer Alliierter der Koalition auf dem Kongress zu erscheinen; zu dem Ende müsse man aber auch wirklich am Kampfe teilnehmen. „Ich setze voraus,“ schrieb der Minister, „Eure Durchlaucht haben jetzt 2.000 Mann auf den Beinen; es müsste Mecklenburg nicht Mecklenburg sein, wenn es nicht schon 2 Monate nach dem Abzuge der Preußen 6.000 Mann aus sich selbst stellen könnte. Wollen Sie aber nicht als militärischer Alliierter von Wien und Versailles auf dem Kongress auftreten, so werden Eure Durchlaucht es erleben, vorausgesetzt Mecklenburg wird überhaupt zum Kongress zugelassen, was nach der Erklärung der verbündeten Mächte unwahrscheinlich ist, dass dero Gesandte die traurigste Rolle spielen und sich in der foule der Indemnisations-Prätendenten verlieren und ebenso leer ausgehen wird, als das Haus Mecklenburg bei allen Friedensschlüssen bis dato ausgegangen ist.“

Als der Baron Dittmar diesen Rat gab, war seine Stellung am Schweriner Hofe so stark erschüttert, dass der Herzog seine Tätigkeit überhaupt nur noch in Anspruch nahm, weil derselbe auf dem Friedenskongresse Mecklenburg vertreten sollte, und er diesen scharfsinnigen und geschickten Staatsmann schlechterdings jetzt nicht entbehren konnte.

Die erste Verstimmung zwischen dem Vizekanzler und seinem Hofe datiert vom Dezember 1760 her. Als der Prinz von Württemberg zu dieser Zeit das Kommando in Mecklenburg übernommen hatte und, wie wir uns erinnern, seine Forderungen mit der äußersten Härte beizutreiben anfing, hatte die mecklenburgische Regierung an den Baron Dittmar und den Baron Teuffel gleichlautende Rescripte gesendet, in welchen der preußische Druck in den grellsten Farben geschildert und zum Schluss die Drohung ausgesprochen war, die Regierung müsse sich mit dem Prinzen vergleichen, wenn nicht schleunige Hülfe vom Reiche oder vom österreichischen Hofe käme; hinzugefügt war, dass die Gesandten von diesem Rescript den kräftigsten Gebrauch machen sollten. Der Comitialgesandte hatte daher geglaubt, das herzogliche Schreiben seinem ganzen Inhalte nach den kaiserlichen und dem französischen Gesandten in Regensburg in Abschrift mitteilen zu müssen und so hatte dasselbe seinen Weg nicht allein an den Kaiserhof und nach Versailles, sondern auch in alle Zeitungen gefunden. Der Baron Dittmar hatte seine Aufgabe diplomatischer aufgefasst, da er wusste, dass die Drohung nicht ernstlich gemeint war. Er hatte zwar das herzogliche Rescript den österreichischen Ministern abschriftlich mitgeteilt, hatte aber den verfänglichen Schlusspassus, nur mündlich, gesprächsweise einfließen lassen. Außerdem hatte die Regierung den Fehler gemacht, dem Vizekanzler gänzlich darüber in Unkenntnis zu lassen, dass sie mit dem Prinzen von Württemberg ein Abkommen wegen der Zahlungen getroffen und ihm in zuvorkommender Weise das herzogliche Palais in Rostock zur Wohnung eingeräumt hatte. Dies Alles war gerüchtweise in Wien bekannt geworden, von dem Baron Dittmar aber eifrigst dementiert worden. Als nun aber diese vielfach vergrößerten Gerüchte durch die offiziell mitgeteilte Drohung aus Regensburg neue Nahrung erhielten, wurde die Stellung des mecklenburgischen Ministers am Wiener Hofe eine sehr unerquickliche. Er gab seiner tiefen Verstimmung in einem Bericht an seinen Hof Ausdruck: Die ganze Sache habe in Wien ungemein unangenehm berührt; man sei zwar höflich gegen ihn, aber durchaus kaltsinnig und nicht mehr offenherzig wie sonst; stets antworte man ihm, sein Herzog habe sich ja nun mit dem König von Preußen verglichen und er könne nicht widersprechen, wenn die Gerüchte wahr seien, müsse er abreisen; er bäte doch zukünftig den Baron Teuffel, der Alles tue, was den Wiener Hof piquire, besser zu instruiren, wie er die herzoglichen Rescripte aufzufassen habe.

Der Herzog und seine Minister fühlten, dass der Baron Dittmar in der Sache Recht hatte, konnten aber dem Comitialgesandten, der strikte nach seiner Instruktion verfahren war, keine Vorwürfe machen. Überdies gereizt durch den scharfen Ton des Vizekanzlers, welche offenbar vergaß, dass er in diesem Augenblick nicht der tonangebende Leiter des mecklenburgischen Staates, dessen überlegenem Geist sich der Herzog und die übrigen Minister stets gefügt hatten, sondern der Gesandte war, der den Instruktionen seiner Regierung Folge zu leisten hatte, gaben sie demselben Unrecht und billigten das Verfahren des Baron Teuffel. Bald aber hatte der Vizekanzler die Genugtuung - Anfang März -, dass seine Regierung ihm mitteilte, von einem Vergleich mit den Preußen sei keine Rede mehr, da der Druck schwerer denn je auf dem Lande laste und ihn beschwor, doch ja Alles am Kaiserhofe aufzubieten, dass der Prinz von Württemberg zum Abmarsche gezwungen würde.

Wie wir wissen war der Baron Dittmar von je her der Ansicht gewesen, dass der Herzog nur dann beim Friedensschlusse seine Forderungen geltend machen könne, wenn er seine Truppen aktiv an dem Kriege teilnehmen lasse, und hatte in diesem Sinne wiederholt, aber bisher vergeblich, auf den Herzog einzuwirken gesucht. Als mit Beginn des Jahres 1761 die Tätigkeit der russischen Armee mehr in den Vordergrund zu treten schien, setzte Dittmar seine ganze Beredsamkeit daran, den Herzog zum Handeln fortzureißen. Er schilderte die Vorteile, wenn die mecklenburgischen Truppen im Verein mit den russischen und schwedischen Armeen die Preußen aus Pommern und Mecklenburg vertrieben; aber 6.000 Mann müßten die Truppen stark sein; die könne das Land mit Leichtigkeit stellen und man dränge in Wien unaufhörlich dazu. „Eure Durchlaucht müssen Adel, Bürger und Bauern zur Landes-Defension aufrufen!“ Schloss Dittmar.

Solche extreme Mittel widerstanden aber dem friedfertigen Sinn des Herzogs. Er verwies den ungestümen Minister in einem Rescript vom 6. Februar 1761 zur Ruhe: „Truppen vermehren und Aufgebote erlassen sind Bravaden, welche nur dazu führen den König von Preußen zur Eroberung unseres Landes zu veranlassen!“ Auch die Bitte ihn nach Versailles zu schicken, da in Wien nichts mehr zu erreichen sei, schlug der Herzog dem Vizekanzler ab: „Ihr sollt in Wien bleiben, um für die Friedensverhandlungen in Augsburg zur Hand zu sein, nach Versailles geht Baron Teuffel.“

Die scharfe Abfertigung auf seine wohlgemeinten Vorschläge erregte den Baron Dittmar derart, dass er alle Rücksichten vergaß: „Da es Eurer hochfürstlichen Durchlaucht Allergnädigst gefallen,“ schrieb er im März, „die Anstalten zur Notwehr und Landes-Defension unter die Bravaden zu rechnen, so ist darüber das pour et contre allerdings vollendet. Nur einige Betrachtungen scheinen noch übrig zu sein: Als man sich an einzelnen Orten im Lande, zum Exempel in Schwerin, Dömitz und auf dem Kaninchenwerder mit Kanonen- und Gewehrschüssen verteidigte, hat dies Niemand, selbst die Preußen nicht für Bravaden erklärt, warum soll denn eine allgemeine Landes-Verteidigung, wenn sie gehörig angeordnet und dirigiert wird, dafür angesehen werden? Sich verteidigen hat sonst noch nie braviren geheißen. Das Wort Landes-Defension ist nur dadurch lächerlich und verhasst in Mecklenburg, weil sie in neuerer Zeit einmal übel angeordnet, durch Verräter dirigiert und verräterisch schlecht ausgeführt, mithin in der Folge lächerlich war“.1)

1) Das allgemeine Aufgebot, welches der Minister meint, wurde durch Carl Leopold im Jahre 1735 erlassen, um sich mit Hülfe desselben den Thron wieder zu erobern und war gegen seinen Bruder Christian Ludwig (den Vater Herzog Friedrichs), welcher vom Kaiser zum Administrator des Landes eingesetzt war, gerichtet. Dittmar war damals in Diensten Carl Leopolds.

Eine neue Kränkung erwuchs dem Baron Dittmar aus der beabsichtigten Sendung des Barons Teuffel von Pürkensee nach Versailles, welche er selbst gerne übernommen hätte, da er die beiden ersten Verträge mit Frankreich abgeschlossen und genauer wie irgend Jemand über den Stand der Sache orientiert war. Nun erhielt er Befehl die gesammten Akten sowohl über die Verhandlungen mit Frankreich als auch über die mit dem Kaiser und der Kaiserin geschlossenen Verträge nach Regensburg zu senden. Der französischen Akten bedurfte der Baron Teuffel, dass ihm aber auch sämtliche Wiener Akten und nicht bloß ein kurzer aktenmäßiger status negotii, wie der Vizekanzler es vorgeschlagen, gesandt werden sollte, fasste Letzterer als ein ihm gezeigtes Misstrauen auf. „Ich kann es als keinen Gnadenbeweis ansehen, dass Eure Durchlaucht einen Dritten zum Richter über meine Handlungen und Ratschläge ernennen,“ schrieb er im April.

In Wien drängten die kaiserlichen Minister den Gesandten unaufhörlich, dass der Herzog doch seine Truppen an dem Kampfe teilnehmen lassen solle. „Wie ist es möglich,“ so sagten sie, „dass ein so ansehnlicher Staat, mit einer so zahlreichen Ritterschaft, der etliche Tausend Soldaten hält, hat derart herunterkommen können, dass 6 - 8 Preußen genügend sind, in ganzen Distrikten und Städten Gewalt zu üben!“ Die allgemeine Meinung in Wien war eben, dass der Herzog sich selbst helfen könne, wenn er nur wolle. „Es ist eine der merkwürdigsten Wahrheiten und Staatsregeln,“ schrieb Dittmar, „dass ein großer Herr bei anderen großen Herrn immer nur das gilt, wofür er sich geltend zu machen weiß.“

Die Regierung sprach - Anfang Mai - ihren ganzen Unwillen über derartige Vorwürfe des Wiener Hofes und dem Baron Dittmar ihr höchstes Befremden aus, auf derartige Sachen überhaupt eingegangen zu sein.

Der oben erwähnte Bericht des Vizekanzlers, worin er den Vorwurf „der Bravaden“ zurückweist, konnte dem Herzog, welcher längere Zeit ernstlich krank gewesen war, erst im Juni zum Vortrage gebracht werden. Der Herzog hatte sich in hohem Grade erzürnt über den Inhalt sowohl, wie über die Fassung dieses Schreibens geäußert; da er keinen ausdrücklichen Befehl zur Beantwortung desselben gegeben hatte, ließen die Minister Graf Bassewitz und Schmidt die Sache auf sich beruhen, in der Hoffnung dieselbe in

Vergessenheit geraten zu lassen. Um sich aber gegen den Verdacht zu schützen, als ob sie den Herzog zu den harten Ausdrücken, in welchen das Rescript vom 6. Februar abgefasst war, veranlasst hätten, gaben sie die formelle Erklärung zu den Akten, dass sie durch die beobachtete sorgfältige Mäßigung in den Ausdrücken gegen ihren Kollegen dem Herzoge wiederholt missfällig geworden seien und dass Letzterer die scharfe Abfassung des Rescriptes ganz besonders befohlen habe und riefen hierbei feierlich „Gott, Serenissimi Höchsteigne Person und ihr Gewissen zu Zeugen an.“

Der Konflikt Dittmars mit seinen Kollegen hatte aber während der Krankheit des Herzogs an Schärfe zugenommen. Ersterer hatte sich bitter beklagt, dass er die Zustände in der Heimat wiederholt durch fremde Personen in Wien früher erfahren, als durch die Mitteilungen seiner Regierung und hierauf war ihm, allerdings nur durch ein Missverständnis des Regierungs-Sekretärs, welcher die Regierungs-Rescripte auszufertigen hatte1) erwidert worden, dies wäre nicht der Fall, während er den Beweis des Gegenteils geführt hatte. Auf das Äußerste hierüber erzürnt, schrieb der Vizekanzler: „Meine Relationen werden Eurer Durchlaucht verdreht vorgetragen, ich werde der Unwahrheit geziehen, dergleichen lässt sich kein ehrlicher Mann gefallen!“

Da der Vizekanzler während seiner Mission nach Wien aktives Mitglied des Staatsministeriums geblieben war, glaubten die Minister, da sie Partei in der Sache waren, „ihre Pflicht gegen den Allerhöchsten Dienst, die Achtung vor ihrem Kollegen und die Pflicht gegen sich selbst“ nicht anders verbinden zu können, als dass sie über den Bericht des Barons Dittmar, sowie über die Vorakten dem Herzoge durch den Regierungs-Sekretär Faukl ausführlichen Vortrag halten ließen. Der Herzog gab in der darauf folgenden Minister-Konferenz dem Baron Dittmar Unrecht und befahl den Ministern ein desbezügliches Dekret auszufertigen, welches diese jedoch unter verschiedenen Vorwänden hinausschoben und endlich ganz unterließen. Der Herzog bestand auch nicht weiter darauf; er konnte in diesen sturmbewegten Zeiten und namentlich bei dem in Aussicht stehenden Friedenskongress vorerst den bewährten, klugen Rat seines Vizekanzlers nicht entbehren. Dittmar aber, der sehr bald erfuhr, dass er in Ungnade gefallen, suchte sich von dem Vorwurf, unehrerbietig gegen die Allerhöchste Person seines Fürsten gewesen zu sein, dadurch zu reinigen, dass er - Anfang Juli - erklärte, alle Vorwürfe in seinen Relationen seien lediglich gegen die Minister gerichtet gewesen: „Es ist mit dem Staatsgebäude wie mit einem natürlichen Gebäude, Euer Durchlaucht!

1) Die Minister hatten das von dem Regierungs-Secretair ausgefertigte Rescript unterschrieben, ohne es genau durchzulesen.

Einzelne Versäumnisse, ohne dass die oberste Direktion es immer sehen kann, verursachen oft gefährliche Risse im Ganzen und die Schuld fällt auf Diejenigen, welche das Detail zu vertreten haben.“

Wenn die mecklenburgische Regierung einerseits auch durchaus abgeneigt war, eine Landes-Verteidigung ins Werk zu setzen, wollte sie andererseits die Höfe von Wien und Versailles, welche unabhängig drängten, der Herzog solle seine Truppen vermehren - nach des Vizekanzlers Ansicht konnte Mecklenburg 10.000 Mann stellen - und am Kampfe teilnehmen, nicht ernstlich erzürnen. Aus diesem Grunde wurde der Baron Dittmar, welchem von seiner Regierung aufgegeben war, für den Petersdorf'schen Plan die Unterstützung des Wiener Hofes zu erlangen, befohlen, die österreichischen Minister mit Hoffnungen hinzuhalten. Im Januar des Jahres 1762 veränderte dann die Thronbesteigung Peter III. die politische Lage gänzlich.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg