Die zweite Invasion der Preußen im Dezember 1758

Die zweite Invasion der Preußen im Dezember 1758; der Herzog begibt sich nach Altona.

Die im Juli des Jahres 1758 begonnene Offensive der Schweden endete matt, wie sie begonnen, ohne Berlin zu erreichen, bei Neu-Ruppin und Fehrbellin. Mitte Dezember führte der General von Lantinghausen, welcher für den in Ungnade abberufenen General Hamilton den Oberbefehl übernommen hatte, die schwedische Armee hinter die Peene zurück. Ihm gegenüber, zu schwach zum Angriff, stand der General Manteuffel, welcher mit einem Detachement von 5.000 Mann vom Dohnaschen Corps dem Rückzuge der Schweden gefolgt war.


Inzwischen hatten sich zu Ende des Jahres 1758, trotz der bei Hochkirch - am 14. Oktober - erlittenen Niederlage, die Verhältnisse sehr günstig für den König von Preußen gestaltet. Die Russen waren über die Weichsel, die Franzosen - nur der Marschall Soubise verblieb bei Frankfurt a. M. - über den Rhein zurückgegangen; der König hatte sich in Sachsen behauptet und Schlesien befreit. Dadurch war der General Graf Dohna mit seinem Corps - 24 Bataillone und 31 Eskadrons, ca. 13.000 Mann - disponibel geworden und wurde nun nach Vorpommern geschickt, um die Schweden zu schlagen und in Schwedisch-Pommern und Mecklenburg die Winterquartiere zu beziehen.

Am 20. Dezember traf Graf Dohna über Wittstock bei Stavenhagen ein. Um den schwierigen Angriff auf die Peenelinie zu vermeiden, beabsichtigte er die Schweden in ihrer rechten Flanke zu umgehen, während der General Manteuffel dieselben in der Front an der Peene beschäftigen sollte. Zu dem Ende marschierte er über Gnoien und Sülze vor, fand aber die Trebel- und Recknitz-Übergänge überall so sorgfältig bewacht und verschanzt, dass es ihm erst bei Dammgarten gelang, den Recknitz-Paß, welcher übereilt geräumt wurde, zu forcieren.

Wiederum, wie im Winter 1757/58, war das Schicksal der schwedischen Armee in die Hände des preußischen Oberbefehlshabers gegeben und wiederum versäumte es der Graf Dohna, die günstige Gelegenheit zu benutzen. Anstatt von Dammgarten geradeswegs dem General Lantinghausen in den Rücken zu marschieren - was er an der Spitze von 13.000 Mann ohne Gefahr wagen konnte - manövrierte er die Recknitz aufwärts, um die verlorene Verbindung mit seinem Unterbefehlshaber wieder aufzusuchen, die er denn auch am 6. Januar glücklich bei - Greifswald herstellte. Währenddessen war aber der General Lantinghausen unbehindert nach Stralsund und Rügen entkommen. Der General Dohna Schloss nun die Festung Stralsund durch einen Truppen-Cordon ein und bezog Winterquartiere in Schwedisch-Pommern und dem angrenzenden Teile Mecklenburgs.

Beim Einmarsch der preußischen Truppen in Mecklenburg - Mitte Dezember - waren die herzoglichen Beamten der Grenzämter und Deputierte der Ritterschaft ins Hauptquartier beordert und ihnen dort von dem Chef des Feld-Kriegs-Kommissariats, dem General von Stutterheim, der Befehl erteilt, nicht allein die Truppen zu verpflegen, sondern auch große Mengen von Getreide und Fourage in das Magazin nach Treptow zu liefern. Auch als Graf Dohna in Schwedisch-Pommern eingerückt war, hörten die Lieferungen für die Verpflegung der Truppen nicht auf, so dass die Ortschaften an der Grenze völlig ausgesogen wurden. In Malchin war eine Feldbäckerei etabliert und von da mußten die Gemeinden das Brot, oft 12 Meilen weit nach Pommern hineinfahren. Dabei gingen die Gespanne in den schlechten Wegen zu Grunde; viele Pferde wurden aber auch von den preußischen Truppen zurückbehalten.

Am 10. Januar 1759 erging ein neues Ausschreiben zu einer großen Korn- und Fourage-Lieferung in die Hauptmagazine zu Havelberg und Demmin, welche fast um die Hälfte größer war, als die im vorigen Jahr verlangte, und sich in Geld berechnet nach einer Taxe des preußischen Kommissariats, auf ca. 2.000.000 Thaler belief.

Hierzu kommen noch die Rückstände aus dem verflossenen Jahre. Wir wissen, dass von der auf 1.000.000 Thaler behandelten Kontribution nur 542.258 Thaler wirklich gezahlt waren; das geforderte Korn und die Fourage war ebenfalls nur zum Teil geliefert und der Rest zu Gelde berechnet worden. Diese Rückstände waren, als die Preußen Mecklenburg verlassen hatten, wiederholt unter den heftigsten Bedrohungen mit Verwüstung und Verheerung eingefordert worden, aber auf Befehl des Herzogs nicht geliefert. Jetzt wurden sie mit unnachsichtiger Strenge durch preußische Kommandos, welche in die Städte und Dörfer geschickt wurden, eingetrieben und hierbei ging es selten ohne Gewalttätigkeiten und harte Behandlung der Einwohner ab. Durch dies Verfahren sowie durch Inanspruchnahme einheimischen und auswärtigen Credits seitens der Landesbehörden, flossen die Gelder reichlicher, so dass im März 1759 die Summe von 1.300.000 Thalern an die preußischen Kassen abgeführt werden konnte.

Am 27. Januar 1759 verlegte der Graf Dohna sein Hauptquartier nach Rostock und rückte daselbst mit drei Bataillonen Infanterie ein. Der Hauptmann Michael Kredewahn, welcher mit seinen Invaliden die Besatzung Rostocks bildete, kam nicht dazu, den feierlichen Protest gegen den Einmarsch, wie ihm von seiner Regierung befohlen war, bei dem preußischen Befehlshaber einzulegen; beim Erscheinen der feindlichen Colonnen stießen preußische Offiziere, welche schon am Tage vorher in Rostock angekommen waren, die wachhabenden Invaliden einfach bei Seite, entrissen ihnen die Schlüssel und öffneten das Tor.

Das Land litt schwer unter den Lieferungen der verschiedensten Art. Die Kaufleute mußten Tuch und Leinewand für den Bedarf der Truppen unentgeltlich hergeben; hunderte von Pferden mußte das Land stellen in natura oder in Geld. Zwar sollten diese Gelder auf die noch zu zahlende Kontribution in Anrechnung gebracht werden, aber da die Rückstände und die neuen Forderungen so enorm hoch waren, dass das Land sie unmöglich zahlen konnte, war dies auch nur eine scheinbare Erleichterung. Wurden die Pferde oder an ihrer Statt das Geld nicht gezahlt, so nahmen die preußischen Remonte-Kommandos die Pferde, wo sie dieselben fanden, so in Basedow 15, in Remplin 26, in Varchentin 9 Stück und von den Domänen wurden 300 Pferde zur Bespannung der Geschütze und Colonnen abgeholt.

Die Stadt Rostock litt besonders unter der Einquartierung; 3 Bataillone und zahlreiche Pferde mußten unentgeltlich verpflegt werden und die Winter-Douceurgelder für die Offiziere allein betrugen 2.000 Thaler. Außerdem mußte die Tafel des kommandierenden Generals reichlich versorgt werden.

Nichts war aber empfindlicher und schrecklicher für das Land, als die gewaltsame Aushebung der Menschen. Graf Dohna gab zwar gleich nach seinem Einmarsch in Mecklenburg dem Engeren Ausschuss die bündigste Versicherung, dass, wenn für jedes der unter seinem Kommando stehenden 15 Bataillone 1.000 Thaler, also in Summe 15.000 Thaler Werbegelder gezahlt würden, das Land von jeglicher Rekrutenstellung befreit sein sollte. Er erbot sich, wenn man seinem Worte nicht trauen wolle, die diesbezügliche Ordre des Königs vorzulegen. So sehr auch das Land schon durch die übrigen Forderungen mitgenommen war, wurde doch zur Aufbringung dieser Summe Anstalt gemacht und nach und nach waren schon 11.000 Thaler gezahlt worden.

Aber auch dies Opfer schützte das Land auf die Dauer nicht. Wir wissen aus der Geschichte des 7jährigen Krieges, dass der König den General Dohna angewiesen hatte, den Bedarf an Menschen und Pferden für den Feldzug des Jahres 1759 nicht allein für sein Corps, sondern auch für die Armee des Prinzen Heinrich von Preußen in Sachsen aus Schwedisch-Pommern und Mecklenburg zu entnehmen. Hierzu hatte man aber viele tausend Rekruten nötig und es stellte sich heraus, dass die Werbung für Geld völlig unzulänglich war. Schon im Februar fingen die preußischen Truppen an, hie und da Leute von den Heerstraßen mit Gewalt wegzunehmen; systematischer wurde die Sache aber erst betrieben, als strengere Befehle vom Könige einliefen. In einem Schreiben wurde dem Engeren Ausschusse angezeigt der König habe befohlen, die Rekrutenlieferung im Mecklenburgischen zu beschleunigen und fördersamst 8.000 Rekruten auszuheben; „Seine Majestät will diese Intention ohne alle Einwendung und Raisonniren erfüllt wissen,“ Schloss das Schreiben, „sonst wird man zuletzt zugreifen und ohne Ansehen der Person Alles, wie es sich vorfindet und zum Dienste des Königs einigermaßen tüchtig ist, nehmen.“

Diesem Schreiben folgte sofort eine Unternehmung gegen die Residenz Schwerin, wohin die mecklenburgischen Truppen bei der Annäherung des Dohnaschen Corps zusammengezogen waren. Die Stärke der beiden Infanterie-Regimenter belief sich jetzt in 11 Compagnien auf in Summa 675 Bajonette. Da der Herzog keinen Augenblick daran zweifelte, dass die Aufhebung seiner Truppen fest beschlossene Sache war, hatte er schon im Januar angeordnet, dass ihm jede Bewegung der preußischen Truppen im Lande durch reitende Boten aus den Ämtern gemeldet werden sollte. Als daher der Generalmajor von Kleist, welcher die in Mecklenburg cantonnirenden preußischen Truppen - 6 Bataillone und 7 Schwadronen - befehligte, den Major von Kleist mit 3 Bataillonen Infanterie, einigen Schwadronen und 8 Geschützen in aller Stille von Rostock absandte, um die mecklenburgischen Truppen aufzuheben, befahl der Herzog dem General von Zülow sich mit den Truppen auf den Kaninchenwerder, einer kleinen Insel im Schweriner-See, zurückzuziehen und sich dort auf das Äußerste zu verteidigen. Der Herzog für seine Person begab sich mit seiner Gemahlin, den Ministern und einem kleinen Gefolge nach Hamburg und von da nach Altona.

Am 15. März erschien der Major von Kleist vor Schwerin, ließ seine Geschütze auf das Schloss richten, in welchem sich der Erbprinz Ludwig mit seiner Familie befand und forderte die Garnison auf, die Waffen zu strecken. Der General von Zülow hielt den an ihn abgeschickten Offizier so lange hin, bis sich seine Truppen in die bereit liegenden Fahrzeuge begeben hatten. Der Major Kleist ließ zwar das Feuer auf die Böte während der Überfahrt eröffnen, welches vom Kaninchenwerder aus erwidert wurde, aber der großen Entfernung wegen wurde auf beiden Seiten keine Wirkung erzielt. Darauf nahm er Stadt und Schloss in Besitz, ließ die Häuser durchsuchen und alle diensttauglichen Leute als Rekruten fort transportieren; selbst ansässige, verheiratete Bürger und die herzoglichen Diener wurden nicht verschont. Sogar Prinz Ludwig wurde bedroht, falls er den Herzog nicht bewege, die Truppen auszuliefern. Der Herzog verweigerte dies aber standhaft, und der Major verließ nach zehntägigem Aufenthalt die Stadt.

Einige Zeit darauf kam nochmals ein preußisches Detachement nach Schwerin und führte aus dem Zeughause und von den Wällen 22 metallene Geschütze 1) mit sich fort. Ein gleiches Schicksal traf kurz darauf die Stadt Rostock, der ebenfalls sämtliche Geschütze - 29 an der Zahl - genommen wurde. Am 8. April rückte der General Zülow mit seinen Regimentern wieder in Schwerin ein.

Nach dieser verunglückten Razzia auf die mecklenburgischen Truppen wurde die Rekrutenaushebung von den preußischen Befehlshabern mit verdoppelter Energie betrieben. Schon von Schwerin aus wurden einzelne Kommandos zur gewaltsamen Aushebung der Menschen abgeschickt und nach dem Abmarsch von dort wurden diese noch vermehrt. Man nahm, was man fand, sogar alte Leute und Jungen. Handel und Wandel lag gänzlich darnieder. Die Mühlen standen still und man hatte Mangel an Brod, weil weder Müller noch Bäcker vorhanden waren. Alles, was nur gesunde Gliedmaßen hatte, verkroch sich in Waldungen und Moräste, wo Viele vor Hunger und Kälte umkamen. Manche liefen aus Angst vor den Werbern ins Wasser und ertranken vor den Augen ihrer Verfolger. Viele Tausend aber entwichen aus der Heimat, besonders nach Hamburg und Lübeck, wo sie blieben und so das Land noch mehr entvölkerten. Man schonte selbst die Fuhrleute nicht, welche die ausgeschriebenen Naturalien in die preußischen Magazine brachten. Der General von Kleist ging sogar soweit, dass er Gutsbesitzern, welche sich zur Stellung der von ihren Gütern verlangten Rekruten erboten und von ihm Sauvegardebriefe gegen die gewaltsame Wegführung der Menschen erhalten hatten, ihre Untertanen einen Tag nach Erteilung des Sauvegardebriefes wegnehmen ließ. Alle diese Übel machten die Gelderpressung und sonstigen Grausamkeiten, welche bei diesem Menschenraub von Offizieren und Gemeinen, sowie von den auf Exekution liegenden Proviant-Kommissaren vorgenommen wurden, völlig unerträglich. 2)

Mit dem Anfange des Monats Mai trafen die preußischen Truppen Vorbereitungen, die mecklenburgischen Lande zu verlassen. Der General Dohna, welcher seine Regimenter in Mecklenburg an Menschen und Pferden völlig komplettiert und in einen mustergültigen Zustand gesetzt hatte, wurde vom König gegen die Russen, welche von Polen im Anmarsch begriffen waren, abberufen. Am 15. Mai hob er die Einschließung Stralsunds auf und marschierte über Stettin nach Stargard in Pommern ab. Die unter General von Kleist bisher in Mecklenburg gestandenen 6 Bataillone und 7 Schwadronen blieben auf Befehl des Königs zur Beobachtung der Schweden in Vorpommern zurück und bezogen ein Lager bei Bartow, die Cavallerie als Vorposten gegen die Peene vorgeschoben. Vor dem Ausmarsch aber forderte der Chef des Feld-Kriegs-Kommissariats, der General von Stutterheim, Deputierte von den herzoglichen Domainen und den Städten nach Demmin, um mit ihnen über die geschehenen Lieferungen Abrechnung zu halten und nahm, um die Zahlung der noch restierenden Gelder sicher zu stellen, mehrere Beamte und Pächter als Geiseln mit nach Stettin.

1) Im Werte von 10.000 Thalern.

2) Diese Schilderung ist einer von der herzoglichen Regierung verfassten species facti entnommen.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg