Die diplomatischen Verhandlungen mit Dänemark

Die diplomatischen Verhandlungen mit Dänemark; Konvention mit Schweden; erster Marsch der mecklenburgischen Truppen nach Rügen.

Bevor wir in der Erzählung der kriegerischen Ereignisse fortfahren, müssen wir unseren Blick auf die diplomatischen Verhandlungen, welche die mecklenburgische Regierung mit dem dänischen Hofe anknüpfte, lenken.


Wie schon früher erwähnt, hatte sich Herzog Friedrich nach dem ersten Einrücken der preußischen Truppen in Mecklenburg, kurz vor Weihnachten 1757, nach Lübeck begeben. Da es jedoch zweifelhaft war, ob er dort den nötigen Schutz finden würde, richtete er im Februar des folgenden Jahres ein Schreiben an den König von Dänemark und bat um ein Asyl für sich und sein Gefolge in der Festung Rendsburg. In einem eingehenden, sehr verbindlichen Schreiben gab König Friedrich von Dänemark dem Herzog sein königliches Wort, dass er nicht allein in Rendsburg, sondern wo er wolle in des Königs Landen den erbetenen Schutz finden würde. Obgleich der Herzog keinen Gebrauch von diesem Versprechen machte, so benutzte er diese Gelegenheit, freundschaftliche Beziehungen mit dem dänischen Königshause anzuknüpfen, um so mehr, als er durch das am 21. August 1758 vom Kaiser dem Könige von Dänemark übertragene Protectorium auf den Schutz dieses Monarchen angewiesen war. Im September schickte der Herzog seinen Schlosshauptmann, den Baron von Forstner, mit einem Dankesschreiben und dem Auftrage nach Kopenhagen, „sich um die Zuneigung des Königs und die Freundschaft des Ministers, Grafen Bernstorf,“ welcher aus Mecklenburg gebürtig und dort angesessen war, zu bemühen. Nach der noch in demselben Monat erfolgten Rückkehr des Baron Forstner beschloss der Herzog einen ständigen Gesandten an dem dänischen Hofe zu akkreditieren und wählte hierzu den Geheimen Legationsrat von Lützow, welcher am 6. Oktober zu Schloss Frederiksborg vom König in Gegenwart des Oberhofmarschalls Grafen Moltke und der drei Minister sehr gnädig empfangen wurde. 1)

Der Hauptauftrag des Baron Lützow bestand darin, das kaiserliche Protectorium, welches, wie schon erwähnt, nicht vom Kaiser direkt an die dänische Regierung, sondern an den Herzog von Mecklenburg zur weiteren Veranlassung gesandt war, offiziell in Kopenhagen zu insinuiren. Da man aber in Schwerin genau wusste, dass der König von Dänemark streng neutral bleiben wollte, war dem Gesandten die äußerste Vorsicht anempfohlen und das Protectorium ihm gewissermaßen als ultimo ratio mitgegeben worden. Jedenfalls aber sollte er von demselben nicht ohne Einverständnis der Gesandten Österreichs und Frankreichs Gebrauch machen.

Die Gesandten dieser Mächte sondierten zunächst den Grafen Bernstorf vertraulich und fanden, dass die Übergabe des Protectoriums dem dänischen Hof sehr unangenehm sein würde und dass er äußersten Falls nichts weiter an Truppen stellen würde, als das holsteinsche Kontingent. Sie rieten infolgedessen dem Baron Lützow dringend, von dem Protectorium dem dänischen Minister gegenüber nichts zu erwähnen.

Der Graf Bernstorf erkannte das Menagement des Herzogs von Mecklenburg sehr an und als einige Tage darauf der Baron Lützow in der ersten Unterredung, die er mit dem dänischen Minister hatte, die Frage aufwarf, ob der König nicht vielleicht einige dänische Regimenter, welche in Holstein an der Grenze ständen, in Mecklenburg zum Schutz des Landes einrücken lassen möchte, ging Graf Bernstorf lebhaft hierauf ein.

Der mecklenburgische Gesandte hatte diesen Vorschlag getan, ohne hierzu von seinem Hofe autorisiert zu sein; er erfuhr deshalb auch die Missbilligung des Herzogs, welcher fürchtete, dass die Anwesenheit der dänischen Truppen den König von Preußen noch mehr reizen und den Kriegstrubel im Lande vergrößern möchte. Indessen ging er nach näherer Überlegung doch auf den Plan ein, wollte aber von einer Besetzung Rostocks, welche dänischerseits vorgeschlagen war, schlechterdings nichts wissen. Es mochte den mecklenburgischen Staatsmännern denn doch bedenklich erscheinen, außer Wismar auch die zweite Hafenstadt des Landes fremden Händen zu übergeben.

1) Der Baron kam in ziemlich übler Verfassung von dem königlichen Lustschlosse nach Kopenhagen zurück, da der Kutscher ihn zweimal in einen Wassergraben geworfen hatte; arg zerschunden mußte er mehrere Tage das Bett hüten.

Aber auch der Graf Bernstorf erhob nachträglich Schwierigkeiten, er stellte die Bedingung, dass die Höfe von Wien und Versailles eine Schadloshaltung Dänemarks garantieren sollten, wenn dem dänischen Hofe aus der Besetzung Mecklenburgs ein Krieg mit Preußen oder sonstiger Nachteil entstehen würde. Da der dänische Minister aber mit der sehr auf Schrauben gestellten Erklärung, welche beide Höfe auf den Bericht ihrer Gesandten eingesandt hatten, sich nicht zufriedengestellt erklärte und außerdem die preußischen Truppen - es war Ende des Jahres 1758 - überall freie Hand hatten, zerschlug sich das ganze Projekt.

Der Baron Lützow hatte getan, was in seiner Macht lag, um den Grafen Bernstorf zu einer Sinnesänderung zu bewegen. In häufigen Unterredungen hatte er ihm das Elend des Landes in den beweglichsten Ausdrücken geschildert. Der Minister war wohl aus seiner sonst sehr reservierten Haltung herausgetreten, er hatte tiefes Mitgefühl gezeigt, sogar Tränen vergossen. Aber Alles, was Lützow erreichen konnte, war gewesen, dass der Graf versprach, durch Herrn von Ahlefeldt, den dänischen Gesandten in Berlin, Vorstellungen bei der preußischen Regierung tun zu lassen.

Unterdessen waren die preußischen Truppen zum zweitenmale - Dezember 1758 - in Mecklenburg eingerückt. Der Herzog schrieb außer sich an seinen Gesandten in Kopenhagen: auf einen Wink des dänischen Hofes habe man das Protectorium fallen lassen, und nun werde man schnöder weise im Stiche gelassen! Er solle jetzt versuchen, für die aufs Äußerste gefährdeten mecklenburgischen Truppen ein Asyl in Dänemark in der Weise auszuwirken, dass dieselben beim Einrücken der Preußen über die dänische Grenze gehen und beim Abmarsche derselben wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten.

Graf Bernstorf erklärte sich bereit, die mecklenburgischen Truppen aufzunehmen, verlangte aber, dass dieselben während der ganzen Dauer des Krieges der Krone Dänemark gewissermaßen in Verwahrung gegeben und dem Könige einen Eid des Gehorsams schwören sollten. Ging der Herzog auf diese Pläne ein, so gab er alle Hoheitsrechte über seine Truppen - mit alleiniger Ausnahme des Rechts, dieselben besolden zu dürfen - aus der Hand und tat definitiv seinen Entschluss kund, an dem Kampfe gegen Preußen aktiv nicht teilnehmen zu wollen, wozu ihn Österreich und Frankreich unablässig zu bewegen suchten. Damit wäre aber auch jede Hoffnung auf Entschädigung an Land und Geld beim Friedensschlusse verloren gewesen. Der Herzog lehnte deshalb die Vorschläge des dänischen Ministers ab (16. Februar 1759).

Unterdessen hatte Graf Bernstorf wiederholt freundschaftliche Vorstellungen in Berlin tun lassen, aber nur die von vielen Freundschaftsversicherungen begleitete Antwort erhalten, der König sei nur aus dem Grunde in Mecklenburg eingerückt, um den Schweden die mecklenburgische Kornkammer zu verschließen.

Der Schweriner Hof gab aber dennoch die Hoffnung nicht auf, durch dänische Vermittlung Hülfe zu erlangen. Er beauftragte seinen Gesandten, den Grafen Bernstorf um den Abschluß eines Defensiv-Bündnisses anzugehen. Auch hierauf ging der dänische Minister bereitwilligst ein, aber wiederum nur unter der Bedingung, dass die Höfe von Wien und Versailles sich bereit erklärten, Dänemark beizustehen, wenn dasselbe dieses Bündnisses wegen von Preußen angegriffen würde. Da durch die Gesandten Österreichs und Frankreichs eine solche Erklärung nicht zu erlangen war, wurde der Baron Dittmar in Wien beauftragt, vom Grafen Kaunitz eine entsprechende Instruktion f?r den Grafen Dietrichstein 1) zu erwirken. Dittmar sprach aber umgehend die dringende Bitte aus (10. April 1759), durch diesen Nebenauftrag doch das Hauptnegoce, welches jetzt im guten Fluss sei, nicht stören zu wollen. Als nun (1. Mai) Baron Lützow berichtete, der Graf Bernstorf habe ihm vertraulich - die dänische Regierung wollte dem Herzog ungern einen offiziellen Abschlag geben - gesagt, dass er bestimmt wisse, der König von Preußen könne Mecklenburg nicht entbehren und er würde den als Feind ansehen, der ihn dort stören würde, beschloss der Herzog, seinen Gesandten aus Kopenhagen abzuberufen. Auf Anraten des österreichischen und französischen Gesandten wurde der Baron Lützow Anfang Juni von seiner Regierung angewiesen, seine Unterhandlungen zu sistieren und auf Urlaub nach Mecklenburg zurückzukehren.

Den Mächten der Koalition, welche gehofft hatten, durch Übertragung des Protectoriums an den König von Dänemark, auch diesen Staat zur Teilnahme an dem Kriege gegen Preußen zu bewegen, kam die Abreise des Baron Lützow von Kopenhagen sehr ungelegen. Herr von Champeaux erhielt den Auftrag, das dringende Ansuchen an den Herzog zu stellen, den Gesandten auf seinen Posten zurückkehren zu lassen. Infolgedessen begab sich Letzterer im August 1759 nach Kopenhagen zurück, mit der Instruktion, die früheren Verhandlungen wieder anzuknüpfen, wiederum mit dem kaiserlichen Protectorium in der Tasche. 2)

1) Der österreichische Gesandte in Kopenhagen.

2) Wäre Baron Lützow abergläubisch gewesen, hätte er es als ein böses Omen ansehen müssen, dass das Schiff, auf welchem er die Überfahrt machte, tagelang durch einen Sturm umhergeworfen, bei Fehmern strandete, wo er mit Mühe das Land erreichte und über Laland und Falster nach Kopenhagen gelangte.


Es begann nun dasselbe diplomatische Spiel bis in den Herbst hinein. Als aber die schwedische Armee Miene machte, sich über die Peene zurückzuziehen, mußte die mecklenburgische Regierung ernstlich daran denken, ihre Truppen in Sicherheit zu bringen, denn die Insel im Schweriner See konnte Letzteren keinen Schutz gewähren, wenn Frostwetter eintrat. Die Regierung knüpfte daher durch die Vermittelung des Herrn von Champeaux und des französischen Gesandten in Stockholm, Verhandlungen wegen Gewährung eines Asyls für die mecklenburgischen Truppen an. Am 29. Oktober 1759 wurde mit dem General Lantinghausen eine Konvention des Inhalts abgeschlossen, dass dem Herzog gestattet wurde, seine Truppen nach der Insel Rügen überzuführen, mit der Befugnis, dieselben zurückzurufen, wenn es ihm beliebte und unter der Bedingung, dass dieselben unter keinen Umständen sich aktiv am Kriege gegen Preußen beteiligen sollten.

Der Abschluß dieser Konvention war sehr geheim gehalten worden, auch vor Baron von Lützow. Als Letzterer dieselbe (Anfang November) dem Grafen Bernstorf mitteilen mußte, war dieser außer sich: Wünschenswerteres hätte dem König von Preußen gar nicht passieren können, nun habe er einen Vorwand, das arme Mecklenburg ganz zu vernichten. „Der Graf,“ berichtet Lützow, „war über das Unglück seines Vaterlandes so gerührt, dass er Tränen vergoss und sich gar nicht wieder erholen konnte.“ Bald aber wurde es Baron Lützow fühlbar, dass der Vertrag mit Schweden seine Position am dänischen Hofe unhaltbar gemacht hatte. „Die National-Eifersucht zwischen Schweden und Dänemark ist zu groß,“ berichtete er nach Schwerin. Auch der König, welcher sich sonst überaus gnädig gegen den Gesandten gezeigt hatte, wurde kalt in seinem Benehmen; der Hof folgte seinem Beispiele und Lützow war froh, als der Herzog ihm (Mai 1760) erlaubte, eine Badereise nach Pyrmont anzutreten.

Als der General Lantinghausen Anfang November 1759 sich hinter die Peene zurückgezogen hatte, hielt der Herzog seine Truppen im Lande nicht mehr für sicher und befahl dem General Zülow, nach Rügen abzumarschieren. Am 13. November rückten die mecklenburgischen Regimenter in Stralsund ein und wurden am 15. und 16. nach der Insel übergeschifft. Die Stärke derselben betrug 49 Offiziere und 896 Mann.

Im stummen Gehorsam rückten die Truppen nach ihrem Zufluchtsort in der Fremde ab, aber in den Aufzeichnungen der Offiziere lesen wir, wie tief gedemütigt diese wackeren Männer waren, als sie unrühmlichen Abschied von der Heimat nehmen mußten, für welche zu kämpfen ihr Beruf war, und zu deren Verteidigung sie freudig bereit gewesen wären, ihr Herzblut zu verspritzen.

In Schwerin waren als Besatzung 100 Mann zurückgeblieben, Halbinvaliden, welche den Befehl hatten, bei Annäherung des Feindes nach der Festung Dömitz zu marschieren. Von der Leibgarde wurden, als der Herzog sich mit seiner Begleitung im November nach Lübeck begab, die Pferde im Lande untergebracht, die Waffen, die Montierungsstücke, das Sattel- und Zaumzeug in Kisten verpackt nach Lübeck in Sicherheit gebracht. Die Leibgardisten wurden für die Dauer der Invasion in Zivilkleidern nach Hamburg, Altona und Lübeck beurlaubt mit der Weisung, sich dort Arbeit zu suchen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg