Die allgemeine Kriegslage im Jahre 1761

Wiederum waren die Anstrengungen der verbündeten Mächte während des Jahres 1760 fruchtlos gewesen und Friedrich der Große hatte das Feld behauptet. Als das Jahr 1761 anbrach, waren die Neigungen fast aller Höfe friedlich. Frankreichs Handel hatte der Seekrieg vernichtet, seine Finanzen waren völlig erschöpft. Der russische Kanzler hätte gerne die Hand zum Frieden geboten, wenn er nur die Mittel gefunden hätte, den glühenden Hass der Kaiserin Elisabeth gegen den König von Preußen zu besiegen. In Schweden war der König und das Volk dem Kriege gegen das protestantische Preußen stets abhold gewesen; nun, da die französischen Subsidien nicht mehr regelmäßig gezahlt wurden und das Gold zur Bestechung der Mitglieder des Reichsrats zu versiegen begann, bildete sich im letzteren, unter Führung des Obersten Pechlin, eine Partei, welche die Teilnahme an dem Kriege gegen Preußen entschieden verdammte. Selbst Maria Theresia, bisher die Seele der Koalition, war nach dem Verlust der Schlacht bei Torgau und bei der überaus großen Zerrüttung der österreichischen Finanzen in ihrem Gewissen beunruhigt, ob die gänzliche Erschöpfung ihres Staates nicht dessen Sicherheit gefährden würde, selbst bei nicht unglücklicher Beendigung des Krieges.

Mehr aber als seine Feinde war der König von Preußen des Friedens bedürftig. Fünf Kriegsjahre hatten die Kräfte des Landes völlig erschöpft; der Kern der Truppen war auf den Schlachtfeldern geblieben und die Armee konnte nur durch Annahme von Überläufern, durch gewaltsame Rekrutierung in Sachsen und Mecklenburg, oder durch Einstellung von Gefangenen ihre Lücken ausfüllen. Dazu kam, dass der bisherige treue Bundesgenosse, König Georg II. von England, gestorben war und sein Nachfolger entschieden friedliche Neigungen hatte. Zwar bewilligte das Parlament im Dezember 1760 noch die bisherigen Hilfsgelder in der Höhe von 670.000 £, doch man fühlte, dass der Eifer für den Krieg im englischen Volke erkaltete.


Dies allgemein gefühlte Friedensbedürfnis führte dazu, dass zwischen Österreich, Frankreich, Russland, Schweden und Sachsen einerseits und Preußen und England andererseits ein Friedens-Kongress vereinbart wurde, welcher zu Augsburg stattfinden und im Juli eröffnet werden sollte. Da aber die Verhandlungen zwischen Frankreich und England über einen Separatfrieden gescheitert waren und die Mächte sich schon über die Vorfragen nicht einigen konnten, so kam der Kongress - die Gesandten hatten schon Wohnungen in Augsburg gemietet - nicht zu Stande und der Krieg nahm seinen Fortgang.

Der diesjährige Operationsplan der Verbündeten war, durch eine vereinigte russisch-österreichische Armee, unter den Befehlen des Feldmarschalls Butturlin und des Generals Laudon Schlesien zu erobern, während eine zweite österreichische Armee unter dem Feldmarschall Daun gemeinschaftlich mit der Reichsarmee die Eroberung Sachsens vollenden sollte. Ein selbstständiges russisches Corps unter dem General Romanzoff hatte den Auftrag Colberg zu erobern. Vor dieser zweimal vergeblich belagerten Festung war gewissermaßen die russische Waffenehre engagiert und schon bei Beginn des Jahres wurden die umfassendsten Vorbereitungen getroffen, sich dieser Festung, deren Einnahme für den Besitz Pommerns durchaus notwendig war, zu bemeistern. Hiermit war auch der schwedischen Armee ihre Aufgabe gestellt. Während die Feldzüge der früheren Jahre resultatlos verlaufen mußten, weil denselben entweder ein klar durchdachter Operationsplan nicht zu Grunde lag, oder weil bei so weit ausgreifenden Unternehmungen, wie es der Marsch auf Berlin war und bei der Neigung der verbündeten Heerführer, sich gegenseitig im Stiche zu lassen, die Stärke des Heeres nicht ausgereicht hatte, so konnte der schwedische Oberbefehlshaber in diesem Jahre keinen Augenblick zweifelhaft sein, wohin er seine Schritte lenken sollte. Wenn er an der Spitze von 15.000 Mann dem Corps Romanzoff, welches nach und nach zu einer Stärke von 30.000 Mann angewachsen war, vor Colberg die Hand reichte, so war für ihn nichts zu befürchten und mit dem Falle dieser Festung, die Herrschaft der Preußen auf Stettin beschränkt. Es gehörte aber eine Vorbedingung zum Gelingen dieses Planes und dieser fehlte - der beiderseitige gute Wille!

Nach dem Abmarsche des Prinzen von Württemberg übernahm der Oberst Belling wiederum den Oberbefehl über die preußischen Truppen in Mecklenburg. Der Ruf dieses geschickten und kühnen Husaren hatte sich weithin durch alle Lande verbreitet; von ferne und nahe eilten Abenteurer aller Nationen seinen Fahnen zu, so dass es ihm gelang, sein Regiment im Winter 1760/61 von 5 auf 10 Schwadronen zu bringen und im Frühjahr sogar noch ein 3. Bataillon zu 5 Schwadronen zu errichten, ohne einen einzigen der in Mecklenburg gewaltsam ausgehobenen Rekruten hierzu verwendet zu haben. Sein Corps bestand nunmehr aus den beiden Bataillonen des Freiregiments Hordt (10 Compagnieen) mit 6 Bataillonsstücken und 10 Eskadrons Husaren - das 3. Bataillon war zur Armee des Königs geschickt -, in Summa: 1.000 Mann Infanterie und 1.300 Husaren. An der Spitze dieser winzigen Truppenmacht sollte sich der Oberst im Laufe dieses Jahres der sechsfach stärkeren schwedischen Armee gegenüber als Meister im kleinen Kriege bewähren und unsterblichen Kriegsruhm erwerben!

Die nächste Beschäftigung des Oberst Belling war, die noch rückständigen Zahlungen und Lieferungen einzutreiben, nicht allein für den Unterhalt seiner Truppen, sondern auch zur fortgesetzten Speisung der preußischen Magazine an der mecklenburgischen Grenze, von wo die Lebensmittel- und Fourage-Transporte zur Armee und weiter in die preußischen Festungen abgeführt wurden.

Der Oberst hatte sich durch die Geradheit seines Wesens und die Loyalität seines Charakters das ganz besondere Vertrauen des Herzogs und seiner Minister erworben. Zwar mußte er die großen Lieferungen, wie es der bestimmte Befehl des Königs war, mit unnachsichtlicher Strenge einfordern, allein man konnte unbedingt auf sein gegebenes Wort bauen und er hielt Ordnung und strenge Mannszucht unter seinen Truppen. So traten wieder geordnete Beziehungen zwischen den mecklenburgischen Behörden und dem preußischen Kriegs-Kommissariat ein. Nach einer mündlichen Übereinkunft des Obersten mit den Mitgliedern des Engeren Ausschusses trat, nachdem die herzogliche Regierung hierzu ihre Einwilligung gegeben, Anfang Juni im preußischen Hauptquartier zu Diekhof bei Lage ein Konvent zusammen, durch welchen alle rückständigen Lieferungen geregelt und außerdem eine neue Geldforderung von 20.0000 Thalern bewilligt wurde, von welcher die Stadt Rostock allein 50.000 Thaler zahlen sollte.

Die Feindseligkeiten zwischen den Schweden und Preußen waren nach stillschweigendem Übereinkommen auch nach Ablauf der zu Ribnitz geschlossenen Waffenruhe, welche bis Ende März währen sollte, verlängert worden. Beide Parteien arbeiteten mit großem Eifer daran, ihre Truppen für das kommende Jahr auf kriegstüchtigen Fuß zu setzen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg