Die Mission Baron Dittmars nach Wien

Als die mecklenburgische Regierung sich durch ihre Abstimmung im Januar 1757 mit voller Entschiedenheit auf die Seite Österreichs gestellt hatte, war sie sich der Gefahr voll bewusst, welche ihr drohte, wenn die Waffen Friedrichs II. siegreich waren. Sie hatte mit Freuden die Hand ergriffen, welche ihr der König von Frankreich entgegenstreckte, in dem Gefühl dass Kaiser und Reich allein gänzlich ohnmächtig seien, Hülfe und Schutz zu gewähren, sie suchte aber trotz dem feste Anlehnung auch an das Haus Österreich. Der Baron Teuffel, vertraut mit den Verhältnissen am Wiener Hofe, war der Ansicht, dass man zu dem Ende einen Abgesandten an den Kaiserhof schicken müsse. Dies bestätigte auch der Vizekanzler Graf Coloredo, an welchen sich Baron Teuffel vertraulich gewandt hatte. Derselbe schrieb, man sei in Wien bereit, einen Traktat mit dem Herzoge abzuschließen, wenn Letzterer sich verpflichten wolle, sowohl im Reichstage, wie überall im kaiserlichen Interesse zu handeln. Der Herzog beschloss jedoch vorsichtigerweise in der Sache nicht weiter vorzugehen, bis sich das Kriegsglück zu Gunsten Österreichs entschieden habe. Als am 18. Juni 1757 die Schlacht bei Kollin geschlagen und Böhmen von den Preußen geräumt war, rieten ihm seine Minister dringend, nun nicht mehr zu zögern. Infolgedessen richtete der Herzog - am 29. Juni - zwei gleichlautende Schreiben nach Wien, an die Kaiserin-Königin und an den Kaiser - an Letzteren nur, um seine Ergebenheit gegen Kaiser und Reich zu betonen -, in welchen er alle seine Wünsche in Bezug auf die verpfändeten Ämter, auf Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster und in Bezug auf völlige Entschädigung, wenn er etwa wider Erwarten in den Krieg hineingezogen werden sollte, den österreichischen Majestäten dringend ans Herz legte.

Wir erwähnten bereits, dass der Herzog, nachdem im Dezember 1757 die preußischen Truppen in Mecklenburg eingefallen waren, am 18. Februar 1758 eine Beschwerdeschrift beim Kaiser eingereicht hatte und wodurch diese Angelegenheit so sehr verzögert wurde.


Im April 1758 teilte die mecklenburgische Regierung dem Kaiser den Abschluß des zweiten Vertrags mit Frankreich (vom 1. Dezember 1757) mit, was in Wien mit großer Befriedigung aufgenommen wurde und am 19. Mai 1758 ließ der französische Gesandte am Kaiserhofe, Mr. de Stainville durch Mr. de Champeaux den Herzog ersuchen, in Wien Schritte zu tun, damit der Kaiser sowohl, wie die Kaiserin von Österreich dem zwischen Frankreich und Mecklenburg abgeschlossenen Traktate beitrete. Hieraufhin richtete der Herzog - 30. Mai - wiederum zwei Schreiben an den Kaiser und an die Kaiserin-Königin, obwohl es ihm nicht leicht wurde, diesen Schritt zu tun, da er es bitter empfunden hatte, dass seine Schreiben vom 29. Juni vorigen Jahres, also fast ein Jahr lang, ohne Antwort geblieben waren. Ehe aber diese Schreiben an ihre Adresse gelangten, lief in Schwerin endlich - am 30. Mai - die längst erwartete Antwort Maria Theresias ein - wohl auf Veranlassung des französischen Gesandten -, dass sie beim etwaigen Friedensschlusse das Interesse des Herzogs nicht aus den Augen verlieren würde. Als nun einige Monate später der französische Minister Bernis dem Schweriner Hofe mitteilen ließ, dass die Kaiserin-Königin dem zweiten französischen Traktate beizutreten wünsche und als der inzwischen zum Herzog von Choiseuil erhobene Mr. de Stainville schrieb, er erwarte nunmehr mit Bestimmtheit die Ankunft eines bevollmächtigten Ministers in Wien, dessen Schritte zu unterstützen er den Befehl habe da entsandte der Herzog den Baron Dittmar mit ausgedehnten Vollmachten an den österreichischen Hof.

Die Entsendung des Vizekanzlers fand statt, als Louis XV. durch den Sturz Bernis und durch die Berufung Choiseuil-Stainville's zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten seinen Entschluss kund getan hatte, den Krieg gegen den König von Preußen mit aller Energie fortzuführen. Es darf uns daher bei dem heißblütigen Charakter des Baron Dittmar nicht Wunder nehmen, wenn der Minister mit dem größten Eifer ans Werk ging und sich mit den hochfliegendsten Plänen trug. Noch vor seiner Abreise setzte er dem Herzog in einem ausführlichen Memoire auseinander, dass Mecklenburg nach der Invasion außer den Ämtern Lauenburg und Wismar völlige Schadloshaltung werden müsse. Ja, er ging sogar soweit, von dem geringen Gebiet, welches die Koalition, dem Teilungsvertrag vom 1. Mai 1757 gemäß, dem König von Preußen noch lassen wollte, die Priegnitz für Mecklenburg zu fordern, wogegen aber der besonnene Graf von Bassewitz so entschieden Protest erhob, dass von dem abenteuerlichen Projekt im Ministerrat nicht ferner die Rede war.

Der Baron Dittmar galt von der Zeit der Werbungsstreitigkeiten her dem Könige von Preußen als die Seele des Preußenhasses in Mecklenburg; er fand es daher für geraten allen unliebsamen Begegnungen mit preußischen Streifparteien aus dem Wege zu gehen und reiste über Bremen, Holland, Schwaben und Bayern nach Wien. Am 18. Dezember 1758 in der österreichischen Hauptstadt angekommen, wurde er in der Antrittsaudienz sehr huldvoll empfangen. Maria Theresia äußerte sich sehr teilnehmend über das dem Herzog widerfahrene Unrecht und entließ den Minister tränenden Auges mit den Worten: „Gott wird endlich dem Gerechten beistehen!“

Der Baron Dittmar hatte in Wien zwei von einander getrennte Verhandlungen zu führen. Seine Instruktion lautete zunächst den Beitritt der Kaiserin von Österreich zu dem französisch-mecklenburgischen Bündnis vom 1. Dezember 1757 zu betreiben und demnächst eine Deklaration des Kaisers herbeizuführen, welche dem Herzog seine Ansprüche auf die Ämter u. s. w. und volle Entschädigung zusicherte. Daneben sollte der Minister noch beim Reichshofrat erwirken, dass die Gläubiger, welche die vom Herzoge Carl Leopold kontrahierten Schulden bei diesem Gerichtshofe eingeklagt hatten, mit ihren Forderungen abgewiesen würden.

Leicht war es nicht, selbst für den gewandtesten Diplomaten, am österreichischen Hofe eine Sache rasch zum Abschluß zu bringen. Im Januar 1759 reichte der Vizekanzler eine Denkschrift ein und erst im Mai nach endlosen Verzögerungen und Vorverhandlungen übersandte der Bevollmächtigte Maria Theresias der Staatskanzler Graf Kaunitz, dem Baron Dittmar einen Vertragsentwurf, welcher in Schwerin sofort unverändert angenommen wurde. Am 29. Mai wurde der Vertrag in Form „einer Konvention zur Aufrechterhaltung der deutschen Reichsgrundverfassung abgeschlossen und von Kaunitz und Dittmar unterzeichnet.

Während in dem ersten Artikel dieses Traktats beide Teile einander aufrichtige Freundschaft und Einverständnis gelobten, verhieß der Herzog in den Artikeln 2 - 6 für sich und seine Nachkommen im Wesentlichen nichts Anderes, als dem Erzhause treu, hold und gewärtig sein zu wollen. Dagegen versprach die Kaiserin-Königin in den Artikeln 7 - 9 dem Herzog das Beste seines Landes nach Möglichkeit zu fordern, beim Friedensschlusse ihm Ersatz und Entschädigung zu verschaffen und die Waffen nicht eher niederzulegen, als bis seine etwa vom Feinde in Besitz genommenen Lande wieder geräumt seien. Der wichtigste aber war ein besonderer und geheimer Zusatzartikel. In demselben trat Maria Theresia dem französisch-mecklenburgischen Traktate vom 1. Dezember 1757 in Allem und Jedem bei. Der Baron Dittmar mußte die größte Vorsicht anwenden, um diesen Vertrag, den man beiderseits streng zu secretiren beschlossen hatte, ungefährdet nach Schwerin zur Ratification gelangen zu lassen. Die Chifferschrift, in welcher die Korrespondenz des Gesandten mit seinem Hofe geführt wurde, war bei einem Staatsvertrage nicht anwendbar und es lag die Gefahr nahe, dass derselbe preußischen Streifparteien in die Hände fiel. Deshalb schickte er das Aktenstück in einer Kiste, worin künstliche italienische Blumen verpackt waren und die er mit einem doppelten Boden hatte versehen lassen, nach Hamburg an einen Kaufmann und dieser, der selbst nichts von dem Inhalt wusste, sandte die Kiste als Postpacket nach Schwerin.

Der Vertrag wurde in Schwerin durch den Herzog am 3. und von Maria Theresia am 29. August 1759 ratifiziert.

Der Vizekanzler machte sich nun sofort an die Erfüllung auch des zweiten Teiles seines Auftrags, mit dem Kaiser über die Entschädigung zu paktieren.

Wenn zu den Verhandlungen mit dem Grafen Kaunitz Zeit und Geduld gehört hatte, so bedurfte Baron Dittmar, um bei den Bevollmächtigten des Kaisers zum Ziele zu gelangen - Geld. Der Hofrat Schmidt hatte, um die Bedenklichkeiten - rationes dubitandi - des Grafen Coloredo und einiger Reichshofräte zum Schweigen zu bringen, die sofortige Übersendung von 2.000 Dukaten für unumgänglich notwendig erachtet. „Die solidesten Systemate und Allianzen,“ schrieb der Baron Dittmar. „müssen durch Geld unterhalten werden, wie bei allen großen Maschinerien die Freiheitsräder natürlicherweise geschmiert werden müssen.“ Eine so große Summe sogleich aufzubringen war aber bei der gänzlichen Erschöpfung der herzoglichen Kassen völlig untunlich. „Bares Geld kann ich nicht geben,“ schrieb der Herzog an Dittmar, „wenn aber die genannten Personen es fertig bringen, mir die 12 Ämter, Lauenburg, Wismar mit Poel und Neukloster zu verschaffen, will ich ihnen zusammen eine jährliche Pension von 14.000 Gulden lebenslänglich geben.“ Inzwischen hatte es aber die diplomatische Geschicklichkeit des Baron Dittmar doch erreicht, eine formelle Agnitionsakte zu den beiden französisch-mecklenburgischen Traktaten in Form einer kaiserlichen Deklaration herbeizuführen, welche in 3 Artikeln verhieß, dem Herzog beim Friedensschlusse eine Entschädigung und Rückgabe der 12 Ämter, sowie eine Anwartschaft auf Lauenburg, Wismar u. s. w. zu verschaffen.

Diese Deklaration wurde, da sie kein eigentlicher Staatsvertrag war, vom Kaiser nicht unterschrieben, sondern nur mit dem kaiserlichen Siegel versehen, auch nur von den österreichischen Bevollmächtigten, dem Grafen Coloredo und dem Freiherrn von Borié, am 30. Juni 1759 unterzeichnet.

Ganz ohne Versprechungen von barem Gelde scheint aber der mecklenburgische Minister diese Deklaration nicht erreicht zu haben, denn im Dezember desselben Jahres übersandte ihm der Herzog die zur Bestechung der Reichshofräte verlangten 2.000 Dukaten. 1)

Der Herzog hatte erreicht, was er sehnlichst erstrebt. Zwei mächtige Staaten und außerdem das Oberhaupt des deutschen Reichs hatten sich feierlich verpflichtet, seine Ansprüche beim Friedensschlusse zu vertreten. Das waren glänzende Aussichten, wenn nur dem sehr künstlichen Gebäude der Verträge das Fundament nicht gefehlt hätte - die Ratifikation des zweiten französischen Traktats. Ohne letztere war der Vertrag selbst und die auf demselben basierenden mit dem Hause Österreich und dem deutschen Kaiser abgeschlossenen Traktate völlig ohne Wert.

Der Baron Dittmar war sich dessen völlig bewusst und richtete, als er die kaiserliche Deklaration einsandte, an seine Regierung die dringende Bitte, nunmehr die Ratifikation des zweiten französischen Vertrags zu beschleunigen. Der hieran sich knüpfende Briefwechsel des Gesandten mit seinem Hofe macht einen eigentümlichen Eindruck. In jedem Briefe drängt die Regierung ihren Minister die Ratifikation durch den französischen Gesandten in Wien bewerkstelligen zu lassen und dieser schließt keine Depesche ohne die Frage, ob denn Mr. de Champeaux noch nicht im Besitze der Ratifikation sei? Es gehörte viel Perfidie seitens des Versailler Hofes und eine seltene Schulung seiner Diplomaten dazu, um den Herzog und seine Räte mit meisterhafter Gewandtheit 5 Jahre lang hinzuhalten, dass sie die Hoffnung auf französische Hülfe niemals ganz aufgaben und dadurch bewogen wurden, ihrer bisherigen Politik treu zu bleiben.

1) Zur Bestechung der 3 Referenten des Reichshofrats in der Schuldforderung der Gläubiger Carl Leopold - es handelte sich um 200.000 Thaler - erhält Dittmar im Jahre 1760, 1200 Dukaten.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg