Die 1. und 2. Offensive der schwedischen Armee im Jahre 1758

Die 1. und 2. Offensive der schwedischen Armee im Jahre 1758 und Rückkehr des Herzogs nach Ludwigslust; Kriegsschaden des Jahres 1758.

Einem sofortigen Vorrücken der schwedischen Armee über die Peene stand im Juni des Jahres 1758 nichts weiter entgegen, als ihre eigene Unfähigkeit zu kriegerischen Unternehmungen.


Mit 16.000 Mann war der Feldmarschall Ungern-Sternberg im Jahre 1757 bei Stralsund gelandet und ohne Widerstand zu finden bis Pasewalk und Prenzlau vorgerückt. Als aber das Lehwaldtsche Corps von der Weichsel heranmarschierte, hatte der schwedische Oberbefehlshaber am 12. November sofort den Rückzug angetreten, hatte an der Peenelinie einen kurzen Halt gemacht und war dann in unrühmlicher Eile bis Stralsund und Rügen zurückgewichen. Hier ging das Oberkommando an den Generallieutenant von Rosen über, nachdem Feldmarschall Ungern den wegen Kränklichkeit erbetenen Abschied erhalten hatte. Die schwedische Armee war durch Krankheiten aller Art, welche eine beispiellos schlechte Verpflegung, die Überhäufung der Festung mit Mannschaften und der harte Winter hervorgerufen hatten, derart geschwächt, dass sie bei Beginn des Frühjahrs 1758 nur 7.000 Waffenfähige zählte. Der Reiterei fehlten 1.000, der Artillerie und den Trains 1.400 Pferde; der Rest war teils unbrauchbar, teils durch Futtermangel entkräftet. Es währte bis zum Juli, dass die Regimenter durch Einstellung der Reconvalescenten und durch Ankunft von Verstärkungen aus Schweden auf eine Effectivstärke von 16.000 Mann gebracht und die Offensive wieder aufgenommen werden konnte. Gegen die Mitte des Juli war die Armee an die Peene vorgerückt und besetzte Demmin und Anklam, einige Tage später auch das Fort Peenemünde. Der Oberbefehl war wiederum in andere Hände übergegangen; an die Stelle des wegen geschwächter Gesundheit sich zurückziehenden Generals v. Rosen trat der General-Lieutenant Hamilton.

Während dieser Zeit ereignete sich in Rostock ein Vorfall, welchen wir hier erwähnen wollen, weil er dazu beitrug, den Zorn, den der König gegen Herzog Friedrich hegte, zu erhöhen und die Maßnahmen der Preußen beim Wiedereinrücken in Mecklenburg zu verschärfen.

Anfang Juli 1758 rückte der schwedische Oberst-Lieutenant Graf von Löwenhaupt an der Spitze von 400 Mann Fußvolk und 400 Reitern in Rostock ein und eröffnete dem Engeren Ausschusse, er habe von seiner Regierung den Auftrag, zu verhindern, dass die von den Preußen ausgeschriebenen Kontributionsgelder weiter bezahlt würden, sowie die in der Landes-Rezeptur-Kasse befindlichen Summen in Beschlag zu nehmen; denselben Auftrag habe der Offizier, welcher mit 70 Mann in Güstrow eingerückt sei, woselbst sich eine Filiale der Rezeptur-Kasse befand.

Das Begehren des schwedischen Befehlshabers erregte unter den Mitgliedern des Engeren Ausschusses die höchste Bestürzung. Man erwiderte, die ursprüngliche, ganz unerschwingliche Forderung der Preußen von 2.500.000 Thalern sei mit der größten Mühe soeben auf eine Million herabgehandelt worden; wenn nun die Zahlungen stockten, seien beim Wiedereinrücken der preußischen Truppen die schlimmsten Folgen für das Land zu befürchten; auch hätten Letztere ja noch die Geißeln der Ritterschaft in Händen. Da der Graf Löwenhaupt aber bestimmt auf seiner Forderung beharrte, wandte sich der Engere Ausschluss an den Herzog, welcher im Juli von Lübeck in seine Residenz zurückgekehrt war, und Letzterer erreichte durch die Vermittelung des Mr. de Champeaux und des französischen Militair-Bevollmächtigten im schwedischen Hauptquartier, des Marquis von Montalembert, dass der Oberst-Lieutenant Löwenhaupt mit seinem Detachement Rostock verließ; aber nicht ohne auf Befehl des Generals Hamilton zwei Mitglieder des Engeren Ausschusses, den Oberst-Lieutenant a. D. von Drieberg und den Bürgermeister der Stadt Rostock Mantzel in das schwedische Hauptquartier abzuführen, weil der Engere Ausschuss sich geweigert hatte, einen eidlichen Revers zu unterschreiben „keinerlei Gelder oder Lieferungen, unter welchem Vorwande es auch sei, an den König von Preußen abzuschicken.“

Die mecklenburgischen Herren wurden im schwedischen Hauptquartier sehr freundlich behandelt, nur warf ihnen der General Hamilton ihr unpatriotisches Benehmen auf dem vorjährigen Landtage vor und erklärte, er würde, wenn die Rezeptur-Kasse ohne sichtbaren Zwang Gelder an Preußen abführe, sich die gleiche Summe von Mecklenburg zahlen lassen.

Unter diesen Umständen hielt es der Herzog für geboten, der Gewalt zu weichen und der Rezeptur-Kasse die Weisung zu erteilen, vorläufig die Zahlung der Kontributionsgelder an Preußen einzustellen. Es waren bis dato gezahlt worden: 542 258 Thaler.

Im Hauptquartier des Grafen Dohna wohin die mecklenburgischen Kontributionsgelder abgeführt werden mußten, zweifelte Niemand daran, dass der Herzog die Schweden ins Land gerufen habe, um sich der lästigen Zahlungen zu entledigen. Der Hauptmann a. D. von Vegesack, welcher im Auftrage des Engeren Ausschusses in Berlin stationiert war, um dort die Gelder von Rostock in Empfang zu nehmen, wurde sofort nach Frankfurt a. O. gerufen, vom Grafen Dohna sehr hart angelassen und mit der höchsten Ungnade des Königs bedroht, welcher in einigen Tagen mit der Armee dort erwartet wurde. Bestürzt eilte Vegesack nach Berlin zurück um dort die fällige Quote aufzuleihen; allein er mußte nach Rostock melden, dass er vergeblich hohe Provision und enorme Zinsen geboten; seit dem Einrücken der Schweden in Rostock wolle ihm in Berlin Niemand einen Thaler leihen.

Die mecklenburgischen Stände waren sehr erzürnt über diese Affaire, von der sie nur Unheil für das Land vorhersahen; wie sie denn überhaupt sehr wenig mit der ganzen preußenfeindlichen Richtung der Politik des Herzogs übereinstimmten. Der Engere Ausschuss schrieb einen sehr schroffen Brief an die Regierung: „Warum sie denn die Schweden ins Land gerufen!? Nun sage der König, er habe ein Recht mit Mecklenburg umzugehen, wie seine Feinde - die Russen - mit seinen Landen getan, zumal da der Herzog ihm nun auch noch das bisher neutral gewesene Dänemark auf den Leib zu hetzen versuche.“ Die Regierung erwiderte - etwas kleinlaut -, sie habe die Schweden nicht gerufen, ließ aber das Verbot der Zahlungen bei Bestand.

Herzog Friedrich war nach dem Abmarsche der preußischen Truppen mit seinen Ministern und seinem Hofe vorläufig noch in Lübeck geblieben; erst als die Schweden Mitte Juli 1758 die Peene überschritten, war er nach Ludwigslust zurückgekehrt. Mit schwerer Sorge im Herzen hatte er sein Land verlassen; mit freudiger Hoffnung auf bessere Zeiten kehrte er zurück, denn die Chancen begannen wieder ein günstigeres Aussehen zu gewinnen. Von Osten her nahte die mächtige Hülfe der Russen, und die Schweden schickten sich an, in das Herz der preußischen Monarchie einzudringen. Im Lande aber gab es für die Regierung viel Arbeit; vor Allem galt es der aufgeregten und verschüchterten Bevölkerung Vertrauen einzuflößen und die vielfach gelockerten Bande der bürgerlichen Ordnung wieder zu befestigen.

Von den herzoglichen Truppen blieb die Leibgarde und das Regiment Alt-Zülow, bei welchem letzteren die beiden in Güstrow gefangenen Compagnien neu errichtet waren, in Schwerin in Garnison, während das Regiment Jung-Zülow nach Güstrow verlegt wurde, jedoch mit der Instruktion für den Kommandeur, nach eigenem Ermessen nach Schwerin abrücken zu dürfen, wenn ernstliche Gefahr drohe. Den Compagniechefs wurde aufgegeben, ihre Compagnien durch Werbung im Lande schleunigst zu komplettieren, jedoch sollte jede gewaltsame Werbung den Offizieren bei Strafe der Kassation untersagt sein.

Im Oktober d. J. geriet die Regierung mit der Stadt Rostock in Konflikt, welcher ein Einschreiten der bewaffneten Macht zur Folge hatte.

Rostock hatte während der preußischen Invasion mehr als die übrigen Ortschaften des Landes durch Einquartierung und Naturallieferungen zu leiden gehabt, und verlangte daher bei der Aufbringung der preußischen Kontributionsgelder besonders berücksichtigt zu werden. Als nun die Schweden die Abführung der Gelder aus der Rezeptur-Kasse an Preußen verboten und den Bürgermeister als Geisel mitgenommen hatten. hielt sich der Magistrat nicht mehr für verpflichtet, die auf Rostock fallende Quote weiter zu entrichten und verweigerte hartnäckig jede weitere Zahlung, „die ja keinen Zweck mehr habe.“ Als infolgedessen ein Offizier mit 30 Mann nach Rostock gesandt wurde, um die Zahlung executorisch beizutreiben, erwachte der alte hanseatische Trotz, die Stadt Schloss ihre Tore und verweigerte dem Kommando den Einmarsch. Der Offizier war gezwungen, sich mit seinen Leuten in der Vorstadt einzuquartieren.

Die Regierung war aber keineswegs gesonnen, diese Auflehnung der Stadt hinzunehmen. Der Generalmajor von Zülow erhielt Befehl, mit seinem ganzen Regiment nach Rostock zu marschieren und die Exekution auszuführen. Am 4. November ließ der General seine Compagnien zu gleicher Zeit gegen das Stein- und das Kröpeliner-Tor vorrücken und drohte mit ungesäumter Gewalt. Hierauf ließ es indessen der Magistrat nicht ankommen und öffnete die mit Stadtsoldaten und bewaffneten Arbeitern besetzten Tore. Bis zum 15. Dezember blieb das Regiment in der Stadt, wurde dann aber nach Schwerin zurückgezogen, weil die Annäherung der preußischen Truppen ein längeres Verbleiben gefährlich erscheinen ließ. Um aber faktisch das Besatzungsrecht nicht aus den Händen zu geben, wies die Regierung den General von Zülow an, den Hauptmann Michel Kredewahn mit seinen Invaliden aus Sülze und Ribnitz heranzuziehen und ihnen die Stadtschlüssel sowie die Torwachen zu übergeben.

Die Lasten, welche den mecklenburgischen Landen durch die Invasion der preußischen Truppen von Ausgang Dezember 1757 bis zum Juli des Jahres 1758 auferlegt wurden, waren sehr erhebliche. Freilich wurden von den geforderten Millionen in Wirklichkeit nur 542.258 Thaler bar bezahlt, aber die Schäden und Kosten, welche das Land an Korn -, Fourage -, Pferde- und Viehlieferungen, an Exekutionskosten, Durchmärschen und Einbuße durch unbestellte Felder zu erleiden gehabt hatte, beliefen sich auf 1.252.346 Thaler, so dass der Gesammt-Schaden 1794604 Thaler betrug. Außerdem wurden 1.556 Menschen gewaltsam als Rekruten weggeführt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg