Der erste Vertrag mit Frankreich vom 1. April 1757

Als die herzogliche Regierung im November 1756 ihren Comitialgesandten instruiert hatte, voll und ganz für die kaiserlichen Propositionen einzutreten, war sie, wenn sie auch öffentlich geltend machte, mit ihrer nach Pflicht und Gewissen vollzogene Abstimmung den Rechtsboden der Reichsgesetze nicht verlassen zu haben, doch darauf gefaßt, das Schicksal Sachsens zu teilen, wenn der weitere Verlauf der Kriegsereignisse dem Könige die freie Verwendung seiner Streitkräfte gestatten würde. Sie ergriff daher mit Freuden die Gelegenheit, die sich ihr darbot, um sich den Schutz einer auswärtigen Großmacht zu sichern. Am 12. November schickte König Louis XV. von Frankreich, als Garant des Westfälischen Friedens auftretend, seinen Residenten am niedersächsischen Kreise, den Sieur de Champeaux, welcher seinen Wohnsitz in Hamburg hatte, an den Schweriner Hof, „als Dolmetscher der Gefühle Seiner Majestät und in dem festen Vertrauen, dass der Herzog, der so eifrig für das Wohl des Deutschen Reiches besorgt sei, willig dazu beitragen werde, Recht und Gesetz in demselben wieder herzustellen.“

Der Gesandte wurde mit offenen Armen in Schwerin aufgenommen und die Vorbesprechungen nahmen einen günstigen Verlauf. Am 10. Januar 1757 - dem Tage der verhängnisvollen Abstimmung in Regensburg - übergab derselbe der herzoglichen Regierung seinen ersten Vertragsentwurf.


So geheim aber auch die Verhandlungen geführt wurden, dieselben kamen doch bald in die Öffentlichkeit; König Friedrich wurde zu gut durch seine Diplomaten bedient. Im März wurde dem Altonaer Reichpostreuter aus dem Haag geschrieben, „dass man in Schwerin beschäftigt sei, eine weitläufige Deduction von den Forderungen des Herzogs aufzustellen, dass Frankreich in wichtigen Unterhandlungen mit dem Schweriner Hofe stehe und gewillt sei, dem Herzog soviel Geld zu zahlen, dass er die an Preußen und Hannover verpfändeten Ämter wieder einlösen könne“.

Dieser Artikel erregte in Schwerin große Bestürzung. Wenn nach den Satzungen des Westfälischen Friedens auch jedem deutschen Staate zustand, Traktate mit auswärtigen Mächten abzuschließen, sofern dieselben nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet waren, so konnte es auf der anderen Seite doch keinem Zweifel unterliegen, dass derjenige Staat, gegen welchen eine solche Allianz geschlossen wurde, das Recht hatte, die Verbündeten seiner Feinde auch seinerseits als Feinde zu behandeln. Dieser französische Vertrag war daher verhängnisvoll für Mecklenburg, denn er gab dem Könige von Preußen das formelle Recht in die Hand, dasselbe als im Kriegszustande mit sich zu betrachten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob dieser Vertrag defensiver oder offensiver Natur war, ob der Herzog von Mecklenburg seine Truppen zur Armee des Königs von Frankreich stoßen ließ oder ob er die Operationen desselben nur indirekt unterstützen half. Die Regierung war sich der Gefährlichkeit ihres Verfahrens auch völlig bewusst; erschreckt gab sie sofort ihrem in Altona stationierten Postmeister den Auftrag, den Redakteur des Reichspostreuters zu veranlassen, die gefahrdrohende Nachricht zu widerrufen. Dies geschah in einer der nächsten Nummern der Zeitung, aber mit der Geheimhaltung des abschließenden Bündnisses war es vorbei.

Am 1. April wurde folgender Vertrag von Mr. de Champeaux, den mecklenburgischen Ministern Graf Bassewitz und Baron Dittmar und dem Kammer-Präsidenten von Both unterzeichnet:

Art. I. Der Herzog verspricht den Feinden des Königs von Frankreich und dessen Verbündeten, nämlich der Kaiserin-Königin und deren Alliierten, weder direkt noch indirekt Hülfe an Truppen, Rekruten . zu gewähren.

Art. II. Der Herzog verpflichtet sich in Befolgung des Reichstagsbeschlusses vom 17. Januar 1757 seine Stimme und seinen Beistand nicht zu dem Zweck abzugeben, um aus dem gegenwärtigen defensiven Kriege einen Religionskrieg zu machen oder die Beschlüsse des Reichs zu durchkreuzen, noch sich dem Einmarsch fremder Truppen zu widersetzen, welche der König als Garant des Westfälischen Friedens und als Bundesgenosse der Kaiserin-Königin nach Deutschland senden wird, um die Unruhen im Reiche zu stillen.

Art. III. Der Herzog verspricht den Truppen des Königs und seiner Alliierten freien Durchzug durch seine Lande gegen Bezahlung in den Etappen.

Art IV. Der König und der Herzog verpflichten sich gegenseitig ihre Deserteure auszuliefern.

Art. V. Dagegen verspricht der König seine guten Dienste zur Wiedererlangung der 12 Ämter, welche von Mecklenburg an Preußen und Hannover verpfändet sind und von diesen Mächten zurückbehalten werden.

Art. VI. Wenn in Folge dieses Vertrages die Lande des Herzogs während des gegenwärtigen Krieges angegriffen werden sollten, verpflichtet sich der König, die wirksamste Hülfe zum Schutz und zur Verteidigung dieses Landes zu leisten.

Art. VII. Der Vertrag soll so lange währen, bis der Friede in Deutschland hergestellt ist.

Art. VIII. Es soll ein unverletzliches Stillschweigen über diesen Vertrag beobachtet werden.

Art. IX. Der Vertrag soll spätestens 6 Wochen nach der Unterzeichnung ratifiziert werden.

In einem dem Vertrage beigefügten Separat-Artikel wurde gesagt, der König und der Herzog wären einverstanden, dass, wo in dem Vertrage von den Feinden Seiner Allerchristlichen Majestät und seiner Alliierten die Rede sei, unter diesen die Könige von England und Preußen zu verstehen wären.

Der Vertrag wurde am 19. April zu Versailles durch Louis XV. - gegengezeichnet Bouillé - und am 29. April von Herzog Friedrich ratifiziert.

Im Mai wurde eine Abschrift dieses Traktats unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses dem Hofrat Schmidt und dem Baron Teuffel zur Mitteilung an die kaiserlichen Minister übersandt. Als Mr. de Champeaux bald darauf nach Versailles abreiste, wurde demselben ein Schreiben mitgegeben, in welchem der Herzog dem Könige von Frankreich in den verbindlichsten Ausdrücken auch dafür dankte, dass seine Güte ihm die Freundschaft und den Schutz der Krone Schweden verschafft habe.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg